World of X

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The Sky of Armageddon (1)

von Lord Sijar

Kapitel 2

~xXx~



AN BORD DER MIDGARD 04.13 UHR



Scully und Mulder hatten die Fahrzeughalle der Midgard verlassen und folgten der Draco ins innere des riesigen Schiffs. Es erschien noch größer als es von Außen gewirkt hatte.

„Hat dieses Schiff keine Crew ?“ fragte Mulder als sie leere Korridore durchquerten, die in allgegenwärtige Stille gehüllt waren. Vorsichtig berührte er eine der gewölbten Wände und spürte glattes kühles Metall unter seinen Fingerspitzen. Ein weiteres Stück Realität.

„Ich bin bloß einer von Vier, aber zur Zeit sind wir tatsächlich allein. Der Computer ist in der Lage die meisten Dinge selbst zu erledigen.“ erwiderte das große Wesen.

„Allerdings gibt es noch eine ganze Reihe Lebensformen hier, die man als Crewmitglieder bezeichnen müsste - nicht im klassischen Sinne. Unsere Gefährten kommen und gehen, wann es ihnen gefällt und sind an unserer Seite, wenn wir ihrer Hilfe bedürfen.,“ fuhr Lord Sijar fort, während sie den Computer mit Anweisungen fütterte.

Kurz darauf begann ein tiefes subsonores Brummen.

Mulder zuckte erschrocken zusammen. Er hörte es nicht wirklich, vielmehr fühlte er es in der Luft und seine fragenden Blicke blieben nicht lange unbeantwortet.

„Der Antrieb - Kernfusion. Ich lasse die Midgard wieder abtauchen. Das macht es Feinden schwieriger sie zu lokalisieren.“

„DIE sind hier, nicht wahr?“

„DIE sind schon lange hier!“

„Von wem stammt das Wissen um die Technik, auf deren Basis dieses Schiff funktioniert?“ Es war eine lahme und irgendwie dumme Frage, wie Scully schon in dem Moment erkannte, in dem sie sie stellte, in der bloßen Hoffnung ihr Misstrauen zu verbergen. Unnötiges Gerede, aber es würde ihre offensichtliche Verblüffung über die Vorgänge zu überspielen.

„Die Midgard ist ein Gemeinschaftsprojekt, erbaut von... meinen Gefährten und Wesen...“ Sie zögerte.

„Nein, es wäre nicht richtig Ihnen davon zu berichten. Aber ich werde Ihnen einen Teil meines Teams vorstellen, sobald sie von ihren Missionen zurückkehren.

Das Kommando über die Mission führe ich, aber wir alle unterstehen dem Masterlord in Vertretung für den Weltenrat.“ Als sie die verwirrten Gesichter ihrer Gäste bemerkte fügte sie hinzu:

„Ich werde erst gar nicht versuchen, Ihnen das zu erklären. Die Hierarchie der ich unterstehe, wird Sie höchstens noch mehr verwirren und das Wissen darum würde Ihnen eher schaden als nützen. In Ordnung?“

Es klang aufrichtig, es verdiente das Misstrauen nicht, abgesehen von der ohnehin unglaubwürdigen Geschichte, doch das stand auf einem anderen Blatt, denn die Beweise lagen vor ihr. Trotzdem fühlte sie, wie ihre Wangen heiß wurden, vor Ärger oder Verlegenheit.

„Zu einem ganz anderen Thema. Da Sie in nächster Zeit unsere Gäste sein werden, halte ich es für angebracht Ihnen Quartiere zur Verfügung zu stellen.“

Sie durchquerten mehrere Flure, deren Design dem der Gerätehalle entsprach. Am Ende eines Korridors befand sich ein Aufzug, dessen Türen sich auf Tastendruck öffneten. Der Lift brachte sie drei Decks höher auf Deck Eins, das oberste Deck der Midgard.

Die Gestaltung dieses Decks unterschied sich sehr von dem bisher gesehenen. Hellgrauer Teppichboden bedeckte den Fußboden, die Wände waren in hellem cremeweiß gefärbt. Die Decke war offensichtlich ein Teil der Außenhülle, denn das durchsichtige Material über Scullys Kopf erlaubte einen Blick in das Wasser über ihnen.

Dann blieb Sijar vor einer Tür stehen, ein Knopfdruck genügte um sie zu öffnen.

„Agent Scully, Ihr Quartier“ sagte sie schlicht und wies mit der Hand in den Raum.

„Mulder, Ihres liegt daneben“ fügte sie hinzu und deutete auf eine weitere Tür, etwa fünf Meter den Gang herab.

„Die Räume sind untereinander verbunden, so wie Sie es schätzten.

Ich lasse Sie beide nun allein. Sehen Sie sich um und versuchen Sie zu schlafen. Vor morgen früh wird hier nichts mehr passieren. Ich werde Sie dann zu einer Führung durch die Midgard abholen, wenn Sie es wünschen.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an den Computer, oder an mich.“ Mit diesen Worten drehte sich die Draco um und verschwand einfach.



Mulder blieb verwirrt vor Scullys Tür stehen. Zum ersten mal seit einigen Stunden waren sie wieder allein, und konnten sich ungestört unterhalten. Es gab einiges, über das sie sich unterhalten mussten. Es klang nach dem Beginn eines Kriegs und den Vorbereitungen zu einer Schlacht.

„Was hältst du von ihr?“ fragte er Scully, die ihm weniger ernst antwortete, als er gefragt hatte.

„Tja, sie ist freundlich, anscheinend ehrlich, sie hilft uns...“ Scully machte eine dramatische Pause

„...und sie ist nebenbei kein Mensch. Ich glaube, Mulder, psychologische Profile von Nichtmenschen zu erstellen ist dein Ressort“ entgegnete sie mit hochgezogenen Augenbraune. Er fühlte die Versuchung trotz der augenblicklichen Situation mit der selben Ironie zu antworten. Vielleicht würde es ihnen gut tun. Müdigkeit Adrenalin und Stress waren eine unschöne Kombination und dies zu mildern konnte nicht schaden.

„Mir kommt sie eher ein bisschen wie ein Fremdenführer vor, vielleicht sollten wir nach dem Zimmerservice fragen. Apropos Zimmer, ich denke, wir sehen uns unsere mal an und nehmen das ganze als kostenlosen Urlaub.“

Scully warf ihm einen ihrer so typischen Blicke zu.

„Gott Mulder, bleib ein einziges Mal in deinem Leben ernst!“ tadelte sie ihn ärgerlich.

„Hier geht es nicht mehr um die alten Witze. Du hast nicht vergessen warum wir hier sind?, hoffe ich.“

„Nein,“ erwiderte er nun ernst. Scully hatte Recht, die Zeit der Scherze war vorüber, schon seit langem.

„Das habe ich nicht. Genauso wenig wie ich vergessen habe, das ich geschworen habe auf William und dich acht zu geben. Und wir wissen, das draußen etwas auf uns wartet, dass uns eben nur zu gern in blutige Fleischfetzen tranchiert hätte. Zur Zeit ziehe ich das simple Überleben dem heroischen Ende zwischen DEREN Krallen vor. Nutzen wir die Chance, die man uns gegeben hat. Wenn sich Lord Sijars Behauptungen als wahr herausstellen, wovon wir zur Zeit auszugehen haben, dann bekommen wir vielleicht endlich eine Antwort auf unsere Fragen und die Hilfe die, die Welt brauchen wird. Wir haben beide unsere eigenen Erfahrungen in Oregon gemacht. Wir wissen, das die Fremden kurzen Prozess mit uns machen werden, wenn sich nicht bald etwas ändert. Dieses Schiff ist offensichtlich keine Lüge und kein billiger Taschenspielertrick. Es funktioniert mit einer Technologie, über die gewiss kein irdisches Militär verfügt. Bisher sind wir immer noch knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlittert, aber ich fürchte wenn Leute wie Kersh, die die Wahrheit nicht wahr haben wollen, auf den Chefposten sitzen bleiben, wird es die Öffentlichkeit erst dann erfahren wenn es zu spät ist. Wir beide gehören, wie dieses - Wesen - gesagt hat, zu den wenigen, die den Umriss IHRER Pläne kennen. Es ist unsere Pflicht, herauszufinden was DEREN Beweggründe sind und wie man sie schlagen kann.

Wir müssen die Wahrheit herausfinden und sie ans Licht bringen, dies hat nichts mehr mit unserem Beruf zu tun, nichts mehr mit dem was uns beiden passiert ist. Das hier ist eine elementare Frage, eine Frage des Schicksals. Der Zeitplan steht fest und für uns wird es höchste Zeit unsere Vorbereitungen zu treffen. Knowle Roher und dieser Agent Crane waren bloß die Spitze des Eisbergs.“

Er unterbrach sich.

Sie standen noch immer auf dem Flur. Korridore schienen ihr Schicksal zu sein dachte Scully in einem Anflug von Ironie, aber es war ernst, was hier passierte.

„Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit nur selten das eingehalten habe, was als der Dienstweg und die Vorschriften gilt und ich habe dich mit meinen verrückten Aktionen immer wieder in Gefahr gebracht, es tut mir Leid das William in die ganze Sache verwickelt wurde, er ist nur ein unschuldiges Kind. Aber meine eigenen Erfahrungen, auch die die ich erst vor einem halben Jahr gemacht habe, haben mich gelehrt, dass uns Unschuld und Unwissen nicht vor IHNEN schützten werden. Deshalb müssen wir handeln. Es geht nicht mehr nur um die X-Akten, es geht nicht mehr nur um meine Schwester, es geht um die Zukunft, unsere Zukunft und die von William.“ Mulder sprach mit der Kraft seiner Überzeugung, dann verlor sich seine Stimme und seine Gesichtszüge wurden weich als er Scully ansah. Aber sie wusste, das er innerlich das dunkle Schicksal verwünschte, das ihn bis Hierher geführt hatte. Sie kannte den inneren Kampf, den er ausfocht. Sie hatte ihn selber geführt, führte ihn auch jetzt. Entweder jeden Tag sein Leben auf der Suche nach einer Sache zu riskieren, die ihnen kaum eine Hand voll Leute glaubten, die aber das Schicksal aller bestimmen würde oder klein bei geben, die Heimsuchung der Welt akzeptieren und aufgeben. Jetzt ging es auch noch um William, eine weitere Verpflichtung.

Mulder und sie selbst hatten immer gekämpft und nie aufgegeben, trotzdem waren sie schon so oft gescheitert.

„Hey Mulder,“ Scully lächelte,

„Weißt du wie ich diese Plädoyers in der letzten Zeit vermisst habe?“

„Ich dachte, du würdest mit deinem neuen Kollegen gut auskommen und es genießen nicht dauernd mit irgendwelchem verrückten Kram genervt zu werden,“ entgegnete Mulder. Es war das erste mal das er dieses Thema freiwillig anschnitt.

„Er ist nicht mein neuer Kollege, er ist *unser* neuer Kollege, Mulder, komm lass uns reingehen.

Sie betraten Scullys Zimmer. Einige kleine, helle Lampen die sofort aufflackerten sorgten für angenehm warmes Licht. Der Raum war erstaunlich groß, eine Sitzecke, eine Küchennische und etwas davon abgesondert der Schlafbereich. Da er an der Außenhülle gelegen war, bot sich ein spektakulärer Ausblick auf die Unterwasserwelt.

„Das ist.... fantastisch,“ staunte Mulder, seine Begeisterung nicht verleugnend. Die Bordwand, die von Außen dunkelgrau erschien musste wie eine Art halb-durchsichtige Membran wirken, sodass eine gesamte Seite ihres Quartiers aus einer riesigen gewölbten Panoramascheibe bestand.

Scully erging es nicht anders.

„Seeblick inklusive,“ merkte sie an.

„Wird vielleicht doch noch Urlaub“

„Sag ich doch“, grinste er. Er ließ sich aus Sofa plumpsen, sackte ein ganzes Stück ein.

„Tolle Couch, so was müsste man zu Hause haben. Da kommt mein Wasserbett nicht mit.“ Erst jetzt bemerkte er, wie müde er in Wirklichkeit war.

„Dafür hast du Wasser draußen herum“.



Mulders Wasserbett...okay, vielleicht keine gute Idee jetzt darüber nachzudenken. Es würde sie an Dinge denken lassen, über die sie nicht gern nachdachte, Dinge die ein Eingeständnis an ihre menschliche Schwäche waren. Etwas, dass falsch gewesen war, dass sie dennoch nicht bereute, weil es sich richtig anfühlte. Seltsam wie schnell sie vom eigentlichen Thema abwich. Sie zwang ihre Gedanken in eine den Umständen angepasste Bahn. Bis jetzt ging es William gut. Sie sah sich um und entdeckte ein kleines Kinderbettchen in der Schlafnische. Woher ihre Gastgeber wussten, das William eines benötigen würde. Die Fremden, Scully konnte sich mit dem Begriff *Draco* nicht wirklich anfreunden, hatten offenbar gute Kenntnis über Mulder und sie selbst. Woher, war ihr im Moment egal. Zufrieden legte sie ihren kleinen Sohn hinein und deckte ihn zu. Erst jetzt wurde sie sich der Tatsache bewusst, das sie keinerlei Kleidung für ihn dabei hatte. Hoffentlich hatten ihre Gastgeber auch daran gedacht.

„Und was nun. Mulder? Irgendein Vorschlag in deinem brillanten Kopf?“ fragte sie leise.

„Ich erwarte eine gute Antwort, Mr. Unkonventionell.“ Er zuckte ratlos die Schultern

„Ich weiß es nicht. Wir können vorerst nur abwarten, was unsere Retterin geplant hat. Ich weiß nicht, ob wir überhaupt etwas tun können. DIE wollen uns umbringen, daran gibt es keinen Zweifel mehr und sie haben alle Möglichkeiten uns auch zu finden. Wenn sich diese ... Replikanten beim FBI und dem CIA einschleichen konnten, dann wird es auch in anderen Schlüsselpositionen Replikanten geben, die die Möglichkeit haben uns zu finden. Immerhin ist es Rohrer gelungen sich das Vertrauen von Doggett zu erschleichen und was bei ihm funktioniert hat, könnte auch bei jedem anderen Menschen geschehen. Wir wissen nicht, wo unsere Feinde sind und wie viele es schon gibt..“ Mulder schwieg und starrte aus dem Fenster. Er hatte schon viele Gedanken an dieses Problem verwendet doch eine Lösung des Dilemma erschloss sich ihm nicht. Die Vision, die sich in seinem Geist zeichnete, war erschreckend.

„Du klingst nicht sehr glücklich...“ Sie musterte ihn.

„Es gibt auch keinen Grund, glücklich zu sein. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache, weniger bei unseren ... Freunden.... als vielmehr beim Gedanken an die nächsten paar Tage. Es wird sehr bald etwas bedeutendes geschehen.“

Scully setzte sich neben ihn und stütze ihr Kinn in eine Hand.

„Das war nicht die Antwort die ich hören wollte... Mir gefallen die neusten Entwicklungen ebenso wenig, trotzdem sollten wir das beste daraus machen. Ich bin froh, dass du wieder dabei bist. Die ganze Zeit, die ich mit Doggett nach Dir gesucht habe... ich hatte nie das Gefühl, dass wir eine reelle Chance hätten. Doggett ist ein guter Kamerad, ein talentierter Ermittler, aber es fehlt ihm der Sinn für das was wirklich hinter den Geschehnissen steht. Wir bekommen immer nur Bruchstücke der Wahrheit zu fassen auf die wir uns einen Reim machen müssen. Der einzige, der das Talent hat, diese Bruchstücke sinnvoll zu verbinden bist du.“ Scully sah ihn an und bemerkte seinen erstaunten Gesichtsausdruck.

„Ich hätte nicht gedacht dass du so von mir denkst...“

„du weißt vieles von dem nicht, was die anderen über dich denken. Schau Dir Doggett an.“

„Er scheint mich nicht besonders zu mögen.“

„Ich denke da täuscht du dich gewaltig. Du hättest ihn sehen sollen, als er über mehrere Tage in jeder freien Minute die X Akten las.“

„Er hat sie wirklich gelesen?“

„Hat er,“ bekräftige sie.

Sie kuschelte sich an ihn und sah ihn zufrieden an. Vorsichtig nahm er sie in den Arm und küsste ihr Haar.

„Hey, ich bin ja wieder hier,“ flüsterte er beruhigend.

„Ich hoffe, das du nie wieder gehst.“

Er sah sie an mit einer undefinierbaren Traurigkeit in den Augen

„Du weißt genau, das das, das einzige ist, das ich Dir nicht versprechen kann, aber ich werde alles in meiner Macht stehende tun.“ Eine Weile saßen sie nur so da, bis sich Scully räusperte:

„Komm, Sijar hat recht, wir sollten versuchen zu schlafen.“

„Wie du meinst.... Gute Nacht Scully,“ verabschiedete er sich, küsste sie noch einmal zärtlich auf die Wange und stand auf.

„Wohin gehst du?“ fragte sie ihn verwirrt.

„Ich glaube es ist besser, wenn ich in meinem eigenen Zimmer schlafe,“ erwiderte er und errötete dabei leicht. Es fühlte sich so feige und falsch an, aber hier gewährte er seinem Verstand vorrang vor seinen Gefühlen

„Schon in Ordnung“ erwiderte sie leise.

Sie waren viel zu müde, um noch klar denken zu können und sie würden ihren Verstand einsetzen müssen in den nächsten Tagen.

Schließlich verließ er den Raum, die Tür öffnete und schloss sich von allein.

Er betrat sein eigenes Zimmer. Größe und Raumaufteilung entsprachen dem von Scully. Das Mobiliar war stilvoll, zweckmäßig aber sehr elegant, es haftete ihm etwas futuristisches an, ohne aufdringlich zu wirken. Warme Farben mit kühlem Blau kombiniert schufen eine angenehme Atmosphäre. Unmittelbar fühlte sich Mulder an ein teures Hotelzimmer erinnert. In einer Nische auf einem Arbeitstisch entdeckte er ein Computerterminal, wie er schon einige an Bord gesehen hatte. Augenblicklich war seine Müdigkeit verschwunden und in die letzte Ecke seines Bewusstseins verdrängt.. Diese Chance wollte er sich nicht entgehen lassen.

