World of X

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'Es war einmal...' und doch kein Märchen

von Missy, Steffi Raatz

Kapitel 1

"Guten Morgen, herzallerliebste Kollegin!"

Scully streifte Mulder mit einem zweideutigen Blick, einerseits erstaunt, andererseits mürrisch. Solch gute Laune an solch einem Morgen? Sie hatte gerade einen Termin bei Skinner hinter sich, zu dem Mulder wieder mal nicht erschienen war. Und wieder mal hatte sie nicht gewußt, wie sie ihn entschuldigen sollte. Es war doch jedesmal das gleiche.

"Ich weiß wirklich nicht, was an diesem Morgen so gut sein soll?!"

"Scully, Sie haben doch nicht etwa schlechte Laune?", neckte Mulder sie.

"Wir hatten einen Termin bei Skinner, vergessen?"

"Hatten wir?" Mulder blickte sie zwar erstaunt an, aber irgendwie kaufte sie ihm das nicht ab. Mit einem Seufzen ließ sie die Akte, die sie mitgebracht hatte auf Mulders Tisch fallen. Eine kleine Staubwolke verteilte sich um die Akte herum.

"Unser neuer Fall."

Scully wischte ihre Hände an einem Tuch ab und klopfte ihr Jackett aus, wo sich diverse Staubspuren erkennen ließen.

"Wo ist der denn ausgegraben worden?" Mulder hob den Aktendeckel mit spitzen Fingern an und betrachtete die vergilbten Seiten.

"Wahrscheinlich aus Hoover's Grab. Was weiß ich, Mulder!"

Er betrachtete ihr in Abscheu verzogenes Gesicht, welches ansonsten immer recht lieblich aussah, jetzt jedoch nur ihre Abneigung gegen den Staub und den neuen Fall widerspiegelte.

Hustend schlug er den Aktendeckel zur Seite und betrachtete die enthaltenen Seiten.

Nach mehrminütigem Schweigen richtete er seinen Blick wieder auf Scully. Er sah sie ungläubig an.

"Das ist nicht ihr Ernst, oder?"

"Ich verweise ein weiteres Mal auf Skinner!", seufzte Scully.

"Aber..."

"Ich weiß, setzen Sie 'Es war einmal' davor und Sie haben ein wunderbares Kindermädchen!", unterbrach sie ihn.

"Was heißt hier Kindermädchen? Wußten Sie nicht, dass Zwerge in jeder Kultur und bei vielen Völkern und deren Sagenwelt eine große Rolle spielten? Es gibt Wissenschaftler, die die Zwergenvölker mit außerirdischen Lebensformen in Verbindung bringen." er zwinkerte ihr zu und meinte lakonisch: "Vielleicht sollte ich Ihnen abends einige Gute-Nacht-Geschichten vorlesen? 'Rumpelstielzchen' oder 'Schneewittchen' könnte ich bieten. Scully, was haben Sie gelesen, als Sie ein kleines Mädchen waren? Lexika und Enzyklopädien oder Wissensspeicher?"

"Mulder, spotten Sie nur. Ich finde diesen Fall jedenfalls nicht sehr amüsant. Außerdem weiß doch jeder, dass es den Zwergenwuchs gibt."

Mulder entgegnete ungeduldig: "Ja, aber kleinwüchsige Menschen haben einen normal großen Kopf und Rumpf und verkürzte Gliedmassen, diese Beschreibungen passen da..."

"Nein, nein - es gibt zwei verschiedene Arten von Zwergenwuchs. Einmal den disproportionierten Zwergenwuchs, den Sie meinen und zum anderen den proportionierten. Hier sind alle Proportionen wie beim normal gewachsenen Menschen, nur eben bis maximal 130 cm Körperhöhe. Und da wiederum stimmt die Beschreibung!", erwartungsvoll schaute Scully Mulder an.

"Sagen Sie bloß, dass Sie an die Außerirdischenvariante glauben" meinte sie schließlich fassungslos.

Mulder machte ein unschuldiges Gesicht.

"Na gut, Scully, tragen wir doch erst mal die Fakten zusammen. Es gibt drei Skelette, die die Größe von Kindern haben, deren Untersuchungen aber ergeben haben, dass diese Lebewesen ungefähr 85 bis 100 Jahre alt waren, als sie starben. Die Skelette wurden 1967 bei Schachtarbeiten eines Hotelanbaus gefunden. Es waren zwei männliche und ein weibliches Skelett. Alle weisen schwere Schädelverletzungen auf." sagte er während er die Akte überflog.

