Maryland / Baltimore Juli, 1982
Dana drehte sich unruhig von einer Seite auf die andere. So sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, nochmals einzuschlafen. Es war ihr erster Ferientag, und sie wollte es daher genießen, lange schlafen zu können. Und noch etwas ließ sie nicht los: Sie hatte einen Traum, einen unheimlichen Traum. Dennoch, auch wenn er noch so unheimlich gewesen war, wollte sie zurück, wieder einschlafen und weiterträumen. Sie wälzte sich verzweifelt in ihrem Bett, konnte aber nicht wieder zurück in ihre Traumwelt.
Missmutig streckte sie sich und bequemte sich aus ihrem gemütlichen Bett. Sie zog die Vorhänge in ihrem Zimmer auf und warf einen Blick nach draußen. Die Sonne schien warm und klar auf das Haus und den Vorgarten. Vögel zwitscherten. Und es gab keine einzige Wolke am Himmel. Dana öffnete das Fenster, vor dem sie stand, und nahm einen tiefen Atemzug der frischen Luft, die ihr entgegenkam. Ein Windhauch strich ihr durch ihr langes Haar und über ihr Gesicht. Die Sonnenstrahlen, die ihre Haut berührten, ließen ihr einen wohligen warmen Schauer über den Rücken gleiten. Ein schöner erster Ferienmorgen, auch wenn er schon kurz nach acht begann. Dana kramte in ihrem Schrank nach geeigneten Sachen, die sie heute anziehen wollte, holte sich frische Unterwäsche und verschwand kurz darauf im Badezimmer, das ihrem Zimmer gegenüber lag.
Sie hatte sich nach der Dusche das lange dunkelblaue Kleid mit den kleinen weißen Blümchen angezogen, für das sie sich an diesem Morgen entschieden hatte. Mit nassen, hochgesteckten Haaren verließ sie das Bad und ging hinunter in die Küche, wo ihre Mutter bereits das Frühstück zubereitete. Ihr Vater saß wie gewohnt am Tisch und las die Nachrichten in der Tageszeitung. Ihr Dad sah auf, als er sie hereinkommen hörte, und begrüßte sie lächelnd.
„Guten Morgen, Steuermann. Gut geschlafen?"
„Guten Morgen. Ja, und ihr?"
Dana eilte zu ihrer Mutter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor sie sich zu ihrem Vater setzte. Sie sah ihn einen Moment lang verwundert an, es kam ihr vor, als hätte sie ihren Dad schon seit einer Weile nicht gesehen. Doch als ihre Mom ihr das Frühstück hinstellte, schüttelte sie unmerklich den Kopf.
*Komisch*, dachte sie. Irgend etwas schien nicht wie immer zu sein, aber was? Sie konnte es sich nicht erklären.
„Dana, Liebes. Kommst du nachher mit?", fragte ihre Mom, die Danas Blick auf ihren Vater nicht bemerkt hatte.
„Wohin?"
Margaret setzte sich auch zu ihrer Tochter und ihrem Mann an den Tisch und begann zu frühstücken.
„In den Supermarkt, zum einkaufen", meinte sie schließlich zu Dana.
„Ja klar. Warum nicht. - Daddy, darf ich mir ein Kleid für die College-Party kaufen, auf die Missy mich eingeladen hat?"
„Wozu? Dein Schrank ist doch gestopft voll mit Kleidern."
„Bill, es ist eine College-Party keine Highschool-Fete."
Margaret zwinkerte Dana zu und sah ihren Mann eindringlich bittend an. Sie wusste, dass Dana viel an dieser Veranstaltung lag. Sie freute sich seit dem Tag, an dem Melissa angerufen und sie eingeladen hatte, darauf. Dana sah ihren Vater geradezu flehend an, „Bitte Daddy." William Scully faltete seine Zeitung zusammen, atmete tief ein und - während er sich geschlagen gab - wieder aus. „Na schön, Steuermann. Aber nimm nicht gleich das teuerste."
Ihr Vater sah sie streng an. Dana wusste, dass er meinte, was er sagte, es aber nicht böse gedacht war, wie er es sagte. Streng. Er war ein guter Kerl. Streng und trotzdem ein großartiger Vater. Der beste, den es gab. Zumindest sah Dana das so. Ihre Mom und sie grinsten sich triumphierend an. Sie hatten ihn mal wieder weich bekommen.
Margaret wusste genau, dass Melissa kein solches Glück gehabt hätte, wenn sie um ein neues Kleid gebeten hätte. Bill würde es zwar nie zugeben, aber Dana war sein Liebling. Vielleicht deshalb, weil sie beide sture Dickköpfe waren und sich ständig in die Haare bekamen, sobald einer von ihnen seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Dana wurde von Bill verwöhnt, mehr als er es bei Bill Jr., Melissa und Charles zugelassen hätte. Aber er ließ es keinem der anderen Kinder je an etwas fehlen.
„Danke, Ahab. Du bist der Beste."
Dana fiel ihrem Vater überschwänglich vor Freude um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Schon gut. Jetzt iss weiter", befahl er Dana in einem freundlicheren Tonfall.
Später am Abend klopfte es an Danas Zimmertür, als sie gerade dabei war, in ihr Tagebuch zu schreiben.
„Herein!"
Die Tür ging einen Spalt breit auf und Judy, ihre wohl beste Freundin, betrat das Zimmer.
