World of X

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Dum Spiro, Spero

von Nastally

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Meine Hände streichen zögernd über die gemusterte Decke, und ich schließe meine Augen. Fast reflexartig, wie ein Kind das sich fürchtet, rolle ich mich auf dem schwarzen Leder der Couch zusammen und wickle mich in den hellbraunen Stoff ein.

Eine fahle Erinnerung zuckt durch meinen Kopf, gleich einem kleinen elektrischen Impuls. Kurz verweilt sie, und lässt den Augenblick wieder aufleben, der sich in wagen Bildern vor meinem inneren Auge aufbaut, nur für wenige Momente.



Eine Männerhand, die zärtlich über mein Gesicht streicht, nachdem sie eben diese Decke um meinen Körper gelegt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Traum ist, doch als ich erwache stelle ich fest, dass er mich tatsächlich zugedeckt hat. Ein Lächeln spielt um meine Lippen, und vergeht in der Dunkelheit seines Wohnzimmers. Es ist tiefe Nacht, und vollkommene Stille herrscht um mich herum. Beinahe habe ich Angst mich zu bewegen, und sie zu brechen, weil ich den Augenblick nicht verlieren will. Er erscheint mir unwirklich - surreal.



Ebenso konfus und surreal sind die nächsten Bilder, die durch meine Gedankenwelt flattern. Ich sehe mich in meiner Erinnerung neben ihm auf seinem Bett sitzen. Meine Verwunderung, ob der Tatsache, dass er ein Bett hat, hat sich mir ebenso eingeprägt.

Weitere Fetzen erscheinen.



Ich lege mich neben ihn, federleicht über seinen Rücken streichend, ohne sein entspanntes, schlafendes Gesicht aus den Augen zu verlieren. Er wacht auf und sieht mich an. Wärme durchfließt meinen Körper, als ich in seine haselnussbraunen Augen sehe. In dem Moment, als sich unsere Blicke treffen, weiß ich, dass es gleich ist, was es für Regeln gibt. Gleich, was für Konsequenzen auf uns zukommen. Was mir in den Tagen davor wiederfahren ist, hat mich geschafft - mental und geistig. Meine Überzeugungen, mein ganzes Leben, wurde erschüttert, und ich weiß nicht mehr was richtig oder falsch ist. Vielleicht ist es auch gut so. Ich denke, er weiß es auch nicht. Er lächelt mich an.



Meine Lungen füllen sich mit dem Geruch, der von der Decke ausgeht. Ich kenne diesen Geruch. Er ist mir wohl bekannt, und so vertraut. Ein warmes Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit umgibt mich, als ich das Aroma wahrnehme. Eben der Geruch, den ich in jener Nacht so deutlich vernahm, welcher die Bilder und Erinnerungen angehören, die nun meine gesamte Gedankenwelt ausfüllen. Immer mehr Bilder aus der Vergangenheit, die ich damit assoziiere, flimmern durch meinen Kopf. Jedoch berühren sie mich nicht. Als würde ich einen Film auf einer großen Kinoleinwand sehen, erscheinen sie vor meinem inneren Auge scheinbar unzusammenhängend mit mir.

Die Frau die ich sehe ist nicht die, die ich glaubte zu sein. Sie hat sich lange betrogen, sich selbst um ihre Gefühle zu dem Mann, der stets an ihrer Seite war. Ich weiß nicht, wieso sie das getan hat. Denn im Grunde wussten sie es. Sie wussten beide, was sie einander bedeuteten. So einfach ist es, und gleichzeitig so kompliziert.

Das Wissen ist etwas abscheuliches. Nehmt es von mir, ich will es nicht mehr. Ich will keine Fakten und keine Tatsachen. Alles wonach ich mein Handeln richten will, wonach ich es von Anfang an hätte richten sollen, ist die Stimme meines Herzens. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Vielleicht wäre er dann hier bei mir, und würde mich halten. Einfach nur halten, wie er es so oft getan hat. Ich habe mich niemals unwohl gefühlt in seinen Armen. Sogar als ich ihn erst knapp drei Tage kannte, hatte ich keine Bedenken, mich von ihm in die Arme schließen zu lassen. Ich war erschrocken gewesen darüber, wie wenig es mich beunruhigte, dass es ein praktisch fremder Mann war, dem ich in die Arme fiel. Mit nicht viel mehr bekleidet als seidener Unterwäsche und einem Bademantel. Doch ich fühlte mich sicher, so wie ich es seither immer tat. In jener Nacht, als unsere mühsam errichteten Mauern fielen wie Pappmasche, hat er mich gehalten.