Der Bildschirm war dunkel. Auf gut Glück probierte Mulder einige der berührungsempfindlichen Schaltflächen. Der Bildschirm blieb leer. Mulder setzte sich auf den Stuhl davor. So schnell wollte er nicht aufgeben.

Schließlich hatte er eine Idee. Er räusperte sich.

„Midgard“ sagte er mit erhobener Stimme.

„Zugriff auf Daten bis zum Benutzerlevel Drei ist gestattet. Für den Zugriff auf Daten die höher eingestuft sind und geschützte Systeme ist die Stimmerkennung des Supervisors erforderlich.“ Der Rechner der Midgard hatte die selbe neutrale Stimme wie das Computersystem in Sijars Auto.

Der Bildschirm wurde hell und präsentierte einige Menüpunkte zur Auswahl. Ein Textverarbeitungsprogramm, Zugriff auf technische Daten der Midgard und die Möglichkeit Personen auf dem Schiff zu kontakten.

Mulder begann mit den Daten der Midgard. Je mehr er las umso erstaunter wurde er. Das Computerprogramm erkläre die Funktion der Antriebssysteme, der Bewaffnung und der Tarnvorrichtung. Zwar verstand er nur jedes zweite Wort, aber es verwunderte ihn sehr, dass Sijar ihm Zugriff auf derart Sicherheitsrelevante Daten gewährte. Eine weitere Form des Vertrauensvorschuss, grübelte Mulder und überlegte womit er diesen Verdient hatte.

Schließlich schaltete er den Rechner aus. Er verstand das technische Kauderwelsch nicht. Das war etwas für Scully und ihre Physikkenntnisse.

Die momentane Situation stellte eine Abstraktion ihres Alltagslebens dar: Das Übernachten in Hotels war ihm zur zweiten Natur geworden, nur das die Herbergen, die er sonst mit Scully bewohnte selten schwammen und nie Raumschiffe waren. Dann beschloss er ihrem Rat zu folgen und zu schlafen.

Er brauchte nicht lange dafür und schlief, ausnahmsweise ohne Albträume über seine Entführung zu haben. Zu erschöpft um noch zu grübeln und er war dankbar für diese Erschöpfung, denn er wusste wie schrecklich es war, die Sonne auf- und wieder untergehen zu sehen - für Wochen und er fürchtete die langen Nächte die so kalt und leer waren wie der Himmel über der Wüste. Vielleicht war es das Meer, dass ihn umgab, der Ort aus dem alles Leben auf Erden stammte, der ihm heute Nacht den Frieden schenkte.



~xXx~



J.EDGAR HOVER BUILDING 8.32 UHR NÄCHSTER TAG.



Skinner war schlecht gelaunt wie selten. Um zwei Uhr nachts war er von einem Kollegen aus dem Bett geklingelt und darüber informiert worden, das Agent Scully Wohnung verwüstet sei und von ihr selbst jede Spur fehle. Er war sofort zum Tatort gefahren und hatte seine schlimmste Befürchtung bestätigt gefunden. Die grünlichen Schleimspuren, auf die sich Scullys Nachbarin und die herbeigeholten Streifepolizisten keinen Reim hatten machen können, waren ihm nur zu gut bekannt.

Seine Versuche Scullys einzigen *wirklichen* Vertrauten zu erreichen, waren ebenso erfolglos geblieben.

Skinner war schlecht geworden. Wirklich schlecht. Er hatte es nur mit eiserner Selbstdisziplin geschafft, sich nicht in der Präsenz von Zeugen zu übergeben.** Der AD des FBI kotzt sich an einem Tatort aus...** Nette Schlagzeilen.

Eine Viertelstunde später stand der herbeigeorderte Special Agent Doggett auf der Matte. Skinner hatte ihn sofort hergerufen.

„Sie wissen was das bedeutet?“ hatte Skinner den leichenblassen Doggett gefragt. Der hatte nur genickt.

„Daher kam der Stromausfall“ vermutete Doggett.

„Ich fürchte ja“



Nun saß er in seinem Büro, trommelte nervös mit den Fingern auf der polierten Tischplatte herum und wartete auf die ersten Analyseergebnisse der Tatortuntersuchung. Das ein Kampf stattgefunden hatte war klar, aber zu wessen Gunsten er entschieden worden war... Eigentlich wollte er das gar nicht so genau wissen. Ihm war heiß und immer noch ein bisschen übel.

Er dachte an Agent Scullys Mutter, der er heute morgen als erstes über das erneute verschwinden ihrer Tochter und ihres Enkels hatte berichten müssen. Sie hatte es akzeptiert und war stark gewesen. Er bewunderte diese Frau. Sie war stark und tapfer, genau wie ihre Tochter.

Seine Sekretärin Kimberly meldete Agent Doggett an.

„Lassen Sie ihn rein,“ knurrte Skinner.

Der große dunkelhaarige Agent trat ins Büro, er war besorgt, es spiegelte sich in seinen Gesten und seiner Stimme wieder.

Skinner wusste, dass ihm Mulder und Scully ans Herz gewachsen waren, das er sie nicht nur als Kollegen betrachtete.

Ihm, Skinner, selbst ging es ja nicht anders. Für ihn waren Fox und Dana immer so etwas wie die erwachsenen Kinder gewesen, die er selbst nicht hatte. Und deswegen ging ihm ihr Schicksal auch so nah.

„Sir, die Analyseergebnisse.“ Doggett hatte einen ganzen Stapel Papier und einige Ordner in der Hand.

„Nehmen Sie Platz, John. Was hat das Labor gefunden?“ fragte Skinner sofort und bemühte sich aufgeräumt und weniger besorgt zu wirken, als ihm zu Mute war. Er nahm seine Brille ab, und massierte sich den Nasenrücken und die Stirn. Es gelang ihm nicht den dumpfen Kopfschmerz zu vertreiben.

„Also, wir konnten mit hundertprozentiger Sicherheit nachweisen, dass sich Agent Scully, ihr Sohn und Agent Mulder zur Tatzeit am Tatort befanden.“

„Wieso Agent Mulder?“ fragte Skinner verdutzt.

„Das tut eigentlich nichts zur Sache, aber falls es Sie beruhigt... Ich hielt es für angebracht, seine Kündigung sofort rückgängig zu machen. Wenn das, was hier in den letzten Tagen gelaufen ist, der Vorgeschmack auf Kommendes ist, dann werde ich seine Hilfe bei den X-Akten brauchen, egal ob das Kersh gefällt oder nicht.“

„Ah so ist das,“ meinte Skinner verstehend.

„Weiter, was ist sonst noch im Bericht?“

„Außerdem haben wir das grüne Zeug vom Fußboden untersucht... Ich denke Sir, wir wissen beide um was es sich handelt, auch wenn im offiziellen Bericht „Unbekannte Organische Substanz“ steht. Aber jetzt wird es wirklich interessant. Am Tatort und sogar an den Leichen von... Sie wissen schon was ich meine...“ Doggett war es ausgesprochen unbehaglich über dieses Thema zu sprechen und sein Blick huschte unruhig hin und her.

„Ja, John, sprechen Sie weiter“

„Es wurde noch eine weitere DNA aufgespürt. So etwas hat das Labor noch nie gesehen. Es enthält Komponenten der menschlichen DNA ist aber sonst völlig fremdartig. Einige der anderen Gene in der fremdartigen DNA, konnten als die von verschiedenen Tieren identifiziert werden, aber über den Rest kann sich keiner einen Reim machen... Wir treten auf der Stelle.“

„Wo ist eigentlich Agent Reyes zur Zeit? Mir scheint, wir könnten ihre Hilfe gebrauchen. Sie hatten sie doch wenn ich mich nicht irre zu den X-Akten hinzugezogen, aber ich habe sie die letzten Tage nicht gesehen.“

„Sie hat vor zwei Tagen ihren Jahresurlaub angetreten.“ Doggett schmunzelte, als er hinzufügte: „Ein Campingausflug in die Wildnis, ich fürchte, wir werden sie sobald nicht erreichen können, obwohl ich ihre Hilfe hierbei sehr zu schätzen wüsste.“

„Möchten Sie weitere Agenten hinzuziehen?“

„Nein, ich denke, das ist eine Angelegenheit die sich besser im Kreise der Familie ausmachen lässt. Monica oder ich allein.“



~xXx



J.EDGAR HOVER BULIDING 8.41 UHR



Eine junge Frau in einem schlichten schwarzen Hosenanzug betrat die großzügige Vorhalle des FBI Hauptquartiers. Der Besucherausweis mit dem großen, roten V wies sie als S. Stark, eine Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörde aus. Keiner, der zur Bewachung des Eingangs abgestellten FBI Mitarbeiter, zweifelte daran, das die attraktive junge Dame genau das war. Unauffällig berührte die Frau ein kleines Gerät in ihrer Hosentasche. Die Sicherheitskameras würden abwechselnd nur noch Schnee anzeigen.