„Hi, Dana. Was gibt's denn? Du hast am Telefon nicht sehr viel verraten."
Dana schlug ihr Tagebuch zu und setzte sich neben Judy aufs Bett, auf das sich auch ihre Freundin hatte fallen lassen. „Also was ist so dringend, Dana?", fragte Judy erneut, als Dana nur stumm vor sich hin lächelte.
„Im Grunde nichts Besonderes... glaube ich zumindest. Ich hatte einen merkwürdigen Traum letzte Nacht und habe das Bedürfnis, darüber zu reden... nichts weiter."
Judy setzte sich wieder aufrecht hin und gestikulierte wie wild mit den Händen. „Ja... und weiter. Das ist doch nicht alles, oder?", fragte Judy mit großem Interesse. Sie war richtig neugierig und gespannt auf Danas Erzählung.
„Ich habe mich in dem Traum gesehen... - aber ich war nicht ich."
„Hä, wie meinst du das denn jetzt?" Judy zog verwirrt ihre Brauen zusammen, als sie der Erzählung ihrer Freundin nicht folgen konnte. Sie hasste es, wenn sie in solchen Rätseln sprach. Sie versuchte in Danas Augen zu lesen, was sie verbarg, aber sie blieb erfolglos und sah Dana statt dessen zu, wie sie offensichtlich über ihre nächsten Worte nachdachte. Nach einigen Momenten des Schweigens sprach Dana wieder weiter.
„Ich sah älter aus, als jetzt. Also, ich meine, wenn ich es war. Und da war... ach das ist blöd."
„Dana, lass mich nicht am ausgestreckten Arm verhungern. Erzähl weiter, sonst..."
„Schon gut, ok. Wo war ich? Ach... Da war ein Mann in dem Traum. Ich habe ihn immer nur von hinten gesehen, aber ich fühlte mich sicher und geborgen bei ihm."
„Hattest du Sex mit ihm?" Dana boxte ihrer Freundin auf den Oberarm wegen dieser Frage. „Au! Schon gut, ich hab nichts gesagt."
Dana schüttelte kichernd den Kopf. „Was hast Du für kranke Ideen?"
„Sex ist toll. Du solltest es auch mal versuchen, damit du verstehst was ich meine."
„Du hast nur noch das im Kopf. Soll ich denn den Erstbesten schnappen und...?"
„Nein, natürlich nicht. Ich verstehe es, dass du auf den Richtigen warten willst", meinte Judy beschwichtigend, als sie merkte, wie unangenehm Dana diese Art Unterhaltung war. Es war ihr geradezu peinlich. „Erzähl weiter, Dana. Indianerehrenwort, dass ich dich nicht mehr unterbreche."
Dana resignierte einen Augenblick und sprach etwas eingeschüchtert weiter, „Jedenfalls hatte dieser Mann etwas an sich... ich kann es gar nicht beschreiben. Er kam mir sehr vertraut vor, so als ob ich ihn schon lange kennen würde. Dabei hab ich ihn noch nie gesehen."
„Was ist daran so merkwürdig? Ich träume ständig von irgendwelchen fremden Männern." „Der war was Besonderes, Judy. Ich hab noch mehr gesehen, das mir erst im Lauf des Tages wieder eingefallen ist. Und das hat mich beunruhigt, nicht der faszinierende Mann."
„Was war denn?"
Dana atmete kurz ein und dachte nach
*Soll ich es ihr erzählen, dass ich vom Tot meines Dads und von Melissas geträumt hab? Nein, das ist zu...*
„Ich stand am Grab meines Vaters. Und saß dann plötzlich mit diesem Mann vor einem leeren Krankenhausbett. Judy, ich habe sie nicht gesehen, aber es war Missys Totenbett. Ich habe diesen Schmerz des Verlustes deutlich gespürt. Es war so echt. So beängstigend", purzelten die Worte nur so aus Dana heraus. Sie starrte letztlich erschrocken zu Judy, die sie etwas entgeistert musterte.
„Das ist ja schrecklich, Dana. Was für ein Alptraum. Denkst du, dass er etwas bedeutet?"
Dana winkte ihrer Freundin ab.
„Blödsinn. Du weißt doch, dass ich nicht an so was glaube. Aber ich fand es trotzdem unheimlich."
Judy nickte zustimmend. Sie fände es auch gruselig, wenn sie in einer Nacht solche komischen Träume gehabt hätte. Um Dana etwas abzulenken, beschloss Judy das Thema zu wechseln.
„Wann fährst du zu deiner Schwester nach Yale?"
Dana lächelte sie an, dankbar für den Themenwechsel. „Übermorgen. Eigentlich wollte ich nicht hingehen, aber sie hat mich überredet. Und seit heute kann ich es kaum noch erwarten", antwortete Dana begeistert.
„Da gibt's dann lauter Superhirne, Dana. So wie du eins bist."
„Ich bin kein Superhirn. Du sollst mich nicht so nennen."
Judy nickte eifrig und wich ein Stück von Dana weg, da sie im Begriff war, ein Kissen nach ihr zu schmeißen...
Es war schon spät in der Nacht und Dana schlief seit Stunden, als sie wieder von diesem geheimnisvollen Fremden träumte, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte.
Sie wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie tiefer und tiefer in ihrer Traumwelt versank.
