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Zeit des Lebens

von Netty

Zeit des Lebens

Mein Herzschlag hallt wild in meinen Ohren wieder, mein Puls jagt unbarmherzig durch meine Venen, die Lieder meiner Augen flattern und dann bin ich wach. So plötzlich fällt die scheinbare Realität um mich herab, dass ich mich kurze Zeit noch immer in ihr gefangen sehe, doch letztendlich kehrt mein Verstand in meinen Geist zurück.

Noch etwas verwirrt nehme ich meine Umgebung in mich auf. Ein simples Hotelzimmer, wie immer. Einfach tapezierte Wände, sparsames Mobiliar, Staub in allen Ecken, das Fenster mit Gardinen umhüllt, die im Wind wehen, und neben mir grenzenlose Leere. Das könnte der Grund sein, warum ich nicht gut geschlafen habe, ich bin es nicht gewöhnt ohne ihn zu schlafen, nicht mehr.

Wo ist er und warum ist er nicht gekommen? Im nächsten Moment wird mir klar, was ich gerade gedacht habe und es erschreckt mich. Noch nie war ich von einem Mann in dieser Weise abhängig. Wir haben niemals eine Vereinbarung getroffen, an die er sich halten müsste, also warum bin ich so enttäuscht, dass er nicht gekommen ist? Es ist ja nicht so, dass wir immer nebeneinander schlafen, dennoch ist seine bloße Anwesenheit zu einer Notwendigkeit geworden, auf die ich nicht verzichten möchte oder kann.

Meine kalten Glieder sind fast taub ohne seine wärmende Nähe, jegliches Leben scheint aus meinem Körper entflohen und ich friere erbärmlich. Das offene Fenster bläst die kühle Nachtluft in mein Zimmer und in meine Knochen. Mit zitternden Fingern schlage ich die Decke zurück, der Schreck des Traumes noch immer in mir, der schon jetzt nur noch eine verblassende Erinnerung ist.

Auf schwachen, müden Knochen schwinge ich mich aus dem Bett, das entsetzlich unter mir quietscht. Ein Albtraum kann selbst aus einer starken Frau wie mir eine Schutzbedürftige machen und endlich habe ich keine Scheu es zuzugeben. Gemächlich laufe ich zum Fenster und ziehe die Gardinen zurück.

Der Wind weht mir kühl und frisch entgegen, erscheint mir unglaublich rein, nach dem Grauen meines Traumes. Wie süß ist es, die Wolken über den Himmel jagen und das Aufleuchten des Mondes zu sehen, wann immer sich die kleinste Lücke in den Wolkenbergen auftut – ein Wechsel von Licht und Schatten, vergleichbar dem Glück und der Trauer im Leben eines Menschen, in meinem Leben. Wie süß ist es, die frische Luft zu atmen, der kein Hauch von Tod und Verderbnis anhaftet, kein stinkender Geruch von Formaldehyd. Wie erlösend, das Licht jenseits des Hügels zu sehen und weit in der Ferne das dumpfe Brausen der Stadt zu vernehmen. Nie ist der Anblick einer ruhigen Nacht schöner als nach einem Albtraum, wenn der Geist sich mit Dämonen auseinandersetzt, für die er nicht geschaffen ist.

Nachdem ich die atemberaubende Schönheit in mich aufgenommen habe, ziehe ich mich vom Fenster zurück und verschließe es sorgfältig, um meinem nächtlichen Treiben ein Ende zu bereiten.

Die Zwischentür ist nicht verschlossen, natürlich nicht. Meine Augen gewöhnen sich schnell an die dunstige Dunkelheit, die sein Zimmer in eine beinah unheimliche Atmosphäre taucht. Seine schlafende Gestalt ruht bewegungslos unter den Decken und sein sanfter Atem lässt mein Blut langsamer durch meine Adern fließen, mein Herz in einem normalen Rhythmus schlagen.

Er schläft in Frieden, es scheint als hätten seine Träume heute Nacht nicht ihn, sondern mich heimgesucht, um mich in seine Arme zu treiben. Willig folge ich meinem inneren Befehl und begebe mich an sein Bett, seine Erscheinung in mich aufnehmend. Wie oft habe ich schon die Gelegenheit, in völlig ruhig schlafen zu sehen?