Sie durchquerte die Halle und machte schließlich zielsicher das Büro eines gewissen Assistant Directors aus. Der Gang war gerade leer. Schnell holte sie eine Plastiktüte aus ihrem Blazer und zog mit behandschuhten Fingern einen unscheinbaren Brief hervor, der vor der Vorzimmertür von AD Skinner liegen blieb.

„AD Skinner, Special Agent Doggett“ stand darauf.

Ein kleiner Schubs genügte, um ihn zwischen Boden und Tür festzuklemmen. S. Stark verließ eines der bestbewachten Gebäude der Welt nicht ohne den Türwächtern einen guten Morgen zu wüschen.

Sie ging die Straße ein Stück herab und stieg schließlich in einen metallic-grünen Pick-Up...

In den Ahornbäumen vor dem J. Edgar Hoover Building saßen zwei große schwarze Raben und beobachteten aufmerksam den Eingang...



~xXx~



DIE WÄLDER VON OREGON



Der kleine Waldsee hatte eine grundlegende Veränderung durchgemacht. Früher hatten an diesem Gewässer abertausende Insekten und Kleintiere gelebt, zusammen mit zahllosen Fischen, Vögeln und kleinen und großen Säugetieren. Eine prächtige idyllische Landschaft, die ein beliebtes Ausflugsziel für genervte Touristen aus der Großstadt darstellte.

In der Tat stammten die Wanderer, die auf die Waldlichtung hinaustraten aus der Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Der Anblick der sich ihnen bot war allerdings keinesfalls idyllisch. Das sonst so klare Wasser dieser von unterirdischen Wasseradern gespeisten Tümpel war in tiefstes Schwarz verfärbt und es stank nach Fäulnis und Verwesung. Am Ufer lag der Kadaver eines toten Fuchs, dessen einstmals rötlicher Pelz mit der schwarzen öligen Substanz verschmiert war und die Fische des Teichs trieben mit dem Bauch nach oben im toten Gewässer. Kein einziger Vogel sang und selbst die Stimmen der sonst so allgegenwärtigen Mücken schienen verstummt.

„Wenn ich die Typen die dafür verantwortlich sind, in die Finger kriege, sorge ich persönlich dafür, dass Sie in den Knast wandern,“ murmelte eine Stimme wütend.

„Es ist schon eine Schande, wo die Petrochemie ihren Müll hinkippt,“ bestätigte einer ihrer Begleiter.

„Wir markieren die Stelle in der Karte und melden es dem nächsten Parkhüter. Komm Monica, das ist zwar wirklich empörend, aber kein Fall für das FBI.“

Die kleine Menschengruppe drehte sich um und begab sich den Hinweg zurück.

Was sie nicht gesehen hatten, war die in schmierigen Matsch aufgelöste Leiche eines Menschen, neben dessen zerrissenen Kleidungstücken noch die Dienstmarke eines Angestellten des Forstministeriums lag. Die teilweise blank liegenden Knochen des Mannes waren glasig durchscheinend und seine Haut hatte sich in grauen Gelee verwandelt, während in seiner zerrissenen Bauchhöhle ein großes Loch klaffte. Kein Tier hatte es gewagt, den grausig entstellten Leichnam auch nur zu beschnuppern.



~xXx~

Als Kimberly, Skinners Sekretärin schließlich den Brief fand, war dessen Überbringer bereits nicht mehr in der Stadt.

Die, an den er adressiert war, trugen Handschuhe, als sie ihn öffneten.



Sehr geehrter Mr. Skinner, sehr geehrter Agent Doggett,



Versuchen Sie erst gar nicht Fingerabdrücke auf diesem Text zu finden, es gibt keine.

Wenn Sie diesen Brief erhalten, ist die Suche nach Special Agent Dana Scully, Special Agent Fox Mulder und ihrem Sohn bereits angelaufen.

Brechen Sie diese ab. Sie werden die drei nicht finden.

Allerdings sind die Dinge nicht so wie, sie aussehen.

Wir gehen davon aus, dass sie die Überreste unseres gemeinsamen Feindes in Ms Scullys Wohnung entdeckt haben und das schlimmste befürchten. Die drei wurden jedoch in Sicherheit gebracht und wir versichern, das es ihnen gut geht.



Sie haben Freunde, Mr. Skinner, Agent Doggett! Vergessen Sie das nicht.



Wir bitten Sie deshalb, heute um 14.00 Uhr an angegebenen Koordinaten zu erscheinen, bringen Sie Mrs. Margret Scully mit, da sie eine Antwort auf ihre Frage nach dem Verbleib ihrer Tochter verdient.

Jedoch, keine weitern Agenten, und weihen sie nur Personen über diesen Brief ein, denen Sie vollkommen vertrauen.

Dann werden Sie ihre Freunde wiedersehen.

Ansonsten werden sie die Wahrheit nicht erfahren.



Darunter waren Koordinaten im Gradnetz angegeben.



Der Text war mit kunstvoller, gestochen scharfer Kalligraphie geschrieben und trug weder Absender noch eine Unterschrift. Ein kleines Symbol, das Flugbild eines großen Raubvogels in einen Kreis einbeschrieben, zierte die letzte Zeile. Mit jeder Zeile die Skinner las, wurde er verwunderter und auch wütender. Mulder war prädisponiert Chaos zu veranstalten und in diesem zu landen, das hatte die Vergangenheit schmerzvoll für alle Beteiligten bewiesen.

Dann faltete er den Brief abrupt zusammen und knirschte mit den Zähnen.

„Kimberly,“ bellte er seine Sekretärin an.

„Schaffen Sie sofort die Bänder der Überwachungskameras hier her... Und die Verantwortlichen für die innere Sicherheit!“ Normalerweise war er nicht so emotional in der Anwesenheit Untergebener und er schrie auch seine Sekretärin nicht an, aber das war endgültig zuviel auf nüchternen Magen.

Er bezweifelte zwar, dass auf den Aufzeichnungen etwas zu sehen sein würde, aber er wollte nichts unversucht lassen. Dann schrieb er sich die Koordinaten und den Zeitpunk ab und faltete dann das Textstück zusammen. Er drückte es Doggett in die Hand.

„Bringen Sie den ins Labor. Sagen Sie denen, das sie alles andere liegen lassen sollen, das sie solange suchen bis sich etwas findet, dass uns einen Hinweis bietet. Wenn sie dafür jede Papierfaser einzeln auseinander nehmen müssen...

Und noch etwas Agent Doggett, Sie wissen wo wir beide um 14.00 Uhr sein werden?“

„Ich denke schon, Sir“ erwiderte Doggett ohne zu zögern und ohne einen Funken Ironie. Die Jagt hatte begonnen und Skinner würde das notwendige in die Wege leiten. Dazu gehörte auch die Tatsache das sein *Vorgesetzter* Director Kersh, ahnungslos bleiben würde.

Skinner wollte das Spiel nach seinen Regeln spielen. Nur so würden sie gewinnen können.

Dann rief er bei Margret Scully an, um sein Anliegen vorzutragen. Er hoffte inständig, das sie zustimmen würde...



~xXx~



Nach einer Viertelstunde kehrte Doggett zurück. Noch etwas nervöser und vielleicht sogar wütend.

„Und, was gibt es?“ fragte Skinner.

„Ähm,... Sir, das Labor kümmert sich um den Text, obwohl uns die Analyse der Handschrift nicht weiter helfen wird. Das könnte jeder geschrieben haben, der weiß wie man einen Kalligraphie Füller benutzt. Das Problem ist, das dessen Benutzung eine typische Handschrift verfälscht. Der Text hilft uns nicht wirklich weiter.

Was schlagen Sie vor Sir?“

„Ich hoffe doch, dass diejenigen, die sich um die Analyse kümmern, etwas zuverlässiger sind, als Ihr alter Freund Crane?“ Doggett seufzte frustriert.

„Es tut mir Leid Sir, dass ich diesem Verräter...“

„Schon gut John, machen Sie sich nichts draus, es hätte verdammt noch mal jedem von uns passieren können. Ich fürchte, dass wir eben niemandem vertrauen dürfen, außer uns selbst. Eins der Dinge, die mich Mulder gelehrt hat. Und was die Frage zu unserem weiteren Vorgehen betrifft: Etwas anderes, dass ich von Mulder gelernt habe, in der Zeit in der ich sein Vorgesetzter war, dann ist es das, seinen persönlichen Ahnungen nachzugehen. Ich denke, dass, wer immer diesen Text geschrieben hat, eine ganze Menge über uns und Scully und Mulder weiß. Wer es ist, das müssen wir herausfinden. Möglicherweise werden wir ja einige Antworten erhalten.“

„Ebenso könnte es eine Falle sein,“ gab Doggett zu bedenken

„Und wir tappen so ahnungslos herein, wie es Mulder und Scully ergangen ist.“

„Ja vielleicht... “

„Aber ich bin geneigt, den Autoren des Textes zu glauben. In Agent Scullys Appartement wurden keine menschlichen Blutspuren gefunden, wie Sie selbst gesagt haben. Ich würde das als positives Zeichen werten. Außerdem ist es unsere Pflicht als FBI Agenten, keine Möglichkeit bei der Aufklärung eines Verbrechens ungenutzt zu lassen.“

„Werden Sie Kersh, von ihrem Vorhaben berichten?“ fragte Doggett vorsichtig.