"Warum, um alles in der Welt gräbt Skinner diesen alten Fall wieder aus, Scully?", fragend blickte er ihr in die Augen.

"Herzallerliebster Kollege, wären Sie zur Besprechung gekommen, wüßten Sie es längst. Gestern wurde auf dem selben Gelände nur 200 m entfernt vom ersten Fundort noch ein Skelett bzw. eine Leiche gefunden und dort schickt Skinner uns hin", lächelte sie ihn an, deutete aufs Telefon und meinte: "Tun Sie Ihre Pflicht Mulder, buchen Sie uns eine Bleibe und einen Flug - die Wahl des Hotels bleibt Ihnen diesmal ja erspart, die Hotelleitung bietet dem FBI sogar kostenlose Übernachtungen an, da sie so schnell wie möglich das Problem gelöst haben möchte."

"Scully, ich werde ein Doppelzimmer bestellen, damit ich Ihnen abends Märchen vorlesen kann", mit einem breiten Grinsen griff er zum Telefon.

"Na, dann passen sie mal auf, dass ich nicht meinen Hexenstab hervorzaubere und sie in einen Frosch verwandle!", zischte sie und verließ das Kellerbüro.



***



"Na, kommen Sie sich nicht vor wie Schneewittchen?", witzelte Mulder, während er der Stewardeß ihre Drinks abnahm.

"Wie kommen Sie jetzt bloß auf Schneewittchen?" Mulders Gedankengänge waren ihr wiedermal ein Rätsel.

"Zwerge... Schneewitchen... geht ihnen ein Licht auf?"

Er betrachtete Scullys verblüfftes Gesicht und war versucht in schallendes Gelächter auszubrechen.

"Irgendwann zahle ich ihnen das alles heim!", brauste sie auf und entriß ihm ihren Drink. Sie hatte die Nase gestrichen voll von seinen Sticheleien und das ging jetzt schon seit zwei Stunden so. Wären sie nicht ein paar tausend Kilometer über der Erdoberfläche gewesen, hätte sie die Möglichkeit zur Flucht vielleicht wahrgenommen, doch so versuchte sie ihn mit dem letzten Rest ihrer Geduld zu ertragen.

"Scully, wo bleibt ihr Humor?" Sein Gesichtsausdruck war ausnahmsweise mal ernst.

"Ich nehme an, ich habe ihn vergessen in meinen Koffer einzupacken!", seufzte sie genervt und lehnte sich im Sitz zurück. Was erwartete er? Sie war keine fünf Minuten fort gewesen, da hatte er sie auf Handy angerufen und bekannt gegeben, dass er einen Flug gebucht hatte. Was er ihr leider zum Schluß erzählte, war, dass sie genau zwei Stunden Zeit haben würde, sich fertig zu machen. *Oh, wie berauschend!*

"Was meinen Sie, was werden wir finden?", grübelte er.

"Die Leiche oder vielmehr das Skelett eines zwergenwüchsigen Menschen", rezitierte sie und blickte in die Schwärze der Nacht.

*Vielleicht gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht rationell erklären kann - noch nicht erklären kann, aber es gibt garantiert keine Außerirdischen!* dachte sie und versuchte sich zu entspannen.

"Na, schon UFOs entdeckt?", hörte sie eine Stimme neben sich und wollte gerade beginnen Mulder die Meinung zu sagen, als sie erkannte, dass es sich um die Stimme eines Stewards handelte. Mulder saß in der Mitte des Flugzeugs und unterhielt sich mit einem kleinen Jungen.

War sie so in Gedanken gewesen, dass sie sein Fortgehen gar nicht bemerkt hatte?

Erneut blickte sie in seine Richtung und registrierte, dass er irgendein Spiel mit dem kleinen, vielleicht gerade 5jaehrigen, Jungen spielte. Scully lächelte über diese liebevolle Geste und schlief, das Lächeln auf den Lippen, ein...



***

Manchmal konnte Scully aber auch stur und verbissen sein, dachte Mulder mißmutig. Gut, dass er eine Ablenkung gefunden hatte.....

