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Freitag, der 13te?

von Steffi Raatz

Kapitel 1

Freitag, der 13te?

"1001 Fettnäpfchen für Profis"

Autorin: Stephanie Raatz











Kennen Sie das auch? Es gibt Tage, an denen man lieber im Bett bleiben sollte. Irgendwie erschien es mir schon wie so einer dieser Tage, als ich durch den Lärm eines Preßlufthammers geweckt wurde und verstört auf meinen Wecker starrte. Die große roten Leuchtzahlen ergaben für mich erst keinen Sinn, als dann jedoch mein Gehirn begann langsam zu arbeiten, realisierte ich entsetzt, daß ich bereits eine halbe Stunde zu spät dran war.

Sicher, man kommt ab und zu zuspät. So etwas ist nicht äußerst ungewöhnlich, doch ich sage Ihnen, damit nahm das Ganze erst seinen Lauf.

Ich schwang mich also aus dem Bett, war natürlich völlig in Eile und übersah die Glanzheftchen, die am Boden lagen. Mein nackter Fuß klebte auf dem Papier und ich dachte mich schon verschont von morgendlichen Turnübungen, da gab das Heft nach und zog meinen Fuß quer durch das Zimmer. Ich konnte mich zwar halten, doch meine Bänder und Sehnen beklagten sich anschließend schwer über meine Spagatversuche.

Humpelnd schleppte ich mich ins Bad und betrachtete mein unrasiertes Abbild im Spiegel. Meine Augen hatten tiefe Ränder, deuteten auf eine durchgezechte Nacht, die nie erfolgt war, meine Haut war schlaff und grau, fast wie bei einer Mumie.

"Tu mir nichts, dann tu ich dir auch nichts!" brummte ich den Kerl im Spiegel an und griff nach meinem Rasierer...



Später...

Der Fleck auf meiner Krawatte war nicht zu übersehen. Leider stellte ich das erst fest, als ich bereits mein Büro betrat und von einem blauen Paar Augen fixiert wurde.

"Ja, ich weiß, ich habe einen Fleck auf der Krawatte", murrte ich und riß mir den Schlips vom Kragen.

Diesen Morgen ging aber auch alles schief. Erst hatte ich mich beim Rasieren geschnitten - eine Tatsache, die mir eigentlich schon peinlich genug war - und dann war mir beim Frühstück zwischen Tür und Angel auch noch Marmelade auf meine Krawatte getropft.

Nach fünfminütiger Schrubberei hatte es endlich so gewirkt, als hätte ich die Kleksschlacht geschlagen, doch ich hatte mich anscheinend getäuscht.

Begutachtend fiel mein Blick auf die Aktenberge auf meinem Schreibtisch, wohin ich den Stoffstreifen, der bis vor kurzem noch an meinem Hals gehangen hatte, demonstrativ geschleudert hatte. Ein entnervter Seufzer entfuhr meiner Kehle, während ich den Tisch umrundete und mich auf meinen Stuhl nieder ließ. Weiß Gott, in diesem Augenblick hätte wirklich nur noch gefehlt, daß der Stuhl unter mir zusammengebrochen wäre, doch in diesem Fall meinte es das Schicksal gut mit mir.

"Haben wir heute einen schlechten Tag?",, ertönte die Stimme meiner Kollegin und ich konnte das Grinsen um ihre Mundwinkel förmlich hören.

Ich lehnte mich angespannt zurück und überschlug meine Beine, wobei mir ihr Blick auffiel, der sich langsam auf meine Füße richtete und dort hängen blieb. Vorsichtig folgte ich ihrem Blick und befürchtete bereits, daß ich unterschiedliche Schuhe tragen würde.

Meine Schuhe sahen glücklicherweise identisch aus, was mir jedoch Sorgen machte, waren die unterschiedlich farbenen Socken, die in den Schuhen steckten.

Zwei unterschiedliche Grautöne, zwei unterschiedliche Schwarz- oder Blautöne, nichts wäre annähernd so schlimm gewesen wie die Kombination, die sich an meinen Füßen abzeichnete - schwarz-weiß.