Als mein Gewicht sich neben ihn ins Bett gesellt, gibt auch dieses ein leises, jedoch grauenvolles Quietschen von sich, und er erwacht neben mir.

„Ich bin es nur“, murmle ich.

„Das sehe ich, obwohl ich dich nicht erwartet hatte“ erwidert er flüsternd, während er seine Decke hebt und mich an sich zieht. Mir einem zarten „oh“ nimmt er meine eiskalten Glieder zur Kenntnis und beginnt augenblicklich mit seiner altbewährten Methode sie zu wärmen. Der letzte Rest meines Traumes verblasst, und ich gebe mich dem wohligen Gefühl hin.

„Du bist nicht gekommen, und da konnte ich nicht schlafen“, erkläre ich wahrheitsgemäß.

„Ich muss eingeschlafen sein, eigentlich wollte ich mich nur kurz ausruhen und dann zu dir kommen. Wer hätte gedacht, dass dieses kleine Hotelzimmer es schaffen würde, mich von meinen Albträumen zu befreien?“

„Dafür hatte ich einen“, allmählich spüre ich das Blut in meinen Beinen zirkulieren und schmiege mich noch ein Stück enger an ihn, während er sich meinen Armen widmet. Die Müdigkeit droht mich bereits zu übermannen, doch etwas in mir weigert sich jetzt schon, in den Schlaf überzudriften. Ein unbekanntes – nun, nicht wirklich unbekanntes – Verlangen lodert in mir auf, und plötzlich möchte ich seine Hände nicht nur auf meinen Armen und Beinen spüren.

„Erzähl mir davon“, verlangt er sanft und streichelt meine Oberarme. Ich kann die Beule in seinen Boxershorts bereits fühlen, und es macht mich immer ein wenig stolz, dies bei ihm auszulösen. Warum, kann ich nicht sagen. Ich als Ärztin weiß selbst am besten, dass das lediglich die physische Nähe ist, der wir uns gegenseitig aussetzen, die ihn auf diese natürliche Weise reagieren lässt, und dennoch komme ich nicht umhin, mir selbst dafür die Verantwortung zu übertragen.

„Das kann ich nicht, es waren schon nur noch Schemen vorhanden, als ich erwachte, und jetzt ist fast gänzlich nichts mehr davon übrig. Ich weiß nur, dass es mich erschreckt hat“, beichte ich, und seine Arme umschließen meinen Körper, um mich noch näher an sich zu ziehen. Nur Millimeter trennen uns voneinander und das Verlangen in mir wächst.

„Jetzt kannst du schlafen, ich werde da sein, falls du wieder einen Albtraum haben solltest“, stellt er fest und gibt mir einen federleichten Kuss auf den Mund. Meine Arme verschränken sich hinter seinem Nacken und als er den Kuss beenden möchte, halte ich ihn mit sanftem Druck davon ab.

Unsere Lippen liegen einige Zeit geschlossen aufeinander, doch dann öffne ich meine langsam und beginne sanft an seiner Unterlippe zu knabbern. Das zarte Fleisch gibt sich mir bedingungslos hin, und ich schmecke die schärfe seiner Zahnpasta, die noch auf ihm haftet. Ich löse meine Lippen keine Sekunde von seinen, während ich ihn noch enger an mich ziehe, es gibt nun keine Lücke mehr zwischen unseren Körpern, es erscheint fast als wären auch wir den Wolken gleich, die den Himmel verschließen, indem sie sich trennungslos aneinander schmiegen.

Mein Herz geht in dem Gedanken auf, ihm so nah zu sein, dass ich das Gefühl habe, dass nichts auf der Welt uns auseinanderbringen kann. Natürlich ist das ein alberner Gedanke, aber wem ist es verboten albern zu sein, wenn man mit dem Menschen zusammen ist, den man liebt?

Schließlich verlasse ich seinen Mund und gebe seiner überdimensionierten Nase stattdessen einen Kuss. Seine Hand streichelt lieblich den Rest meines Armes hinauf und das kitzelt mich und ich lächle, die Lippen noch immer an seiner Nase verharrend. Ich spüre, wie auch seine Gesichtszüge sich zu einem kleinen Lächeln verziehen. Dort liegen wir einsam in der Dunkelheit und lächeln gegeneinander, kann es etwas schöneres auf Erden geben?

