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The X-Files: Lost Investigations (Season 3.1)

von meiko

Kapitel 1: Herbst

The X-Files: Lost Investigations
Season 3

3.1 Herbst (Teil 1 von 3)

Created by Chris Carter
Written by meiko

Redaktion und Artwork
Gabi S.


Waynesville, North Carolina
West Haven Cemetery
3:22 AM

Hektisch sah er sich um, lauschte dem Pochen in seinen Schläfen, atemlos. Konnte er sie bereits kommen hören, oder war das, was er in diesem Moment vernahm, nicht mehr als das Echo seiner Furcht?
„Geduld“, stieß er zwischen den Zähnen hervor und bemühte sich, seinen pfeifenden Atem unter Kontrolle zu bekommen. „Sie können dir nichts anhaben.“
Das war eine Lüge. Er hatte sie so oft wiederholt, bis sie zu einem Mantra in seinem Geist angeschwollen war, einer sich stets wiederholenden Litanei beschwörender Gedanken. Er hatte sie so oft vor sich hin gemurmelt, dass es schmerzte.
Die Lüge war zur Wahrheit geworden, zur festen Gewissheit.
Er wollte nicht darüber nachdenken, denn dies war alles, was ihm noch geblieben war. Seine kleine, unbedeutende Wahrheit – nicht mehr als ein Strohhalm im Wind.
Ein Herzschlag verging. Und noch einer.
Und dann konnte er sie sehen. Klein zuerst in der Finsternis, doch mit jeder verstreichenden Sekunde größer und bedrohlicher. Aus seiner Wahrheit war wieder die hässliche, nackte Lüge geworden.

Dann holte die Angst ihn ein.


[Opening Credits]



FBI Hauptquartier
Washington D.C.
9:31 AM

„Sie haben was?“ Scully glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als ihr Partner gelassen pfeifend in das kleine Kellerbüro spazierte und ihr seinen Dienstreisebogen unter die Nase hielt.
„Warum denn nicht?“ In gespielter Unschuld hob Fox Mulder die Hände, doch das verräterische Funkeln in seinen Augenwinkeln hätte jedem aufmerksamen Beobachter sofort verraten, welcher Schalk in seinem Nacken saß.
„Mulder!“ Entrüstet schob sie die Akte, an der sie soeben gearbeitet hatte, von sich weg und lehnte sich zurück. „Sie wussten, welcher Tag morgen ist!“
„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie verdammt gut aussehen, wenn Sie wütend sind?“
Für einen Augenblick wichen die Wolken aus Scullys Gesicht und machten der Andeutung eines Lächelns Platz. Eine Sekunde später war der Moment vorbei und es sah wieder nach Gewitter aus. „Lenken Sie nicht ab, Mulder“, brummte sie. „Das passt mir morgen überhaupt nicht.“
Mulder angelte sich einen Stuhl und ließ sich schwungvoll fallen. „Tut mir leid, Scully“, sagte er. „Ehrlich. Ich hab‘ das mit Ihrem freien Tag vergessen. Aber als ich heute früh diese Akte hier…“ Er unterbrach sich und zog einen Stapel Papiere aus der Manteltasche.
Scully schloss die Augen und atmete lautlos aus. An manchen Tagen schien sie mit den Füßen im Schlamm zu stecken und keinen Schritt voran zu kommen. Sie hatte viel durchgemacht in den letzten Wochen. Die Entführung... die Kolonialisierungspläne der Regierung... Fast wäre sie gestorben.
Lustlos griff sie nach der Akte und schlug sie auf.
„Aber…“ Sie verstummte und las weiter. Auf ihrer Stirn bildete sich eine kleine Falte. „Wo haben Sie das her, Mulder?“
„Nicht wahr?“, gab ihr Partner zurück, ohne die Frage zu beantworten. „Ich wusste, dass Sie das interessiert.“
„Mulder, das ist doch Unsinn!“
„Wirklich?“
Die Falte auf ihrer Stirn wuchs bedrohlich. „Und wer hat Ihnen das zugesteckt?“
Mulders jungenhaftes Grinsen erlosch. „Das wollen Sie nicht wissen“, brummte er.