„Ich dachte Sie hätten es langsam verstanden, Doggett“ meinte Skinner angesäuert.

„Diese... Person... würde uns für nichts in der Welt unterstützten. Er war schon froh, als Mulder vor einem Jahr verschwand und ihm die Sorge abnahm, unangenehm bei seinen Vorgesetzten aufzufallen. Er hat Sie damals auf diesen Fall angesetzt, nur damit Sie scheitern. Entweder kennt er die Wahrheit sowieso schon, oder er will sie gar nicht wissen. Seien Sie sich darüber im klaren Doggett, Mitglieder der Abteilung X-Akten und deren Unterstützer, sind Freiwild für gewisse Herren der gehobenen Gehaltsklasse. Ich werde mich davor hüten Kersh zu informieren. Verstanden?“

„Ich denke ja,“ meinte Doggett schließlich. „Wann werden wir fahren? Sir“

„Ich habe die Koordinaten des *Treffpunktes* nachgeschlagen, er liegt circa fünfzig Kilometer südlich von Baltimore. Ich denke wir sollten in der Lage sein, innerhalb von anderthalb Stunden dort zu sein. Das gibt uns genug Zeit hier noch einige Dinge in die Wege zu leiten.“ Beim letzten Satz musste Skinner grinsen.

„Sind Sie bereit, die Dienstvorschriften abzuwandeln wie Mulder es tat, Agent Doggett?“ fragte er spitz.

„Wenn es hilft, die Wahrheit zu finden, Sir“ gab Doggett zurück.

„Das wird es John, das wird es“ antwortete Skinner, eine Vertrauliche Anrede benutzend.



~xXx~

MOUNT MARAHUACA, VENEZUELA



Seit Wochen schon strahlte ein Stern heller als seine Brüder am Himmel, schon seit Wochen staunten die Menschen über dieses Zeichen am nächtlichen Firmament. Das hundertfache seiner ursprünglichen über Jahrhunderte konstanten Strahlungsenergie wurde nun innerhalb weniger Tage frei. Hobbyastronomen und passionierte Sterngucker beobachteten das Phänomen, staunten und diskutierten es mit ihren Freunden in aller Welt. Niemand hatte eine Antwort auf diesen plötzlichen Helligkeitsanstieg. Zumindest niemand, der als Mensch auf Erden geboren war.

Das helle Licht am Himmel hatte viele Theorien um sich geschaffen, es hatte einen Vater zu seinem Sohn geführt, aber was mit Freude und Neugier angenommen wurde, was das Interesse und die Hoffnung zahlloser weckte, stellte in Wahrheit eine furchtbare Drohung dar. Es war nicht das erste Mal, dass ein Stern auf diese Weise leuchtete und diejenigen, die das Leuchten am Himmel wirklich deuten konnten, hatten einen Namen für diesen Schein gefunden. Es drang aus dem kleinen Kreis der Wissenden nichts nach draußen, aber unter der Hand nannten sie die funkelnden Sterne Doomsday Sparklers. Leuchttürme über der Welt, die den unabwendbaren Sturz des Himmels verkündeten, die dem Untergang der Ordnung den Weg wiesen.

Mit diesem letzen Stern erreichte der letzte Teil der Botschaft die kleine Welt namens Erde.



Der dichte Dschungel war auch des Nachts voller Leben. Affen, Vögel und Tagfalter hatten die Bühne für die Raubkatzen und nächtlichen Wesen geräumt. Das unablässige Zischen, Sirren und Zirpen der Insekten in mitten der Bäume, das Rauschen des Windes, die grellen unhörbaren Rufe der Fledermäuse, all dies zeugte von der ungebrochnen Kraft der Natur und dem Wunder der Existenz.

Doch diese Nacht veränderte etwas die seit Jahrtausenden gegebene Ordnung des Dschungels. Gewiss, es war eine raue Welt in der nur die Stärksten überlebten, aber ihr wohnte Harmonie und Perfektion inne, an der nun im Schein des neuen hell brennenden Sterns Frevel geschah.

Zuerst war das Knacken leise und ging unter im Lärm der Nachttiere, aber dann schwoll es unaufhaltbar an bis es die Stimme der lebendigen Natur in den Schatten stellte. Unter den hohen Riesen des Urwald begann der Boden zu beben. Meterdicke Lehmschichten aus uraltem Grund begannen sich zu wölben, zu brechen und in sich zusammenzufallen. Donnernd barsten die Felsen und das grüne Tuch der Pflanzendecke riss. Zuerst nur langsam, dann immer schneller und in immer größeren Bahnen.

Der helle Stern strahlte, als der Boden in einem riesigen Krater kollabierte, Tiere und Pflanzen mit sich in die Tiefe riss und die Klagelaute der Vögel zum Himmel stiegen. Dann war es vollkommen ruhig. Kein einziger Laut mehr erfüllte die Luft, nicht einmal der Wind wehte mehr in der dunklen Nacht als das Grauen wiedergeboren wurde.

Eine Lichtsäule, tausendmal greller als die Scheibe des vollen Mondes, brach aus der geborstenen Erde hervor, der gewaltige Strahl schoss zum Himmel empor, eine leuchtende Flut erhob sich aus dem Herzen der Welt und gab ihr schreckliches Geheimnis preis.

Die Botschaft des Sterns wurde beantwortet.



~xXx~



AN BORD DER MIDGARD 09.12 UHR



Scully erwachte nach einigen Stunden traumlosen Schlafs. Es war später Morgen und das blaue klare Licht der Wasserwelt strahlte in ihr Quartier. Ein Anblick voller Harmonie und Frieden, doch als sie ihre Gedanken klärte, stiegen die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder in ihr Bewusstsein empor. Sie sah nach ihrem Sohn, dessen kleines Gesicht die innere Ruhe widerspiegelte, die sie sich selbst verzweifelt wünschte. William war ein ruhiges Kind. Er weinte nicht und schrie nicht, so als habe er die Tragweite des Geschehenen instinktiv begriffen, oder das Wunder seiner Existenz überhaupt. Sie streifte eine dunkle Strähne aus Williams Stirn, eine Locke die ihm ins Gesicht fiel und sie daran erinnerte, wer Williams Vater war.

Sie verspürte das starke Bedürfnis Mulder zu sehen. An die Verbindungstür klopfend fragte sie leise:

„Bist du wach?“

„Komm rein Scully,“ kam prompt seine Antwort. Das Schott öffnete sich mit einem leisen Zischen. Der Bordcomputer konnte offenbar auch Befehle, die nicht direkt an ihn gerichtet waren, richtig interpretieren.

Mulder saß vor seinem Computer. Konzentration spiegelte sich in seinen Blicken.

„Hey, ich dachte schon du würdest gar nicht mehr aufwachen“ fragte er sanft, Blicke, die er nur für sie vorbehielt.

„Ich wusste auch nicht, das du schon wach bist Mulder,“ konterte sie und musterte ihn. Er sah ausgeschlafen aus es zeugte nichts mehr von den Erlebnissen der letzen Nacht, aber sie wusste doch, dass er das gesehene in seinem Gedächtnis behalten würde. Sie trat zu ihm. Er roch gut, sein unverwechselbarer Muldergeruch.

„Schon seit etwa zwei Stunden. Was siehst du mich so komisch an Scully?“ fragte er.

„Gefallen Dir meine Sachen?“ Er trug ein leuchtend grünes Seidenhemd, das seinen muskulösen Oberkörper betonte und eine dunkle Hose.

„Du siehst umwerfend aus“ erwiderte sie ehrlich. Mulder grinste das charmante Lächeln das er für ihre Anwesenheit aufbewahrte, bevor Scully weiterredete.

„Du hast deinen Computer also schon gefunden?“

„Glaubst du ich würde mir so eine Chance entgehen lassen. Du kennst mich doch, ich kann meine Nase einfach nicht aus den Sachen anderer Leute nehmen,“ scherzte er. Dafür erntete er einen Knuff von Scully.

„Liegt vielleicht daran, das sie so groß ist...“

„Willst du mich nicht fragen, was ich rausgefunden habe? Immerhin arbeite ich schon zwei Stunden, während Du noch geschlafen hast.“ Er setzte sein bestes *Bedauere-Mich* Gesicht auf und versuchte beleidigt zu klingen, was ihm mehr schlecht als recht gelang.

„Das nehme ich die nicht ab, deine Haare sind noch nass. Du willst doch nur Mitleid, was? Ich habe mich heute schon um Will gekümmert. In dieser Hinsicht ist er genauso unverschämt wie sein Vater, wenn es darum mich vom schlafen abzuhalten. Ich schätze er würde ihn gerne mal sehen.“ erwiderte Scully und ging nicht auf seine Mitleidsnummer ein.

