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Tot und begraben

von LM Shard

Kapitel 1

DEAD AND BURIED
by L.M. Shard



Er war tot. Mulder war tot! Dana Scully konnte es einfach nicht glauben.

Nach all diesen Monaten intensiven Suchens, Hoffens, Betens für seine sichere Rückkehr war er wieder da, zurück auf dieser Erde, tot.

Sie würde niemals vergessen, wie Agent Doggett zu ihr gerannt kam und ihr mitteilte, dass er Mulder gefunden hätte.

Sie war zu seiner stillen Gestalt hinüber gehastet und ihr Herz raste ob dem Gedanken, dass sie ihn endlich wieder sehen würde. Freude hatte sich wie ein wildes Feuer in ihrem Körper ausgebreitet, doch es war schnell erloschen, als sie realisierte, dass, obwohl Mulders Körper immer noch da war, sein Geist nicht länger bei ihm verweilte.

Er war kalt, leblos: tot. Sie war um Hilfe zu Jeremiah Smith gelaufen, doch er war weg, entführt von den Außerirdischen. Es gab nichts, was getan werden konnte. Sie hatte geschrieen, ein tiefer, herzzerreißender Schrei, der aus ihrem Innern aufgestiegen war, aus den Tiefen ihrer Qual. Sie hatte geschrieen und geschrieen, sich über Mulders stillen Körper geworfen, Tränen über sein lebloses Gesicht vergossen.

Sie erinnerte sich, wie Doggett und Skinner sie an den Armen gehalten hatten, um ihre geistige Gesundheit bangend und trotzdem ihren Schmerz teilend. Sie hatte sie beide weg gestoßen, hatte aufgehört zu schreien und war in Stille verfallen.

Sie hatte Mulders Gesicht angeschaut und dachte, wie schön er immer noch war, sogar mit all den Narben und Zeichen, die seine außerirdischen Entführer hinterlassen hatten.

Sie erinnerte sich, wie sie jedes Detail seines Gesichtes mit ihren Fingern nachgefahren war, versucht hatte, sich jede Rundung, jedes Merkmal einzuprägen. Sie erinnerte sich, wie sie seine kalten Lippen geküsst hatte, gebetet hatte, ihnen Leben einzuhauchen.

Sie erinnerte sich, wie Doggett plötzlich wieder an ihrer Seite aufgetaucht war und wie sie in seine Arme gefallen war. Ihre Tränen strömten in Bächen und obwohl sie sich nicht an alle Geschehnisse erinnern konnte, die sich nachher ereignet hatten, erinnerte sie sich, immer in John Doggetts Armen gewesen zu sein.

Sie erinnerte sich, dass, als keine Tränen mehr übrig waren und sie völlig ausgelaugt gewesen war, er immer noch da gewesen war und sie gehalten, sie beschwichtigt hatte. Er hatte sehr wenig gesagt, aber schon dass er da gewesen war, war auf eine Art der Faden, der ihren Geist gesund erhalten hatte.

Jetzt, als sie im Dunkeln ihres Appartements auf dem Bett saß, dachte sie an ihren neuen Partner. Sie hatte darauf bestanden, dass er, Skinner und die andern sie alleine und in Frieden ließen.

In Frieden! Sie hatte das tatsächlich gesagt!

Als hätte sie jemals wieder Frieden ohne Mulder. Durch eine Menge Überzeugungsarbeit waren sie schlussendlich gegangen. Und jetzt war sie ganz alleine: alleine in ihrem Elend, alleine mit ihren Gefühlen, alleine mit ihren Erinnerungen.

Sobald sie gegangen waren, hatte sie wieder geweint, bis sie nicht mehr konnte. Und jetzt, als sie in ihrem Bett saß, wurde sie vor Trauer beinahe verrückt. Sie wusste nicht, was zu tun war.

Ihre Mutter besuchte gerade ihren älteren Bruder an der Westküste und würde vor der nächsten Nacht nicht hier sein. Es war zwei Uhr morgens, doch sie musste irgendwie vor dem Schmerz flüchten. Sie zog einen Mantel über ihren Pyjama und ging zur Türe hinaus, zu ihrem Auto. Sie fuhr über eine Stunde ziellos umher, Erinnerungen an Mulder schossen ihr durch den Kopf.

