World of X

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Momente

von Galloway

Kapitel 2

Sie öffnete die Augen, nur um sie sogleich wieder zu schließen. Das Licht war viel zu grell. Was war passiert? Sie konnte sich nicht mehr an viel erinnern. Sie war angeschossen worden. Es ging alles so schnell. Sie hörte den Schuss und plötzlich wurde ihr bewusst, dass auch sie getroffen war. Sie konnte sich nur noch erinnern, dass sie zu Boden sank und dass Ritter zu ihr gestürmt kam und irgendetwas stammelte. Wo war sie? Langsam versucht sie erneut die Augen zu öffnen. Erst einen Spalt weit. Ja so ging es. Nachdem sie sich an das Licht gewöhnt hatte, sah sie sich um. Sie lag in einem Krankenzimmer. Völlig alleine. Obwohl sie es niemals direkt zugeben würde, schlich sich eine leichte Enttäuschung in sie. Wo war Mulder? Irgendwie hatte sie erwartet, dass er hier wäre. Dana, hör auf. Er ist wahrscheinlich noch nicht mal in New York. Immerhin hatte er auch noch einen Job und dieser hielt in momentan in Washington fest.

Trotzdem war es merkwürdig in einem Krankenhaus aufzuwachen und ihn nicht an ihrer Seite zu wissen. Hör auf mit diesem Schwachsinn. Warum kannst du nicht mal ohne ihn sein? Aber sie vermisste ihn. Das einzig gute an ihren Krankenhausaufenthalten war, dass Mulder sie dann ständig anzufassen schien. Als würde er sich mit den Berührungen klar machen wollen, dass sie da war und es ihr gut ging. Besonders als sie beinahe an Krebs gestorben wäre, wich er nur selten von ihrer Seite. Der Begrüßungs- und Abschiedskuss auf die Wange waren schon Routine geworden. Er hielt ihre Hand bei jeder Gelegenheit und strich, sie glaubte sogar zärtlich, Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Sie hätte sich zu gern an diesen Zustand gewöhnt, aber nachdem es ihr wieder besser ging, hörten die Berührungen auf und sie ertappte sich selbst dabei, dass sie sie vermisste. Dass ihr seine Wärme fehlte. Sie konnte es sich nicht erklären.

Was war nur los mit ihr? Doch eigentlich wusste sie, was mir ihr los war. Vor nicht allzu langer Zeit, hatte sie einer fast unbekannten Frau einen Vortrag über Freundschaft und Liebe gehalten. Eigentlich hatte sie sich nur ihre eigenen Gefühle von der Seele geredet. Ja, sie hatte sich irgendwann in ihn verliebt. Nun wartete sie darauf, dass dieses Gefühl nachlassen würde, dass es aufhören würde. Doch es wurde schlimmer. Tag für Tag liebte sie ihn ein bisschen mehr. Und es tat weh. Was vor allem weh tat, war die Tatsache, dass sie für ihn nur eine gute, vielleicht die beste, Freundin war. Aber mehr? Nein. Sie war so was wie der Ersatz für seine Schwester.

Vor einigen Monaten hatte sie noch gedacht, dass seine Gefühle tiefer waren. Dass er mehr für sie empfand. Er hätte sie beinahe geküsst, doch eine Biene wusste das zu verhindern. Danach war ihr aufgegangen, dass dies von ihm bloß der Versuch war, sie an seiner Seite zu halten. Sie davon abzuhalten beim FBI zu kündigen. Nachdem er sie aus der Antarktis gerettet hatte, sie konnte bis heute nicht fassen, was er für sie riskiert hatte, war klar, dass sie nicht kündigen würde. Er hatte den Kuss nie wieder erwähnt oder einen neuerlichen Anlauf gewagt und so war ihr bewusst geworden, dass dahinter nicht die Absichten steckten, die sie sich so gern wünschte. Und dann waren da noch die X-Akten. Man hatte sie zwar wieder geöffnet, aber nicht ihnen zugeteilt. Dieser Schleimer namens Spender leitete sie jetzt.

Zusammen mit Diana Fowley. Ihr Blutdruck stieg als sie nur an den Namen dachte. Sie wusste immer noch nicht genau, was Mulder mit ihr verband, aber sie wusste, dass Diana mehr seine Interessen und Ansichten teilte, als sie. Er hatte sie vom ersten Moment in Bezug auf sie belogen. Hatte ihr nicht gesagt, dass er sie kannte. Warum? Was verband ihn mit ihr? Sie nannte ihn Fox. Und sie durfte ihn nur Mulder nennen. Wieder ein Stich ins Herz. Und dann war sie auch noch Augenzeuge einer kleinen romantischen Zusammenkunft geworden. Hatte beide gesehen, als sie Händchen haltend in einem Zimmer standen. Ihr Herz war in diesem Moment in tausend Stücke gesprungen. Sie hatte nicht einmal den Mut aufgebracht in das Zimmer zu gehen. Satt dessen war sie umgekehrt und hatte ihn vom Auto aus angerufen. Sie war selbst überrascht, wie beherrscht doch ihre Stimme klang. Nach dem Gespräch war sie beinahe in Tränen ausgebrochen. Aber sie würde nicht weinen und die Wälle die sie um ihr Herz errichtet hatte, waren noch eine Schicht dicker geworden. Und wuchsen immer dann, wenn er sie wieder mal wegen Diana versetzte.

Die Tür ging auf, riss sie aus ihren Gedanken und eine Schwester trat ein.

„Unsere Patientin ist ja aufgewacht. Wie geht es ihnen denn, Miss Scully?“

„Ich fühl mich ein wenig schwach.“

Die Schwester lächelte sie an.