Ich besaß seit Jahren keine weißen Socken mehr. Wozu auch hätte ich Sie tragen sollen? In meinem Schrank hingen fast ausschließlich schwarze oder dunkelgraue Anzüge. Aber nein, ich hatte tatsächlich irgendwo aus meinem Schrank das Relikt meiner Jugend ausgegraben.

Ich zuckte mit den Schulter, war es doch sowieso schon entdeckt worden und es paßte ja auch so wunderbar zu meinem derzeitigen Zustand, was sollte ich es also jetzt noch verstecken.

Kurze Zeit später wurden wir zu unserem Vorgesetzten, Skinner, beordert. Es machte sicherlich einen merkwürdigen Eindruck, daß ich fast einen halben Kilometer Abstand zu meiner Kollegin hielt, aber nachdem mir meine eigenen Füße mal wieder im Weg gewesen waren...

Ja, es war tatsächlich so, nicht nur, daß ich es geschafft hatte, über meine eigenen Füße zu stolpern, nein, ich hatte es doch tatsächlich auch noch geschafft, meine Partnerin dabei fast mit zu Boden zu reißen.

Mich verwunderte es gar nicht, als sie mich auf meinem Alkoholkonsum des Vortages ansprach.

Sehen Sie, ich hatte am Vortag keinen Tropfen Alkohol zu mir genommen. Im Grunde trinke ich fast nie. Trotzdem sah ich nicht nur körperlich nach einer durchzechten Nacht aus, sondern meine Motorik vermittelte auch diesen Anschein.

Während ich also noch krampfhaft überlegte, ob ich eventuell etwas Verdorbenes gegessen hatte und ein Gärungsprozeß in meinem Magen stattfand und mich durcheinander brachte, öffneten sich die Fahrstuhltüren und das wirkliche Unheil nahm seinen Lauf.

Ich kann nicht begreifen, wie ich bei meinen Vorahnungen überhaupt in diesen Fahrstuhl steigen konnte und doch tat ich es, drückte seelenruhig den Knopf für die richtige Etage und ließ meine noch einigermaßen funktionierenden drei Gehirnzellen weiter nach der Ursache meines Zustandes forschen.

Das Alarmschrillen, welches nur wenige Sekunden nach Start und plötzlichem Stop ertönte, hätte auch aus meinem Schädel stammen können. Der ruckartige Stop hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht und mich unsanft gegen die Wand geschleudert. Zu meinem Glück war nur meine Partnerin mit im Fahrstuhl, sonst hätten sich meine Kollegen vermutlich wieder den Mund über mich zerrissen.

Was war das nur für ein erbärmlicher Tag?

"Ob Sie uns schnell hier raus holen?", ertönte die Stimme meiner Partnerin in meinen Ohren.

Ich sah sie direkt an und sah Sorge in ihren Augen. Ganz sicher war ich mir nicht, aber ich hätte schwören können, daß es nicht die Sorge darum war, daß wir hier feststeckten. Vielmehr vermutete ich ihre Sorge um meine Nerven dahinter. Labil war im Moment vermutlich noch untertrieben für meinen Gemütszustand.

Glücklicherweise war unser Aufenthalt in dem Fahrstuhl nicht von all zu langer Dauer. Wenige Minuten nach dem ohrenbetäubenden Schrillen der Alarmglocke, setzte sich unser Gefährt wieder in Bewegung und brachte uns auf die nächst gelegene Etage.

Als sich die Türen öffneten und ich mehr oder weniger erleichtert aufsah, trafen mich die Blicke einiger versammelter Kollegen.

Und während ich noch rätselte, wieso auf deren Gesichtern ein Lächeln erschien und alle sich zu amüsieren schienen, faßte sich meine Partnerin neben mir an die Stirn und starrte auf mein Hemd.

Ein Blick genügte und ich hatte das peinliche Desaster erfaßt. Mein Hemd war bis zur Hälfte falsch zugeknöpft und sah aus, als ob ich es in Eile geschlossen hätte. Sicherlich, ich hatte ja auch morgens mit der Zeit zu kämpfen gehabt, doch in diesem Augenblick machte es vielmehr den Anschein, als ob ich das Hemd im Fahrstuhl hatte eiligst wieder schließen müssen.