Mulder sah zu Scully hinüber und bemerkte, wie sich ein Steward zu ihr hinunter beugte. Ein ärgerliches Gefühl stieg vom Magen her in seine Brust hinauf. Er konnte sich plötzlich nicht mehr auf das Spiel mit dem Jungen konzentrieren. Was der Steward nur von Scully wollte... Sicher irgendeine belanglose Frage, versuchte er sich zu beruhigen. Er wandte sich wieder dem Jungen zu. Als er noch einmal hochblickte, war der Steward verschwunden. Entspannt atmete er auf; er sollte sich wirklich nicht immer wie Scullys Beschützer aufspielen, sie war doch ein großes Mädchen.

Er strubbelte dem Jungen noch einmal über die Haare und erhob sich, um wieder auf seinen Platz zurück zu gehen. Vorsichtig setzte er sich neben Scully auf den Mittelsitz. Seine Füße traten auf Papier. Er beugte sich langsam hinunter, hob es auf und sah, dass es so etwas wie ein Computerausdruck war. Sofort sprang ihm die Überschrift ins Auge:



Pedro - die rätselhafte Zwergmumie von Wyoming.

Im Oktober 1932 in einer Schlucht am Fuße der San Pedro-Berge dachten Goldsucher, dass sie Gold entdeckt hätten. Um die Ausmasse des Fundes sehen zu können, entschlossen sie sich, den Berg aufzusprengen. Nach der Sprengung entdeckten sie eine Höhle mit den Ausmassen 4,50 m Länge und 1,20 m Breite. In der Mitte der Höhle auf einer Platte, entdeckten die ein kleines, koboldähnliches Wesen, das mit überkreuzten Armen und Beinen dasaß. Es war eine Mumie. Sie war außergewöhnlich klein. Im Sitzen war sie gerade 18 cm groß, im Stehen betrug ihre Größe 35 Zentimeter. Sie hatte das Gesicht eines grinsenden alten Mannes mit einer niedrigen Stirn, einer breiten, flachen Nase, großen Augen und einem sehr breiten Mund mit dünnen Lippen. Die Hände waren groß, mit sehr langen Fingern. Der Kopf war oben auf ungewöhnliche Weise abgeflacht und mit einer dunklen, gallertartigen Masse bedeckt, die nur am Rand einen schmalen Haarkranz freiließ.

Als Wissenschaftler von dem Fund erfuhren, waren sie mißtrauisch. Sie vermuteten eine Fälschung. Ein Röntgenbild würde es aber ans Licht bringen. Die gemachten Aufnahmen bestätigten jedoch, dass dieses Wesen echt war. Es waren deutlich Rippenpaare und ein menschenähnliches Skelett zu erkennen.

Gleichzeitig wurden aber auch massive Verletzungen sichtbar. Es sah aus, als wäre dieses kleine Wesen eines gewaltsamen Todes gestorben, als wäre sein Schädel durch einen äußerst heftigen Schlag zerschmettert worden......



Mulder hörte auf zu lesen. Woher stammte dieses Schriftstück? Gehörte es in die Unterlagen? Nein, das wäre ihm aufgefallen.

Er blickte zu Scully. Sie schien zu schlafen. Er blickte auf die Uhr. In ca. 1/2 Stunde würden sie landen, da konnte er riskieren, Scully zu wecken.

Er beugte sich vor und wollte sie sachte an der Schulter berühren. Er blickte ihr ins Gesicht und stellte verwundert fest, dass Scully im Schlaf lächelte. Seine Partnerin so entspannt und ruhig zu sehen, war ein seltener Anblick. Sie hatten auf ihren Reisen fast nie Gelegenheit, entspannt zu sein. Er setzte sich bequemer hin, um Scully im Schlaf weiter zu betrachten.

Das Schriftstück hatte er auf einmal vergessen.



***



Irgend etwas störte sie.... Irgend etwas machte sie unruhig.... Langsam kam ihr ins Bewußtsein, wo sie war und sie öffnete ihre Augen ---- und blickte genau in die von Mulder. Sie blickte ihn fragend an und langsam hob sich ihre rechte Augenbraue.

Mulder gab sich Mühe, unglücklich auszusehen. Er hatte einen Gesichtsausdruck, wie ein schmollendes Kind: "Dornröschen, schade, jetzt sind Sie von selbst wachgeworden, dabei wollte ich Sie gerade wachküssen und Ihnen etwas Interessantes zeigen."

Ihre Augen weiteten sich merklich bei dem Wort 'Wachküssen' und ließen sie perplexer Weise kein Wort herausbringen.

Es war einer der wenigen Augenblicke, in denen Scully kein Widerwort herausbrachte und Mulder genoß diesen Augenblick in großen Zügen.

