World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

And the Other

von Karen

1/1

* * *

In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien:

Die eine ist es, nicht zu bekommen, was man möchte,

die andere, es doch zu bekommen.

Oscar Wilde („Lady Windermere’s Fan“)

* * *

Sie war seit Stunden wach und lauschte dem Ticken der Uhr. Den Bussen, die die Straße entlang fuhren. Der ein oder anderen zuschlagenden Autotür. Sie konnte sogar das Baby der Nachbarn mitten in der Nacht schreien hören.

Er andererseits...

Er schlief tief und fest. Vor zwei Stunden hatte er sich auf die Seite gedreht. Jetzt rollte er sich auf den Bauch, legte die Arme um ein Kissen und seufzte sanft. Er war niemand, der schnarchte. Er atmete tief. Seine Nase zuckte auf eine niedliche Art und Weise, wenn er schlief.

Sie rutschte näher an seinen warmen Körper und beobachtete ihn eingehender. Im Schlaf sah er zehn Jahre jünger aus. Sein Gesicht strahlte dann eine Sanftheit aus, die er im wachen Zustand immer durch sein ewiges Stirnrunzeln verbergen konnte.

Seine Nase zuckte wieder. Sie lächelte in sich hinein.

Er war der einzige Mann, der immer über Nacht blieb.

Er war der einzige Mann, der ihr beim Abwasch half.

Er war der einzige Mann, der niemals ihre unpraktischen Angewohnheiten und Eigenheiten kritisierte.

Er war der einzige Mann, der immer Wert darauf legte, ihr in die Augen zu sehen.

Er war liebevoll, umsichtig, sorgsam.

Er war gut zu ihr. Er war sensibel.

Sie berührte sein Gesicht mit ihrer Hand und fuhr mit der Spitze ihres Zeigefingers sanft seine markanten Züge nach.

Instinktiv neigte er sich näher zu ihrer Berührung. Sie biss sich auf die Lippen.

Er war wesentlich älter als sie.

Sie schloss die Augen.

Er war ein verheirateter Mann.

Natürlich hatte sie das schon vorher erkannt, aber jetzt gerade, so früh am Morgen… Sie konnte nicht anders, als darüber nachzudenken. Was würde er tun, wenn er aufwachte? Was sollte sie sagen? Wo sollte er sie vorfinden? Neben ihm? Draußen, in der Küche? Sollte sie vorgeben, noch zu schlafen? Sollte sie die Möglichkeit – den Vorteil, zuerst aufgewacht zu sein – wahrnehmen und ihn auf höfliche Art und Weise hinauswerfen?

Bei diesem Gedanken musste sie unweigerlich lächeln. Unmöglich. Keine Chance. Er war der Typ, bei dem man nicht einmal daran denken würde, ihn hinauszuwerfen. Niemals. Einfach einer dieser Leute. Selten. Wunderschön. Attraktiv. Eindringlich. Unglaublich.

Unfassbar komplex. Schmerzhaft widersprüchlich.

Sie rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Letzte Nacht hatte er die Musterung kommentiert. Lässig, sorgenfrei - als ob er das Recht hätte, irgend etwas über ihr Schlafzimmer zu sagen. Als ob dies seine Wohnung wäre. Die Muster. Und wie sie dabei halfen, dass das Licht nicht so stark reflektiert wurde von der...

An den Rest konnte sie sich nicht mehr erinnern. Sie war zu abgelenkt gewesen. Was zwischen ihnen passiert war, war einfach unglaublich. Unglaublich, wie tief und rauchig seine Stimme war, jedes Mal wenn er etwas in ihr Haar, gegen ihre Schläfe flüsterte...

Er hatte es zugelassen, obwohl ihm die schmerzvolle, ungewollte Vergangenheit, die sie miteinander geteilt hatten, vollkommen bewusst war. Geteilt hatten und noch immer teilten – und für immer teilen würden. Hatte er einfach nur die Kontrolle verloren?

Sie drehte ihren Kopf zur Seite und sah ihn durchdringend an. Er schluckte. Sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab. Er räusperte sich und seufzte. Sein Atem fühlte sich warm an auf ihrer Haut. Adamsapfel. Der Niedergang des Mannes. Verursacht von einer Frau. Einer Verführerin.

Sie weigerte sich, das zu glauben. Sie waren beide dafür verantwortlich. Oder?