Sie strich sanft über ihren angeschwollenen Bauch, erinnerte sich an den Tag, an dem sie herausgefunden hatte, dass die Invitro-Fertilisation schlussendlich doch erfolgreich gewesen war. Sie war so glücklich, dass sie Mulders Baby unter dem Herzen trug und Mulder hatte ihre Freude geteilt.

Warum hatte sie sich selbst nicht erlaubt, ihr Herz zu öffnen und das Baby auf dem natürlichen Weg zu empfangen? Warum hatte sie Mulder nicht gesagt, wie sehr sie ihn liebte? Nun war es zu spät und ihr Baby würde keinen Vater haben.

Der Schmerz drohte, sie zu überwältigen und ohne es überhaupt zu bemerken, hielt sie den Wagen an. Sie schaute aus dem Fenster und sah, dass sie sich vor Doggetts Wohnung befand. Es war jetzt drei Uhr morgens. Sie zögerte, ihn zu wecken, doch sie war verzweifelt.

Doggett hörte ein Klopfen an seiner Tür. Er stand sofort auf, da er es nicht geschafft hatte, viel zu schlafen. Er hatte an die Geschehnisse der Nacht gedacht, und an Scully. Er hatte sich gefragt, ob sie in Ordnung war, so alleine mit ihrem Kummer. Mehrere Male hatte er schon das Telefon in der Hand gehalten, mit der Absicht, sie anzurufen und zu schauen, wie es ihr ging. Doch da sie keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie alleine sein wollte, hatte er jedes Mal das Telefon, ohne überhaupt zu wählen, wieder aufgehängt.

Er öffnete die Tür und war überrascht, Scully vor sich stehen zu haben. Sie war zerzaust und bleich. Ihre Augen waren von den vielen Tränen angeschwollen und der Ausdruck ihrer Augen zeugte von Verzweiflung und Qual.

"Es tut mir leid, Agent Doggett. Ich weiß, es ist spät, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich...", sagte sie mit einem Flüstern.

"Schhhhht", sagte er. "Ich bin froh, dass Sie gekommen sind."

Damit fiel sie in seine Arme und ließ die Tränen wieder fließen. Er hielt sie fest, streichelte mit seiner Hand über ihr Haar. Er versuchte, ihre zitternde Gestalt zu beschwichtigen, sein Herz schmerzte mit ihr. Er kannte ihren Schmerz und wusste, wie ergreifend er war.

Als ihre Tränen langsam versiegten, führte er sie zu der Couch und sie setzten sich. Sie nahm sich einige der Papiertaschentücher auf dem Beistelltisch und tupfte ihre roten, geschwollenen Augen ab.

"Denken Sie, Sie können schlafen?", fragte Doggett besorgt. "Es wäre gut für Sie."

Sie schüttelte ihren Kopf. "Nein, ich bin viel zu durcheinander. Mir ist, als würde ich wahnsinnig werden. Der Schmerz ist so groß. Ich weiß nicht, was ich tun soll!"

"Ich kenne das Gefühl", meinte er. Sie blickte zu ihm auf und sah den Schmerz in seinen Augen. "Ich habe meine Frau und mein Kind verloren."

"Das tut mir leid", sagte sie, seinen Schmerz verstehend. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass er solches Leid hatte erdauern müssen. Sie legte ihre Hand auf seine.

"Meine Frau starb während der Geburt, etwa vor acht Jahren. Sie hat nie unseren wunderschönen kleinen Sohn, Kevin, kennen gelernt. Dann, als er fünf war, verschwand er. Entführt. Agent Reyes, einige andere Agenten und ich suchten jahrelang nach ihm. Wir fanden nichts. Etwa vor einem Jahr haben sie seine Überreste gefunden, begraben in einem flachen Grab draußen im Wald." Eine Träne rann Doggetts Wange hinab.

Sie wischte die Träne sanft mit ihren Fingern weg. "Es tut mir so leid", sagte sie wieder. Er verstand, was sie gerade durchmachte. Er hatte sogar noch mehr verloren als sie.

Sie hielten einander lange, jeder in seinem eigenen Elend versunken.

"Wie haben Sie das überlebt? Wie sind Sie durch all die Tage gekommen?", fragte sie verzweifelt.

"Ich weiß nicht. Man tut es einfach. Einen Tag nach dem anderen", sagte er, fuhr dann fort, "meine Familie und einige enge Freunde haben mir geholfen. Wenn sie nicht da gewesen wären – ich glaube nicht, dass ich es dann geschafft hätte. Aber der Schmerz ist immer da. Man lernt einfach, mit ihm zu leben."