„Wieso, er könnte möglicherweise von mir lernen, wie man dich noch besser ärgert,“ gab Mulder zurück

„Ich kenne dich und deine Tricks, jetzt acht Jahre Mulder, versuch es nicht,“ warnte sie ihn.

„Hab ich schon,“ antwortete er frech.

„Wieso?“ fragte Scully, nun endgültig gereizt.

„Du bist schon wieder sauer, so liebe ich dich ganz besonders,“ erwiderte er grinsend, und stoppte ihren Einwand mit einem Kuss.

„Okay, ich gebe mich geschlagen,“ schnaufte sie. Obwohl sie ihm einen strafenden Blick zuwarf, genoss diese Spielchen - sie genoss sie sogar sehr.

„Was hast du rausgefunden?“

„Oh, oh da hast du Fox Mulder kalt erwischt, einhundert Punkte für den Kandidaten Dana Scully. Ich hab einen Grossteil von dem was hier steht, nicht verstanden,“ gab er verschmitzt grinsend zu.

Ich hatte mit den technischen Daten begonnen, aber ich fürchte, das ich in der Schule im Physikunterricht nicht genug aufgepasst habe. Kannst du versuchen es mir zu erklären? Bitte...“

Sein Hundeblick begann zu wirken. Scully gab ihm einen Klaps auf die Schulter und sagte schließlich:

„Unter der Bedingung es bei mir zu klären. Ich möchte Will nicht so lange alleine lassen.“

Sie betraten Scullys Quartier und er ging zu William und küsste ihn sanft auf die Wange, um seinen Sohn nicht zu wecken. Der kleine öffnete die Augen und grabschte nach seinem Vater.

„Hey, dein Daddy ist da,“ flüsterte er zärtlich. Wenn er darüber nach dachte, hätte er nie gedacht jemals Vater zu sein. Aber die Dinger entwickelten sich selten so wie er es sich vorstellte.

Noch seltener auch mal zum positiven.

William war ein solcher Glücksfall. Er hätte nie geglaubt das ihre Liebe füreinander das dunkle Schicksal, das sie zu begleiten schien, zu besiegen vermochte. Aber William war der Gegenbeweis, für Mulder ein Lichtblick in der Finsternis, die Scullys und sein Leben begleitete.



Seine Grübeleien wurden abrupt unterbrochen als es an der Zimmertür klopfte.

„Vielleicht ist das der Zimmerservice,“ feixte er und sah Scully an, in der Bemühung seine momentane Abwesenheit zu überspielen.

„Lord Sijar“ erklang die tiefe Stimme der Draco aus dem Flur ins Zimmer

Mulder ging zur Tür.

„Kommen Sie rein,“ antwortete er.

Das Schott öffnete sich und die junge Draco betrat in ihrer menschlichen Gestalt den Raum, wenngleich die bedrohlichen Aspekte ihres Selbst noch unmittelbar zu erkennen waren. Zwei große Hunde begleiten sie. Schäferhunde, einer tiefschwarz, der andere weiß.

„Ich hoffe, dass Sie gut geschlafen haben“ begann die Draco.

„Ich hatte Ihnen einen Rundgang durch die Midgard versprochen, wenn Sie soweit sind... Wenn Sie es wünschen, können Odin und Fenris derweil auf Ihren Sohn Acht geben.“ Die beiden Tiere sahen zu ihrer Herrin auf.

Es machte Scully misstrauisch. Sie kannte Mulders Sorglosigkeit, aber sie selbst stand der ganzen Aktion noch immer skeptisch gegenüber.

Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. William war aufgewacht und brabbelte aufgeregt. Darauf huschten Odin und Fenris zu seinem Kinderbettchen und wilferten leise.

Mulder grinste als er sagte:

„Ich kann die beiden verstehen, Scully.“

„Weil du dich an dich selbst erinnert fühlst, Mulder,“ konterte sie amüsiert und spürte wie ihr innerer Wiederstand schmolz. Dem dreifachen Hundeblick konnte sie sich nicht wiedersetzten. Verdammte Ironie ihres Lebens.

„Wenn es keine andere Möglichkeit gibt...“



Der Korridor, an dem ihre Quartiere lagen, führte direkt zu einem weitern großen Raum. Er lag an der höchsten Stelle der Midgard und war annähernd halbkreisförmig. Die gesamte vordere Hälfte wurde von einem riesigen Panoramafenster eingenommen. Vier Workstations lagen an der Wand verteilt. Zahlreiche Displays und Bildschirme vermittelten dem, der sie zu deuten vermochte wertvolle Informationen. Und endlich begegneten sie einer weitern Draco. Die andere erhob sich von ihrem Arbeitsplatz als Sijar in Begleitung von Mulder und Scully das Kommandozentrum betraten.

„Darf ich vorstellen, meine Gefährtin Lord Acris der Draco der Erde“ stellte Sijar Scully und Mulder die andere Draco vor.

Sie wirkte im Vergleich zu der großen ungleich kräftigern Sijar wie eine geborene Athletin, schlank und etwa so groß wie Mulder. Der sanfte, gütige Gesichtsausdruck stand im krassen Gegensatz zu ihrem strengen schlichten Erscheinungsbild. Auf den ersten Blick schien sie ein Gegenentwurf des Ozeandraco zu sein, aber dann entdeckte Mulder die klare Professionalität und Entschlossenheit in seinem Gegenüber. Lord Acris schien ihren Grimm und ihre kämpferische Lebenseinstellung bloß besser verbergen zu können als die Draco des Meeres.

„Acris, das sind Special Agent Dana Scully und Special Agent Fox Mulder“ fuhr Lord Sijar in einem geschäftsmäßigen Tonfall fort.

„Freut mich, Sie kennen zu lernen“ Die Stimme der anderen Draco war hell und wohlklingend. Sie trat zu der Gruppe herüber und reichte Scully und Mulder die Hand. Die Würde des Wissens umgab sie, etwas das von großer Klugheit und der Erhabenheit eines mächtigen Amtes sprach.

„Wir wissen eine Menge über Sie, aber bisher mussten wir es beim Beobachten belassen. Es freut mich, das wir endlich helfen können.

Ich war bis vor einer halben Stunde damit beschäftigt, Ihren Vorgesetzten Mr. Skinner hierher zu bekommen. Ob er auf meinen Köder angebissen hat, werden wir um zwei Uhr Mittags herausfinden. Ich gehe jedoch davon aus.“ Gewissheit sprach aus diesen Worten, die trotz der umgangssprachlichen Formulierung ernst und voller Stolz gesprochen waren.

„Wie darf ich *Köder* verstehen?“ Scully spürte wie Wut über die Geringschätzung in ihr keimte, die in dieser Wortwahl zum Ausdruck gekommen war.

„Glauben Sie, dass der Mann, der ihr Vorgesetzter ist, freiwillig hierher kommen würde? Bloß auf eine höfliche Bitte?“

Lord Acris warf Scully einen entschuldigenden Blick zu.

„Das Problem kennen wir doch aus eigener Erfahrung, Scully“, versuchte Mulder die Spannung zu mildern nicht ohne seine Partnerin mit einem wissenden Blick zu bedenken. In einer Atmosphäre des Misstrauens und der Desinformation würden sie nicht zusammenarbeiten können und falls es eine Gemeinsamkeit zwischen den Dracos und ihnen beiden zu geben schien, dann wohl am ehesten in vorsichtigem Misstrauen.

„Deswegen haben Mr. Skinner und Agent Doggett heute Morgen einen Brief von uns erhalten, dessen Inhalt sie so neugierig machen wird, das sie heute um 14.00 Uhr hier erscheinen werden,“ grinste Acris schwach.

„Für gewöhnlich ist es nicht der Stil der Dracos, sich zu verstecken und versteckte Hinweise zu geben, aber da besondere Situationen, auch besondere Strategien erfordern...“ fügte Sijar hinzu.

„Und ehe wir hier herumstehen und über irgendetwas reden, halte ich es für angebracht das ich endlich Frühstück bekomme, Sijar“ beschwerte sich Acris bei ihr.

„Vielleicht sollte ich öfter das tun was mir meine Freunde raten,“ raunte Sijar Scully amüsiert zu.

„Ich denke Sie haben Appetit auf Frühstück?“



Zusammen mit den beiden Dracos begaben sich Mulder und Scully zum Gesellschaftsraum der Midgard.

Je mehr Mulder über die Dracos erfuhr, desto geringer wurden seine geheimen Zweifel. Das Verhältnis der Dracos untereinander war von Kameradschaft geprägt, sie verhielten sich zuvorkommend und ganz anders als das Wesen, das ihm gestern Nacht das Leben gerettet hatte. Der kalte brutale Killerblick war aus Lord Sijars Zügen gewichen und die Dracos behandelten Scully und ihn selbst wie alte Bekannte. Es führte dazu, dass er in seinen Profiler Modus zurückfiel und sich daran machte, Informationen über die Persönlichkeiten der beiden Dracos zu gewinnen.