Ich lächelte meine Partnerin verlegen an und versuchte mich zu entschuldigen, doch es nützte nichts. Das Gerücht, wir wären uns im Fahrstuhl an die Wäsche gegangen, nahm bereits eine unkontrollierbare Form an.

Alles was ich noch machen konnte, war ihr zu folgen und den Termin zu wahren.



Später....

Es gibt viele Variationen des Themas Pech. Ich denke, an diesem Tag hatte ich die Variante "1001 Fettnäpfchen für Profis" für mich allein gebucht.

Während ich den Besuch bei Skinner unbeschadet und rückblickend voller Hoffnung auf ein Ende dieser schrecklichen Vorfälle hinter mich brachte, braute sich außerhalb meines Wahrnehmungsvermögens das nächste Unheil zusammen.

Meine Partnerin Scully, von der ich bisher immer uneingeschränkte Loyalität erfahren hatte, hatte sich bereits aus meinem Dunstkreis entfernt und nahm lieber die zweideutigen Blicke einiger Kollegen in Kauf, als sich weiterhin der Gefahr auszusetzen, von mir in ein weiteres Schlamassel katapultiert zu werden.

Ich nahm ihr das nicht übel. Nein, wirklich nicht. Es kränkte mich ein wenig. Ein wenig, doch in meiner Position war ich sowieso recht anfällig für derartige Emotionen.

So kam es also, daß ich allein in meinem Kellerbüro saß und völlig unkonzentriert einige Akten durchforstete, die mir durch meinen Vorgesetzen Skinner ausgehändigt worden waren. Munter stellte ich vage Theorien über Außerirdische, Schattenwesen und Monster auf, bis ich vor Langeweile fast vom Stuhl fiel. Sicher war es für meine und vor allem für ihre Sicherheit das Beste, sich an diesem Tag von mir fern zu halten, aber sie fehlte mir. Kein bissiger Kommentar, kein erboster Blick, wenn ich etwas Unsinniges von mir gab. Es war ja so langweilig.

Mein Blick schweifte mehr als nur einmal auf ihren Platz bis ich mich entschloß, meine Partnerin in den oberen Etagen aufzusuchen und sie zum Essen zu überreden.

Kaum, daß ich jedoch den Türgriff bewegte, hatte ich diesen auch schon in der Hand. Irritiert starrte ich das metallene Teil an, ehe mir bewußt wurde, daß ich mich quasi selbst eingesperrt hatte. Es brauchte schier unendlich viel Zeit, bis meine Gehirnzellen wieder zu arbeiten begannen oder zumindest ein gering schwindender Teil davon.

Schließlich kam mir die unsinnige Idee, den Versuch zu starten, den Griff wieder anzubauen und dann zu benutzen, als ob nie etwas gewesen wäre.

Wie lächerlich diese Vorstellung war, erfuhr ich wenige Augenblicke später, nachdem alle derartigen Versuche fehlschlugen.

Mein Blick fiel zum Telefon. Wenn ich eins verfluchte, dann war es meine eigene Dummheit. Statt wertvolle Zeit mit nicht funktionierenden und unsinnigen Reparaturversuchen zu vertrödeln, hätte ich auch gleich zum Telefon greifen können.

Ich schnappte mir also den Hörer, wählte die Nummer meiner Partnerin und hörte das Klingeln ihres Handys in unmittelbarer Nähe.

Suchend wanderte mein Blick durch den Raum und blieb am Mantel meiner Partnerin hängen, welcher über ihren Stuhl drapiert war. Aus dessen Jackentasche ertönte ein bekanntes Klingeln, welches mich augenblicklich emotional um einige Stufen zurückwarf. War denn an diesem Tag einfach alles gegen mich? Ich legte den Hörer wieder auf und begann laut zu fluchen. Sehr kreative Ausdrücke entsprangen meinem Munde und meine Partnerin, Scully, hätte mich mehr als nur einmal tadelnd angesehen.

Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, wählte ich seufzend die Nummer meines Vorgesetzten. Ich überlegte krampfhaft, ob es mir noch gelingen würde, diese äußerst peinliche Situation ins Gegenteil zu rücken, doch da hatte ich bereits Skinner in der Leitung und aus meinem Munde kam lediglich ein: "Öhm...?!"

"Mulder, sind Sie es?", ertönte seine Stimme erstaunt am anderen Ende der Leitung, "gibt es ein Problem mit den Akten?"

"Na ja", entgegnete ich, "ein Problem schon, aber nicht mit den Akten... könnten Sie jemanden zu meinem Büro schicken, der die Tür von außen öffnet?"

Ich ließ ganz bewußt aus, daß ich mich im Büro befand und hoffte, auch nicht näher darauf eingehen zu müssen.

"Haben Sie Ihren Schlüssel verloren oder was?"

"So könnte man das auch ausdrücken..." seufzte ich und hoffte, tatsächlich die peinliche Situation umschifft zu haben.

"Moment, Sie rufen mich doch aber von Ihrem Apparat an! Was geht hier eigentlich vor?", brummte Skinner, der sich von mir natürlich nicht gern auf den Arm nehmen ließ.

"Ich wollte die Tür von innen öffnen und hatte plötzlich den Türgriff in der Hand und jetzt bekomme ich die Tür nicht mehr auf", entgegnete ich mit einem lauten Seufzer.

Ein leises Husten erklang und ich wußte ganz genau, daß mein Vorgesetzter sich das Lachen verkneifen mußte.

Just im selben Augenblick öffnete sich die Tür und ich sah meine Partnerin den Raum betreten. Reflexartig starrte ich die Tür an, die sich hinter ihr wieder schloß und mit einem lauten Schnappen einrastete. Ich hatte gerade noch ein: "Scully, nicht, die Tür...!", rufen können, da war es schon zu spät.

Entgeistert starrte sie mich an und schüttelte den Kopf. Mir war klar, daß sie mich für verrückt hielt und so deutete ich nur zur Tür.

Ihr Blick wanderte zum Griff, der natürlich fehlte und dann wieder zu mir. Demonstrativ schwenkte ich den Knauf hin und her, ehe ich ihn schulterzuckend wieder vor mir auf dem Schreibtisch ablegte. Es wäre ja zu schön gewesen, um wahr zu sein...

"Die Tür..." Scully sah mich irritiert an.

"Ja, die Tür!", nickte ich eifrig und nahm den Hörer wieder ans Ohr, "Skinner, bitte schicken Sie jemanden, Agent Scully und ich kommen nicht aus dem Raum."

Schallendes Gelächter erklang am anderen Ende der Leitung und Skinner brachte nur ein kurzes: "Geht klar!", zustande, ehe er den Hörer auflegte.

"Die Tür geht nicht auf?", meine Partnerin starrte mich nicht ganz begreifend an.

"Jaha...", nickte ich, "die Tür geht nicht auf!", und hielt noch einmal den Knauf in die Höhe.

"Aber das muß gehen!", zischte sie und entriß mir den Knauf, um exakt den selben unsinnigen und nutzlosen Versuch zu starten, ihn wieder anzubauen, wie noch vor kurzem ich selbst.

"Diese glorreiche Idee hatte ich auch schon. Wenn das ginge, wäre ich wohl kaum noch hier", erwiderte ich mit verschränkten Armen und beobachtete sie bei ihren kläglichen Reparaturversuchen.

Der Griff landete schließlich mit einem lauten Knall auf ihrem Schreibtisch, während ich mir kaum mehr ein Schmunzeln verkneifen konnte. Es schien fast so, als ob ich nicht alleine vom Pech verfolgt wäre.

Ich hörte sie etwas über den Zustand des Gebäudes und das FBI fluchen, was so in etwa wie: "Sauladen und letzer Dreck", klang und mich doch in Bezug auf ihre Wortwahl sehr erstaunte, wenngleich auch amüsierte. Als ich dann jedoch ihre Faust gegen meinen Oberarm gerammt bekam, verging mir das Grinsen ein wenig.