"Leben Sie noch?"

Mulder sah sie mit großen unschuldigen Augen an, doch die leicht verzogenen Mundwinkel verrieten, dass er amüsiert war.

Tief Luft holend setzte sie zu einer bitterbösen Bemerkung an, kam jedoch nicht mehr dazu, diese auszusprechen, da Mulder ihr den gefundenen Zeitungsausschnitt vor die Nase hielt.

"Was sagen sie dazu?", kommentierte er und mußte sich ein weiteres Grinsen bei dem Gedanken an ihr verblüfftes Gesicht verkneifen. Er wollte seine Partnerin schließlich nicht noch mehr in Rage versetzen.

"Das", folgerte Scully, "ist der Zeitungsbericht über eine Zwergmumie in Wyoming."

"Woher...? Seit wann können Sie so schnell lesen?", stutzte er und nahm den Zeitungsbericht wieder aus ihrer Augenhöhe, um sie ansehen zu können.

"Ausnahmsweise habe ich mal ein wenig recherchiert." Sie zuckte mit den Schultern.

"Wann das? Wir hatten doch gar nicht genug Zeit?"

"Naja, um ehrlich zu sein, ich habe vor Kurzem bei meiner Mutter den Dachboden mit aufräumen geholfen und da habe ich eine alte Zeitung mit diesem Artikel gefunden."

"Und nun haben Sie vorhin das komplette Altpapier ihrer Mutter durchsucht?", versuchte Mulder zu rekonstruieren.

"Natürlich nicht! Für wen oder was halten sie mich, Mulder? Ich habe mir den Artikel per Email von der Zeitung zuschicken lassen. Glücklicherweise wußte ich noch, in welcher Ausgabe er stand", entgegnete sie einsilbig.

"Wieso wußte ich nichts von dem Artikel? Sie hätten mich ruhig auch informieren können!"

Plötzlich war Mulder nicht mehr besonders gut gelaunt. Er verübelte ihr, dass sie ihn nicht informiert hatte.

"Ich hätte Sie schon noch informiert!", versuchte Scully sich nun zu verteidigen, aber ihr war klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte, ihn nicht zu informieren.

Mulders wütenden Gesichtsausdruck ignorierend, lehnte sie sich wieder zurück und blickte aus dem Fenster.

Ihr war nur zu deutlich bewußt, dass sie ihm weh getan hatte. Und erstaunlicher Weise schmerzte sie das ebenso, stellte sie fest.

Dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass auch er schon öfters Informationen zurückgehalten hatte und schloß erneut die Augen.

Ihr war klar, dass der Rest des Fluges wohl schweigend verlaufen würde, aber sie würde sich garantiert nicht bei Mulder entschuldigen...

"Es tut mir leid, Mulder!", seufzte sie.

Sie wußte nicht, wie oft sie sich nun schon entschuldigt hatte, aber langsam wurde das ganze demütigend.

"Mulder, bitte, ich habe Ihnen diese Informationen doch nicht böswillig unterschlagen!"

"Versprechen Sie mir eines!", fand er schließlich seine Sprache wieder und erlöste sie aus ihrer unangenehmen Lage.

"Alles, Mulder, alles!", entgegnete sie erleichtert, ohne sich im Klaren darüber zu sein, was sie da gerade versprochen hatte.

"Alles?" Er hob eine Augenbraue und blickte sie erstaunt an.

"Naja, fast..." lächelte sie verlegen.

Sie war schlicht selig, dass er wieder mit ihr zu sprechen schien.

"Lesen Sie mir heute Abend eine Gute-Nacht-Geschichte vor?", verschmitzt sah Mulder Scully mit seinem Treue-Hundeaugen-Blick an. Ihr verschlug es glattweg die Sprache.

Es begann wieder zu brodeln. Sie machte sich Gedanken, haderte mit sich selbst, dass sie ihm nicht sofort von ihren Recherchen mitgeteilt hatte.... und er??? Was machte er??? Er nahm sie wieder mal nicht ernst und ließ sie fast eine Stunde zappeln.....

"Mulder, wenn Sie denken, dass ich ....." wollte sie loslegen, doch sie kam nicht mehr dazu.

Sie waren inzwischen am Gepäckkarussell angekommen. Mulder legte Scully einfach den Arm um die Schulter und meinte: "Scully, ich bin doch gar nicht beleidigt gewesen. Mich hat eigentlich nur der Steward geärgert, der so nett zu Ihnen war."