„Monica...“

Ihre Augen weiteten sich in einem leichten Anflug von Panik, bevor sie vorsichtig zu ihm hinüber schielte. Seine Augen waren geschlossen. Hatte sie das wirklich gerade gehört?

Er drehte sich zu ihr. Die Bettdecke raschelte und drapierte sich in einem einzigen Durcheinander aus Wellen und Falten um seine Beine, so dass der Großteil seines Oberköpers unbedeckt blieb... Er fröstelte leicht und rollte sich in einer fötusartigen Stellung zusammen.

Er hatte einmal erwähnt, dass er in letzter Zeit nur wenig Schlaf fand; dass es immer schwieriger für ihn wurde, ein- oder die Nacht durchzuschlafen. Und jetzt lag er hier. Wie ein Bär während des Winterschlafs.

Gezwungenermaßen sah sie über ihre Schulter. Fast 9:30 Uhr morgens. Es war Samstag. Er musste also nicht gehen, bis er auch wirklich gehen wollte. Sie starrte die Uhr auf ihrem Nachtkästchen an. Sie sah zu, wie die Sekunden verstrichen, wie die Zeiger an der Uhr immer weiter rückten. Sie konnte fühlen, wie ihr Nacken langsam steif wurde. Sie fragte sich, wie lange sie es so verdreht – ihr Körper war ihm zugewandt, der Blick über ihre Schulter gerichtet – aushalten konnte. Und alles nur, weil sie auf einmal Angst bekam.

Vor ihm. Vor sich selbst. Vor ihnen.

Sie drehte sich leicht und schob die Ecke der Bettdecke von ihrem Kinn weg. Ein paar Sekunden später schob sie sie wieder bei Seite.

Sie nahm den Blick von der Uhr und wandte den Kopf.

Seine Augen schienen von noch hübscherem Blau zu sein als gestern Nacht.

„Hey.“

Er bedachte ihre unkonventionelle Begrüßung mit einem leichten Lächeln und berührte liebevoll ihr Kinn. Also war er die aufdringliche Bettdecke gewesen...

„Selber hey.“ Er blinzelte ein paar Mal, bevor er die Augenbrauen hob. „Wie lange bist du schon wach?“

Sie zuckte nervös mit den Schultern und schenkte ihm ein breites Grinsen. „Nicht lange.“

Er musterte sie misstrauisch. „Ich habe dich doch nicht geweckt, oder? Ich hoffe jedenfalls, ich habe nicht geschnarcht...“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht geschnarcht.“

Er nickte und zog unbewusst an seinem Ohrläppchen. „Geht... es dir gut?“

„Alles bestens.“

Er nickte abermals und wandte den Blick von ihr ab. Seine Augen wanderten über die Kleidungsstücke, die über den Teppich in ihrem Schlafzimmer verstreut waren. Peinlich berührt grinste er. Sie konnte förmlich sehen, wie seine Ohrspitzen vor lauter Verlegenheit rot wurden und entspannte sich ein bisschen. Zumindest war die Situation ihnen beiden irgendwie unangenehm...

„Geht es dir gut?“ Innerlich verfluchte sie sich selbst für diese Frage. Natürlich ging es ihm gut; er hatte seit Monaten nicht so seelenruhig geschlafen. In diesen Monaten hatte er wohl auch nicht...

Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen, und seine Augen glänzten belustigt. „Ich bin okay, mir geht es gut“, antwortete er, während er nickte.

Sehr gut. Es ging ihm gut.

Sie würde das nicht ansprechen. Sie biss sich auf die Unterlippe.

„Hör zu, Monica...“

Sie hatte das schon vorher mitgemacht. Zugegeben, sie hatte niemals bis zum Morgen danach warten müssen... aber nichtsdestotrotz war es so ziemlich dasselbe. Sie schüttelte heftig den Kopf und hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Es ist schon gut. Ich weiß. Irgendwie... weißt du“, sie zuckte mit den Schultern und blickte starr auf sein Schlüsselbein, als sie schnell weiterplapperte, „... auch. Also weiß ich es. Es ist okay, ich weiß.“

Ihr nervöses Murmeln traf auf völlige Stille. Verwirrt wartete sie auf den obligatorischen, erleichterten Seufzer und die „Du auch, hm?“-Antwort, die ihr nur allzu geläufig war. Sie sah auf. Er betrachtete sie mit zusammengepresstem Kiefer und zusammengezogenen Augenbrauen. Seine Schläfe pulsierte rhythmisch.