„Das ist ganz normal. Keine Sorge. Sie werden wieder gesund werden. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“

„Ja, gerne.“

„Ihre Mutter hat schon ein paar Mal angerufen, wie es Ihnen geht. Fühlen Sie sich stark genug, dass ich sie das nächste Mal, wenn sie anruft, zu Ihnen durchstelle?“

Ja, wenigstens ihre Mutter machte sich Sorgen um sie. Zum Teil zu viele Sorgen, was auch in ihrem Job begründet lag. Aber es war schön zu wissen, nicht alleine auf der Welt zu sein.

„Ja natürlich. Ähmm, hat sonst vielleicht noch jemand für mich angerufen?“

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

„Ja, ein Mann.“

Oh er hatte angerufen. Ihr Herz machte einen Freudensprung, nur um eine Sekunde später wieder eine Crashlandung hinzulegen.

„Ein Mr. Skinner. Ich glaube, er sagte, er wäre einer Ihrer Vorgesetzten und wollte sich nach Ihnen erkundigen. Wir haben ihm mitgeteilt, dass Sie über den Berg sind und sich auf dem Wege der Besserung befinden. Er meinte, wir sollen Ihnen die besten Genesungswünsche ausrichten und Sie sollen sich solange frei nehmen, wie Sie brauchen.“

„Danke. Sonst noch jemand?“

„Nein, aber ich habe erst vor drei Stunden meinen Dienst aufgenommen. Deshalb weiß ich leider nicht, was vorher schon war. Übrigens steht draußen ein junger Mann, der Sie gerne sehen würde. Ich hab aber gesagt, dass Sie noch ein bisschen Ruhe brauchen, bevor er zu Ihnen kann.“

Das konnte nur Mulder sein. Er war doch gekommen. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

„Nein, ist schon in Ordnung lassen Sie ihn herein.“

„Okay, aber wirklich nur kurz.“

Die Schwester verließ den Raum und ließ den Mann herein. Das Lächeln glitt ihr erneut von den Lippen und nun machte sich entgültig Enttäuschung in ihr breit. Es war Agent Ritter und nicht Mulder. Sie versuchte sich zusammenzureißen und ihn anzulächeln. Schließlich konnte er ja nichts dafür, dass ihr sogenannter Partner es noch nicht mal für nötig hielt sich nach ihr zu erkundigen.

„Guten Morgen Agent Scully. Ich hoffe es geht Ihnen besser.“
Er durchschritt den Raum in leicht gebückter Haltung und stellte einen Blumestrauß auf ihren Tisch.

„Für Sie.“

Irgendwie wirkte Ritter nervöser wie sonst. Als er zu ihr sah, bemerkte sie, dass er ein blaues Auge hatte.

„Was ist denn mit Ihnen passiert?“

„Ähmm, nichts schlimmes.“

„Aber Ihr Auge schaut wirklich schlimm aus und so aufrecht kommen Sie auch nicht daher. Hatten Sie einen Unfall?“

Agent Ritter zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihr Bett.

„Etwas in der Richtung. Ist aber nicht weiter schlimm. Und außerdem geht es nicht um mich, sondern um Sie. Wie geht es Ihnen, Dana?“

Er schien sich wirklich Sorgen um sie zu machen. Sie war gerührt. Sie kannte ihn immerhin erst ein paar Tage. Mulder könnte sich ein Vorbild nehmen.

„Danke, dass ist nett von Ihnen. Mir geht es eigentlich ganz gut, ich bin nur ein wenig schwach.“

Ritter seufzte hörbar aus. Er schien wirklich über das normale Maß hinaus besorgt.

„Das ist schön zu hören.“

„Stimmt irgendetwas nicht?“

Ritter schien seinen ganzen Mut zusammen zu nehmen, atmete noch einmal hörbar ein.

„Sie können sich nicht erinnern, nicht wahr?“

„Nein ich weiß nur, dass ich getroffen wurde, und dass dann plötzlich Sie da waren. Woher sind Sie eigentlich so schnell gekommen?“

„Dana, ich habe Sie angeschossen. Es tut mir so leid, ich dachte Felling zielt mit einer Waffe auf mich. Ich hab Sie nicht gesehen. Sie standen hinter ihm. Ich meine, woher sollte ich das wissen. Das war alles ein blöder Unfall.“

„Ein blöder Unfall? Sie haben mich beinahe umgebracht.“ Ihre Stimme schneidender und lauter, als sie beabsichtigt hatte.

„Wie kann denn so was passieren, man ballert doch nicht einfach in der Gegend rum.“ Sie schrie nun. Ritter zuckte bei jedem Satz unwillkürlich zusammen.

„Haben Sie noch nie was von Sicherung des Tatortes gehört. Das fasse ich nicht.“

Die Tür ging auf und die Schwester von vorhin kam herein. Es brauchte nicht viel um die Szene vor ihren Augen zu erfassen.

„Es ist jetzt glaube ich besser, wenn Sie gehen.“

Ritter schaute Scully noch mal mit einem flehentlichen Blick an. Doch sie hatte jetzt keinen Nerv für ihn und blickte zur Seite. Die Stimme der Schwester drang an ihr Ohr.

„Und Sie ruhen sich aus. Sie brauchen jetzt Ruhe. Kein Besuch mehr in den nächsten Stunden.“

Ritter verließ mit hängendem Kopf den Raum und die Schwester schloss die Tür hinter ihm. Scully war wieder alleine. Sie konnte es einfach nicht fassen, was Ritter ihr da offenbart hatte. Er hatte sie angeschossen. Sie war schon oft in Lebensgefahr geraten und hatte viele brenzlige Situationen überstanden. Sie hatte einen gefährlichen Beruf, da machte sie sich keine Illusionen. Trotzdem glaubte man nie richtig daran, dass es einen mal erwischen würde. Und wenn, dann durch die Hand eines Kriminellen. Und nicht durch die Unfähigkeit eines eigenen Kollegen. Mulder wäre das nie passiert. Er würde sie nie wissentlich in Gefahr bringen. Mulder hatte einen so großen Beschützerinstinkt ihr gegenüber, dass es ihr schon manchmal zu viel wurde. Sie war schließlich eine selbstständige Frau, die lange für ihre Unabhängigkeit und für ihren Platz in der Männerwelt des FBIs gekämpft hatte. Und obwohl Mulder größten Respekt für sie hatte und sie von Anfang an als gleichwertige Kollegin eingeschätzt hatte, war er in mancherlei Hinsicht ein totaler Macho.