Sie hielten einander wieder. Dann brach Scully die Stille. "Danke, dass Sie für mich da sind. Meine Mutter wird nicht vor morgen Nacht zurück sein und ich habe einfach nicht gewusst, wohin ich gehen sollte."

"Ich bin froh, dass Sie zu mir gekommen sind. Bitte zögern Sie nicht, mich um irgendwas zu bitten. Ich werde für Sie da sein, solange Sie nur wollen. Nun, schauen wir doch mal, ob Sie etwas Schlaf kriegen können."

"Ich weiß nicht", meinte sie und bezweifelte, dass sie es konnte, obwohl ihr Geist nach etwas Ruhe schrie.

"Sie kriegen mein Bett. Ich habe die Bettwäsche erst gestern gewaschen. Ich werde auf der Couch schlafen", bot Doggett an.

"Nein, ich kann Sie doch nicht aus Ihrem eigenen Bett herauswerfen", wandte sie ein.

"Das ist kein Problem", meinte er. "Na los, schlafen Sie etwas."

Sie ging ins Schlafzimmer, ohne weiter zu protestieren. Als sie sich auf das Bett legte, konnte sie hören, wie Doggett sein improvisiertes Nachtlager herrichtete. Es war unglaublich freundlich von ihm, dass er ihr einfach so half. Er und Mulder waren so verschieden, doch....die Erinnerung an Mulder drohte sie zu überwältigen. Er war tot! Tränen füllten ihre Augen und sie schluchzte in das Kissen hinein.

Doggett lag auf der Couch und hatte Probleme, einzuschlafen. Seine Trauer um seine Familie hatte ihn wieder eingeholt, als er gesehen hatte, wie Scully trauerte. Er vermisste seine Frau und seinen Sohn so sehr.

Doch nach vielen Jahren hatte er es endlich geschafft, ein Leben ohne sie zu führen. Es war ein Leben, das hauptsächlich aus der Arbeit bestand – er verbrachte so viel Zeit wie nur möglich im Büro – aber das war es, das ihn durch den Tag brachte. Seine Gedanken wandten sich Scully zu. Er sorgte sich um sie und wünschte sich, er könnte mehr für sie tun. Doch er wusste, außer einfach für sie da zu sein, gab es nicht viel, das er tun konnte. Zeit war eine langsame, doch auch unvollkommene Heilung für Wunden wie diese.

Plötzlich hörte er Scullys qualvolles Schluchzen. Er hörte ihr eine Weile zu, sein Herz schmerzend vor Mitgefühl, dann gab er dem Drang nach, zu ihr zu gehen.

Er klopfte leise an die Schlafzimmertür. Sie stand etwas offen und so betrat er langsam den Raum. Die kleine Lampe auf dem Nachttisch war immer noch an und warf ein warmes Glühen über Scullys kleinen, zusammengerollten Körper.

"Agent Scully", flüsterte er.

Sie schaute zu ihm, ihre Augen mit Tränen gefüllt. Er kniete sich neben sie und streichelte ihren Arm. Sie zitterte vor Kummer.

"Bitte halten Sie mich", sagte sie so leise, dass er es kaum verstehen konnte.

Er legte sich zuoberst auf die Bettdecke und zog Scully in seine Arme. Seine Nähe und Wärme brachten ihr sofortigen Trost und sie beruhigte sich, ihr Körper hörte auf zu zittern. Schlussendlich driftete sie in den Schlaf hinüber. Er hörte, wie ihr Atem regelmäßig wurde und griff langsam nach der Lampe und schaltete sie aus. Dann löste er sanft seine Arme von ihr und stieg vom Bett.

Hoffentlich würde sie ruhig schlafen für den Rest der Nacht. Er wollte gerade den Raum verlassen, als er ihr Murmeln hörte.

"Bitte gehen Sie nicht." Ihre Bitte war leise und flehend. Völlig untypisch. Doch sie war verzweifelt und kümmerte sich nicht länger darum. Ihre Gefühle waren ein tumultartiges Durcheinander und mussten zur Ruhe kommen. Sie vertraute ihm.

"In Ordnung, ich werde bei Ihnen bleiben", flüsterte er zurück und kletterte wieder aufs Bett. Und so wurden schließlich beide vom Schlaf übermannt.