Ihre Gastgeber führen sie durch einige Korridore bis sie einen gemütlich eingerichteten Raum betraten, der in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich an Bord eines Kriegsschiffs befanden, durch seine liebevoll gestaltete Einrichtung pervers wirkte. Mulder wäre beinahe über eine kleine schwarze Katze gestolpert, die vor der Tür lag.

„Vektor, was machst du hier?“ brummte Sijar, das Tier an „Du weißt, dass du hier nichts zu suchen hast.“ Das Tierchen maunzte empört und huschte zur Tür heraus. Mulder starrte der Katze Sekunden lang nach. Er hätte mit kleinen silbernen Robotern oder insektoiden Wesen gerechnet, aber nicht mit einer kleinen schwarzen Katze.

Der Raum schien in den hinteren Bereichen des Schiffes zu liegen, auch hier bestand ein großer Teil der Wände aus dem durchsichtigen Material. Mehrere bequem wirkende Sitzecken standen an den Wänden des Zimmers, gewährten Blick auf das Unterwasserpanorama, im Zentrum des Saals stand ein großer runder Holztisch, der mindestens zwanzig Personen Platz bot. Großformatige Bilder von raubtierartigen Ungeheuern schmückten die Wände, die durchaus als Ahnengalerie der Dracos hätten gelten dürfen.

„Nette Beißerchen,“ kommentierte Mulder die Dolchzähne eines auf Papier gebannten geflügelten Tigers, der in ein Echsenwesen verbissen gezeichnet war.

Lord Acris lachte.

„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Zahnseide Sie dafür brauchen.“



Zum Glück für die beiden Menschen stellte sich heraus, dass auch die Dracos mehr oder weniger herkömmliche - irdische - Lebensmittel zu sich nahmen, bis Mulder erschrocken feststellte, dass Sijar mit sichtlichem Genuss ein großes Stück rohen Fleisches verspeiste.

Als sie begann sich mit ihrer Kollegin zu unterhalten, spürte er, wie sich seine Laune abrupt verschlechterte. Mit halben Ohr verfolgte er die Unterhaltung seiner seltsamen Retter über Acris Vorgehen hinsichtlich Skinner.

„Entschuldigen Sie,“ unterbrach Mulder die angeregte Unterhaltung. Er fühlte sich ausgeschlossen, nicht unbedingt gewohnt so unbeachtet zu bleiben. Trotzdem kam er sich wie ein kleiner Junge vor, der das Gespräch seiner Eltern störte. Beide Dracos wandten sich ihm zu und er sah in ein blaues und ein graues Augenpaar das ihn verwirrt musterte.

„Ich bin hier, habe bis jetzt das getan was Sie von mir verlangt haben, aber ich denke, langsam wird es Zeit für ein paar *richtige* Antworten,“ forderte er und machte damit unmissverständlich klar, das er jetzt die komplette Wahrheit erfahren wollte. Es reichte jetzt entgültig. Dieses kleine Spielchen musste auf der Stelle aufhören.

„Ich glaube ich muss mich entschuldigen. Ich vernachlässige meine Gäste. Was wollen Sie von mir erfahren?“ antwortete Acris gutmütig und genau dieser Tonfall reichte, um Mulders Wut noch zu steigern.

„Zum Beispiel, wer Scuwa und Fijur sind,“ fragte er schärfer als beabsichtigt war und Scully schubste ihn als Aufforderung sich zu mäßigen.

Lord Sijar nahm die Frage zum Anlass einen kleinen Vortrag zu beginnen.

„Ich habe Ihnen doch davon erzählt, dass es genau vier Dracos gibt. Zwei kennen sie nun, Acris und mich selbst.

Wobei ich den Titel Lord Sijar trage, was frei übersetzt soviel wie Ozeanwächter bedeutet. Acris ist wie ich Ihnen bereits vorstellte, Lord Acris, was Erdwächter heißt. Die anderen beiden sind konsequenter Weise der Feuerdraco und der Winddraco.

Auf die Feuerdraco warten wir zu Zeit noch. Sie ist noch in Washington unterwegs.

Die Winddraco wird noch eine Weile auf der anderen Seite des Globus beschäftigt sein.

Wo ich nun schon einmal dabei bin, ist jetzt auch der geeignete Zeitpunkt gekommen um über die Gesamtmission zu berichten, für die wir um Ihre Hilfe baten.“

„Ich bitte darum,“ warf Scully ein. Vielleicht würde dieses gemeinsame Frühstück einige ihrer Fragen klären. Sie verstand Mulders Ungeduld und obwohl sie unangemessen erschien, teilte sie die Empfindung.

„Ich werde versuchen mich kurz zu fassen, obwohl es schwierig ist, den gesamten Zusammenhang zu erklären, wenn man die Hintergründe nicht kennt,“ begann sie mit gerunzelter Stirn.

„Wie Sie wissen, gibt es Fremde, deren Ziel es ist, die Erde zurückzuerobern. Ihren Namen kennen wir nicht und auch niemand den wir kennen. Niemand hat von IHNEN je eine Antwort erhalten. Sie sind älter als die Menschheit und waren vor etwa Vierzigtausend Jahren schon einmal hier, auf der Suche nach neuem Lebensraum und Wissen über den Kosmos.“ Mulder warf Scully einen Blick zu, der soviel wie *Habe ich es nicht gesagt* bedeutete.

„Sie führten Experimente mit den ersten Menschen durch, weil sie Forscher und Reisende waren. Ihre Pläne waren friedlich. Aber dann kam es zu einer Katastrophe. Etwas, was zu beschreiben zu unfassbar und grässlich, das der Feind meines eigenen Lehrmeisters ist, DER dessen Name kein sterbliches Wesen gerne ausspricht, veränderte SIE. Es beraubte einer Mehrzahl der Mitglieder ihres Volkes den eigenen Willen und machte sie zu Sklaven, die dem Gutdünken ihres Herren unterworfen waren. Sie verließen die Erde, einige blieben in ausgewählten Schiffen zurück, gelagert im Tiefschlaf unter dem ewigen Eis des Südpols und in den Dschungeln Südamerikas. Ein Virus, das Ihnen als der Schwarze Krebs bekannt sein dürfte, wurde unter der Erdoberfläche gelagert, um bei ihrer Rückkehr alle anderen jungen Spezies zu tilgen, doch ihre Schiffe, die den ersten Menschen Zivilisation und Kultur brachten wurden vergessen. Bis vor etwa sechzig Jahren. Nun sendet sie IHR Herr aus, mit dem Befehl zurückzukehren, dem Auftrag die Menschen zu unterwerfen und sie zu seinen Dienern zu machen, so wie SIE selbst SEINE Schergen sind.“

Scully holte Luft, Mulder saß mit versteinerter Miene da. Was die Draco ihm gerade berichtete, fügte den, ihm bekannten und lange vermuteten Tatsachen, einige weitere hässliche Details hinzu, aber es änderte nichts an ihrer derzeitigen Situation. Mulder brauchte nicht mehr zu hören. Er ergriff das Wort:

„Und mit genau diesen Fremden verhandelt seit Jahren eine kleine Gruppe Leute, Militärs und Lobbyisten aus den wichtigsten Industriestaaten der Welt, in der Hoffnung, sie könnten den Zeitpunkt der Kolonialisierung herauszögern und ein Gegenmittel gegen das Virus finden. Sie hielten ihre Sache geheim um den Zorn der Bevölkerungen nicht auf sich zu ziehen, darüber das sie Menschen entführten und DENEN so ihre Experimente ermöglichten. Sie wollten verhindern, das es so etwas wie eine Massenpanik und Anarchie ausbrechen würde, wenn die ganze Wahrheit ans Licht kommen würde.“

„Soweit zu der Wahrheit,“ brummte Sijar und meinte dann

„Ihre Motive waren einerseits.... sehr konsequent, andererseits gab es wieder Gruppen innerhalb der Gruppen, die trotz des drohenden Chaos nur nach ihrem eigenen Vorteil strebten. Aber was für diese Menschen neu ist, was sie nicht wussten und es auch nie wissen werden, bis es zu spät ist, ist dass auch DIE nur Sklaven sind, die neue Sklaven schaffen sollen. Sie glauben immer noch mit den Herren des Schreckens zu verhandeln, aber Tatsache ist, dass der Plan schon feststeht und es nichts zu verhandeln gibt.“ Sie deutete mit ihrem Löffel auf Scully und Mulder.

„Mulder, Scully ich denke Sie beide kennen einige Personen aus dieser Schattenregierung. Conrad Strughold war einer, Ihr Vater selbst war einer von ihnen, Mulder und ihre Schwester eines Ihrer Opfer.“

„Woher wissen Sie das alles?“ fragte Mulder misstrauisch.

„Sie kennen Details der Geschichte aus der Vergangenheit und sind bestens über die Gegenwart informiert.“ „Woher wir das wissen?...“ Sijar lächelte sanft, für einen Augenblick wich der Eindruck einem Menschen gegenüber zu sitzen und offenbarte etwas von der Übernatürlichkeit der Dracos..