Immer, wenn er meinte, sie wäre einer Situation nicht gewachsen oder es wäre zu gefährlich für sie, ließ er sie ohne eine Wort sitzen und brachte sich dabei meist selber in Lebensgefahr. Wie oft sie schon in seiner Wohnung gesessen hatte und auf ein Wort von ihm gewartet hatte. Sie wusste es nicht mehr. Wie viele Tage und Nächte hatte sie schon an seinem Krankenbett verbracht und gebetet und gehofft? Zu viele Male. Und wo war er jetzt? War er so tief verletzt, dass sie einen anderen Partner für diesen Auftrag bekommen hatte? Ihr war sein verletzter Blick im Büro, als sie ihm die Nachricht von ihrem neuen Auftrag mitgeteilt hatte, nicht entgangen. Und obwohl er in seinem ersten Anruf, einen Scherz machte „Wir haben beim FBI mal nebeneinander gesessen“, wirkte er doch sehr gekränkt. Sie wusste nicht mehr, was sie von der ganzen Situation halten sollte. Von ihm, von seinen Gefühlen ihr gegenüber, von seiner jetzigen Abwesenheit, von dieser Diana Fowley. Einfach von allem. Doch sie wollte sich nicht länger den Kopf darüber zerbrechen und so drehte sie sich zur Seite und schloss die Augen. Und wie so oft in den letzten Wochen, galten ihre letzten Gedanken, bevor sie der Schlaf überkam, Mulder.





Als sie die Augen wieder öffnete, fiel ihr erster Blick auf die Uhr und sie stellte fest, dass sie länger geschlafen hatte, als ihr lieb war. Es waren fünf Stunden vergangen. Sie musste erschöpfter sein, als sie selbst geglaubt hatte. Wahrscheinlich hatte auch die Narkose noch nachgewirkt und sie ins tiefe Reich der Träume entführt. Doch nun fühlte sie sich wieder besser. Sie hatte Durst. Als sie auf ihren Nachttisch blickte, stellte sie fest, dass ihr Wasser leer war und da ein zweiter Strauss Blumen stand. Wo kam der denn her? Aber erst mal war ihr Durst das wichtigste Bedürfnis und so entschied sie sich nach einer Schwester zu klingeln.

Nur eine Minuten später öffnete sich die Tür und eine ihr unbekannte Schwester trat ein.

„Hallo Miss Scully, ich bin Schwester Beatrice. Schön zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht. Sie haben schon viel mehr Farbe im Gesicht als gestern. Kann ich Ihnen etwas holen?“

„Ich hätte gerne etwas Wasser.“

„Ja gerne. Ich komme sofort wieder.“

Die Tür schloss sich und kurz darauf kam die Schwester mit einer vollen Karaffe Wasser zurück, schenkte ihr ein Glas ein und reichte es ihr. Scully trank das Glas auf einmal leer. Damit schienen endgültig wieder ihre Lebensgeister in sie zurück zu kehren.

„Waren Sie gestern auch schon da? Ich meine, weil Sie gesagt haben, dass ich schon wieder mehr Farbe im Gesicht habe. Und ich kann mich ehrlich gesagt nicht an Sie erinnern. Tut mir leid.“

„Nein, ist schon gut. Sie waren ja nicht gerade bei vollem Bewusstsein, als Sie hier eingeliefert wurden. Ich habe Sie auf die OP vorbereitet und war dann auf der Station, als Sie in den Aufwachraum kamen und als Sie dann hierher verlegt wurden. Eigentlich hätte ich heute freigehabt, aber eine Kollegin ist krank geworden. Und Sie wissen ja wie das ist. Ständige Unterbesetzung und so musste ich halt wieder ran.“

Es war manchmal ganz schön zu erfahren, dass sie nicht die einzige war, die ständig Überstunden schieben musste. Sie lächelte die Schwester verständnisvoll an.

„Ja der Job frisst einen manchmal auf. Das kenne ich.“

„Beim FBI scheinen Sie ja dahingehend auch nicht unbedingt verwöhnt zu sein? Nehmen wir zum Beispiel Ihren Kollegen. Den musste ich gestern direkt rauswerfen, damit er mal zu ein paar Stunden Schlaf kommt. Er wollte unbedingt warten, bis Sie aufwachen. Erst nachdem Sie hierher verlegt wurden und er sicher war, dass es Ihnen gut gehen würde, hat er zugestimmt und ist gegangen.“

Ritter schien ein schlechteres Gewissen zu haben, als Sie gedacht hatte. Geschah ihm ganz recht. Immerhin hatte er sie in diese Situation gebracht. Beim Gedanken an Ritter, fielen ihr auch die Blumen wieder ein. Und da stellte sich die Frage, von wem der zweite war.

„Wissen Sie zufällig, von wem der zweite Blumenstrauß ist? Als ich eingeschlafen bin, war er noch nicht da.“

„Ach, der ist von ihrem Kollegen. Er ist seit ungefähr einer Stunde da. Vor ungefähr zehn Minuten ist er aus ihrem Zimmer gekommen, und wollte sich mal draußen die Füße vertreten und mit dem Doktor sprechen.“

„Agent Ritter ist schon wieder da und hat mir einen zweiten Blumenstrauß mitgebracht?“

Meinte er vielleicht, sie wäre käuflich und würde ihm vergeben, wenn er nur oft genug hier auftauchen würde und ihr Zimmer mit Blumen überflutete. Da hatte er sich aber geschnitten.