Sie zuckte die Schultern. „Uhm...“

„Monica...“

Sie hatte nicht bemerkt, dass ihre Lippen zitterten und sich Tränen in ihren Augen sammelten, bis er sich zu ihr beugte und sie ernst musterte.

„Nicht.“ Er schüttelte still seinen Kopf, stützte sich auf seinen Ellbogen und legte seine freie Hand an ihr Gesicht. Sie senkte den Kopf, aber er drehte seine Hand nach oben und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. „Es tut mir leid“, flüsterte er sanft, als er seinen Daumen leicht über ihre volle Unterlippe gleiten ließ. „Ich wollte nicht, dass du glaubst, ich würde...“

Sie zog sich etwas zurück und wandte ihren Blick ab. „Du solltest. Oder?“

Daraufhin ließ er sie los, legte sich wieder hin und starrte an die Decke. „Ja, sollte ich.“ Er räusperte sich und drehte seinen Kopf zur Seite. „Warum...?“ Seine Stimme war rau, ungleichmäßig. Genau wie der Boden unter ihnen. Es könnte weh tun, wenn man fiel...

„John...“

„Du erzählst mir andauernd...“, er brach ab und legte den Kopf auf seine muskulösen Arme. „Du erzählst mir andauernd, was ich fühle. Dass du... mich irgendwie... spüren kannst. Meine Gefühle...“

„Darum geht es nicht.“ Sie setzte sich gerade auf, trocknete ihre Augen mit der Bettdecke und zog ihre Knie an ihr Kinn. „Darum ging es noch nie.“

„Ich weiß. Aber...“

„Was ist mit ihr?“

„Was ist mit ihr“, spottete er in Nase rümpfend. Sie merkte, wie sich die spitzen Emotionen wie Messer in ihr Inneres bohrten. Sie schloss ihre Augen und wartete darauf, dass er fortfuhr.

„Du glaubst, dass sie jemals an mich denkt.“ Es war keine Frage. In seiner Stimme lagen Verachtung, Ärger, Verwirrung, Schmerz und Resignation. „Wie lange ist es her, Monica?“

Sie senkte den Kopf und atmete tief ein. Er wusste genau, wie lange es her war. Er zählte mit. Er blieb wachsam. Er wusste es besser als jeder andere.

„Wusstest du...“, er kickte die Bettdecke weg und erzählte in einem etwas sanfteren Ton weiter, „dass sie sich eine kleine Schwester für Luke wünschte? Sie hielt mir immer vor, dass ich nicht oft genug zu Hause war, damit das passieren konnte.“

Sie blickte zu ihm. Er lächelte in sich hinein. Fast sadistisch. „Tu das nicht...“

„Sie ist nicht mehr dieselbe Frau. Sie hasst mich“, er brach ab und schloss die Augen. „Und ich kann ihr das nicht verübeln.“

„John...“, sie berührte sanft – fast vorsichtig – sein Knie, um ihn nicht zu erschrecken. „Fang nicht damit an. Es ist nicht deine Schuld. Nicht alles, was passiert ist, geht auf deine Kappe, okay? Tu dir das nicht an.“

Er antwortete nicht. Er öffnete seine blauen Augen und inspizierte die Hand, die auf seinem Knie lag. „Ich muss mir das nicht selbst antun. Es ist allgegenwärtig. All diese Jahre... Ich sehe es in meinen Gedanken. Alles – erinnerst du dich?“

Natürlich erinnerte sie sich. Sie hatte noch nie zuvor in ihrem Leben so viel Blut gesehen. Sein Blut. Das Blut seiner Frau. Lukes Blut.

Die ohrenbetäubende Stille, als er sich der Szene genähert hatte. Die mörderische Stille, die das Herz zum Stillstand gebracht hatte, nachdem er den Körper seines Sohnes erreicht hatte und hinuntergesehen hatte.

Er weinte nicht.

Er blinzelte nicht.

Er konnte es nicht glauben. Er weigerte sich, zu glauben.

Das Eingeständnis, das alles wirklich gesehen zu haben, erstarb auf seinen Lippen – in der Sekunde, in der er es zum Ausdruck brachte.

Er weigerte sich, zu glauben. Das tut er noch immer.