Sacht strich er Scully mehr beiläufig eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

Jemand zupfte Mulder plötzlich am Mantel - er drehte sich um, sah jedoch niemanden. Verwirrt blickte er Scully an und stellte fest, dass sie wie gebannt nach unten starrte.

Mulder folgte ihrem Blick und sah einen Jungen vor ihm stehen.... oder war es gar kein Junge? Er hatte das Gesicht eines Erwachsenen.

Der 'Kleine' reichte ihm einen Briefumschlag, deutete eine Verbeugung an und war im Handumdrehen in der Menge verschwunden.

Mulder schaute auf den Brief, dann zu Scully, dann wieder auf den Brief. Endlich griff Scully danach und öffnete ihn.

Lassen Sie die Finger von diesem Fall. Lassen sie den Toten die Ruhe, die sie verdienen. Reisen Sie wieder ab oder es könnten schlimme Dinge passieren.

Leise hatte Scully die Zeilen vorgelesen.

Hilflos sah sie Mulder an.

Sie sah, dass es in Mulder arbeitete: "Scully, wir fahren erst einmal und besichtigen das Gelände. Sicher werden wir beobachtet. Wir werden dann in Ihrem oder meinem Hotelzimmer eine Lagebesprechung abhalten."

Sie griffen ihr Gepäck und gingen zur Mietwagenagentur, um den bestellten Wagen abzuholen.



Als sie dort ankamen, kam der Vertreter lächelnd auf sie zu. Er sprach sie sofort mit Mr. und Mrs. Mulder an und begleitete sie zum bereitgestellten Auto. Amüsiert sah Mulder Scully an, die Luft holte, um etwas zu entgegnen....

"Ist gut Schatz, ich mach das schon" mit diesen Worten wandte sich Mulder an den Mietwagenvertreter.

"Sie entschuldigen, aber meine Frau hat ein wenig Rückenprobleme, wir würden gern einen weicher gefederten Wagen nehmen. Der Taurus ist doch ein wenig zu hart. Wir nehmen den dort drüben" Mulder zeigte auf eines von ca. 25 Autos.

"Aber natürlich, kein Problem, ich mache nur mal fix die Papiere fertig." entgegnete der freundliche Herr und eilte davon.

"Mulder, können Sie mir vielleicht mal sagen, was das ganze soll? Erst diese Märchenmasche, dann bin ich plötzlich Ihre Frau?", mit erstaunten Augen sah sie Mulder an.

Er wurde ernst: "Ich habe den Wagen einfach unter meinem Namen bestellt und nicht für das FBI. Und die Leute, die wissen, dass wir kommen und uns dieses nette Schreiben zukommen ließen, haben ja vielleicht diesen Wagen manipuliert. Der Inhaber muß ja nichts davon wissen, denn sonst hätte er uns wohl kaum so bereitwillig ein anderes Auto gegeben. Aber besser wir sichern diese Seite ab, ich möchte unterwegs nicht wegen versagender Bremsen irgendwo einen Abhang runterstürzen."

Er wollte sich schon umdrehen, als er schließlich doch fortfuhr: "Stört es Sie, für meine Frau gehalten zu werden, Scully?"

Von seinem Ton her hätte Scully fast annehmen können, dass er die Frage ernst gemeint hatte. Scully jedenfalls fühlte plötzlich Wärme in ihre Wangen schießen. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie entschloß sich schließlich, das ganze als Scherz aufzufassen:

"Mulder, natürlich nicht. Sie halten aber doch so viel von Traditionen und Sagen und Märchen, da hätten Sie mir wenigstens einen netten Antrag machen können, bevor Sie mich so einfach mirnichts-dirnichts in eine Ehe reinschwatzen".

Mulders Augen leuchteten auf: "Scully, das hole ich bei Gelegenheit gerne nach". Er zwinkerte ihr zu, führte sie zum Auto, das gerade vorgefahren wurde und öffnete ihr mit einer leichten Verbeugung die Fahrertür.

Mit dem strahlendsten Lächeln der Welt meinte sie: "Oh, Liebling, heute darf ich wohl fahren?", und setzte sich hinters Lenkrad während Mulder das Gepäck verstaute. Der Mietwagenvertreter lächelte Scully an und meinte: "Sie sind wohl jung verheiratet und wollen hier ihre Flitterwochen verbringen?"

"So könnte man das nennen - ganz jung verheiratet." meinte sie lachend. Mulder stieg ebenfalls ein und sie fuhren Richtung Hotel davon.