„Nein. Ihr anderer Kollege. Agent Mulder. Ich glaube nicht, dass sich Herr Ritter noch mal blicken lässt, wenn Mulder in der Nähe ist.“

Mulder war doch da. Sie hätte es eigentlich wissen müssen. Aber dennoch tat ihr Herz einen freudigen Sprung bei dem Gedanken, dass er bis aus Washington hergekommen war. Anscheinend war er auch gestern schon da gewesen, denn mit dem Kollegen, den sie quasi rauswerfen mussten, konnte auch bloß Mulder gemeint sein. Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Er war da gewesen. Sie schalt sich für all die Vorwürfe, die sie ihm im Stillen gemacht hatte. Aber was meinte die Schwester mit dem zweiten Kommentar? Waren sich Ritter und Mulder schon begegnet? Und warum würde Ritter nicht mehr auftauchen, wenn Mulder in der Nähe war? Ihr kam da ein Verdacht, wenn sie an das Aussehen von Ritter dachte.

„Was ist passiert?“

Die Schwester blickte sie überrascht an, kam dann aber anscheinend zu dem Schluss, dass eine FBI-Agentin durchaus eins und eins zusammen zählen konnte.

„Tja, Ihr Kollege, Agent Mulder, war gestern ziemlich aufgebracht, als er ins Krankenhaus kam. Na und sagen wir mal, dass es wahrscheinlich Agent Ritters Glück war, dass auch noch zwei Polizisten anwesend waren.“

Was hatte Mulder nur wieder getan. Er konnte doch nicht einfach einem anderen Agenten eine verpassen. Wenn Ritter ihn anzeigte, würde er eine Verwarnung bekommen. Und sein Personalblatt war wirklich schon voll damit. Und bedachte man dann auch noch, dass Kersh nur auf eine Gelegenheit wartete, ihm wider eins reinzuwürgen, war die ganze Sache mehr als nur dumm. Mal abgesehen davon, dass sie irgendwo ganz tief in sich versteckt, die Idee, dass Mulder sich für sie geschlagen hatte, mehr als angenehm empfand. So weit zur professionellen Einstellung zum Beruf. Und außerdem hatte er nur getan, was sie am liebsten auch machen würde. Dem Kerl eine verpasst und anscheinend eine ordentliche, wenn sie an Ritters Auftreten in der Früh dachte.

Sie verspürte ganz leichten Stolz für Mulder. Seinen makellosen, muskelbepackten und athletischen Körper trug er nicht nur zur Schau spazieren, da steckte auch einiges dahinter. Auf ihren Armen bildete sich gleich eine Gänsehaut. In Gedanken sah sie ihn vor sich. Seine muskulösen Oberarme, die langen Finger, die so zärtlich sein konnten, seine sonnengebräunte Haut, die langen Beine. Ja er war perfekt. Das Blinzeln in seinen Augen, wenn er lachte, was selten vorkam. Die Gänsehaut zog sich über den ganzen Körper weiter, als sie daran dachte, wie er sich immer mit der Zunge über die untere Lippe fuhr. Wenn er dann noch lässig seine Sonnebrille trug, und sein Hemd die Unterarme hoch gerollt hatte, dann konnte sie ihn nicht mehr anblicken, ohne dass sich ein angenehm warmes Kribbeln in ihrem Bauch breit machte. Aber das war alles noch nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das sie bekam, wenn er enge Jeans und ein lässiges T-Shirt trug. Das Oberteil, das sich immer so perfekt an seinen wohlgeformten Oberkörper schmiegte, die Jeans die sich so eng um sein Hinterteil legte. In Gedanken verzehrte sie ihn dann und es machte sich in ihr ein unglaublich primitives Verlangen breit. Wenn er sie in diesen Momenten anfasste, zuckten kleine Stromschläge durch ihren Körper. Howhowhow, Dana, komm’ wieder zurück. Aber schließlich war sie auch nur eine Frau.





Mulder war ein glücklicher Mann. Ließ man mal seinen, zur Zeit mehr als beschissenen, Job weg, und vergaß, dass er von Kersh wieder mal einen Rüffel, wegen unentschuldigtem Fehlen bekommen hatte, und übersah man, dass er nur 5 Stunden geschlafen hatte, kam Mulder selbst zu dem Schluss, dass es ein wunderschöner Tag war. Das lag aber nicht an dem herrlichen Wetter oder an der Tatsache, dass er gerade für eine Woche frei genommen hatte, was eigentlich nie vorkam, oder an dem mehr als eindeutigen Blick, den er heute von einer Schwester bekommen hatte. Nein, all das war für ihn nur zweitrangig. Er hatte gerade mit Scullys Doktor gesprochen und dieser hatte ihm versichert, dass sie wieder vollkommen gesund werden würde. Und so ging er mit einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht den Krankenhausflur zu Scullys Zimmer entlang.

Ja, das Leben konnte schön sein, auch wenn er gestern darüber noch ganz anders gedacht hatte. Aber gestern stand Scully auch noch zwischen Leben und Tod. Bei diesem Gedanken tat sich ein kleiner Stich in seinem Herzen. Egal, das war gestern und heute ist heute. Scully wird wieder gesund werden, sie wird wieder aus dem Krankenhaus kommen und dann würden sie wieder beide gemeinsam arbeiten. Und wenn er die nächsten zwei Monate Routinebefragungen durchführen würde, war ihm das relativ egal. Hauptsache sie war wieder an seiner Seite. Und dafür würde er sorgen. Das nächste Mal, wenn jemand auf die Schnapsidee kam, und ihr einen anderen Partner zuteilen würde, müssten sie zuerst an ihm vorbei.