Meine Augen öffnen sich kurz, und ich blinzle. Ich nehme das wahr, was sich meinem Blick bietet. Sein leeres Appartement. Doch gleichzeitig sehe ich es auch nicht. Das Bild geht durch meiner Glieder angespannte Stille, und hört im Herzen auf zu sein.



Wie in Trance, komme ich nicht von der Erinnerung, an diese schicksalhafte Nacht los.



Hungrige Lippen, auf der Suche nach seinem Mund, schließlich vereint in einem ungeduldigen Kuss. Hände, die in völliger Dunkelheit den Körper des anderen erforschen, keine Grenzen setzend. Ekstase, und unkontrollierte Bewegungen, ineinander Verschlungen. Liebe - Liebe die aus unseren Augen spricht, leuchtend, trotz des Dunkels, dass uns verschlingt.



Ich wünschte, ich hätte ihm die Möglichkeit gegeben, mich öfter zu halten, wie in jener Nacht. Ich wünschte, ich hätte ihn öfter gehalten. So oft, wie es unsere Herzen verlangten, und nicht so selten, wie es unsere Moralvorstellungen zuließen.

Angst. Ich bekam Angst in jener Nacht. Panik, dass wir etwas zerstört hatten, nicht im klaren darüber, was wir erschaffen hatten. Ich schlich mich aus seiner Wohnung als er noch schlief, und tat das vernünftigste und gleichzeitig dümmste, dass ich jemals gemacht habe. Ich verleugnete das Geschehene. So schwierig wie es auch klingt, so war es in der Praxis doch erstaunlich einfach. Und so sinnlos, so schmerzend. Ich tat, als wäre nichts gewesen, und kam mir vor wie eine dreckige Lügnerin. Eine Heuchlerin, die etwas leugnet, dass so wundervoll und eindeutig ist, dass meine Lüge nur noch lächerlich wirkt. Doch er spielte mit. Ich weiß nicht, ob er ebenfalls Angst hatte. Wahrscheinlich. Vielleicht lag es daran. Wieder leugneten wir unsere Gefühle, diesmal strikter und brutaler als je zuvor. Vielleicht dachte er auch, dass ich bereute, was ich getan hatte. Dass es aus einem Gefühl, einer Emotion heraus geschehen war. Nicht aus meinem Willen heraus. Zwar verlor er kein Wort darüber, weil er wusste, dass ich es so wollte. Wir hatten ein unausgesprochenes Abkommen getroffen, welches besagte, dass keiner von uns es erwähnen würde. Doch ich konnte es in seinen Augen sehen. Die Spiegel seiner Seele, sie sagten mir Dinge, die ich hätte begreifen müssen.

Ich flehe, dass ich ihm nicht zu viel Schmerz bereitet habe.

Wenn ich doch nur meine sturen Vorschriften aufgegeben, und ihn an mich heran gelassen hätte. Wenn ich ihn nur ein bisschen länger gehalten hätte, als er mir sagte, dass er zurück nach Oregon gehen wollte, jedoch ohne mich. Als ich ihm erklärte, dass ich ihn nicht gehen lassen würde. Wenn ich ihn doch nur ein wenig länger gehalten hätte - wäre er gegangen? Hätte ich verhindern können, was geschehen ist?



So viel von dem, was ich hätte tun sollen, habe ich nicht getan. Vieles von dem was ich hätte sagen sollen, blieb in meinem Herzen eingeschlossen. Ist es meine Schuld, dass er gegangen ist? Ich werde es nie wissen. Doch selbst wenn ich nicht die Schuld für sein Verschwinden trage, so gebe ich sie doch mir.



Zum ersten Mal, seit ich mich auf die Couch niedergelassen habe, öffne ich die Augen, und nehme meine Umgebung wirklich war. Seine Wohnung, leer und kalt ohne ihn. Er ist fort. Er ist fort. FORT. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die ganzen Ausmaße der Geschehnisse wirklich schon einschätzen kann. Doch je länger ich mir den Gedanken verinnerliche, desto unerträglicher wird er. Ich fühle wie die Tränen in mir hochkommen, wieder. Ich halte sie nicht zurück, dazu habe ich nicht die Kraft. Es scheint als hätte ich zu gar nichts mehr die Kraft, als ich mich schluchzend an die Decke klammere, von Weinkrämpfen geschüttelt. Habe ich überhaupt noch Kraft zum Leben? Nein, nicht ohne ihn. Er ist meine Quelle gewesen. Meine Luft, die ich zum atmen brauche. Meine ganze Welt wurde mir unter den Füßen weg gezogen, und nun falle ich. Ich stürze in unendliche Tiefen, ohne Hoffnung auf Rettung. Die Chance, dass ich ihn wiederfinde, ist so winzig, so bedeutungslos, und sie scheint mir mit jeder verstreichenden Minute kleiner.