„Manchmal“, seine tiefe, brummende Stimme unterbrach ihre Gedanken. „Manchmal wache ich auf und denke, ich suche immer noch nach ihm, weißt du? Als durchlebte ich diese drei Tage... Nur wartend. Mit dem sehnsüchtigen Wunsch, ihn zu finden, ihn aber gleichzeitig doch nicht mehr finden zu wollen.“ Er legte die Stirn in Falten und setzte sich abrupt hinter ihr auf. „Aber sie hängt in der Vergangenheit fest. Diese drei Tage, die wir nach ihm gesucht haben, sind für sie noch nicht vorbei.“

Seine Frau hatte ihn verlassen – noch bevor sie Lukes Leiche entdeckt hatten. Sie hatte das Warten nicht ertragen. Sie hatte die schleichende Hoffnungslosigkeit nicht ertragen. Sie hatte ihn verlassen, um das, was ihrer Überzeugung nach allein sein Fehler war, in Ordnung zu bringen. Sein Fehler. Nicht ihrer. Nicht ihrer beider. Seiner.

„Ich habe ihr versprochen, ihn zurückzubringen.” Das hatte er damals gesagt – vor langer Zeit. Seine Frau wartete immer noch darauf, dass er sein Versprechen erfüllte.

Die Waffe in seiner Hand war gezogen. Die Leute um sie herum hatten begonnen, sich zu zerstreuen – um sich so weit wie möglich von seiner Trauer und Verzweiflung entfernen zu können. Sie wollten nicht, dass das auch ihnen passierte. Sogar sie selbst hatte gehen wollen. Er hatte seine Schuhspitzen angestarrt und leise ihren Namen gerufen.

„Monica.“

Sie hatte sich, leicht erstaunt, zu ihm umgedreht. Drei Tage lang hatte er sich geweigert zu glauben, dass sie bei der Ermittlung, der Suche, in irgendeiner Weise von Nutzen sein könnte. ‚Mumbo-Jumbo’, so hatte er ihre Arbeit, ihre Theorien, genannt. ‚Wir haben keine Zeit für diesen Mist. Ich muss meinem Sohn helfen; indem du diesen Mist verzapfst, baust du Scheiße mit dem Leben von Menschen. Was gibt dir das Recht dazu? Ich muss meinen Sohn finden. Lebend. Ich muss ihn finden. Keinen Beweis für diesen Müll, für den du nach eigener Aussage Expertin bist.’

Er hatte seine Hand nach ihr ausgestreckt. „Lass es mich nicht tun...“

Seine Bemerkung, genauso wie seine Gestik, hatten sie anfangs verwirrt – bis sie auf das Blitzen von Metall aufmerksam geworden war. Wortlos hatte sie den Distanz zwischen ihnen überbrückt und seinen Unterarm mit ihrer Hand stabilisiert. Mit der anderen Hand hatte sie seine Waffe genommen.

„Sie sieht mich nicht einmal mehr an.“ Erneut riss seine Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite, um ihm zu signalisieren, dass sie ihm immer noch zuhörte. Er seufzte und blieb ein paar Augenblicke lang still. Sie setzte schon an, etwas zu sagen, bevor er einmal mehr zu sprechen begann.

„Du tust es aber.“

„Was tue ich?“ Sie reckte den Hals und starrte ihn an.

„Du siehst mich an.“ Seine Hand glitt ihren Rücken hinauf und blieb an ihrem Nacken liegen. Seine Finger massierten die verspannten Muskeln. „Du siehst mich noch immer an.“

Vor Jahren hatte es den Anschein gehabt, als bemerkte er ihre Anwesenheit gar nicht. Wie sie ihn beobachtetet hatte, als er sich hingekniet hatte und den leblosen Körper seines Sohnes in seine starken Arme genommen hatte.

Es schien ihm nichts ausgemacht zu haben, dass seine Kleidung vom Blut durchnässt wurde; dass seine Haut mit dem roten Lebenssaft seines eigen Fleisch und Blutes befleckt wurde.

Er hatte nicht geweint. Zumindest keine Tränen. Es war Blut gewesen. Er hatte Blut geweint. Still. Privat. Insgeheim.

Zwischen Vater und Sohn.

Blutsverwandtschaft... Wer wusste, als er beobachtete hatte, wie die Krankenschwester vor neun Jahren das Blut von Gesicht und Körper seines kleinen Sohnes wischte... Wer wusste es?