Scully würde begeistert sein, wenn sie davon erführe. Sie legte sehr viel Wert auf ihre Unabhängigkeit. Darauf ihm zu beweisen, dass sie stark war. Dabei wusste er doch, dass sie viel stärker war, als er es jemals schaffen würde. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass jedes Mal, wenn nur der kleinste Hauch einer Gefahr bestand sein Beschützerinstinkt für sie erwachte. Und sie hasste es. Aber egal wie viel Ärger ihm seine Fürsorge einbrachte, er würde sie niemals wissentlich in Gefahr bringen. Dafür war sie ihm viel zu wichtig. Das konnte er ihr natürlich nie sagen, er konnte seine Gefühle ihr gegenüber nie offenbaren, da sie offensichtlich nicht das gleiche für ihn empfand und so ließ er sie immer recht rüde zurück und begab sich alleine auf seine zum Teil etwas riskanten Abenteuer.

Sie war dann meistens ein paar Tage mehr als sauer. Außer wenn eines seiner Abenteuer im Krankenhaus endete, dann war sie komischerweise immer herrlich fürsorglich. Hockte sich auf sein Bett, hielt seine Hand und schenkte ihm diese unglaublichen 1000-Watt-Lachen. Manchmal hatten auch Krankenhausaufenthalte ihr Positives. Doch noch besser waren die Tage nach seiner Entlassung. Dann fuhr sie ihn persönlich nach Hause und kümmerte sich um ihn, bis sie hundertprozentig davon überzeugt war, dass es ihm wieder besser ging. Wenn es die Arbeit an den X-Akten irgendwie zuließ, zögerte er seine Genesung immer ein bis zwei Tage hinaus.

Er ließ sich von ihr über alle wichtigen Neuigkeiten informieren und ließ sie immer die Akten mit nach Hause bringen, um sie mit ihr gemeinsam durchzugehen. Ein weiterer Vorteil. Sie brachte dann meist noch Essen mit und dann saßen sie gemeinsam auf seiner Couch. Er rutschte unter dem Vorwand einen Bericht in ihrer Hand genauer studieren zu wollen, etwas zu nah an sie heran. Legte seinen Arm über ihre Schultern um auf etwas zu deuten, obwohl er das durchaus auch so zeigen könnte. Ließ den Arm dann oft wie zufällig auf ihrer Schulter liegen. Manchmal war sie sogar in der Stimmung, dass sie dies mehr als eine Minute zuließ, bevor ihr eine Ausrede, wie „Kann ich uns noch was zu trinken holen?“ oder „Ich muss mal für kleine Mädchen“ einfiel und sie geradezu aufsprang, um von ihm weg zu kommen. Aber da sie Ärztin war, eine hervorragende wie er fand, wusste sie auch immer ziemlich genau, wann es ihm wieder besser ging und so konnte er das ganze nicht ganz so strapazieren, wie er wollte.

Mulder hatte Scullys Zimmer erreicht, öffnete leise die Tür um sie nicht zu stören und stellte dann fest, dass sie wach war. Ihre Blicke trafen sich und er konnte nicht verhindern, dass sich ein wahrscheinlich total blödes Grinsen auf sein Gesicht schlich.

„Hey!“ war alles was er herausbrachte. Ihr einfaches „Mulder“, begleitet von einem Strahlen in ihrem Gesicht war auch nicht viel mehr. Doch ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. Wieder kommunizierten sie beide auf stille Weise. Sagten sich mit den Augen alles, was der andere wissen musste. Von der Spannung im Raum unangenehm berührt, zog sich die anwesende Schwester zurück.

„Wenn Sie noch etwas brauchen sollten, dann klingeln Sie einfach.“
Scully löste den Augenkontakt um die Schwester anzuschauen.

„Danke.“

Und damit verschwand die Schwester und ließ nur die beiden zurück.





In Gedanken dankte Scully Schwester Beatrice. Nur noch eine Sekunde länger und sie wäre unter Mulders Blick dahingeschmolzen. Was hatte der Kerl nur an sich, dass er sie mit nur einem Blick total aus der Realität holen konnte? Sie ihre Mauern fallen lassen ließ. Sie sah ihn wieder an. Er sah gut aus, wie immer. Und er hatte eines seiner raren Lächeln aufgesetzt, dass in diesem Moment nur ihr zu gelten schien. Mit wenigen Schritten hatte er das Krankenzimmer durchquert, setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand in die seine. Sie wusste nicht, ob er es bewusst tat, auf jeden Fall streichelte er mit seinem Daumen über ihren Handrücken und hinterließ immer da, wo er sie berührte ein angenehmes kribbelndes Gefühl auf der Haut zurück. Wusste er denn nicht, was er mit diesen einfachen Berührungen, mit diesen kleinen Gesten in ihr auslöste? Wenn sie nicht sofort etwas unternehmen würde, dann würde das kleine Gefühl sich bald in ein größeres Gefühl verwandeln. Und das wollte sie nun wirklich nicht. Und die einfachste Art Mulder von etwas abzubringen war ihn zu provozieren oder ihn wütend zu machen. Also tat sie das.

„Mulder, was hast du mit Agent Ritter gemacht?“

Es funktionierte. Schlagartig ließen die kreisenden Bewegungen seines Daumens nach, aber er hielt ihre Hand weiterhin in der seinen.

„Ich weiß gar nicht, was du meinst, aber Agent Ritter ist doch jetzt völlig zweitrangig. Ich bin nicht gekommen um über ihn zu sprechen. Ich steh da eher auf Frauen. Wenn du weißt was ich meine.“

Beim letzten Satz setzte er ein zweideutiges Grinsen auf und zwinkerte sie an.

Daraufhin rollte Scully mit ihren Augen, um ihn zu zeigen, was sie von seinem Statement hielt.