Ich weiß nicht wie lange ich hier liege, zitternd und tränenüberströmt, immer wieder von Krämpfen geschüttelt. Es dauert lange, bis ich wieder normal atmen kann. Meine Augen brennen, und mein Kopf schmerzt fürchterlich. Ich möchte aufspringen, und zu ihm gehen. Ich möchte ihn sehen, ihn an mich drücken. Ich möchte es so sehr. So sehr, dass es fast unerträglich wird. Ich kann mir nicht vorstellen noch längere Zeit ohne ihn zu leben. Ich kann nicht, und ich will nicht. Es wäre so einfach das alles zu beenden, so schnell. Ich würde es tun, würde es wirklich tun. Dana Scully würde sich umbringen wegen Fox Mulder. Wie sonderbar der Gedanke ist. Doch er ist die Wahrheit.



Meine Hände gleiten an meinem immer noch bebenden Körper hinab, und kommen schließlich an meinem Bauch zur Ruhe. Ich könnte mich umbringen, ich würde mich umbringen, ich hätte es längst getan. Nichts hätte mehr einen Sinn, nichts in meinem Leben, wärest nicht du. Meine Augen fallen wieder zu, doch diesmal nicht, um in Erinnerungen zu schwelgen, sondern um in mich zu gehen. Ich streiche zärtlich über meinen Bauch, fast vorsichtig. Noch kann ich nichts fühlen, äußerlich, noch sieht man mir nichts an. Aber ich spüre dass du da bist. Auf meinem Gesicht, feucht von all den Tränen, die sich ihren Weg darüber bahnten, erscheint ein kleines Lächeln.

„Ich spüre, dass du da bist“, flüstere ich, und erschrecke über meine eigene Stimme. Sie ist so schwach und klingt überraschend zerbrechlich.

Ja, ich würde nicht mehr leben wollen, wenn es nur um mein Leben ginge. Doch das tut es nicht. Jetzt nicht mehr. Das Wunder, dass mir wiederfahren ist, lässt mich den Willen zu leben nicht verlieren. Ich bin schwanger. Ich trage sein Kind in mir. Seines. Ich fühle, wie sich wieder einige Tränen an meinen Augenwinkeln sammeln, als ich daran denke, dass er es womöglich niemals wissen wird.

„Oh Gott...“ Tränen, so viele Tränen. Wird das jemals aufhören? Doch ich darf nicht aufgeben. Ich darf mich selbst nicht aufgeben, ebenso wenig wie ihn.



Langsam richte ich mich auf, und öffne zögernd die Augen. Wenn ich nicht um meinetwillen weiterleben will, so muss ich es um deinetwillen. Und ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Ich darf niemals aufhören an Wunder zu glauben, denn das größte Wunder bist du, mein Kleines. Solange ich atme, hoffe ich. Mit jeden Atemzug gebe ich dir leben. Du bist meine Hoffnung, mein Wunder, mein Leben.



Die Decke gleitet von meinem Schoß, auf die Couch hinab, als ich mich auf meine wackeligen Beine erhebe. Kurz erfasst mich ein Schwindelgefühl, der Nachklang des Luftmangels, den ich durch mein Weinen hatte. Als ich den Kopf senke, und an mir hinab sehe, merke ich, dass meine Hände immer noch auf meinem Bauch ruhen.

„Ich werde ihn finden.“, flüstere ich, kaum hörbar. „Wir werden deinen Daddy finden, Honey. Ich verspreche es.“



Während ich nach meiner Jacke greife und zur Tür gehe, weiß ich, dass ich dieses Versprechen halten werde. Denn ich habe es nicht nur mir und unserem Baby gemacht, sondern auch ihm. Ich werde dich finden, Mulder.



~*~ Never give up on a miracle. ~*~




The End
Da wären wir. Ich weiß, nicht besonders lang. Aber Vignetten sind ja nie besonders lang. Also, sagt mir, was ihr davon haltet! Ich BETTELE um FB!! Bitte, bitte, bitte! *gg*
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