*Sie lag im Bett in einem hellen, kleinen Krankenhauszimmer und da war er wieder. Der Fremde. Er sprach mit ihr, aber sie konnte seine Worte nicht hören - und wieder blieb sein Gesicht im Verborgenen. Ein weiterer Mann betrat das Zimmer, kam auf sie zu. Der geheimnisvolle Fremde ging. Ließ sie allein zurück in dem Zimmer. Sie fühlte sich verlassen, hatte Angst, und heiße Tränen der Verzweiflung benetzten ihr Gesicht. Dana sah sich selbst, wie sie im Bett lag und weinte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihr Gesicht war ganz blass. Sie sah entsetzlich krank aus. Der alte Mann kam weiter auf sie zu, setzte sich an den Rand ihres Bettes und zog einen Rosenkranz aus seiner Jackentasche. Sie begannen zu beten, doch sie hörte nicht auf zu weinen. Dana sah, wie ihr Ebenbild für etwas betete, dessen Ziel ihr nicht bekannt war...*
Schweißgebadet, mit trockener Kehle und tränenbenetztem Gesicht, erwachte Dana schließlich, verwirrt und bewegt...
New Haven, zwei Tage später, Yale Universität
Der Campus der Universität kam Dana unendlich prunkvoll vor. Er war riesig und er erstrahlte im mittäglichen Sonnenlicht. Wunderschöne, gigantisch wirkende Eichen, Birken und Weiden standen überall auf den Wiesen. Die Wege, die durch den Campus führten, wurden mit den buntesten Blumen eingesäumt, die Dana je gesehen hatte. Vögel zwitscherten und flogen in Scharen über das Gelände. Stundenten tummelten sich auf den Grünflächen. Immer in kleinen Gruppen. Pärchen turtelten miteinander, während sie ein Picknick machten. Andere unterhielten sich. Gestikulierten, wenn sie eine Diskussion ausfochten. Oder lachten miteinander, wenn sie sich gemeinsam amüsierten. Es gab hier Studenten aus aller Welt. Asiaten, Afroamerikaner, Mexikaner und stinknormale Einheimische und viele, viele mehr. Es war beeindruckend und wunderschön. Dana wünschte sich, ein paar Jahre älter zu sein, um zu ihnen gehören zu können. Ja! Sie wollte sich eines Tages auch in Yale einschreiben. Es war perfekt hier. Das Beste an allem, so dachte Dana, war, dass es etwa fünfzig zu fünfzig mit der Geschlechterverteilung stand. Hier würde es ihr bestimmt nicht schwer fallen, einen würdigen, geeigneten Freund zu finden. Einer, der es nicht für ‚Cool' hält, zu sagen: „Hey Baby, Lust auf'n Date?" Sondern einer, der höflich fragt. Einer, der liebenswürdig und gut erzogen ist. Ein Lächeln zierte Danas Gesicht, das ohne hin schon überglücklich aussah.
Nach einer Weile entdeckte Dana endlich ihre Schwester, die mit ein paar anderen Studenten die Treppen herunterkam, die zu einem der großen Verbindungshäuser führte.
„Dana!" Melissa kam ihrer Schwester freudenstrahlend entgegengerannt.
„Missy, hey!"
„Dana, das sind John, Sarah und Pacey", stellte sie ihr ihre Freunde vor. Die Drei riefen „Hi" wie aus einem Mund. Dana begrüßte sie etwas schüchterner. „Hallo."
„Du bist also die kleine Schwester von Mel. Ihr seht euch nicht gerade sehr ähnlich, wenn ich dass so sagen darf", meinte John, als er Dana die Hand reichte.
„Wir sind nicht nur äußerlich verschieden", gab Dana kühl zurück. Das war typisch Dana. Sie war eben nicht auf den Mund gefallen und sprach nicht lange um den heißen Brei herum, sondern teilte ihre Meinung einfach mit. Auch wenn sie dadurch oftmals unnahbar auf andere wirkte, so wusste wenigstens Melissa, dass es nicht böse gemeint war. Das war eben Dana Scully...
An diesem Nachmittag zeigte Missy ihrer Schwester alles Sehenswerte des Campusgeländes und brachte mit Dana zusammen ihr Gepäck auf ihr Zimmer. Die Universität bot den Studenten große, wohnliche Zimmer, die meistens sogar ein Zweitbett beinhalteten. Nicht unbedingt für Gäste gedacht, aber sie standen zur Verfügung. Die meisten der Studenten lebten bei ihren Familien statt auf dem Campus, was eine Unterbelegung der Zimmer mit sich brachte. Wie dem auch sei, Melissa hatte eines dieser Doppelzimmer und führte Dana zunächst mal dorthin. Eine Woche würde Dana hier verbringen dürfen. Hier zwischen lauter ‚Superhirnen', wie Judy die Studenten von Yale spöttisch genannt hatte. Dana war glücklich darüber, etwas Zeit, in Ruhe mit Melissa verbringen zu dürfen...
In einem weiteren Studentenwohnheim der Universität
„Jake! Jake, ich bin's, mach schon auf." Sein Klopfen an der dünnen Holztür mit der Nummer 18 fand erst nach dem zweiten Mal Gehör. Wieder klopfte er und rief erneut. „Jake, jetzt mach schon!"
„Was denn? Ich muss meinen Suff kurieren!", rief Jake von drinnen durch die verschlossene Tür.
„Du musst mir helfen, Mann!", rief er wieder von draußen, damit sein Kumpel ihm die Tür endlich öffnen würde. Jake öffnete tatsächlich und er stürmte zu ihm ins Zimmer.