Am Morgen schreckte Scully aus dem Schlaf auf. Sie saß im Bett auf und wusste nicht, wo sie war. Dann sah sie John Doggett, wie er neben ihr lag. Er war schon wach und beobachtete sie. Einen Moment lang war sie verwirrt und dann stürzten die Erinnerungen auf sie ein, genauso der Schmerz. Die Situation war ihr plötzlich unangenehm. Sie wollte nicht, dass er dachte, sie würde ständig mit irgendwelchen Männern schlafen.

"Es tut mir leid. Ich sollte gehen. Ich will nicht, dass sie das Falsche denken. Ich...", stammelte Scully und ihre Wangen verfärbten sich zu einem leuchtenden Rot.

Doggett unterbrach sie. "Es ist in Ordnung, Agent Scully. Ich würde sie niemals ausnutzen, oder schlecht von Ihnen denken, weil sie Trost brauchen. Ich bin für sie da. Es muss Ihnen nicht peinlich sein", sagte er in so nettem, liebevollem Ton, dass ihre Verlegenheit schnell verschwand.

"Danke", sagte sie. "Danke, dass Sie für mich da sind. Ich weiß nicht, was ich letzte Nacht ohne sie getan hätte. So habe ich wenigstens einige Stunden schlafen können."

"Ich bin sehr froh. Und, Sie müssen mir nicht danken. Ich bin glücklich, dass ich helfen konnte", meinte er beschwichtigend. Dann stieg er vom Bett, nahm eine saubere Hose und ein T-Shirt und gab Scully die Kleidungsstücke. "Wenn Sie möchten, können Sie eine Dusche nehmen und dann das anziehen. Im Badezimmer sind frische Handtücher. Währenddessen werde ich uns Frühstück machen."

"Danke", sagte sie wieder. Er lächelte. Sein war voller Mitgefühl für sie und den langen, harten Kampf, der vor ihr lag. Doch er schwor sich, dass er auf jede Weise für sie da sein würde, falls sie ihn brauchen würde. Er musste es tun. Und er wollte es tun. Er machte sich viel aus ihr.

Sie duschte und ließ das heiße Wasser ihre Tränen wegspülen. Mulder war weg. Er war wirklich weg. Sie berührte ihren gerundeten Bauch und fragte sich, wie sie es jemals ohne ihn schaffen würde. Sie fühlte sich verloren. Obwohl sie einander gegenüber ihre Liebe niemals mit Worten gestanden hatten, hatten sie einander doch immer verstanden. Sie wusste, dass er immer für sie und sie immer für ihn da sein würde. Aber jetzt war er weg. Weg. Einfach so. Und doch hörte die Welt nicht auf zu existieren. Sie war hier und duschte, machte sich bereit für einen nächsten, schmerzerfüllten Tag, würde bald frühstücken, sich unterhalten, die Beerdigung planen, da war so viel zu tun.... Aaahhh! Ihr Geist schrie vor Schmerz. Die Welt ging nicht zu Ende, doch ihr Leben tat es.

Das Baby trat in ihrem Leib. Nun, das Leben wie sie es kannte, ging zu Ende. Um Mulders Baby willen musste sie weitermachen. Mit diesem Gedanken kletterte sie aus der Dusche, trocknete sich ab und zog die Kleider, die Doggett ihr geliehen hatte, an.

Die Hosenbeine musste sie aufrollen, da sie ihr viel zu lang waren. Sie nahm seinen Kamm und fuhr damit durch ihr Haar. Sie sah fürchterlich aus. Verquollene, rote Augen, kein Make-up, das Gesicht blass und die Haare nass und strähnig. Es war ihr egal.

Sie setzte sich auf ein Ende des Bettes und starrte die Wand an. All ihre Tränen waren schon verbraucht. Sie fühlte sich wie betäubt.

Einige Minuten später hörte sie ein Klopfen an der Tür, fuhr jedoch fort, die Wand anzustarren. Doggett kam langsam in den Raum und kniete neben ihr nieder. Er nahm ihre Hand in seine.

"Dana..."

Beim Klang ihres Namens fiel sie ihm in die Arme und hielt ihn eng umfasst. "Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich habe keine Gefühle mehr übrig. Sie sind alle schon aufgebraucht worden. Ich bin wie betäubt." Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Für sie ergaben sie keinerlei Sinn. "Ich weiß nicht, was ich tun soll."

