World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Moonlight, Faith and Truth

von KajaM

1/1

Ein kühler Windhauch streifte seine Haut, als er mit gemächlichen Schritten die Veranda des kleinen Motels betrat. Eine sanfte Gänsehaut zeichnete sich auf seinen Unterarmen ab, die er durch kurzes Warmreiben sogleich wieder vertrieb.

Sie waren in einem abgelegenen, fast menschenleeren Motel mitten in der Wüste... mitten im Nirgendwo, fernab vom Alltag, weit entfernt von anderen Menschen. Noch wenige Stunden zuvor hatte die Sonne heiß und erbarmungslos auf sie herabgeschienen, während gelegentlich staubiger, sandvermengter Wind ihnen Tränen in die Augen getrieben hatte. Doch die Nacht war kühl... bei weitem nicht kalt, aber angenehm kühl, im Vergleich zu der gleißenden Hitze des Tages. Und es war still, angenehm still. Außer den vereinzelten Geräuschen des aufwirbelnden Wüstensandes vernahm er nichts weiter als seine eigene Atmung.

Das Himmelsgewölbe erstreckte sich tiefschwarz über ihm, verziert und erhellt vom Licht des Mondes und Tausend winziger Sterne. Es war still... und nahezu unheimlich friedlich. Für einen kurzen Augenblick schloss er die Augen, sog den Duft der Nacht in sich hinein und lauschte den einzelnen Geräuschen.

Er fühlte sich seltsam friedvoll und frei, ein Gefühl, welches er in den letzten Jahren nur sehr selten verspürt hatte und das ihm angesichts ihrer unsicheren, wenn nicht aussichtslosen Lage sehr paradox hätte vorkommen müssen. Aber er genoss es, wenigstens für diesen einen kleinen Augenblick. Schließlich öffnete er die Augen wieder und blickte sich um. Er entdeckte seine Partnerin seitlich auf der obersten Stufe der Verandatreppe sitzend. Die Beine an ihren Körper herangezogen und sie mit beiden Armen umschlingend, hatte Monica Reyes ihren Kopf leicht auf den Knien abgelegt. Ihr Blick richtete sich hinauf in den Himmel, nachdenklich und besinnlich.

John Doggett stand einen Moment einfach nur regungslos da und beobachtete sie. Der Schein des Mondes spiegelte sich leuchtend in ihren dunklen Augen wider, ihre Lippen schimmerten sanft, als seien sie von einzelnen kleinen Sternen berührt worden. Er ertappte sich dabei, dass er nicht zum ersten Mal feststellte, wie sie wunderschön war.

Sie blickte auf, als sie seine Anwesenheit bemerkte, und schenkte ihm ein erfreutes Lächeln.

„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte John, ihr Lächeln erwidernd.

„Wenn es unbedingt sein muss“, entgegnete Monica und grinste.

Er nahm auf der obersten Stufe neben seiner Partnerin Platz, stützte die Ellbogen auf seinen Knien ab und sah sie noch einen Moment wortlos an. Die Erschöpfung und Müdigkeit waren ihr noch immer deutlich anzusehen, aber nach einer erfrischenden Dusche im Motelzimmer und anschließend der ersten vernünftigen Mahlzeit des ganzen Tages hatten beide ein wenig Kraft geschöpft und fühlten sich ein Stück weit wieder wie menschliche Wesen.

Es war eine lange, nervenaufreibend und nahezu endlos erscheinende Woche für sie gewesen und der morgige Tag würde keine Ausnahme darstellen. Sie hatten mit allen Mitteln versucht für Mulders Freisprechung zu kämpfen, nachdem man ihn des Mordes an Knowl Rohrer bezichtigt und vor ein Militärgericht gestellt hatte. Doch es war ihnen nicht gelungen und letzten Endes blieb ihnen nur noch die Möglichkeit zum äußersten Mittel zu greifen, um Mulder vor der Todesstrafe zu bewahren: Ihm zur Flucht aus dem Militärgefängnis und ihm und Scully an einen sicheren, geheimen Ort zu verhelfen. Und nun waren er und Monica irgendwo mitten in der Wüste, wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem sie sich von Mulder und Scully verabschiedet hatten, um sich anschließend jeweils in eine ungewisse, womöglich gefährliche Zukunft zu begeben.

„Ich frage mich, ob es Dana und Mulder gut geht“, durchbrach John schließlich die Stille zwischen ihnen und wandte sich mit einem besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht an Monica.