Sicherlich bin ich ein wenig euphorisch, aber ein Schock und gleich darauf eine Überschwemmung von Liebe können den Körper und den Geist schon aus dem Einklang bringen.

Seine Lippen liebkosen mein Kinn, während seine Hände rastlos meine Schulter hinauf zu meinem Halsansatz und wieder zurück zu meinem Oberarm gleiten. Doch egal welchen anderen Körperteilen wir uns auch kurzzeitig widmen, letztendlich finden unsere Münder immer wieder zueinander, als wären sie zwei Magneten, die sich gegenseitig anziehen.

Ich genieße das Gefühl trauter Zweisamkeit, nehme es in mich auf, um in schwachen Momenten davon zehren zu können. Schwache Momente, von denen ich weiß, dass sie kommen werden. Auch wenn ich mich im Augenblick sicher fühle, bin ich nicht naiv genug zu glauben, dass dies auf Ewig so sein wird. Dafür ist unser Beruf zu aufreibend, zu gefährlich.

Hungrig fallen wir übereinander her, mein Bein drapiert sich fast von selbst über seine Hüfte, und obwohl ich es nicht geglaubt habe, bringt es uns noch näher zusammen. Wir verschmelzen und nur unsere Kleidung lässt mich erkennen, wo er aufhört und ich beginne.

Dann, in einem Augenblick der absoluten Ruhe – nur unser Atem und das leichte Rascheln der Decken ist zu hören – treffen unsere Zungen in einem lebensspendenden, leidenschaftlichen Kuss aufeinander. Die Welt steht still, als hätte sie auf diesen Moment gewartet, wie wir es getan haben.

Er dreht mich langsam auf den Rücken, mit der Hand an meinem Oberschenkel, mein Bein um seine Hüfte haltend und lässt sein Gewicht langsam auf mich sinken. Ein angenehmes Gefühl durchjagt mich, und ich beginne mich zu fragen, ob dies die Nacht der Nächte sein könnte. Wird schließlich die letzte Schranke in einer schmackhaften Niederlage zu Boden gehen? Wenn jeder Krieg so genüsslich wäre, hätte er seinen grässlichen Ruf schon längst verloren.

Schauer der Wollust jagen wie Blitze über meine Haut, treiben mein Blut erneut in Wallung und hetzen Adrenalin in jede Zelle meines erregten Körpers. Ich fühle mich wie ein Bogen, der bis zum Zerreißen überspannt ist... und dann ist das Gefühl verschwunden.

In einer einzigen schnellen Bewegung löst sich seine Hand von meinem Schenkel, sein Mund von meinem, jeglicher Kontakt zwischen uns bricht, und ehe ich es überhaupt bemerke, ist er aus dem Bett geflohen.

Ich bin irritiert, keineswegs verängstigt, lediglich überrascht. Es ist nicht so, dass ich mir Sorgen machen müsste, dass er mich nicht will, sein Körper ist Beweis genug dafür. Ich muss auch keine Angst haben, dass er mich nicht genug liebt, diese Last ist schon vor langer Zeit von meinen Schultern genommen worden. Alles was bleibt ist der fragende Ausdruck auf meinem Gesicht.

Er fährt sich nervös mit seinen Händen über das Gesicht und durch die Haare. Sogar quer durch den Raum kann ich die Hitze seines Körpers spüren, und es lässt mich erzittern, aus Wollust, aber auch aus Kälte, die sein Fehlen automatisch auslöst.

Wir sprechen nicht. Tatsächlich sitze ich eine Ewigkeit, so erscheint es mir zumindest, auf dem Bett und sehe ihn fragend dabei zu, wie er wie ein gefangenes Tier durch seinen Käfig hetzt. Bis er langsamer wird und dann gänzlich stehen bleibt. Er dreht sich zu mir um und jetzt ist er bereit zu reden. Nach so langer Zeit kann ich die Zeichen deuten, die er mir übermittelt.

„Was ist passiert?“ Die Frage ist so einfach und dennoch so entscheidend.

Natürlich kehrt er zu mir aufs Bett zurück. Setzt sich mir gegenüber und nimmt meine Hände in seine, führt sie zu seinem Mund und küsst sie kurz, dann lässt er sie wieder sinken, aber gibt sie nicht frei.