„Was ist denn so dringend, Alter?", wollte Jake wissen.
„Du musst mir helfen, Diana loszuwerden. Die lässt mich seit letzter Nacht nicht in Ruhe."
„Du hast sie genagelt?", stellte er fest, auch wenn es wie eine Frage klang. Jake begann zu grinsen, „War sie so schlecht?"
„Sie ist ganz okay gewesen, aber nichts besonderes."
Jake schüttelte seinen Kopf. Das konnte er nun keineswegs verstehen, „Mann, die hat Beine bis zum Hals und Titten die..."
„Das kann doch nicht alles sein, worauf es ankommt?"
„Was, zum Teufel, willst du? Du bist jung, gutaussehend und kannst jede Tussi haben, die du willst."
„Na toll."
„Big M, was ist nur los mit dir? Seit ein paar Wochen erkenne ich dich nicht wieder. Ist dir der Besuch bei deinen Eltern so schlecht bekommen, oder was?"
„Jake, du Arsch, ich meine es ernst. Es gibt mir nichts mehr, eine nach der anderen zu packen. Und ich muss diese Nuss Diana loswerden."
Jake legte seine Hand auf die Stirn seines Kumpels. „Du musst krank sein. Du bist echt nicht mehr normal."
Big M, wie er von Jake genannt wurde, riss die Tür, neben der er gestanden hatte, auf und rief seinem Kumpel über die Schulter hinweg zu: „Wie konnte ich nur denken, dass du mir helfen wirst? Vögel du nur eine nach der anderen! Ich hab keinen Bock, mir was einzufangen!" Und er verließ schnellen Schrittes das Zimmer.
*Was ist denn mit dem los? Der muss wohl eine Tüte zuviel geraucht haben, gestern Nacht*, dachte Jake. Dies schien die einzig logische Erklärung für Big M's Verhalten.
Big M war natürlich nur sein Spitzname, den Jake ihm eines Tages verpasst hatte. Er nannte ihn so, weil Mulder, so sein echter Name - nein eigentlich Fox -, aber egal, das war wieder eine andere Geschichte. Jedenfalls nannte Jake Mulder so, weil er auf Frauen mit großen Brüsten stand. Egal, wie dumm eine Frau war, sie war Mulder recht, so lange sie große Brüste hatte. Doch seit einer Weile hatte sich das geändert. Sehr zu Jakes Leid. Er wollte seinen alten Kumpel zurück. Den, mit dem man endlos lange Partys feiern, Frauen aufreißen und sich amüsieren konnte. Irgendetwas war offensichtlich mit Mulder geschehen, als er bei seiner Mutter gewesen war. Er war nicht mehr er selbst. Plötzlich legte er auf den Intellekt einer Frau wert. Sie durften nicht mehr blond oder schwarzhaarig sein. Sie brauchten keine Oberweite mehr zu haben und nichts - wirklich nichts - an Mulder war mehr so, wie vor zwei Wochen. Wie war es möglich, dass sich ein Mensch in nur zwei Wochen dermaßen radikal veränderte? Jake entschloss sich, der Sache auf den Grund zu gehen - und wenn nötig würde er Mulder eine Gehirnwäsche verpassen, damit er wieder normal werden würde.
Wenn Mulder jetzt schon, wo er gerade mal 21 Jahre alt war, damit anfangen würde, sich eine Frau fürs Leben zu suchen - und da war Jake sich sicher, wäre das ein schlimmer Fehler. Diesen würde Jake zu verhindern wissen. Denn Mulder und er kannten sich seit der Highschool, und er wusste, dass sein Kumpel und er noch zu jung waren, um die Frau fürs Leben zu suchen. Jake empfand es geradezu als seine Pflicht, ihn vor diesem Unheil zu bewahren...
Indessen in Mulders Zimmer, Nummer 24
*Wieso bin ich nur so wählerisch geworden? Ich hab meinen Verstand ganz offensichtlich verloren... - Nein, nein im Gegenteil!*
Mulder grübelte angestrengt über sein Verhalten nach, das Jake offenbar ebenso wenig erklären konnte, wie er selbst. Etwas war anders, seit er seine Mom in Massachusetts besucht hatte. Er fühlte sich so anders, so, als hätte irgendetwas, irgendjemand ihm gesagt, er müsse sein Leben von nun an ändern. Er konnte es sich nicht erklären, aber er hatte immer das Bild einer Frau im Kopf. Sie war unglaublich schön, sie war gewitzt und hatte einen genialen Verstand. Zumindest sagte ihm das sein Instinkt. Er hatte sie nur in seinen Träumen gesehen, und auch da nie deutlich. Es war, als hätte sie einen Schleier vor dem Gesicht, sodass er es nicht richtig erkennen konnte. Aber was sollte es für einen Sinn machen, für eine Frau zu schwärmen, die nicht real war? Mulder war sich sicher, dass es eine solche Frau nicht wirklich geben konnte. Wo sollte er eine Frau finden mit Klasse, Charme, Esprit, Intelligenz und obendrein mit einem bildschönen Äußeren? Wo konnte man eine solche Frau finden? Vergessen waren Sandy, Michelle, Diana und all die anderen. Er konnte nur noch an diese Frau aus seinem Traum denken. In der Hoffnung, sie dort wieder zu treffen, legte er sich hin um zu schlafen...