***



"Wir hätten gern einmal die Hochzeitssuite!", strahlte Mulder den Portier hinter dem Tresen an.

Scully holte tief Luft. Es war wiedermal soweit, dass ihr Partner nicht wußte, wann es Zeit war aufzuhören.

"FBI, wir sind wegen der Leichenfunde hier und hatten zwei Zimmer reservieren lassen!", schaltete Scully sich dazwischen, als sie bemerkte, dass der Portier bereits den Schlüssel der Hochzeitssuite in den Fingern hielt.

Mürrisch, dass man ihn so hinters Licht geführt hatte, hängte er den Schlüssel wieder zurück und legte zwei andere Schlüssel sowie das Gästebuch des Hauses auf den Tresen vor die beiden.

Scully zeichnete die Schlüßelannahme gegen, griff Mulders Ärmel und zog ihn vom Tresen weg.

"Sagen Sie mal, was sollte das nun schon wieder!", funkelte sie ihn an, ihr Amüsement über dieses kleine Schauspiel war verflogen.

"Seit wann können Sie keinen Spaß mehr ab?", schmollte Mulder, während er ihr den Arm entzog. "Spaß hört irgendwo auf und ich denke, der Punkt ist hier erreicht!", zischte sie und ergriff ihre Tasche.

"Kann es vielleicht sein, dass es Ihnen doch unangenehm ist als meine Frau zu gelten?", forschte er nach.

Sie blieb stehen und blickte demonstrativ genervt zur Decke: "Nein, es ist mir wirklich nicht unangenehm! Es stimmt ja schließlich nicht!"

"Und warum dann das Theater?", Mulder verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf ihren angespannten Rücken.

"Mulder, wir sind zum Arbeiten hier!", war ihr einziger Kommentar.

Sie überging seine Frage einfach! Das konnte doch nicht wahr sein?! Mulder wurde neugierig:

"Kann es sein, meine Märchenprinzessin, dass es Sie deshalb stört, weil sie es eigentlich ganz und gar nicht unangenehm finden würden, sondern es vielleicht sogar genießen könnten?"

Sie wirbelte herum und eine tiefe Röte hatte von ihren Wangen Besitz ergriffen. Sie fühlte sich eigenartiger Weise ertappt, dabei dachte sie ganz und gar nicht daran, jemals mit ihrem Partner... oder vielleicht doch? Scully holte hörbar Luft und wandte Mulder erneut den Rücken zu. Sie mußte erstmal ihr Innerstes zur Ruhe bringen. Gott, war ihr das peinlich!

Mulder starrte weiterhin auf ihren Rücken - sie konnte es fühlen. Er stand da und grinste ihren Rücken mit einem selbstzufriedenen Gefühl der Bestätigung an - sie konnte es förmlich sehen.

*Laß den Erdboden sich auftun und mich verschlucken!* dachte sie still, in der Hoffnung, diese peinliche Situation möge sich in Luft auflösen; dachte er doch wirklich, dass sie für ihn ... sie mit ihm... beide gemeinsam... *Erbarme dich meiner!* - Sie schloß verzweifelt die Augen.

"Bekomme ich meinen Schlüssel?"

Ihre Augen öffnend, sah sie seine Hand, starrte auf diese, vermochte aber nicht, ihn direkt anzusehen.

Sie reichte ihm den besagten Schlüssel und berührte dabei zufällig seine Hand. Er schloß seine Hand blitzschnell und hielt ihre mit sanftem Druck umfangen.

Scullys Herzschlag schien für eine Sekunde auszusetzen und sie blickte verwirrt in seine Augen.

Dort sah sie einen Ausdruck von Wissen, welcher sie zutiefst erschrak. Mit einem schnellen Ruck befreite sie ihre Hand aus seiner, eilte mit schnellen Schritten zum Fahrstuhl, schlüpfte hinein und drückte verzweifelt auf den gewünschten Knopf, doch die Türen schlossen sich nicht schnell genug, so dass ihr Partner noch Zeit hatte mit einzusteigen.

Er warf einen Blick auf ihren Schlüssel und grinste erneut: "Hey, ich habe ja das Zimmer direkt neben ihnen. Vielleicht gibt es sogar eine Verbindungstür!"

"Oh Gott", war das letzte, was Scully in einem Ton voller Verzweiflung von sich gab, ehe die Fahrstuhltüren sich schlossen...
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