„Wir haben Freunde, Freunde, die diese Dinge in Erfahrung brachten, lange bevor der älteste von uns geboren wurde. Unsere Gefährten sind überall auf der Welt und sie sammeln getreulich Nachrichten für uns. Tag für Tag. Sie müssen darauf achten wer die Erde mit Ihnen teilt.“ Scully schluckte.

„Wer?“

„Die, die Ihnen selbstverständlich erscheinen, als untergeordnete Wesen, nicht annähernd so klug und mächtig wie die, die sich selbst Homo sapiens nannten. Viele Tiergenerationen haben dieses Wissen zusammengetragen und teilen es mit uns, ihren Verbündeten. Und schließlich ist derjenige, der unser Führer und Meister ist, selber Zeuge des Beschriebenen gewesen.

Die Draco schwieg, bemühte sich die neuen Fakten verständlich zu machen, während das Ausmaß der Geschichte Scullys Zweifel nährte.

„Wollen Sie damit andeuten, das dieser Plan älter ist als die Menschheit, dass wer immer ihr Vorgesetzter ist, dessen Namen Sie sich uns zu nennen weigern mehr als Vierzigtausend Jahre alt ist?“ Scully schüttelte den Kopf. Hier irgendwo endete das Denkbare und wich der Unmöglichkeit. Ihre Frage wurde nicht vollständig beantwortet.

„Die Lordmaster sind älter, noch sehr viel älter. Lassen Sie diese Fragen ruhen.“ Lord Acris schüttelte den Kopf.

„Wir wandeln mit diesem Wissen auf einem schmalen Grat, der zwischen dem Wissen das nützlich ist und dem Wissen das allen irreparablen Schaden zufügen würde.“

Die Wortgefechte, die sie in den letzten acht Jahren mit Mulder geführt hatte, ob paranormale Phänomene existierten, erschienen ihr auf einmal unendlich Sinnlos, als sie sich der Tragweite der Bedrohung bewusst wurde und sich ihren unbedeutenden Platz im Lauf der Dinge klarmachte. Als sie zu verstehen versuchte, wer die Verantwortlichen für das waren, das sie für Schicksal gehalten hatte.

„Alles was die Natur nicht verbietet, geschieht irgendwann einmal, vergessen Sie das nicht“ fuhr Acris leise fort.

„Und die Natur ist extremen Möglichkeiten offener als viele annehmen. Es gibt immer größere Wahrheiten, das ist genau der Punkt wo ich ansetzte. Versuchen Sie es einfach einmal als Tatsache zu akzeptieren, auch wenn es schwer fällt.“ Als Scully in die Augen der stolzen Draco sah, spürte sie einen kalten Schauder ihre Wirbelsäule entlang wandern, hervorgerufen von Ehrfurcht und der Gewissheit, dass es tatsächlich eine umfassendere Wahrheit gab, für die die Menschen noch nicht bereit sein mochten. Sijar beendete das Schweigen.

„Zu unserer Aufgabe. Sie haben bereits sicherlich festgestellt, das die Midgard über einen, jeder irdischen Technik überlegenen Entwicklungstand verfügt. Das wir Dracos sowohl Menschen als auch den Invasoren in körperlicher Hinsicht weit überlegen sind. Aber das Problem ist, das auch wir selbst ein Geheimnis sind und uns nicht zu vielen Menschen offenbaren dürfen. Außerdem sind wir zu wenige sind, um die ganze Welt zu verteidigen, wenn IHRE Flotten erst einmal da sind. Hier kommen Sie ins Spiel.

Die erste Aktion wäre, das zu beenden, was diversen irdische Regierungen schon seit mindestens fünfzig Jahren versuchen, nämlich ein Gegenmittel gegen IHR Virus zu finden. Besser gesagt, das Gegenmittel existiert bereits, aber wir brauchen Ihre Erlaubnis um es zu erhalten.“ Scully hob neugierig die Augenbrauen. Eine weitere entscheidende Neuigkeit.

„Ihr Sohn ist gegen das Virus immun. Bis jetzt ist er der einzige Mensch auf der Welt, der diese Gabe besitzt. Er hat es seinen Eltern zu verdanken. Sie, Scully sind bereits zweimal IHR Oper gewesen, SIE haben ihre Experimente an Ihnen durchgeführt, bei der zweiten Entführung hat Mulder Sie mit einem vorläufigen Impfschutz gerettet, sodass Sie einige Abwehrkörper in ihrem Körper tragen.

Mulder aber, ist der Sohn eines Mannes, der schon seit langer Zeit mit IHNEN zusammenarbeitet, der ständige Kontakt mit IHNEN gewährte ihm mit der Zeit eine gewisse, zeitlich begrenzte Abhärtung gegen die Fremde DNA. Diese Abhärtung nun übertrug sich auf Sie Mulder, sonst hätten Sie IHRE Experimente, vor einiger Zeit nicht überlebt. Aber was Sie beide für sich nicht vollständig schützen könnte, wurde zu einem festen Bestandteil der DNS Ihres Sohnes William.

Wenn es möglich wäre die Menschen mit diesen Anti-Genen in Kontakt zu bringen, könnte dies IHRE Pläne zum Scheitern verurteilen.

Deswegen bitten wir Sie um eine Blutprobe von William. Die Anti-Gene müssten sich finden, heraustrennen und vervielfältigen lassen. Wir könnten so eine Waffe gegen SIE finden.“ Scully sah die Verwirrung und den Unglauben in Mulders Blicken und sie war sich in dem Augenblick sicher, dass ihr Gesicht, die selben Empfindungen wiederspiegelte.

Die Bitte war lächerlich gering, für die Entwicklung eines Heilmittels gegen die Alien-Pest, wenn es denn wahr war, was ihnen die Dracos erzählten.

„Unter einer Bedingung, ich will ihm das Blut selbst entnehmen,“ stimmte Scully der Bitte zu. Sie konnten es zumindest versuchen.

„Ich denke, das dies das kleinste Problem sein wird. Wenn Sie es wünschen, sind Sie eingeladen und bei den Arbeiten behilflich zu sein.“ Die Erdraco fuhr fort:

„Wenn wir das Anti-Gen identifiziert haben, können wir mit der wirklichen Arbeit beginnen. Unser erstes Ziel sollte es sein, einen Impfschutz zu entwickeln, der sich problemlos in der Bevölkerung verteilen lässt. Damit wäre die Weltbevölkerung gegen einen biologischen Angriff gewappnet. Der Vorteil der Aktion ist, das es unbemerkt geschehen könnte.“

„Sie wollen verhindern, dass Die Menschen von den Fremden erfahren?“ fragte Mulder entgeistert.

„Für alles gibt es eine Zeit. Die Zeit für die Wahrheit ist noch nicht gekommen. Es würde die Welt ins Chaos stürzen, noch bevor wir den ersten Schritt zuende bringen könnten.“ Mulder schluckte einen bösen Kommentar herunter, als er fühlte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete. Schon wieder leugnen.

„Ein weitaus größeres Problem dürfte der Aufbau einer aktiven Verteidigung gegen SIE werden, da die Allgemeinheit dann zu einem Gewissen Grad informiert werden müsste. Was jedoch riskant ist, weil man die Reaktion der Völker und des Politischen Systems nur unzureichend einschätzen kann...“

„Sagen Sie mir, warum Sie sich überhaupt die Mühe machen,“ unterbrach Mulder die Worte seines Gegenüber. Seine Stimme war dumpf und es ärgerte ihn, dass über seinen Kopf hinweg entschieden wurde. Er fühlte sich geringgeschätzt und nicht gewürdigt. Acht Jahre seines Lebens und zahllose persönliche Opfer hatte er auf dem Altar seiner Überzeugung dargeboten, um nun in die Ecke gedrängt zu werden.

„Sie könnten einfach hier verschwinden... Was weiß ich wohin, aber Sie bleiben hier und stellen sich für die Menschen dieser Bedrohung. Warum?“ fragte er weiter, und fasste sein Gegenüber scharf ins Auge. Die Enthüllungen der Dracos machten die momentane Situation plausibler, aber sie warfen auch neue Fragen auf.

„Alle sind zuerst um ihre eigene Sicherheit besorgt, warum helfen sie uns überhaupt?“ Sijar schüttelte leicht den Kopf.

„Wir sind Dracos. Mehr gibt es eigentlich nicht dazu zu sagen, aber ich will trotzdem versuchen es noch etwas deutlicher zu machen.

Die Ursachen für den drohenden Krieg sind so alt wie der Kosmos. So lange die Sterne leuchten werden diese Kriege und Schlachten ausgefochten werden. Die Konsequenz aus dem Leben und dem Sterben, die Konsequenz aus der Existenz der Welt. Auf beiden Seiten hat das Schicksal Krieger eingesetzt, die Fähigkeiten besitzen, die über die Macht des Lebens hinausgehen und deren einziger Lebenszweck ist, dort wo das Gleichgewicht aus Licht und Schatten, Leben und Sterben ins schwanken gerät und der Himmel zu brechen droht, ein Gewicht in die Wagschale zu werfen und es wiederherzustellen.

Die Frage nach unserer Existenz und unserer Aufgabe wird damit so sinnlos wie die Frage nach dem *Sein* selbst.“
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