Waynesville, North Carolina
West Haven Cemetery
3:32 AM

So schnell es begonnen hatte, so schnell war es auch schon wieder vorbei. Wie ein Spuk waren sie über ihn gekommen und all seine neu erworbenen Fähigkeiten hatten ihn nicht davor bewahren können.
Langsam, fast bedauernd erhoben sie sich von seiner Leiche, ließen ihn auf dem schlammigen Erdboden zurück und verschwanden in der Nacht. Noch lange hallte ihr Schrei über die kahle Ebene. Am Kopf des Mannes – dort, wo seine Haut in Fetzen hing – sickerte der Strom des Lebens in die kalte Erde. Eine kleine Blutlache bildete sich unter dem Körper des Toten. Warm, noch immer, dann allmählich erkaltend und schließlich versiegend.


FBI Hauptquartier
Washington D.C.
10:13 AM

"Guten Morgen, Assistant Director". Der schweigsame Mann verzog das Gesicht, als hätte ihm das Aussprechen dieser höflichen Worte körperlichen Schmerz zugefügt. Er wartete die Reaktion von Walter Skinner nicht ab, sondern beschloss, sich stattdessen mit einer weiteren Zigarette zu belohnen.
"Wer hat Sie hereingelassen?", bellte Skinner ungehalten.
Der Raucher inhalierte den ersten Zug seiner Morley's tief und genussvoll, bevor er sich zu einer Antwort herabließ. "Ich selbst", sagte er. "Ich halte nicht viel davon, sich mit lästigen und nutzlosen Formalitäten wie dem Klopfen an Türen aufzuhalten."
Skinner war aufgestanden. "Vielleicht hätte Ihre Mutter Ihnen einige Anstandsregeln mit auf den Weg geben sollen?"
Das faltige, graue Gesicht des Rauchers nahm einen harten Zug an. "Da wir nun schon beim Thema sind... Sie haben es gehört?"
"Natürlich!" Assistant Director Skinner ignorierte das unmögliche Benehmen seines Besuchers. Beim diesem Mann konnte man sich nie so ganz sicher sein. Skinner hatte schon einige Male mehr als seinen Job riskiert, als er den Krebskandidaten in seine Schranken verwiesen hatte. "Natürlich habe ich das. Ich bin der direkte Vorgesetzte von Agent Mulder und Agent Scully. Mit Dienstbeginn stand Mulder heute früh in meinem Büro und präsentierte seinen Dienstreisebogen und diese... diese lächerliche Akte. Was bilden Sie sich ein, Mulder auf solch einen Unsinn anzusetzen? Es geht Ihnen nur darum, die Arbeit der beiden lächerlich zu machen, nicht wahr?"
Als sein Gegenüber nicht antwortete und nichts anders tat als ihn anzustarren, fuhr Skinner fort: "Das ist kein Fall für Mulder - das ist noch nicht einmal ein Fall für das FBI. Ich glaube kaum, dass das Bureau in diesem Fall lokal begrenzter Gewaltverbrechen..."
"Das lassen Sie besser meine Sorge sein." Der Raucher lächelte sardonisch. "Vertrauen Sie mir, Skinner. Ich weiß, was gut für Mulder ist."
"Dann sollten Sie jetzt anfangen, mich aufzuklären."
Der ältere Mann nahm einen letzten tiefen Zug aus seiner Zigarette. Dann warf er den Stummel zu Boden und verließ wortlos Skinners Büro.