„Ich denke, ich habe einfach Panik bekommen. Wir sind so verdammt überhitzt und die letzte Zeit so nah beieinander, dass sich die Gefühle allesamt in einer einzigen leidenschaftlichen Nacht entladen könnten und das will ich nicht“, seine Stimme ist leise aber fest, allerdings ergeben seine Worte keinen Sinn für mich. Er will keine leidenschaftliche Nacht?

„Warum nicht?“

„Was ich möchte, was ich für uns möchte, ist nicht nur eine Nacht in der wir wie die Tiere übereinander herfallen, verstehst du? Wenn es denn soweit sein sollte, möchte ich, dass wir beide wissen, dass es die Nacht ist. Es wird etwas Einmaliges werden, denn dieser Moment wird nie wieder kommen, egal wohin alle anderen führen werden“, erklärt er sachlich, doch der Ton in seiner Stimme drückt etwas ganz anderes aus. Leidenschaft, Begierde, Wollust.

„Woher weißt du, dass heute nicht diese Nacht ist?“ Meine Hände stehlen sich zu seinem Gesicht und ich streichle zärtlich über seine Wangen und seine Lippen. Er lässt meine Liebkosungen genüsslich über sich ergehen, bevor er antwortet.

„Wie kannst du das noch fragen? Du warst gerade dabei! Hätte ich uns nicht gestoppt, dann wären unsere Klamotten blitzschnell auf dem Boden gelandet, und ehe wir uns versehen, hätten wir uns so tief ineinander vergraben, dass wir alles um uns vergessen hätten. Und so schön das auch klingen mag, ich möchte nicht einen Moment unserer ersten Nacht vergessen. Genauso wenig wie ich die Nacht vergessen habe, in der du das erste Mal zu mir auf die Couch gekommen bist, denn für diese Augenblicke lebe ich, schließe sie in meinem Herzen ein, um sie für immer aufzubewahren“, seine Augen glänzen in der Nacht, und ich rutsche ein Stück näher zu ihm, schlinge meine Arme um seine Schultern und lehne meinen Kopf gegen seine Brust.

„Ich werde nicht zulassen, dass wir etwas vergessen. Egal, wann es sein wird, ich werde es wissen und du wirst es wissen, bis ans Ende unserer Tage“, ich küsse sachte seine Brust, während seine Arme sich um mich schließen und mich sanft nach oben ziehen um mir einen hauchzarten Kuss zu geben.

„Du hast mir gerade zugestimmt zu warten, und jetzt fängst du schon wieder an“, mahnt er, doch ich kann das Lächeln in seiner Stimme hören.

„Tut mir leid, vielleicht sollten wir versuchen, etwas Schlaf zu bekommen, denn immerhin müssen wir morgen arbeiten und einen Fall lösen“, murmle ich, während ich schon wieder unter die Decke schlüpfe und warte, bis er mir folgt. Sobald er neben mir liegt, kehre ich in meine Lieblingslage zurück. Den Kopf auf seiner Brust, einen Arm und ein Bein über ihn geschlungen, mit seiner Hand auf meinem Rücken.

„Das werden wir, und bald ist die Zeit des Wartens vorbei und bis dahin sollten wir jede einzelne Etappe genießen“, er küsst meinen Haaransatz und lehnt sich dann in die Kissen zurück. Ruhig schließe ich meine Augen ohne Angst vor Albträumen, doch mit der Hoffnung auf ein baldiges Ende unserer verführerischen Tortur.

Ende


Schön, also mein baldiges Ende steht wohl noch in den Sternen, zumindest, was diese Story angeht. Und ich kann mir Jessys Gesicht gerade sehr bildlich vorstellen, wie sie sofort zum Telefonhörer greift, die altbekannte Nummer wählt und um einen weiteren Teil betteln wird. Deshalb sage ich gleich vorab, ja es wird noch mindestens einen weiteren Teil geben, aber wann weiß ich noch nicht, ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch.

Hmm, ich muss gestehen, dass mir der erste Teil besser gefällt, aber ich hab euch ja vorher gewarnt, jetzt müsst ihr damit leben.

FB an die obere Addy, Flames werden nur zum Anfeuern meines Ofens genutzt und prinzipiell ignoriert.

Bis zum nächsten Teil, Netty!

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