"Ich werde mich um alles kümmern." Er wollte verzweifelt, dass ihr Schmerz verschwand. Er hätte ihn frohen Herzens auf sich genommen, wenn es denn möglich gewesen wäre.

"Die Beerdigung! Ich muss sie planen. Ich will, dass alle dort sind, die ihn gemocht haben." Sie hielt inne, dachte nach. "Aber das sind so wenige. Seine Mutter, sein Vater, seine Schwester – alle tot. Da sind nur noch Skinner, die Einsamen Schützen und ich selbst. Die anderen Agenten haben ihn nur ausgelacht. Wie konnten sie! Konnten sie denn nicht sehen, was für ein großartiger Mann er war?" Sie war plötzlich außer sich vor Verzweiflung.

"Schhht, Dana. Diese Leute sind nicht wichtig. Aber Sie sind es. Er wurde von Ihnen geliebt. Das machte ihn zu einem sehr glücklichen Mann."

"Ich habe es ihm nicht einmal gesagt, dass ich ihn liebe", sagte sie mit wachsender Trauer.

Doggett war davon überrascht, sagte jedoch, "Ich bin sicher, dass er es gewusst hat. Es gibt viele Möglichkeiten, um Liebe zu zeigen."

"Das nehme ich an. Aber ich hätte es sagen sollen. Ich hätte ihm sagen sollen ‚Ich liebe dich’, und jetzt ist es zu spät."

"Er weiß es." Doggett hielt sie fest. Einige Momente der Stille verstrichen. "Gehen wir doch etwas frühstücken."

Er nahm ihre Hand und führte sie zum Küchentisch. Er goss ihr eine dampfende Tasse koffeinfreien Kaffee ein und stellte sie zusammen mit einem Omelett und einem Toast vor sie auf den Tisch. Doch sie war nicht hungrig.

Bemerkend, dass sie ihr Essen nicht anrührte, sagte Doggett sanft, "Dana, Sie müssen essen. Sie brauchen Kraft für sich selbst und das Baby."

Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und nahm das Stück Toast mit der anderen. Sie aß, nahm aber keinen Geschmack wahr.

"Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen bei den Vorbereitungen für die Beerdigung helfen", bot Doggett an.

Sie seufzte. "Das wäre großartig. Ich denke einfach nicht, dass ich es alleine regeln kann."

Sie verbrachte den größten Teil des Tages in Doggetts Wohnung und gab ihr OK zu den Vorschlägen, die Doggett für die Beerdigung ausarbeitete. Sie musste bei der Planung dabei sein. Das war wichtig. Da Doggett die meiste Arbeit tat, konnte sie es schaffen. Als es schon Mittag vorbei war, hatten sie das Organisatorische geregelt. Doggett machte etwas zu essen. Und dieses Mal merkte Scully, dass sie Appetit hatte.

"Ich muss jetzt nach Hause gehen", sagte Scully, nachdem sie fertig gegessen hatte. "Meine Mutter wird in wenigen Stunden da sein und ich später muss ich noch Mulders Autopsiebericht abholen."

"Soll ich Sie fahren?", fragte er eindringlich.

"Nein, ich kann fahren", sagte sie.

Sie gingen beide zur Eingangstür.

"Vielen Dank für alles, John." Ihn zu duzen fühlte sich natürlicher an, wenn man bedachte, was sie beide in den letzten vierundzwanzig Stunden durchgemacht hatten.

"Ich bin so dankbar für deine Hilfe und Unterstützung. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich getan hätte." Sie war so glücklich, diesen wundervollen Mann in ihrem Leben zu haben. Sie fühlte sich ihm nach letzter Nacht viel näher und hatte den größten Respekt vor ihm.

"Das ist doch selbstverständlich. Ich weiß, dass deine Mom bald hier sein wird, aber wenn du mich brauchst, ruf mich bitte an oder komm einfach vorbei. Es ist egal, welche Zeit dann gerade ist", sagte Doggett voller Ernst. Er machte sich Sorgen, welche Auswirkungen der Autopsiebericht auf Scully haben würde.

"Danke. Ich werde vielleicht auf das zurückkommen."

Sie umarmten sich, keiner wollte den anderen loslassen. Plötzlich fühlte Doggett einen Tritt.

"War das, das Baby?", fragte er überrascht.

"Ja", lächelte sie. "Hier, fühl mal", sagte sie, nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Das Baby trat nochmals.