„Dass du auf Frauen stehst, ist mir durchaus bewusst.“

Vor allem auf jene mit langen Beinen und blonden Haaren, fügte sie in Gedanken hinzu. Beides Eigenschaften, die ihr völlig abgingen. Aber sie würde Mulder nicht so einfach vom Haken lassen.

„Mulder, ich hab ihn gesehen und ich hab so einiges gehört.“

„Was hast du gehört? Ich hab nichts getan was ich bereuen würde.“

Scully seufzte. Mulder machte wieder einen auf total unschuldig und missverstanden.

„Mal ganz davon abgesehen, dass er das ganze irgendwo auch verdient hat, schließlich verdanke ich ihm diesen kostenlosen Aufenthalt hier, ist dein Verhalten absolut unangemessen. Kersh wartet doch nur auf einen Grund, dir eine weitere Verwarnung auszusprechen.“

„Oho, wer hätte gedacht, dass die immer korrekte Dr. Scully gewisse Begeisterung für Ritters Aussehen aufbringt.“

Das brachte ihm ein weiteres Augenrollen und ein ganz kleines Grinsen ein.

„Das hab ich so nicht gesagt.“

„Ja, aber genau dass hast du gemeint.“

Sie geriet hier langsam ins Hintertreffen, so wie er ihre Aussagen verdrehte. Und das wusste er genau. Zeit also etwas schärfer vorzugehen um ihm dieses dämliche Grinsen entgültig aus dem Gesicht zu wischen. Sie würde hier nicht als Verlierer vom Platz gehen. Das ließ ihr Stolz nicht zu.

„Naja, ich kann nicht leugnen, dass Agent Ritter gewisse Reize mit sich bringt.“

Schade, dass sie keinen Fotoapparat zur Hand hatte, denn Mulders Gesichtsausdruck in diesem Moment war unbezahlbar. Sein Mund fiel nach unten und seine Augen vergrößerten sich. In ihrem Kopf spielte Scully die Siegeshymne und gratulierte sich selbst zum Triumph.

Die nächsten Worte von Mulder waren nur dahingenuschelt, aber Scully hörte sie trotzdem.

„Nächstes Mal sorge ich dafür, dass ihm was Dauerhaftes bleibt.“

War da eine gewisse Spur von Eifersucht zu hören? Nein, das konnte nicht sein. Dass war wahrscheinlich bloß wieder sein Alphatier-Verhalten. Typisch Mann halt.

„Wie war das, Agent Mulder?“

„Mmh, nichts. Also was genau ist passiert? Kannst du dich noch an was erinnern?“

„Ich weiß nur noch, dass ich bei Felling war. Dann kam jemand herein, Agent Ritter, wie sich herausstellte, und dann hörte ich einen Schuss.“

Beim nächsten Satz musste Scully schwer schlucken und Mulder drückte ihre Hand, um sie zu ermutigen fortzufahren.

„Ich weiß nur noch, dass ich einen Schmerz in der Bauchgegend gespürt habe und dass überall Blut war, dann kam Ritter hereingestürzt und dann wird es ziemlich vage und ich glaube den Rest habe ich mir eingebildet, da es einfach nicht wahr sein kann.“

Mulder bückte sich ein Stück nach vorne, kam auf diese Weise noch näher heran und sah ihr in die Augen.

„Was ist dann passiert?“

Sie spürte seinen Atem in ihrem Gesicht und ihr wurde wärmer. Viel wärmer. Sie blickte nach unten, um den Blickkontakt erneut abzubrechen.

„Felling sagte, ich solle die Augen schließen, sonst würde ich den Tod sehen. Und dann kann ich mich an nichts mehr erinnern.“

Es folgte ein kurzes Schweigen,. Mulder hatte seinen Blick aufgesetzt, den er immer bekam, wenn er versuchte die Teile eines Puzzles zusammenzufügen. Doch Scully brannte noch eine Frage auf den Lippen und sie wollte die Antwort wissen. Sie suchte wieder seine Augen.

„Mulder.“

„Ja“

„Was ist mit Felling?“

„Er wurde tot am Tatort aufgefunden.“

„Weiß man woran er gestorben ist?“

„Nein.“

Mulder sah sie kurz intensiv an und wieder führten sie eine lautlose Kommunikation. Doch sie zögerte noch mit ihrer nächsten Aussage, doch ein kurzes Nicken von Mulder reichte. Schließlich war er derjenige, der an das Paranormale glaubte. Wenn nicht ihm, wem konnte sie sonst ihre Vermutung mitteilen.

„Kann es sein, dass Felling unsterblich war?“

Diese Frage überraschte ihn weniger, als sie vermutet hatte. Anscheinend war er schon zu seinen eigenen Schlüssen gekommen.

„Ich weiß es nicht Scully. Wir werden wohl noch die Ergebnisse der Gerichtsmedizin abwarten müssen.“

Dann fuhr er etwas heiterer vor.

„Dass ich das noch erleben darf. Dr. Scully schlägt eine nicht wissenschaftliche Erklärung vor.“

„Muss wohl die Nachwirkung der Narkose sein.“

Mit diesem Satz lächelten sie sich beide an. Plötzlich ging die Tür auf und Schwester Beatrice kam herein.

„Mister Mulder, sie müssen jetzt leider gehen. Miss Scully braucht noch Ruhe. Immerhin wurde sie erst gestern operiert.“

Mulder drückte kurz ihre Hand, erhob sich, küsste sie auf die Wange und machte sich auf dem Weg zur Tür. Bevor er sie erreichte, stoppte ihn Scully noch mal.

„Danke für die Blumen.“

„Ach nicht der Rede wert. Diesmal hab ich sie ’ner Oma geklaut.“

Mit diesen Worten ging er durch die Tür und schloss sie hinter sich. Scully blickte auf die Stelle, wo er gerade noch gesessen hatte und fuhr seine Abdrücke mit ihren Fingern nach. Dann legte sie sich auf die Seite und versuchte zu schlafen. Was ihr nicht gelingen sollte, da ihre Gedanken immer wieder zu einem Mann zurückkehrten.