Dana drehte sich unruhig von einer Seite auf die andere. So sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, nochmals einzuschlafen. Es war ihr erster Ferientag, und sie wollte es daher genießen, lange schlafen zu können. Und noch etwas ließ sie nicht los: Sie hatte einen Traum, einen unheimlichen Traum. Dennoch, auch wenn er noch so unheimlich gewesen war, wollte sie zurück, wieder einschlafen und weiterträumen. Sie wälzte sich verzweifelt in ihrem Bett, konnte aber nicht wieder zurück in ihre Traumwelt.
Missmutig streckte sie sich und bequemte sich aus ihrem gemütlichen Bett. Sie zog die Vorhänge in ihrem Zimmer auf und warf einen Blick nach draußen. Die Sonne schien warm und klar auf das Haus und den Vorgarten. Vögel zwitscherten. Und es gab keine einzige Wolke am Himmel. Dana öffnete das Fenster, vor dem sie stand, und nahm einen tiefen Atemzug der frischen Luft, die ihr entgegenkam. Ein Windhauch strich ihr durch ihr langes Haar und über ihr Gesicht. Die Sonnenstrahlen, die ihre Haut berührten, ließen ihr einen wohligen warmen Schauer über den Rücken gleiten. Ein schöner erster Ferienmorgen, auch wenn er schon kurz nach acht begann. Dana kramte in ihrem Schrank nach geeigneten Sachen, die sie heute anziehen wollte, holte sich frische Unterwäsche und verschwand kurz darauf im Badezimmer, das ihrem Zimmer gegenüber lag.
Sie hatte sich nach der Dusche das lange dunkelblaue Kleid mit den kleinen weißen Blümchen angezogen, für das sie sich an diesem Morgen entschieden hatte. Mit nassen, hochgesteckten Haaren verließ sie das Bad und ging hinunter in die Küche, wo ihre Mutter bereits das Frühstück zubereitete. Ihr Vater saß wie gewohnt am Tisch und las die Nachrichten in der Tageszeitung. Ihr Dad sah auf, als er sie hereinkommen hörte, und begrüßte sie lächelnd.
„Guten Morgen, Steuermann. Gut geschlafen?"
„Guten Morgen. Ja, und ihr?"
Dana eilte zu ihrer Mutter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor sie sich zu ihrem Vater setzte. Sie sah ihn einen Moment lang verwundert an, es kam ihr vor, als hätte sie ihren Dad schon seit einer Weile nicht gesehen. Doch als ihre Mom ihr das Frühstück hinstellte, schüttelte sie unmerklich den Kopf.
*Komisch*, dachte sie. Irgend etwas schien nicht wie immer zu sein, aber was? Sie konnte es sich nicht erklären.
„Dana, Liebes. Kommst du nachher mit?", fragte ihre Mom, die Danas Blick auf ihren Vater nicht bemerkt hatte.
„Wohin?"
Margaret setzte sich auch zu ihrer Tochter und ihrem Mann an den Tisch und begann zu frühstücken.
„In den Supermarkt, zum einkaufen", meinte sie schließlich zu Dana.
„Ja klar. Warum nicht. - Daddy, darf ich mir ein Kleid für die College-Party kaufen, auf die Missy mich eingeladen hat?"
„Wozu? Dein Schrank ist doch gestopft voll mit Kleidern."
„Bill, es ist eine College-Party keine Highschool-Fete."
Margaret zwinkerte Dana zu und sah ihren Mann eindringlich bittend an. Sie wusste, dass Dana viel an dieser Veranstaltung lag. Sie freute sich seit dem Tag, an dem Melissa angerufen und sie eingeladen hatte, darauf. Dana sah ihren Vater geradezu flehend an, „Bitte Daddy." William Scully faltete seine Zeitung zusammen, atmete tief ein und - während er sich geschlagen gab - wieder aus. „Na schön, Steuermann. Aber nimm nicht gleich das teuerste."
Ihr Vater sah sie streng an. Dana wusste, dass er meinte, was er sagte, es aber nicht böse gedacht war, wie er es sagte. Streng. Er war ein guter Kerl. Streng und trotzdem ein großartiger Vater. Der beste, den es gab. Zumindest sah Dana das so. Ihre Mom und sie grinsten sich triumphierend an. Sie hatten ihn mal wieder weich bekommen.
Margaret wusste genau, dass Melissa kein solches Glück gehabt hätte, wenn sie um ein neues Kleid gebeten hätte. Bill würde es zwar nie zugeben, aber Dana war sein Liebling. Vielleicht deshalb, weil sie beide sture Dickköpfe waren und sich ständig in die Haare bekamen, sobald einer von ihnen seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Dana wurde von Bill verwöhnt, mehr als er es bei Bill Jr., Melissa und Charles zugelassen hätte. Aber er ließ es keinem der anderen Kinder je an etwas fehlen.
„Danke, Ahab. Du bist der Beste."
Dana fiel ihrem Vater überschwänglich vor Freude um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Schon gut. Jetzt iss weiter", befahl er Dana in einem freundlicheren Tonfall.
Später am Abend klopfte es an Danas Zimmertür, als sie gerade dabei war, in ihr Tagebuch zu schreiben.
„Herein!"
Die Tür ging einen Spalt breit auf und Judy, ihre wohl beste Freundin, betrat das Zimmer.