Sie seufzte und legte die Stirn in Falten. „Davon gehe ich aus. Sie werden in Sicherheit sein... vorerst. Aber egal, in welcher Situation sie sich im Moment auch befinden mögen, es wird ihnen gut gehen, solange sie beieinander sein können, dessen bin ich mir ziemlich sicher.“

Doggett nickte bestätigend und ihm huschte ein flüchtiges Lächeln über die Lippen. Er wusste, dass Monica Recht hatte. Dana Scully war eine starke Person, hart im Nehmen. Er hatte sich während dieser recht kurzen Zeit, in der er mit Scully zusammengearbeitet und sie gemeinsam so viele unglaubliche, zum Teil erschütternde Dinge erlebt hatten, sehr oft die Frage gestellt, wie diese kleine, zierlich wirkende Frau so viele schreckliche Rückschläge in ihrem Leben hatte einstecken können, ohne daran zu zerbrechen. Ihre Entführung... die Krebserkrankung, an der sie fast gestorben wäre... der Tod ihrer Tochter Emily... die vielen Male, in denen sie um Mulders Leben gebangt hatte.. die Freigabe ihres Sohnes William zur Adoption und nun die Flucht mit Mulder vor dem Militär, die ihnen in absehbarer Zeit keine feste Bleibe, keinen Moment der Ruhe erlauben würde.

Kein normaler Mensch konnte solche Schicksalsschläge überstehen ohne einen starken Rückhalt, ohne eine Quelle, aus der man Kraft, Hoffnung und Glaube gewinnen konnte. Mulder war Danas Quelle, das konnte niemand mehr bestreiten. Doggett war es lange schwer gefallen zu verstehen, wie Scully sich in jemanden wie Mulder verlieben konnte, einen dermaßen unbeherrschten, verbissenen, oft aggressiven Menschen.

Doch die letzten Tage hatten ihm die Augen geöffnet. Sympathie für Mulder hin oder her, aber Doggett verstand nun endlich, was Dana in ihm sah und was die beiden verband. Sie hatten gemeinsam einen langen, beschwerlichen Weg zurückgelegt, teilten den gleichen Glauben, die gleichen Hoffnungen und gaben einander die Kraft durchzuhalten. Mulder mochte in vielerlei Hinsicht ein Mistkerl sein, aber er sorgte sich aufrichtig um Dana und war bereit mit ihr zusammen durch die Hölle zu gehen, dessen war sich Doggett jetzt sicher.

„Wie wird es nun weitergehen?“, riss Monica ihn aus seinen Gedanken. Auf ihrem Gesicht zeigte sich nun unübersehbare Besorgnis. Er musterte sie ratlos und schwieg zunächst.

Auch ihn hatte diese Frage in den vergangenen Stunden oft genug beschäftigt. Und er wusste noch immer keine Antwort darauf. Man hatte ihnen die X-Akten weggenommen und mit verdammt viel Glück würde das noch die mildeste Konsequenz dafür bleiben, dass sie Mulder gemeinsam mit Scully, Skinner und Kersh zur Flucht verholfen hatten. Man hatte Skinner bereits zur Verantwortung gezogen, doch er hatte sich noch immer nicht bei Doggett und Reyes gemeldet. Doggett wusste nicht, was mit dem A.D. geschehen war und würde, welche Auswirkung ihr gemeinsames Vergehen auf seine Position als stellvertretender Direktor haben würde oder wie es ihm überhaupt ging. Noch weniger konnte er erahnen, was auf Monica und ihn zukommen würde, sobald sie morgen nach Washington zurückkehren würden.

„Ich weiß es nicht, Mon“, gestand er schließlich bedauernd und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr. „Doch soviel ist klar... wir dürfen uns auf keinen Fall unterkriegen lassen. Das sind wir sowohl uns selbst, als auch Mulder und Scully schuldig. Wir haben nicht über zwei Jahre... in deinem Fall über ein Jahr“, korrigierte Doggett sich, „Arbeit, Schweiß und Anstrengungen in die X-Akten investiert, um sie uns wehrlos aus den Händen reißen zu lassen.“

Monica nickte bestätigend und blickte ihm nachdenklich und tief in die Augen. Er überlegte, ob er ihr das sagen sollte, was ihm gerade durch den Kopf ging... was er ihr schon so oft hatte sagen wollen. Aber noch ehe er sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, kamen seine Worte bereits wie von selbst über seine Lippen: „Ich kann stark sein und kämpfen, solange ich dich an meiner Seite habe.“