Fox Mulder stand vor Dana Scullys Krankenzimmer und beobachtete die Szene im Innern. Scully sprach mit Ritter, erteilte ihm wahrscheinlich ihre Absolution. Doch an ihrem Gesichtsausdruck sah er, dass sie es ihm nicht einfach machte, und er um jedes Stückchen Vergebung kämpfen musste. Wenn es nach ihm ginge, hätte Ritter auf ewig mit seiner Schuld leben können. Er hatte ihn seit dem Vorfall im Flur nicht mehr gesehen und hätte auch jetzt keinen Wert auf seine Anwesenheit gelegt, aber Scully war in dieser Beziehung immer etwas sensibler. Auch, wenn sie das selber nicht gerne zugab.

Seit ihrer Operation war eine Woche vergangen. Und Scully hatte sich erstaunlich schnell erholt. Er hatte vor einer Viertelstunde mit dem Doktor gesprochen, und dieser sagte, dass sie sich schneller erholte als er es je gesehen hatte. Sie müsste noch zwei Tage im Krankenhaus bleiben und könne dann nach Hause zurückkehren. In spätestens einer Woche, könne sie wieder zur Arbeit gehen. Er trug wieder Berufskleidung, einen seiner Anzüge. Sein Urlaub war vorbei und er musste heute nach Washington zurückfliegen und gleich danach im Büro erscheinen. Er konnte nichts dagegen tun, aber er vermisste sie jetzt schon. Sie würde zwar in zwei Tagen nachkommen, aber jede Minute ohne sie war wie die Hölle. Vor allem, weil er nicht mal schnell auf einen Sprung bei ihr vorbei schauen konnte. Also würde er in den nächsten zwei Tagen Telefonterror veranstalten. Nein, das konnte er auch nicht tun. Er wollte sie schließlich nicht nerven. Mit sich selbst vereinbarte er zwei Gespräche pro Tag. Eines um die Mittagszeit und eines nach Feierabend. So hatte er jeden Tag etwas, auf dass er sich freuen könnte. Doch bereits jetzt wusste er, dass es nicht bei den zwei Gesprächen bleiben würde. Wenn er nachts wachlag und von ihr träumte, dann würde er unweigerlich zum Telefon greifen und ihre Nummer wählen. So wie er es immer tat. Sie würde verärgert reagieren und ihn darauf hinweisen, wie spät es eigentlich sei. Dann würde er sich entschuldigen und fragen, ob er auflegen sollte. Dann würde sie meinen, dass sie sowieso schon wach sei und er auch ruhig sagen könne, weswegen er sie eigentlich aufgeweckt hätte. Manchmal fragte er sich, ob sie nicht heimlich auf seine Anrufe wartete. Schließlich ging sie immer recht schnell an ihr Handy, so als würde es auf ihrem Nachtkästchen liegen. Und wer legt sein Handy dahin, wenn er nicht gestört werden will? Dana Scully war eine Frau mit vielen Geheimnissen.

Die vergangene Woche, war trotz ihres Krankenhausaufenthaltes, schön gewesen. Er hatte sie mindestens zweimal am Tag besucht. Am Abend hatte er immer was zum Essen mitgebracht, was sie sich dann geteilt hatten. Und er hatte jede Gelegenheit genutzt sie zu berühren. Ein Begrüßungs- oder Abschiedskuss auf die Wange. Händchenhalten. Manchmal hatte er sich sogar in einem Gespräch mit seinen Händen auf beiden Seiten des Bettes abgestützt und war über sie gebeugt. Doch nach dem heutigen Tag würde das wieder vorbei sein. Noch etwas, dass er vermissen würde.

Und sie hatten geredet in der letzten Woche. Und nicht nur über die Arbeit, sondern über alle möglichen Sachen. Über Privates. Er hatte ihr von seinen Erfolgen als Basketballspieler auf der Highschool erzählt und sie ihm, wie ihre Mom sie mit 14 beim Rauchen erwischt hatte. Kaum zu fassen. Dana Scully hatte in ihrer Kindheit etwas Verbotenes getan. Und er war jeden Tag wieder ein bisschen mehr für sie gefallen, hatte sich jeden Tag noch ein Stückchen mehr in sie verliebt. Auch, wenn er gedacht hatte, dass dies nicht mehr möglich wäre. Außerdem genoss er es, sie in Pyjamas zu sehen.

Einmal hatte er es fast zu sehr genossen. Sie hatte vergessen den oberen Knopf zu schließen und so hatte er einen wunderbaren Blick auf den Ansatz ihrer Brüste. Sie trug keinen BH darunter. Er hatte versucht nicht zu starren, aber immer, wenn sie ihren Kopf im Gespräch auf die Seite drehte, wurden ihre Rundungen noch offensichtlicher. Dies hatte genügt, ihm eine kleine Verhärtung in seiner Hose zu bescheren. Was wiederum dazu geführt hatte, dass er sich geschlagene 20 Minuten nicht mehr bewegen konnte, da er ihr sonst einen wunderbaren Anblick geboten hätte. Und er wollte ihr wirklich nicht erklären müssen, dass schon der Anblick ihrer halbnackten Brüste reichte, um ihn unglaublich scharf zu machen. Er war sich nun sicher, dass die nächsten beide Nächte doch nicht so schwierig zu überbrücken waren. Schließlich war auch ein fotografisches Gedächtnis manchmal zu etwas gut.

Ritter und Scully schienen mit ihrem Gespräch am Ende zu sein, denn der Agent bewegte sich Richtung Tür. Mulder drehte sich in seine Richtung als der Agent heraus kam. Die folgenden Worte brachte er vollkommen emotionslos über die Lippen.