North Carolina
Western Highway
4:52 PM

In flirrenden Streifen flog die Landschaft an ihnen vorüber, doch Agent Scully hatte keinen Blick für die kühle Schönheit der regennassen Wälder, die links und rechts des Highways hinter ihnen zurück blieben. Träge schlängelte sich die Straße durch die Täler unterhalb Cold Mountains. Am Horizont verblassten die letzten Reste des Tageslichts in dampfenden Nebelschwaden. Böiger Wind jagte niedrig hängende Wolken vor sich her und drückte seitlich gegen ihren Mietwagen.
„Mir ist kalt“, maulte Dana und griff erneut nach Mulders Akte.
Wortlos regulierte ihr Partner die Klimaanlage und warf ihr einen fragenden Blick zu.
„Danke, schon besser“, sagte sie. „Habe ich das richtig verstanden, Mulder? Dies ist bereits der dritte identische Todesfall in dieser Region?“
Fox Mulder nickte. „Nahezu identisch. Jedenfalls identisch genug für die örtliche Polizeibehörde, um das FBI hinzuzuziehen.“
Scully blickte abwesend aus dem Seitenfenster. "Ich verstehe nicht so recht, warum man ausgerechnet uns beide angefordert hat. Der Fall bietet doch keinerlei..."
"Uh", stöhnte Mulder und sah sie mit strengem Blick an. "Sie haben doch die Akte gelesen. Was behagt Ihnen denn an den angefressenen Gesichtern unserer Toten nicht, Agent?"
Scully stieß die Luft geräuschvoll durch die Nase aus. Diesen Ton kannte sie an ihrem Partner, doch so schnell würde sie nicht klein beigeben, das stand fest. "Sie meinen natürlich 'verstümmelten Gesichtern', nicht wahr?"
"Ja ja, schon gut", murmelte er. Dann blieb sein Blick an den Anzeigen des Wagens hängen und er erstarrte. "Mist!"
"Was ist los?"
"Mist!", wiederholte er und hieb mit der Hand auf das Lenkrad. Langsam rollte der Ford aus und blieb mit blinkenden Notlämpchen am Straßenrand liegen. "Dieses verfluchte..."
"Mulder!"
Ihr Partner riss seine Tür aus, kletterte aus dem Wagen und sah sich in der Gegend um. "Sieht so aus, als müssten wir Ihren freien Tag inmitten der Wildnis verbringen. Der Motor hat den Geist aufgegeben."
Dana Scully warf sich ihren Mantel über und folgte ihm in die Kälte. "Was ist denn das dort hinten?", fragte sie und wies mit der Hand auf ein Licht hinter dem Waldrand. Zumindest schienen dort Menschen zu leben.
"Bis Waynesville kann es ja nicht mehr weit sein", brummte Mulder und machte sich auf den Weg.

***

"Also ich weiß nicht", murmelte Dana Scully und ließ den Blick über das düstere Backsteingebäude wandern. Inzwischen war es dunkel geworden und die regennassen Mauern glänzten im Schein der trüben Straßenlaterne. "Nicht gerade einladend." Sie strich mit den Fingern die Wassertropfen von dem nahezu unleserlichen Türschild. "Bethany. Gehörlosen-Asyl" buchstabierte sie und hob erstaunt die Augenbrauen. Ein Rabe erhob sich von einem Fenstersims und flog geräuschlos in die Dämmerung.
"Ach kommen Sie schon, Scully", rief Mulder und drückte beherzt auf die Klingel unter dem Schild. "Zumindest ist es eine warme und trockene Unterkunft für die Nacht. Und schließlich sind wir hier nicht in Transsylvanien. Und das ist auch nicht das Schloss von Graf Dracula."
"Pst, leise", flüsterte Dana. "Ich höre Schritte!" Sie zwinkerte ihrem Partner verschwörerisch zu. "Wenn jetzt nicht der bucklige Diener öffnet..."
Die Torflügel schwangen knarrend auf und ein blasses Gesicht erschien im Türrahmen. "Sie wünschen?", knurrte eine heisere Stimme. Ein spindeldürres Männchen mit verdreht wirkenden Gliedmaßen schob sich ins Licht der Außenbeleuchtung.
Die beiden Agenten wechselten einen vielsagenden Blick. "Ich nehme alles zurück", sagte Mulder.