„Hi, Dana. Was gibt's denn? Du hast am Telefon nicht sehr viel verraten."
Dana schlug ihr Tagebuch zu und setzte sich neben Judy aufs Bett, auf das sich auch ihre Freundin hatte fallen lassen. „Also was ist so dringend, Dana?", fragte Judy erneut, als Dana nur stumm vor sich hin lächelte.
„Im Grunde nichts Besonderes... glaube ich zumindest. Ich hatte einen merkwürdigen Traum letzte Nacht und habe das Bedürfnis, darüber zu reden... nichts weiter."
Judy setzte sich wieder aufrecht hin und gestikulierte wie wild mit den Händen. „Ja... und weiter. Das ist doch nicht alles, oder?", fragte Judy mit großem Interesse. Sie war richtig neugierig und gespannt auf Danas Erzählung.
„Ich habe mich in dem Traum gesehen... - aber ich war nicht ich."
„Hä, wie meinst du das denn jetzt?" Judy zog verwirrt ihre Brauen zusammen, als sie der Erzählung ihrer Freundin nicht folgen konnte. Sie hasste es, wenn sie in solchen Rätseln sprach. Sie versuchte in Danas Augen zu lesen, was sie verbarg, aber sie blieb erfolglos und sah Dana statt dessen zu, wie sie offensichtlich über ihre nächsten Worte nachdachte. Nach einigen Momenten des Schweigens sprach Dana wieder weiter.
„Ich sah älter aus, als jetzt. Also, ich meine, wenn ich es war. Und da war... ach das ist blöd."
„Dana, lass mich nicht am ausgestreckten Arm verhungern. Erzähl weiter, sonst..."
„Schon gut, ok. Wo war ich? Ach... Da war ein Mann in dem Traum. Ich habe ihn immer nur von hinten gesehen, aber ich fühlte mich sicher und geborgen bei ihm."
„Hattest du Sex mit ihm?" Dana boxte ihrer Freundin auf den Oberarm wegen dieser Frage. „Au! Schon gut, ich hab nichts gesagt."
Dana schüttelte kichernd den Kopf. „Was hast Du für kranke Ideen?"
„Sex ist toll. Du solltest es auch mal versuchen, damit du verstehst was ich meine."
„Du hast nur noch das im Kopf. Soll ich denn den Erstbesten schnappen und...?"
„Nein, natürlich nicht. Ich verstehe es, dass du auf den Richtigen warten willst", meinte Judy beschwichtigend, als sie merkte, wie unangenehm Dana diese Art Unterhaltung war. Es war ihr geradezu peinlich. „Erzähl weiter, Dana. Indianerehrenwort, dass ich dich nicht mehr unterbreche."
Dana resignierte einen Augenblick und sprach etwas eingeschüchtert weiter, „Jedenfalls hatte dieser Mann etwas an sich... ich kann es gar nicht beschreiben. Er kam mir sehr vertraut vor, so als ob ich ihn schon lange kennen würde. Dabei hab ich ihn noch nie gesehen."
„Was ist daran so merkwürdig? Ich träume ständig von irgendwelchen fremden Männern." „Der war was Besonderes, Judy. Ich hab noch mehr gesehen, das mir erst im Lauf des Tages wieder eingefallen ist. Und das hat mich beunruhigt, nicht der faszinierende Mann."
„Was war denn?"
Dana atmete kurz ein und dachte nach
*Soll ich es ihr erzählen, dass ich vom Tot meines Dads und von Melissas geträumt hab? Nein, das ist zu...*
„Ich stand am Grab meines Vaters. Und saß dann plötzlich mit diesem Mann vor einem leeren Krankenhausbett. Judy, ich habe sie nicht gesehen, aber es war Missys Totenbett. Ich habe diesen Schmerz des Verlustes deutlich gespürt. Es war so echt. So beängstigend", purzelten die Worte nur so aus Dana heraus. Sie starrte letztlich erschrocken zu Judy, die sie etwas entgeistert musterte.
„Das ist ja schrecklich, Dana. Was für ein Alptraum. Denkst du, dass er etwas bedeutet?"
Dana winkte ihrer Freundin ab.
„Blödsinn. Du weißt doch, dass ich nicht an so was glaube. Aber ich fand es trotzdem unheimlich."
Judy nickte zustimmend. Sie fände es auch gruselig, wenn sie in einer Nacht solche komischen Träume gehabt hätte. Um Dana etwas abzulenken, beschloss Judy das Thema zu wechseln.
„Wann fährst du zu deiner Schwester nach Yale?"
Dana lächelte sie an, dankbar für den Themenwechsel. „Übermorgen. Eigentlich wollte ich nicht hingehen, aber sie hat mich überredet. Und seit heute kann ich es kaum noch erwarten", antwortete Dana begeistert.
„Da gibt's dann lauter Superhirne, Dana. So wie du eins bist."
„Ich bin kein Superhirn. Du sollst mich nicht so nennen."
Judy nickte eifrig und wich ein Stück von Dana weg, da sie im Begriff war, ein Kissen nach ihr zu schmeißen...
Es war schon spät in der Nacht und Dana schlief seit Stunden, als sie wieder von diesem geheimnisvollen Fremden träumte, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte.
Sie wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie tiefer und tiefer in ihrer Traumwelt versank.