Dass er später selbst das Blut von dem selben Gesicht hatte wegwischen müssen...

Von seinem Gesicht. Dem Gesicht seiner Frau.

Dass er niemals ein guter Vater, ein guter Schwiegervater, ein guter Großvater sein würde...

Dass sein Sohn nicht dazu bestimmt war, wie sein Vater zu werden. Viel besser als sein Vater zu werden. Wie sein Vater am Leben zu sein.

Er war dazu fähig gewesen, seinen eigenen Sohn umzubringen. Ihn sterben zu lassen. Ihn zu verlassen.

Sie schüttelte ihren Kopf. Sie konnte all das fühlen – es kam von ihm. Sie konnte es immer. Allerdings war da noch mehr.

In dem Moment, mehr als jemals zuvor, als er mit ihr zusammen auf ihrem Bett saß... Da war klar noch mehr.

Er sah sie an. Er studierte ihr Profil. Sie blickte ihn unverwandt an.

„Was ist?“

Seine Hand hörte auf, ihren Nacken zu massieren. „Weißt du wirklich, was ich jetzt gerade empfinde?“

Sie nickte.

„Für dich?“

Sie wandte ihren Blick ab. War es das, was sie nicht erkennen konnte? Oder vielleicht wollte sie das gar nicht wissen, wollte das nicht fühlen...

„Monica...“

„Wir können nicht, John. Es ist falsch. Das ist es immer noch.“ Sie klang wie eine Schulpsychologin. Sie klang wie eine Mutter. Wie eine Großtante, die nie geheiratet hatte, deren Ideale rein und tugendhaft waren. Sie klang hoch und mächtig. Was war aus der selbstbewussten Uni-Absolventin, die eine vielversprechende Karriere vor sich gehabt hatte, geworden? Wo war sie?

Das Mädchen, das Rave-Parties geliebt hatte. Das Mädchen, das viele seltsame, aber spaßige Freunde gehabt hatte. Das Mädchen, das nur bei einem Fall von Kindesentführung hatte aushelfen wollen. Das Mädchen, das diesen Fall als eine Möglichkeit gesehen hatte, Gelerntes anzuwenden. Das Mädchen, das es nur gut gemeint hatte. Das Mädchen, das den Schmerz und Kummer eines sturen, liebenden Vaters und Ehemannes gespürt hatte. Das Mädchen, das denselben Schmerz noch immer spürte. Wo war sie?

Wo auch immer sie war, mitten in der Nacht ging war sie verschwunden.

Sie schüttelte leicht ihren Kopf und betrachtete ihre Arme. „Gott, das ist falsch...“

Er nickte einmal, bevor er seinen Arm um ihre Taille schlang und sie an seine Brust zog. „Vielleicht ist es das.“ Er beugte den Kopf und liebkoste die Stelle hinter ihrem Ohr. „Aber bist du es nicht leid?“

Zu kämpfen.

Schmerz zu empfinden.

Okay zu sein.

Niemanden zu brauchen.

Angst zu haben.

Etwas vorzutäuschen.

Zu leben.

Sie konnte die Tränen in ihren Augen fühlen. Er hielt sie fester und ließ seine Lippen über ihre nackte Schulter gleiten.

Es war es nicht wert, zu kämpfen.

Es tat nicht weh.

Es war nicht okay.

Sie brauchten einander.

Sie hatten keine Angst.

Sie täuschten nichts vor.

War das dasselbe Leben, dass sie seit gelebt hatten?

Sie flüsterte seinen Namen. Seine Hand legte sich auf ihren Mund. Sein Daumen teilte ihre Lippen. Sein Mund traf hungrig auf ihren.

Das war falsch. Das war es immer noch.

Sie schüttelte ihren Kopf. Das war falsch. Es wird immer falsch sein. Sie zog sich zurück; sie reagierte nicht mehr auf seine beharrlichen Berührungen. Ihr Körper suchte Zuflucht unter der Bettdecke.

Langsam zog er sich selbst zurück und sah sie an. Er war außer Atem; seine Brust hob und senkte sich schnell, sein Mund war halb geöffnet, als er sehnsuchtsvoll ihre Augen suchte. Nach ein paar Sekunden legte er sich neben sie und musterte aufmerksam die Decke.