"Und jetzt?", ärgerlich blickte sie mich an, die Arme ebenso vor der Brust verschränkt wie ich.

"Warten wir."

"Warten? Worauf? Daß wir hier versauern???", entgegnete sie muffig und tippte nervös mit ihrem Fuß auf und ab.

"Skinner müßte gleich hier auftauchen. Ich habe ihn informiert, daß wir festsitzen, als sie gerade die Tür hinter sich zu fallen ließen."

"Ja, ja, reiben Sie mir noch unter die Nase, daß ich Schuld bin!", brummte sie und setzte sich auf ihren Stuhl.

Ich seufzte und wanderte zurück zu meinem Schreibtisch, um mir die Wartezeit wenigstens mit diesen dämlichen Akten zu vertreiben, an denen ich schon den halben Vormittag saß.



Später...

Mein Magen gab einen furchtbaren Laut von sich und schien sich völlig zusammenzuziehen. Scully sah mich schief von der Seite an und ich zuckte nur mit den Schultern.

Mein Blick fiel auf die Uhr und ich hätte schwören können, daß die Uhrzeit nicht stimmen konnte. Es war doch unmöglich, daß wir bereits seit mehr als einer Stunde in unserem Büro saßen und auf Skinner warteten.

Ich betrachtete meine Partnerin, wie sie von ihrem Platz aufstand und im Raum auf und ab zu laufen begann.

"Kann es sein, daß wir schon seit einer Stunde hier sitzen und warten?", brach sie das Schweigen mit ziemlich genervter Stimme.

"Ich sitze, Sie laufen..." kommentierte ich und wurde von einem verachtenden Blick getroffen. Vermutlich war es nicht angebracht in unserer Situation einen Witz zu machen, andererseits fand ich es erleichternd, daß scheinbar nicht nur ich allein vom Pech verfolgt zu sein schien.

"Sehen Sie es positiv, Scully. Sie sitzen hier wenigstens nicht alleine fest", versuchte ich der Situation etwas positives abzugewinnen, doch die Tatsache, mit mir in einem Raum eingesperrt zu sein, schien sie eher negativ zu bewerten.

"Wenn Sie nicht wären, säße ich hier sicherlich gar nicht fest!", lautete ihr Kommentar und traf mich damit nun doch.

"Tut mir leid, daß ich gerade eine Pechsträhne habe!", zischte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, den Blick verärgert auf sie gerichtet.

"Pechsträhne? Ich würde sagen, Sie haben das Pech der ganzen Welt für sich alleine gepachtet!", entgegnete sie giftig und ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen.

"Damit wären wir wieder bei meinem Lieblingsthema: 1001 Fettnäpfchen für Profis!", brummte ich und lehnte mich in meinem Bürostuhl so weit zurück wie es ging.

"Lehnen Sie sich ja nicht zu weit zurück, Sie könnten ja umkippen!", entgegnete sie sarkastisch, doch sie hatte unweigerlich Recht.

Es dauerte keine zwei Sekunden, da krachte meine Stuhllehne und ich kippte samt Stuhl nach hinten weg und landete auf dem Rücken.

Die Luft blieb mir für einen unerträglich langen Augenblick weg. Mein Rücken sendete aus allen Bereichen Schmerzsignale.

"Alles in Ordnung, Mulder?", meine Partnerin kniete neben mir, ihre Hand auf meiner Schulter.

"Wenn ich wieder Luft kriege, ist alles bestens..." röchelte ich, ihre Hand wegstoßend.

Ich hatte auch meinen Stolz und nahm ihr ihren Spott noch immer sehr übel. Ich brauchte ihre Hilfe nicht. Ich nicht! Ich war nicht auf sie angewiesen. In keinster Weise!

"Ähm... Scully?", ich versuchte mich an einem der Tischbeine hochzuziehen, doch mein Rücken wollte da einfach nicht mitspielen und sendete Schmerzsignale aus, denen ich nicht gewachsen war. Ich dachte sofort an all die schwangeren Frauen, die sich mit schmerzenden Rücken und Geburtswehen herumplagen mußten. Gut, daß ich ein Mann war.

