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Peace of Darkness

von Marion Kirchner

Kapitel 4

Kapitel 4 : Gitter aus Nebel



Es war kalt und nass, als Scully langsam erwachte. Sie lag auf etwas, das sich anfühlte wie feuchtes Gras, und sie hatte das starke Gefühl, sich nicht mehr in ihrem Zimmer zu befinden. Etwas verwirrt ließ sie ihre Hände auf dem Untergrund hin- und hergleiten. Sie lag tatsächlich auf einer Wiese. Erschrocken sprang sie auf und öffnete die Augen. Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie für einige Sekunden erstarren. Sie saß in einer kleinen Lichtung, die von großen, dunklen Bäumen umschlossen war. Nebel bahnte sich seinen Weg durch das Stamm-Labyrinth, eine hohe Luftfeuchtigkeit zog sich in ihre Lungen. Wo um Gottes Willen war sie, und wie war sie hier hingekommen? Kalter Wind wehte an ihr vorbei und ließ sie erzittern. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nur ihr Nachthemd vor der Kälte schützte. War sie schlafgewandelt? Sie richtete sich langsam auf und blickte an ihren Körper hinab. Das Nachthemd war vollkommen durchnässt, und auf ihrem Schienbein breitete sich ein langer blutiger Kratzer aus. Sie hatte sich also verletzt, aber wo und wann? Es war ihr ein Rätsel, als sie sich bis zum Rand der Lichtung bewegte. Etwas unschlüssig sah sie nach oben, das einzige, was sie wahrnehmen konnte, waren dicke Nebelschwaden, die sich über ihrem Kopf kräuselten. Kein Himmel, keine Baumkronen. Scully atmete tief durch. Allzu weit konnte sie sich wohl nicht von dem Snake entfernt haben, aber in welcher Richtung lag es? Unentschlossen drehte sie sich im Kreis und griff schließlich instinktiv nach ihrem Handy. Sie musste jedoch erschrocken feststellen, dass sie es nicht bei sich trug, ebenso wenig ihre Waffe.

„Verdammt“, murmelte sie. Sie fragte sich, ob es wohl schon Morgen war. Nein, es war mit Sicherheit Nacht, sagte sie zu sich selbst. Doch wie konnte sie das nur sagen, wenn sie vollkommen von Nebel und einem dichten Wald umschlossen war? Doggett würde nach ihr suchen, dessen war sie sich sicher, die Frage war nur, wie lange sie noch hier verweilen müsste, bis er sie fand…



Unruhig ließ sie ihren Blick von Stamm zu Stamm wandern. Sie hatte noch niemals einen so dichten Wald gesehen. Es war so dunkel, dass sie kaum drei Meter weit in die Umgebung spähen konnte. Sie fragte sich, von wo das wenige Licht, das die Lichtung erhellte, kam. Sie konnte nicht einmal einen einzigen Stern, geschweige denn den Mond erkennen. Sie wollte es sich zwar nicht eingestehen, doch ihr war dieser Wald unheimlich. Nicht ein einziger Laut drang an ihre Ohren, nur das Pfeifen des Windes riss sie ab und an aus ihren Gedanken. Sie ließ ein leises Stöhnen ihrer Kehle entweichen und streckte sich. Ihr Rücken schmerzte und auch der Kratzer auf ihrem Bein begann allmählich zu pochen. Was sollte sie tun? Hier bleiben und warten, bis sie jemand fand, war ihrer Meinung nach sinnlos. Sie wusste schließlich nicht einmal annähernd, wo sie sich befand. Außerdem war es ohnehin möglich, sie durch ihren Chip aufzuspüren, dies konnte nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, jedoch mehr, als ihr im Grunde lieb war. Sie verspürte den Drang, ihre Beine zu bewegen, etwas zu essen. Unruhig von einem Bein auf das andere tretend, entschied sie sich schließlich dazu, die Lichtung zu verlassen. Verirrt hatte sie sich bereits, das Funksignal konnte nicht verloren gehen, also warum hier verweilen?