Er war still. So still wie letzte Nacht, in der Sekunde, in der sie in einem Zustand zwischen Vernunft und Wahnsinn geschwebt hatten... Er war immer still, wenn bald etwas Wichtiges passieren würde. Wenn etwas irrsinnig Wichtiges passieren würde. Dachte er über sie nach, oder über sich selbst? Seine Frau? Seinen Sohn? Ihr Inneres – ihr Instinkt – sagte ihr, es sein zu lassen; sich wegzudrehen und sich zu bemühen, ihn zu vergessen – seinen Schmerz, seine Wunden, seine Stimme...

Aber es gibt Zeiten, da verlangt dein Inneres zu viel von dir.

Unverfroren ließ sie ihre Tränen über ihr Gesicht aufs Kissen fließen. Die kalten Rinnsale, die sie auf ihrem Gesicht zurückließen, wischte sie reflexartig weg, bevor sie sich auf die Seite drehte, so dass sie ihm nun ihren Rücken zuwandte. Den Hinweis sollte er verstehen – er war ein intelligenter, sensibler Mann. Er müsste wissen, wann er weggehen sollte. Verlassen sollte. Weitermachen sollte.

Das Bett wackelte leicht. Sie schloss ihre Augen. Er ging. Er war wieder bei klarem Verstand. Er bereute alles, was letzte Nacht passiert war. Er tat das Richtige.

Eine warme Hand auf ihrer Hüfte riss sie aus dem Abgrund ihrer Gedanken. Erschrocken schnappte sie nach Luft und hob ihren Kopf vom Kissen. Sein Gesicht ragte über ihr. Das ewige Stirnrunzeln war zurück gekehrt. Er ging nirgendwo hin. Zumindest noch nicht.

„Ich nicht...“, begann er langsam, ruhig. Seine andere Hand strich ihr das Haar aus den Augen und streichelte ihre hohe Stirn.

Sie starrte einfach nur zu ihm hinauf.

Konzentriert legte er die Stirn in Falten. Standhaft betrachtete er die Hand auf ihrer Hüfte und versuchte, seine Gedanken zum Ausdruck zu bringen. „Ich glaube nicht, dass das hier falsch ist, Monica. Ich will nicht, dass es falsch ist...“

Er wartete.

Auf eine Antwort.

Auf eine Ohrfeige.

Auf eine Träne.

Auf sie.

Sie starrte einfach nur zu ihm hinauf.

Er beugte sich hinunter, näher zu ihr, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

Stoß mich weg.

Sag mir, ich soll gehen, und ich gehe.

Sag mir noch einmal, dass das hier wirklich falsch ist. Sag mir, dass ich falsch liege. Ein letztes Mal. Bring dich dazu, es mir noch einmal zu sagen. Sag mir, dass ich falsch liege. Noch einmal. Stoß mich weg. Noch einmal. Das ist alles, was notwendig ist. Ein einziges Mal.

Und ich gehe. Ich werde gehen.

Sie öffnete leicht ihren Mund, aber keine Worte riskierten den Kontakt mit seinem durchdringendem Blick. Sie zwinkerte die letzten Reste ihrer Tränen weg und fühlte ihre Hand nach oben greifen. Sie berührte sein Gesicht. Er drehte sich ein kleines Stück und küsste ihre Handfläche, die Innenseite ihres Handgelenks. Seine Augen fixierten die ihren.

Seine eigenen Hände nahmen die Reise, die sie vorher begonnen hatten, wieder auf. Sie schloss ihre Augen und spürte, wie sie von eine Welle verworrener, widersprüchlicher Emotionen überrollt wurde.

Genau wie letzte Nacht. Nur, dass es dieses Mal viel deutlicher war. Genauer bestimmt. Dieses Mal wusste sie, worauf sie sich einließ. Woraus sie niemals mehr – sollte sie es irgendwann versuchen – aussteigen würde können.

Er hatte Gefühle für seine Frau. Für seinen Sohn. Für sich selbst. Für seine Familie. Für sie.

‚Übergepäck’ war ihm ein geläufiger Begriff.

Als ihre Augenlider aufflatterten, begrüßte sie einmal mehr sein Gesicht, das sie aufmerksam studierte. Das Blau – das perfekt-für-ein-Picknick-Himmelblau – seiner Augen verbarg den heftigen Sturm, das vernichtende Gewitter, das sich in ihm zusammenbraute.

Es war schon dabei, ihn zu zerstören. Und sie mit.