Trotzdem kam ich nicht hoch. Jedenfalls nicht alleine und es kostete mich äußerst viel Überwindung, meine Partnerin doch noch um ihre Hilfe zu bitten.

"Ich denke, Ihre Geste sollte bedeuten, daß Sie keine Hilfe von mir nötig haben", erwiderte sie mit voller Berechtigung, während ich versuchte einen besonders liebenswürdigen Blick aufzulegen:

"Scully, bitte...!"

Sie reichte mir mürrisch ihre Hand und versuchte mir hoch zu helfen, doch sie schaffte es nicht und machte statt dessen einen Satz nach vorne auf mich zu und landete auf mir. Ich konnte gerade noch die Arme zur Seite nehmen und sie halb auffangen, ehe mir zum wiederholten Male die Luft weg blieb.

"Ft....." erklang es aus meinen Lungen, während jegliche Luft herausgepreßt wurde. Auch sie schnappte nach Luft und blieb erschöpft liegen.

Just in diesem Augenblick öffnete sich die Tür zu unserem Büro und Assistant Director Skinner betrat den Raum. Sein Blick blieb an uns und unserer merkwürdigen Position hängen, begutachtete ihren halb hochgerutschten Rock, mein aus dem Hosenbund gelöstes Hemd und meine Hände, die an ihrer Taille ruhten.

Ich starrte Skinner an, dann Scully, die wiederum die Augen schloß und einen Stoßseufzer zum Himmel losließ.

Unser Vorgesetzter grinste breit, blieb uns aber einen Kommentar schuldig. Er betrachtete noch die defekte Klinke, schob einen Keil unter die Tür, damit diese nicht erneut zu fiel und verschwand dann kopfschüttelnd wieder.

Scullys Kopf sackte nach unten auf meinen Oberkörper und ich konnte sie etwas nuscheln hören, was so klang wie: "Warum tut sich der Boden nicht auf und verschluckt mich..."

Ich seufzte und strich ihr in einer liebevollen Geste durchs Haar: "Sehen Sie es mal so, schlimmer kann der Tag doch nicht mehr werden, oder?"

Ihr grimmiger Blick traf mich, verschwand dann jedoch langsam wieder aus ihrem Gesicht und machte Verzweiflung Platz. Ihr Kopf sackte erneut auf meinen Brustkorb und ich hörte und spürte sie tief ein und ausatmen, ehe sie wieder zu murmeln begann. Diesmal verstand ich sie jedoch nicht und ehrlich gesagt war es mir auch egal. Es war an der Zeit, daß sie von mir herunter kam. Ich war schließlich auch nur ein Mann und sie war eine zugegebenermaßen äußerst attraktive Frau. Ich hatte mir schon mehr als einmal vorgestellt.... aber darauf wollte ich nun wirklich nicht weiter eingehen.

"Scully..." versuchte ich sie vorsichtig anzusprechen, "wollen wir nicht wieder aufstehen?"

"Nein!", brummte sie in mein Hemd.

"Nein?", irritiert versuchte ich zu ihr hinunter zu blicken.

"Nein, ich will, daß sich der Boden auftut und mich verschluckt!", kam als Antwort.

"Scully, bitte! Wenn Sie nicht wollen, daß uns noch mehr Kollegen so sehen, dann stehen Sie jetzt auf!", erwiderte ich drängelnd.

"Ist mir egal!", kam die Antwort, die ich nicht wollte und auch nicht erwartet hätte.

"Scully, ich bin auch nur ein Mann!", entfuhr es mir schließlich ziemlich aufgebracht und da schien sie zu begreifen.

Abrupt sah sie auf, ihre roten Haare wehten mir durch das Gesicht und ihre blauen Augen starrten mich entgeistert an.

"Sie...? ...ohhhh!", mit einem Satz hatte sie sich hoch geschwungen und strich ihren Rock zurecht.