„Sie sind ein glücklicher Mann.“

Ritter schien genau zu wissen, auf was er anspielte. Ihm fiel nichts ein und so ging er ohne ein Wort zu sagen weiter. Er wusste vielleicht gar nicht, wie viel Glück er hatte, denn Mulder selbst glaubte nicht, dass ihn irgendetwas aufgehalten hätte, wenn Scully gestorben wäre. Mulder betrat mit einem Lächeln Scullys Krankenzimmer. Als er bei ihr war blieb er neben ihrem Bett stehen und nahm ihre Hand. Sie kam ihm auf halben Weg entgegen. Ja in einer Woche gewöhnte man sich viele Rituale an. Auch das Händchenhalten würde er vermissen, denn Scully würde es, wenn sie gesund war nicht mehr zulassen. Kurz versuchte er ihren Daumen zu fassen. Ein kleines Spiel, doch sie ließ sich nicht so einfach fangen. Dann blickte er zu ihr auf.

„Der Bericht vom Gerichtsmediziner ist heute zurückgekommen Er sagt, dass Felling an einer einzelnen Schussverletzung gestorben ist. Das ist alles, was er aussagt.“

Mit diesen Worten setze er sich zu ihr aufs Bett. Nutzte diese Möglichkeit noch mal in ihrer Nähe zu sein.

„Also ich hab mit dem Doktor geredet ... und er sagt, du machst dich fantastisch. Du erholst dich schneller, als er es je gesehen hat.“

Scully sah ihn sehr nachdenklich an.

„Ja, Mulder, ich weiß gar nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin. Menschen leben nicht für immer.“

Er hatte schon lange darauf gewartet. Dass die Wissenschaftlerin wieder an die Oberfläche kommen würde. Vielleicht bereute sie jetzt schon ihre Aussage, die sie einen Tag nach ihrer Operation getroffen hatte. Aber er war der Meinung, dass sie nicht so unrecht damit hatte, wenn sie meinte, dass Felling unsterblich war.

„Nein, nein. Ich glaube er hätte. Ich glaube der Tod sucht erst nach einem ... wenn man das Gegenteil gesehen hat.“

Nun schauten sie sich lange an, bevor Mulder fortfuhr.

„Der Doktor sagt, dass du in zwei Tagen entlassen wirst und nach Hause darfst. Und in einer Woche dürfen wir wieder nebeneinander sitzen und weitere spannende Routinebefragungen durchführen“

Scully schenkte ihm ein Lächeln.

„Ich wusste doch, dass das Leben einen Sinn hat. Ich freu mich schon wieder richtig.“

Nun grinste auch Mulder, doch als er fortfuhr, setzte er ein trauriges Gesicht auf, auch wenn er das nicht vorhatte. Warum kann ich in ihrer Nähe meine Emotionen nicht kontrollieren?

„Tja, uhm, mein Urlaub ist vorbei und ich muss heute nach Hause fliegen. Kersh will mich unbedingt im Büro sehen. Bestimmt hat er sich schon die ganze Woche überlegt, wie er mich am besten für mein unerlaubtes Verschwinden bestraft. Ich tipp mal auf die Klobürsten.“

„Das tut mir leid Mulder. Dass du wegen mir so Schwierigkeiten kriegst.“

„Oh nein Scully. Eigentlich wollte ich ja nur ein New York Knicks Spiel sehen. Du warst eine wunderbare Entschuldigung.“

Scully zog die Augenbrauen in gespieltem Entsetzen nach oben.

„Also, wenn du nach Hause kommst, rufst du mich an. Ich hol dich vom Flughafen ab. Du weißt schon, du darfst ja noch nicht so schwer tragen und so.“

„Dass kann doch auch meine Mutter machen. Du hast bestimmt was Besseres zu tun.“

Als gäbe es für ihn was wichtigeres, als Scully nach zwei Tagen wieder zu sehen. Er wollte keine Minute länger warten als nötig.

„Ach, ich wohne doch viel näher am Flughafen. Deine Mutter müsste den langen weiten Weg machen. Das ist doch kein Problem.“

Das Argument würde sie sicher schlucken. Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er sie bei ihrer Rückkehr am liebsten in die Arme schließen würde und die nächsten paar Stunden nicht mehr loslassen. Ihr gehauchtes „Danke“ und ihr Lächeln waren aber jetzt schon Belohnung genug.

„So, ich muss jetzt aufbrechen. Wir sehen uns in zwei Tagen. Ich ruf dich an, sobald ich wieder in Washington bin.“

Damit stand er von ihrem Bett auf und küsste sie noch mal auf die Wange. Als er zurückziehen wollte, hielt sie seine Hand fest. Ihre Gesichter waren nur ein paar Zentimeter entfernt und er konnte ihren Atem auf seinen Lippen spüren. Sie blickten sich tief in die Augen. Ganz sanft mit einem zarten Flüstern sagte sie.

„Ich zähle darauf.“

Bei diesen Worten machte Mulders Herz einen Doppelsalto und in seinem Bauch flogen plötzlich Schmetterlinge. Er sah ihr weiterhin tief in die Augen und lächelte sie an, wie ein dummer Schuljunge, der gerade seinen Lieblingslolli bekommen hatte. Ganz langsam stand er aus seiner gebückten Haltung auf, ließ ihre Hand los und ging zur Tür hinaus. Er dreht sich nicht mehr um, da er glaubte, dass ihn sonst seine Emotionen verraten würden. Aber als er den Flur entlang ging, verdrängte er den Gedanken an die nächsten beiden Tage ohne sie und dachte an die Tage, die sie daheim verbringen musste, bis sie wieder arbeiten durfte. Auch da würde sie sicher ein bisschen Pflege und Zuneigung brauchen.



ENDE
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