Die Agentin spürte ein unangenehmes Gefühl, als sie ihre blanken Füße in die auf dem Boden liegenden Tannennadeln bohrte. Es fühlte sich kalt an, glitschig und noch dazu stachen ihr die kleinen Nadeln in die Fußsohle. Sie verfluchte sich selbst innerlich, nicht einmal Hausschuhe anzuhaben. Was oder wer um Himmels willen hatte sie dazu bewegt, sich in einem Wald zu begeben, ohne Verpflegung und mit einem durchnässten Nachthemd? Ihr Leben hatte sich in gewisser Weise seit dem großen Feuer nicht annährend verändert. Sie fand sich immer noch in den seltsamsten Situationen wieder, die ihr mehr als nur unangenehm waren. Sie fühlte, wie sie in den Nebel um sie herum eintauchte. Sie konnte nur wenig sehen, nur vereinzelt tauchten die schemenhaften Umrisse der Bäume vor ihr auf. Sie hatte jedoch keine Mühe, durch die dicken schwarzen Stämme zu laufen. Es war für sie beinahe so, als würde sie von einen unsichtbaren Hand an ihr Ziel geführt. Um nicht im Kreis zu laufen, versuchte sie sich einigermaßen an die Reihen der Bäume zu halten. Was durchaus schwierig war, da sie immer wieder das Gefühl hatte, die Richtung geändert zu haben, ohne es zu merken. Innerlich musste sie plötzlich grinsen. Was waren in dieser Welt nicht alles für Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, was hatte man nicht alles für Regeln und Gesetze eingeführt, um Verbrechen zu verringern. Was hatte sich verändert? Garnichts, es gab immer noch Leute, die fähig waren, ihre Mitmenschen zu töten, die nächste Bank auszurauben. Man konnte sie zwar schneller aufspüren, doch geschehen war geschehen. Eine Haftstrafe brachte keine Leben zurück…

Scully verdrehte die Augen, hoffentlich fand man sie früh genug.



Etwas unsicher blickte sie noch einmal nach oben. Sie hatte das Gefühl, als bewege sich eine undurchdringbare Schicht über ihrem Kopf, die sie vollständig von der Außenwelt abschloss. Sie zitterte erneut und fragte sich, wann sich der Nebel endlich lichten würde. Anstatt auseinander zu driften, schien er immer dichter zu werden. Plötzlich hielt sie abrupt inne, hatte sie nicht eben etwas gehört? Langsam drehte sie sich um, hielt sich dabei an einem Baumstamm fest, um nicht die Orientierung zu verlieren. Es war kälter als zuvor, oder bildete sie sich das nur ein? Sie zuckte zusammen. Wind blies direkt in ihren Nacken, kalt. Sie fuhr herum, wollte ihren Weg fortsetzen. Doch sie konnte nicht. Irgendein Gefühl sagte ihr, dass es besser war hier zu bleiben. Sie sah sich unentschlossen um. Nichts außer den Schatten mehrerer Bäume lag in ihrem Blickfeld. Es war wie in einem riesigen Spukschloss, die Bäume waren die Möbel, und der Nebel war die Wand. Erneut durchfuhr ein Geräusch die Stille. Scully schwang sich instinktiv hinter den Baum, obwohl sie nicht genau ausmachen konnte, aus welcher Richtung es kam. Wieder hörte sie es. Es war ein leises Knacken, das sich jedoch durch die dunkle Stille hindurch umso besser herausfiltern ließ.



Wieder griff Scully nach ihrer Waffe, ihre Hand schreckte jedoch abrupt zurück, als sie mit dem nassen Stoff in Berührung kam. Wieder drang das Geräusch an ihre Ohren, es schien näher gekommen zu sein. Lauerte ihr jemand auf oder war sie gefunden worden? Scully lehnte sich tief durchatmend an den Baumstamm und wartete. Sie versuchte, möglichst leise zu atmen, war sich aber nicht sicher, ob dies die richtige Reaktion war. Was, wenn der, der auch immer dieses Geräusch erzeugte, tatsächlich beabsichtigte, sie zu finden und nun weiterzog? Langsam beugte sie sich etwas nach vorne und spähte durch den Nebel. Sie konnte nichts ausmachen, das lebendig aussah, geschweige denn menschlich. Sie hörte zwar nichts, verspürte aber dennoch die Ahnung, dass sie nicht allein war. Plötzlich, es ertönte zum wiederholten Male. Diesmal so laut, dass sie fast glaubte, es stände direkt neben oder vor ihr. Was sollte sie tun? Hastig bückte sie sich und griff nach dem Erstbesten, das sie in ihre Finger bekam. Sie hielt es sich vor Augen. Es war ein Stein, groß genug, um einen normalen Gegner außer Gefecht zu setzen. Angespannt umfasste sie ihn in ihren Händen und hielt ihre Hand zum Wurf bereit. Wieder das Geräusch. Sie zuckte zusammen. Sah sie etwas? Angestrengt presste sie ihre Augen zusammen. Da war etwas, ein Schatten, ein Umriss, der vielleicht drei Bäume neben dem stand, hinter dem sie selbst Schutz gesucht hatte. Es war eine große, dünne Gestalt, die dort stand und den Anschein machte, als wolle sie sich nie mehr fortbewegen. Wer oder was dies war, vermochte sie nicht zu sagen, doch in einem war sie sich sicher: Er war nicht hier, um sie zu finden. Man hätte nach ihr rufen müssen, oder verschluckten diese Nebenschwaden jegliche Töne?