Und da war es wieder - ich sah sie an und verfluchte innerlich, daß ich sie fortgescheucht hatte. Ihre wunderhübschen Beine, ihre grazile Figur... Nein, nein, nein! Nicht schon wieder. Wirklich, es reichte mit meinen schmutzigen Fantasien. Sie war eine Kollegin, mehr nicht. Obwohl... oh man, da war es schon wieder. Es war einfach nicht fair.

"Diesen Tag sollte man im Kalender streichen!", zischte sie und reichte mir noch einmal die Hand, um mir hoch zu helfen.

Ich registrierte ihren mutigen Versuch mit Wohlgefallen, ergriff ihre Hand und ließ es diesmal nicht dazu kommen, daß sie wieder auf mir landete. Meine Hose schien mir schon so viel zu eng zu sein.

"Ich glaube, jetzt passiert uns nichts mehr... ich meine, mir passiert nichts mehr", fügte ich hinzu, als ich ihren ärgerlichen Blick auf mir spürte.

"Wie kommen sie darauf?", sie sah mich fragend an.

"Na ja", erklärte ich und versuchte dabei so gelassen wie möglich zu bleiben, "es gibt eigentlich nichts, was mir noch nicht passiert wäre und somit ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, daß noch mehr passiert."

"Und das glauben sie?", sie stemmte die Hände in die Hüften und sah mich forschend an.

"Nicht wirklich", gab ich mich geschlagen und verfluchte sie innerlich. Wieso mußte sie mir auch jegliche Illusion rauben? War es nicht schlimm genug, daß mir diese Dinge passierten?

Ich klopfte meine Hose aus, die den Staub und den Dreck vom Boden nur so angezogen hatte und betrachtete noch einmal mit Mißfallen meine unterschiedlichen Socken.

Vielleicht hätte ich zu Hause in meinem Bett bleiben sollen? Aber vermutlich wäre dann das Wasserbett defekt gewesen und ich hätte Tauchkurse in meiner Wohnung geben können.

Oh mein Gott, schoß es mir in den Kopf, hatte ich die Dusche überhaupt abgestellt? Zuzutrauen war mir ja momentan alles.

Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und begann krampfhaft darüber nachzudenken, doch meine kleinen grauen Zellen - sofern an diesem Tag noch welche existierten - brachten nicht das gewünschte Ergebnis hervor.

"Scully, ich hab ein Problem..." begann ich und versuchte die peinliche Situation mit ein wenig Humor zu entschärfen, "mein Gehirn scheint noch zu Hause im Schrank zu liegen und ich bin mir nicht sicher, ob es nicht gleich ertrinkt..."

Ihr Blick sagte alles und ich hätte mich für mein dämliches Gerede ohrfeigen können: "Sehen sie mich nicht an, als sei ich der Klappsmühle entsprungen... ich weiß nicht mehr, ob ich die Dusche abgestellt habe, das ist alles."

"Wann war das? Heute morgen? Dann hätte ihr Vermieter unter Garantie schon angerufen und sie in Kenntnis gesetzt", lamentierte sie und stützte sich auf ihrem Schreibtisch ab.

"Stimmt... sehen sie, wenn ich sie nicht hätte!", ich seufzte und stand wieder von meinem Stuhl auf. Mein Magen gab erneut unidentifizierbare Geräusche von sich und ich nahm es als Omen. Meinen Mantel ergreifend, stellte ich mich vor sie und lud sie zum Essen ein.

"Na gut, aber nur, weil ich einen Mordshunger habe!", lächelte sie und rückte mir mein Hemd zurecht, welches immer noch auf 180° hing und mich wie einen abgehalfterten Juppie aussehen ließ.

"Vielleicht wären sie heute morgen besser im Bett geblieben", seufzte sie und mir schien vergeben - für den Augenblick jedenfalls.

"Ohhhh, das habe ich auch schon gedacht, aber na ja, ich habe ein Wasserbett..." begann ich lediglich und sie rümpfte bereits wissend die Nase.

Tja, seufzte ich innerlich, meine Probleme waren so offensichtlich, daß selbst eine Andeutung ausreichend für sie war, um sich das nächste schlimme Szenario mit meiner Beteiligung vorzustellen.
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