Er zuckte innerlich zusammen, ungläubig, dass er das gerade tatsächlich gesagt hatte. Aber sie lächelte und dieses bezaubernde Lächeln ließ seinen Zweifel und den anfänglichen Schrecken so schnell wieder verfliegen, wie sie gekommen waren. Er spürte, dass seine Wangen sich erröteten. Nichtsdestotrotz fasste er sich ein Herz und rutschte näher an seine Partnerin heran, bis er sich schließlich mit seinem Rücken an ihren Oberkörper anlehnen konnte. Monicas linker Arm schlang sich von hinten um seinen Oberkörper, während sie mit ihrer rechten Hand begann seinen Nacken zu streicheln. Er fühlte die Wärme ihres Körpers und das Streicheln ihrer Hand verursachte bei ihm eine erneute, dieses Mal sehr angenehme, Gänsehaut. Genüsslich schloss John die Augen und ließ seinen Kopf gegen ihren sinken.

Abermals kam ihm der Gedanke daran, dass kein Mensch die schweren Zeiten im Leben ohne Rückhalt durchstehen konnte.

Und Monica war sein Rückhalt. John hatte es in seinem tiefsten Inneren seit so langer Zeit gewusst, aber mindestens ebenso lange hatte er es vermieden diese Tatsache an sich heranzulassen... aus Angst enttäuscht zu werden und noch mehr aus Angst selbst zu enttäuschen. Aus Angst erneut zu lieben. Lukes Tod und die Scheidung von seiner Frau Barbara hatten tiefe Narben in seinem Herzen hinterlassen, hatten es mit einer hohen, schier unüberwindbaren Mauer umgeben, die ihn davor schützen sollte weitere Schmerzen zu erfahren und sich fallen zu lassen, um wieder zu lieben.

Aber er konnte sich nicht länger etwas vormachen. Monica hatte es geschafft diese Mauer zu durchbrechen. Sie hatte sich wie heilsames Balsam auf die Narben in seinem Herzen gelegt. Sie hatte ihn behutsam durch die schwerste Zeit seines Lebens geführt nach der Ermordung seines Sohnes und Jahre später nach der Aufklärung und Abschließung des Falls. Sie hatte die mühevolle Aufgabe gemeistert, an der seine Frau gescheitert war... ihm Trost zu spenden, einfach nur für ihn da zu sein, wenn er es brauchte.

Und er hatte über seinen Selbstschutz hinweg immer und immer wieder verleugnet und ignoriert, wie viel sie ihm bedeutete, bis zu dem Tag, an dem er sie durch ihren schweren Autounfall fast verloren hätte. Nur kurz zuvor hatte sie ihm insgeheim gewissermaßen ihre Gefühle für ihn gestanden, doch er hatte ihr in diesem Moment nichts liebevolles erwidert. Er wollte es so sehr, aber konnte es nicht. Er war zu feige, hatte wieder seine Zweifel und Ängste ihm Hinterkopf. Und so ließ er sie ziehen... und hätte sie nur wenig später fast für immer verloren. Sie wäre gestorben ohne jemals erfahren zu haben, was er für sie empfand.

Und sogar seine zweite Chance, nachdem Monica dem Tod entronnen war, hatte er erneut an sich vorbeiziehen lassen. Doch dieses Erlebnis hatte ihre Beziehung zueinander verändert. Es hatte ihre Freundschaft vertieft, sie noch stärker aneinander gebunden. Sie tauschten seitdem gelegentlich kleine, zärtliche Geste aus, so wie in dieser Nacht. Gesten, die manches Mal eine tiefere Bedeutung annahmen, als Worte je hätten haben können.

Doggett wusste genau, dass er auch heute wieder kneifen würde. Er würde es nicht über sich bringen ihr seine Liebe zu gestehen. Er hasste sich dafür, dennoch war ihm bewusst, dass es hier und jetzt nicht um seine Liebe zu ihr ging. Es ging um ihre Zukunft. Darum, was auf sie zukommen würde, welchem Schicksal sie sich stellen müssten.

Und sie würden es schaffen, gemeinsam würden sie alles schaffen. Sie würden einander Kraft und Rückhalt geben, füreinander da sein. Er glaubte mit großer Überzeugung daran. Und ebenso wuchs der Glaube in ihm, dass er es eines Tages schaffen würde ihr die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit über seine Gefühle.

John richtete sich ein wenig in ihren Armen auf, um sie von der Seite ansehen zu können. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte glücklich, als er ihr einen sanften Kuss auf die Wange gab.

Eines Tages würde er ihr die Wahrheit sagen. Und bis dahin würden sie Momente wie diesen miteinander teilen, die bereits ein großes Stück dieser Wahrheit beinhalteten.

To be continued ... ?
Rezensionen