Scullys Hand verkrampfte sich langsam. Sie ließ sie vorsichtig sinken, spannte sie immer noch an, um jederzeit von dieser primitiven Waffe Gebrauch machen zu können. Sie hörte, wie ihr Atem zu rasseln begann. Sie bekam schwer Luft, die Luftfeuchtigkeit hatte noch mehr zugenommen, der Nebel hatte sich noch enger um sie geschlossen. Die Gestalt schien dies nicht wahrzunehmen. Sie stand immer noch dort, ohne sich zu bewegen, still und schweigend.



Plötzlich vernahm die Agentin einen seltsamen Ton. Er klang wie ein Horn, nur spitz, schrill, fremdartig. Die Gestalt drehte sich auf einmal um, schien daraufhin zu horchen. Scully verspürte den Drang wegzurennen. Doch die Neugier in ihr wollte diese Situation erst erkunden, sie begreifen. Das Horn verklang wieder. Die Person drehte sich wieder in ihre Richtung. Scully lief es auf einmal eiskalt den Rücken hinunter. Es war, als starre dieses Etwas sie an. Sie trat einen Schritt zurück. Die Figur bewegte sich ebenfalls, diesmal auf sie zu. Das Knacken hallte in Scullys Ohren wider. Ihr Atem wurde schneller, unkontrollierterer. Sie verspürte Angst, irrationale Angst. Sie wusste aus Erfahrung, dass diese etwas zu bedeuten hatte. Innerlich wehrte sie sich zwar fortwährend dagegen, doch sie wusste, dass der Mensch einen bestimmten Sinn hatte, einen Sinn, der in vielen Umständen lebenswichtig war.



Die Gestalt kam noch näher. Die Agentin glaubte, ein Summen wahrzunehmen. Es hörte sich an wie Atemstöße, die gierig aus dem Rachen eines Wesens wichen. Scully hielt den Stein hoch, war bereit, auf ihren Beobachter zu zielen. Plötzlich beschleunigte das Ding seine Schritte. Es kam immer näher. Auf einmal schoss es regelrecht auf sie zu. Das Knacken wurde immer lauter. Sie wusste nicht, wie ewig es sein konnte, drei Meter zu überschreiten. Es war vor ihr, sie konnte es nicht genau erkennen, doch es war kurz vor ihr. Es hechelte, und sie holte mit dem Arm weit aus, schmetterte den Stein auf die Gestalt. Sie hörte ein dumpfes Knacken, so als habe sie einen Knochen gebrochen. Sie hoffte, das Wesen so aufhalten zu können, doch es kam näher, immer näher. Sie fasste sich schließlich, schritt zurück, rannte weiter. Sie lief genau dorthin, genau dahin, wovor ihr Gefühl sie gewarnt hatte. Der Wind blies ihr ins Gesicht, sie vermochte nichts mehr zu sehen. Einzig eine schwarze Wand tat sich vor ihr auf, ab und an einige Bäume. Sie sah zurück. Die Gestalt war dicht hinter ihr. Sie kam näher. Scully beschleunigte ihre Schritte, wusste, dass sie nicht mehr schneller werden konnte. Ihr Atem wurde immer schwerer, die Gestalt kam näher. Sie hastete, geriet ins Straucheln, und plötzlich verschwand der Boden unter ihren Füßen. Sie geriet in Panik, als sie auf etwas Hartes aufschlug. Der Untergrund war schief gelegen. Sie rutschte ab, riss Unmengen von kleinem Geröll mit sich, prallte immer wieder gegen etwas. Sie versuchte sich festzuhalten, sah jedoch nicht an was. Schließlich verspürte sie einen dumpfen Schlag an ihrem Hinterkopf und verlor das Bewusstsein.
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