"Wow! Das ist erstaunlich!" Er fühlte sich geehrt, dass er ihren Bauch so fühlen durfte. Es war so intim.

Sie lächelten beide. Richtige Lächeln, die ersten, seit sie Mulders Körper entdeckt hatten. Er zog seine Hand zurück und Scully vermisste die Wärme, die sie ihr gebracht hatte.

"Ich sehe dich später", sagte sie und ging.

Margaret Scully war ein großer Trost für ihre Tochter. Auch sie war in ihrem Leben durch unglaublichen Schmerz gegangen, als sie ihren Ehemann und ihre jüngere Tochter verloren hatte.

Sie blieb bei ihrer beraubten Tochter, tröstete sie so gut sie nur konnte. Aber als es Zeit wurde, Mulders Autopsiebericht abzuholen, bestand Scully darauf, selbst hinzugehen und schickte ihre Mutter nach Hause.

Sie ging den Bericht zusammen mit dem Arzt, der die Autopsie geführt hatte, detailliert durch. Es war grausam. Der Schmerz, den Mulder durchgemacht haben musste, ließ sie schwindlig werden. Sie brauchte all ihre Kraft, um die Tränen zurückzuhalten, doch als sie den Raum verlassen hatte und ihren Wagen erreichte, flossen sie ihr in Strömen über die Wangen.

Nach einigen Minuten hatte sie sich soweit gefasst, dass sie fahren konnte und fuhr geradewegs zu Doggett. Sie konnte es nicht ertragen, nach Hause in ihre leere Wohnung zu gehen, die voll von Erinnerungen an Mulder war.

Scully klopfte an Doggetts Tür und in dem Moment, als er öffnete, fiel sie ihm in die Arme. Er hielt sie fest.

"Es war schlimm, John. Es war so schlimm. Die Qualen, denen die ihn ausgesetzt hatten! Er hat so sehr gelitten!", rief sie aus und gab Doggett den Bericht. Er nahm ihn aus ihrer zitternden Hand und überflog ihn.

Es war entsetzlich.

"Es tut mir so leid", flüsterte er. Er wusste nicht, was er sagen sollte und hielt sie deshalb einfach nur.

Den Rest der Nacht verbrachte sie wieder in seinen Armen. Er bestand darauf, dass sie in seinem Bett schlief und sie akzeptierte widerwillig, wenn auch dankbar. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie seinen Trost brauchte und es nicht schaffte, alleine zu sein.

Sie war eine starke Frau, doch all ihre Stärke hatte sie in den letzten Tagen verlassen. Vielleicht waren es die Schwangerschaftshormone, die ihre Trauer vertieften und sie ihrer Stärke beraubten. Was auch immer es war, sie schwor sich, dass sie irgendwann wieder diese starke Frau sein würde. Einfach nicht jetzt. Jetzt wollte sie einfach nur wie das Baby sein, das sie unter dem Herzen trug: zusammengerollt in Wärme und Trost, geschützt vor der Außenwelt. John Doggett bot ihr all dies und sie würde ihn nicht zurückhalten.

Am nächsten Tag fuhr Doggett sie ins Beerdigungsinstitut, wo Mulders Körper vorbereitet worden war und jetzt zum Betrachten auslag. Etwa ein Dutzend Leute waren schon da, als Scully und Doggett ankamen. Skinner und die drei Einsamen Schützen waren unter ihnen.

Alle kamen zu Scully und kondolierten ihr. Jeder trauerte, natürlich, selbst, aber sie wussten von der besonderen Verbindung, die zwischen Mulder und Scully bestanden hatte. Sie alle umarmten sie, wollten ihr so ihr Verständnis übermitteln.

Als Scully auf den Sarg zuging, wichen die anderen zurück, um ihr so etwas mehr Privatsphäre zu geben. Doggett sah ihr aus der Ferne zu, seine Sorge um sie war offensichtlich. Skinner studierte ihn. Er war froh, dass Doggett für sie da war. Er merkte, dass die beiden sich in den letzten Tagen näher gekommen waren. Da er es nicht sein konnte, war Skinner froh, dass es Doggett war. Er war ein guter Mann.

Als sie Mulders Gesicht sah, war sie überrascht davon, wie natürlich es aussah. Die Narben und Wunden waren abgedeckt und er sah friedlich aus. Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte gedacht, er würde schlafend da liegen. Sie berührte sanft seine Wange. Sie war hart, kalt und ledrig. Er war gegangen.
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