*Sie lag im Bett in einem hellen, kleinen Krankenhauszimmer und da war er wieder. Der Fremde. Er sprach mit ihr, aber sie konnte seine Worte nicht hören - und wieder blieb sein Gesicht im Verborgenen. Ein weiterer Mann betrat das Zimmer, kam auf sie zu. Der geheimnisvolle Fremde ging. Ließ sie allein zurück in dem Zimmer. Sie fühlte sich verlassen, hatte Angst, und heiße Tränen der Verzweiflung benetzten ihr Gesicht. Dana sah sich selbst, wie sie im Bett lag und weinte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihr Gesicht war ganz blass. Sie sah entsetzlich krank aus. Der alte Mann kam weiter auf sie zu, setzte sich an den Rand ihres Bettes und zog einen Rosenkranz aus seiner Jackentasche. Sie begannen zu beten, doch sie hörte nicht auf zu weinen. Dana sah, wie ihr Ebenbild für etwas betete, dessen Ziel ihr nicht bekannt war...*
Schweißgebadet, mit trockener Kehle und tränenbenetztem Gesicht, erwachte Dana schließlich, verwirrt und bewegt...
New Haven, zwei Tage später, Yale Universität
Der Campus der Universität kam Dana unendlich prunkvoll vor. Er war riesig und er erstrahlte im mittäglichen Sonnenlicht. Wunderschöne, gigantisch wirkende Eichen, Birken und Weiden standen überall auf den Wiesen. Die Wege, die durch den Campus führten, wurden mit den buntesten Blumen eingesäumt, die Dana je gesehen hatte. Vögel zwitscherten und flogen in Scharen über das Gelände. Stundenten tummelten sich auf den Grünflächen. Immer in kleinen Gruppen. Pärchen turtelten miteinander, während sie ein Picknick machten. Andere unterhielten sich. Gestikulierten, wenn sie eine Diskussion ausfochten. Oder lachten miteinander, wenn sie sich gemeinsam amüsierten. Es gab hier Studenten aus aller Welt. Asiaten, Afroamerikaner, Mexikaner und stinknormale Einheimische und viele, viele mehr. Es war beeindruckend und wunderschön. Dana wünschte sich, ein paar Jahre älter zu sein, um zu ihnen gehören zu können. Ja! Sie wollte sich eines Tages auch in Yale einschreiben. Es war perfekt hier. Das Beste an allem, so dachte Dana, war, dass es etwa fünfzig zu fünfzig mit der Geschlechterverteilung stand. Hier würde es ihr bestimmt nicht schwer fallen, einen würdigen, geeigneten Freund zu finden. Einer, der es nicht für ‚Cool' hält, zu sagen: „Hey Baby, Lust auf'n Date?" Sondern einer, der höflich fragt. Einer, der liebenswürdig und gut erzogen ist. Ein Lächeln zierte Danas Gesicht, das ohne hin schon überglücklich aussah.
Nach einer Weile entdeckte Dana endlich ihre Schwester, die mit ein paar anderen Studenten die Treppen herunterkam, die zu einem der großen Verbindungshäuser führte.
„Dana!" Melissa kam ihrer Schwester freudenstrahlend entgegengerannt.
„Missy, hey!"
„Dana, das sind John, Sarah und Pacey", stellte sie ihr ihre Freunde vor. Die Drei riefen „Hi" wie aus einem Mund. Dana begrüßte sie etwas schüchterner. „Hallo."
„Du bist also die kleine Schwester von Mel. Ihr seht euch nicht gerade sehr ähnlich, wenn ich dass so sagen darf", meinte John, als er Dana die Hand reichte.
„Wir sind nicht nur äußerlich verschieden", gab Dana kühl zurück. Das war typisch Dana. Sie war eben nicht auf den Mund gefallen und sprach nicht lange um den heißen Brei herum, sondern teilte ihre Meinung einfach mit. Auch wenn sie dadurch oftmals unnahbar auf andere wirkte, so wusste wenigstens Melissa, dass es nicht böse gemeint war. Das war eben Dana Scully...
An diesem Nachmittag zeigte Missy ihrer Schwester alles Sehenswerte des Campusgeländes und brachte mit Dana zusammen ihr Gepäck auf ihr Zimmer. Die Universität bot den Studenten große, wohnliche Zimmer, die meistens sogar ein Zweitbett beinhalteten. Nicht unbedingt für Gäste gedacht, aber sie standen zur Verfügung. Die meisten der Studenten lebten bei ihren Familien statt auf dem Campus, was eine Unterbelegung der Zimmer mit sich brachte. Wie dem auch sei, Melissa hatte eines dieser Doppelzimmer und führte Dana zunächst mal dorthin. Eine Woche würde Dana hier verbringen dürfen. Hier zwischen lauter ‚Superhirnen', wie Judy die Studenten von Yale spöttisch genannt hatte. Dana war glücklich darüber, etwas Zeit, in Ruhe mit Melissa verbringen zu dürfen...
In einem weiteren Studentenwohnheim der Universität
„Jake! Jake, ich bin's, mach schon auf." Sein Klopfen an der dünnen Holztür mit der Nummer 18 fand erst nach dem zweiten Mal Gehör. Wieder klopfte er und rief erneut. „Jake, jetzt mach schon!"
„Was denn? Ich muss meinen Suff kurieren!", rief Jake von drinnen durch die verschlossene Tür.
„Du musst mir helfen, Mann!", rief er wieder von draußen, damit sein Kumpel ihm die Tür endlich öffnen würde. Jake öffnete tatsächlich und er stürmte zu ihm ins Zimmer.