Wohnung von Melissa Scully
9:25 PM

Aus unerfindlichen Gründen weilten Melissas Gedanken an diesem Abend hartnäckig bei ihrer Schwester. Auch an ihre Mutter hatte sie gedacht, und bei der Erinnerung an ihren toten Vater durchzuckte sie noch immer ein schmerzhafter Stich.
Aber wann immer ihr Geist zu Dana Scully wanderte, spürte sie eine merkwürdige Unruhe in sich. Irgend etwas lag in der Luft - etwas, das sie weder greifen noch eindeutig identifizieren konnte, doch es war da. Real.

Melissa räumte die Reste ihres Abendessens in die Küche und ließ sich anschließend seufzend auf den Diwankissen im Wohnzimmer nieder. Die Kerze auf dem alten Tisch verbreitete ein mattes Licht und das einen Spalt breit geöffnete Fenster ließ einen leichten Luftstrom durchs Zimmer wandern.
Die Kerze flackerte und zauberte Nachtschatten an die Tapete.

Sie lächelte. Danas eigenwilliger Partner hätte vermutlich gewusst, was jetzt in ihr vorging und welches Gefühl sie bewegte. Dana hätte es Melissa gegenüber nie zugegeben, doch in Fox Mulder steckte mehr, als seine Dienstbehörde jemals erkennen würde. Etwas, was deren begrenzten Horizont bei weitem überschritt. Melissa wusste, auch ohne das Zugeständnis ihrer Schwester, wie es um die beiden stand.

Ein Geräusch an der Tür - nur ein leises Schaben. Das Licht der Kerze flackerte kurz auf und verlosch dann mit unhörbaren Zischen.
Jemand war an der Tür.


Waynesville, North Carolina
West Haven Cemetery
6:42 PM

Der Friedhof lag verlassen vor ihnen. Die kalten Finger des Todes schienen über ihre Gesichter zu streifen, doch es war nur der Herbstwind, der sich bemerkbar machte. Einige Vögel entfalteten ihre Flügel und suchten lärmend das Weite.
"Verfluchtes Wetter", brummte Deputy Miller und zog den Kragen seiner Uniformjacke ein Stückchen höher. "Ich kann Ihnen sagen, ich wäre jetzt lieber woanders. Aber wenn wir schon mal das FBI zu Gast haben... Ich hätte allerdings gut und gern noch bis morgen mit der Besichtigung des Tatorts warten können."
Mulder antwortete nicht. Versonnen kniete er sich zwischen den Grabsteinen nieder und ließ die Hand langsam über den feuchten Erdboden gleiten. Er wünschte, Miller würde endlich mit seinem Geschwätz aufhören. Schlimm genug, dass das lokale Police Department bereits alles getan hatte, um den Tatort von allen nützlichen Spuren zu befreien - den wirklich nützlichen Spuren, nicht dem Kram, den sie auf der Academy eingetrichtert bekommen hatten. Aber noch viel schlimmer war für Mulder, dass der Polizist ihn diesen Ort nicht spüren ließ.
Doch genau aus diesem Grund hatte er darauf bestanden, noch am gleichen Abend den Friedhof aufzusuchen, auf dem der letzte Mord stattgefunden hatte.
"Scully?", flüsterte Mulder und beugte sich zu seiner Partnerin hinüber. "Können Sie ihn irgendwie unauffällig ein paar Schritte von hier wegbringen?"
Zufrieden sah er zu, wie Scully den Deputy in ein Gespräch verwickelte, am Arm nahm und ihn auf den Hauptweg mitnahm.
Mulder atmete tief durch, sog die neblige Luft ein und versuchte sich in die Lokation einzufühlen. Ja, dachte er nach einigen Minuten. Es war ganz so, wie er es sich gedacht hatte, als ihm der Raucher in der Tiefgarage die Akte zugesteckt hatte. Er brauchte sich die Bilder der Toten mit ihren verstümmelten Gesichtern nicht ins Gedächtnis zurückrufen - sie waren noch immer sehr real an diesem Ort. Das, was die Morde begangen hatte, war noch immer in dieser Stadt - und es würde erneut zuschlagen.


Fortsetzung folgt...


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