„Was ist denn so dringend, Alter?", wollte Jake wissen.
„Du musst mir helfen, Diana loszuwerden. Die lässt mich seit letzter Nacht nicht in Ruhe."
„Du hast sie genagelt?", stellte er fest, auch wenn es wie eine Frage klang. Jake begann zu grinsen, „War sie so schlecht?"
„Sie ist ganz okay gewesen, aber nichts besonderes."
Jake schüttelte seinen Kopf. Das konnte er nun keineswegs verstehen, „Mann, die hat Beine bis zum Hals und Titten die..."
„Das kann doch nicht alles sein, worauf es ankommt?"
„Was, zum Teufel, willst du? Du bist jung, gutaussehend und kannst jede Tussi haben, die du willst."
„Na toll."
„Big M, was ist nur los mit dir? Seit ein paar Wochen erkenne ich dich nicht wieder. Ist dir der Besuch bei deinen Eltern so schlecht bekommen, oder was?"
„Jake, du Arsch, ich meine es ernst. Es gibt mir nichts mehr, eine nach der anderen zu packen. Und ich muss diese Nuss Diana loswerden."
Jake legte seine Hand auf die Stirn seines Kumpels. „Du musst krank sein. Du bist echt nicht mehr normal."
Big M, wie er von Jake genannt wurde, riss die Tür, neben der er gestanden hatte, auf und rief seinem Kumpel über die Schulter hinweg zu: „Wie konnte ich nur denken, dass du mir helfen wirst? Vögel du nur eine nach der anderen! Ich hab keinen Bock, mir was einzufangen!" Und er verließ schnellen Schrittes das Zimmer.
*Was ist denn mit dem los? Der muss wohl eine Tüte zuviel geraucht haben, gestern Nacht*, dachte Jake. Dies schien die einzig logische Erklärung für Big M's Verhalten.
Big M war natürlich nur sein Spitzname, den Jake ihm eines Tages verpasst hatte. Er nannte ihn so, weil Mulder, so sein echter Name - nein eigentlich Fox -, aber egal, das war wieder eine andere Geschichte. Jedenfalls nannte Jake Mulder so, weil er auf Frauen mit großen Brüsten stand. Egal, wie dumm eine Frau war, sie war Mulder recht, so lange sie große Brüste hatte. Doch seit einer Weile hatte sich das geändert. Sehr zu Jakes Leid. Er wollte seinen alten Kumpel zurück. Den, mit dem man endlos lange Partys feiern, Frauen aufreißen und sich amüsieren konnte. Irgendetwas war offensichtlich mit Mulder geschehen, als er bei seiner Mutter gewesen war. Er war nicht mehr er selbst. Plötzlich legte er auf den Intellekt einer Frau wert. Sie durften nicht mehr blond oder schwarzhaarig sein. Sie brauchten keine Oberweite mehr zu haben und nichts - wirklich nichts - an Mulder war mehr so, wie vor zwei Wochen. Wie war es möglich, dass sich ein Mensch in nur zwei Wochen dermaßen radikal veränderte? Jake entschloss sich, der Sache auf den Grund zu gehen - und wenn nötig würde er Mulder eine Gehirnwäsche verpassen, damit er wieder normal werden würde.
Wenn Mulder jetzt schon, wo er gerade mal 21 Jahre alt war, damit anfangen würde, sich eine Frau fürs Leben zu suchen - und da war Jake sich sicher, wäre das ein schlimmer Fehler. Diesen würde Jake zu verhindern wissen. Denn Mulder und er kannten sich seit der Highschool, und er wusste, dass sein Kumpel und er noch zu jung waren, um die Frau fürs Leben zu suchen. Jake empfand es geradezu als seine Pflicht, ihn vor diesem Unheil zu bewahren...
Indessen in Mulders Zimmer, Nummer 24
*Wieso bin ich nur so wählerisch geworden? Ich hab meinen Verstand ganz offensichtlich verloren... - Nein, nein im Gegenteil!*
Mulder grübelte angestrengt über sein Verhalten nach, das Jake offenbar ebenso wenig erklären konnte, wie er selbst. Etwas war anders, seit er seine Mom in Massachusetts besucht hatte. Er fühlte sich so anders, so, als hätte irgendetwas, irgendjemand ihm gesagt, er müsse sein Leben von nun an ändern. Er konnte es sich nicht erklären, aber er hatte immer das Bild einer Frau im Kopf. Sie war unglaublich schön, sie war gewitzt und hatte einen genialen Verstand. Zumindest sagte ihm das sein Instinkt. Er hatte sie nur in seinen Träumen gesehen, und auch da nie deutlich. Es war, als hätte sie einen Schleier vor dem Gesicht, sodass er es nicht richtig erkennen konnte. Aber was sollte es für einen Sinn machen, für eine Frau zu schwärmen, die nicht real war? Mulder war sich sicher, dass es eine solche Frau nicht wirklich geben konnte. Wo sollte er eine Frau finden mit Klasse, Charme, Esprit, Intelligenz und obendrein mit einem bildschönen Äußeren? Wo konnte man eine solche Frau finden? Vergessen waren Sandy, Michelle, Diana und all die anderen. Er konnte nur noch an diese Frau aus seinem Traum denken. In der Hoffnung, sie dort wieder zu treffen, legte er sich hin um zu schlafen...
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