Das Mädchen, das jede Woche einen neuen Freund hatte, weil sie sich so schnell langweilte.

Das Mädchen, das jede Woche einen neuen Freund hatte, weil sie ‚zu seltsam, zu verquer oder zu abgedreht’ war, als dass sie länger hätten mit ihr zusammenbleiben können...

„Was denkst du gerade?“ Seine Stimme war rau, ungleichmäßig. Genau wie der Boden unter ihnen...

Es tut wirklich weh, wenn man fällt.

‚Das hier ist falsch. Es war schon von Beginn an falsch gewesen. Es wird immer falsch sein, egal, was ich für dich empfinde, egal, wie müde wir sind...’

Das Mädchen mit einem Abschluss in Religionswissenschaften. Das Mädchen mit den dunkeln Haaren und dem ungewöhnlichen, blassen Teint. Das Mädchen, das nie richtig dazu passte. Das schwarze Schaf. Die Verquere. Die Exzentrikerin.

Das Mädchen, das sich in einen zehn Jahre älteren, verheirateten Mann verliebt hatte... verliebte.

In einen Mann, der keinerlei klare Idee davon hatte, was er für sich selbst empfand – geschweige denn für sie. Einen Mann, der die Barrieren, die nach letzter Nacht noch gestanden hatten, mit einem Lächeln durchbrochen hatte.

Er hatte gelächelt. Sie angelächelt. Er konnte sich noch daran erinnern, wie man lächelte. Fast ein Wunder, dieses Lächeln.

Das Lächeln, das einen Weg ebnete, der früher nur Tränen und Stirnrunzeln der Selbstbeschuldigungen und Selbstverachtung zugelassen hatte. Für ihn war es ein hart verdientes Lächeln. Ein Lächeln, dessen Entstehung Jahre lang gedauert hatte. Ein Lächeln, das einen hohen Preis mit sich gebracht hatte. Einen Sohn... Und viele andere Dinge, die erst noch gefordert werden müssen.

Sie war verantwortlich für dieses Lächeln. Das Mädchen, das bewusst entschieden hatte, offen für alles zu bleiben. Unvoreingenommen zu sein... Sie hatte es verursacht.

Wollte sie, dass dieses Mädchen zurückkam?

Sie schüttelte ihren Kopf und musterte seine verwuschelten Haare. „Ich denke nicht...“, flüsterte sie, als sie versuchte, mit ihren Fingern durch die verworrenen, abstehenden Strähnen über seiner Stirn zu kämmen. Sie weigerten sich strikt, liegen zu bleiben.

Stur. Hartnäckig. Widerspenstig.

Wie der Mann selbst.

Er gestattete seinem scharfen Blick einfach, sie festzunageln. Lügnerin.

Sie senkte ihre Hand und zog die Bettdecke zu ihrem Schlüsselbein. „Ich bin nur...“

„Ich weiß auch nicht, was ich tun soll.“ Er beugte seinen Kopf und schloss seine Augen. Stirnrunzelnd versuchte er, seine Gedanken, seine Worte zu ordnen. „Aber ich will nicht, dass das passiert.“

Der einzige Mann in ihrem Leben, der bereitwillig Verantwortung übernahm...

War auch der Mann, der nicht noch mehr Verantwortung auf sich nehmen sollte...

Als Antwort nickte sie stumm. Unbeholfen. Sie war schon immer unbeholfen gewesen. Das genaue Gegenteil zu seiner Normalität.

Natürlich fühlte sie sich von ihm angezogen. Keine Frage, sie wusste das in dem Moment, als er sie flehend ansah. ‚Lass es mich nicht tun...’, seine Stimmte hallte in den Nischen ihres Verstandes wider.

Was wäre passiert, wenn sie ihn gelassen hätte?

Das Mädchen wäre immer noch dasselbe. Es wäre immer noch da. Es wäre niemals in die überwältigen Tiefen des „Danach“ vorgedrungen... Den Herrschaftsbereich und Spielplatz so vieler Dinge. Trauer. Tadel. Dankbarkeit. Liebe. Kummer. Mitleid. Anziehung. Schuld. Schmerz.

Das Danach. Ewig ungleichmäßig und rau. Es tut weh, wenn man fällt. Nicht falls man fällt, denn man wird garantiert fallen.

Nur wann ist die Frage.

Sie zwinkerte. Das Mädchen war verschwunden. Es war nicht letzte Nacht gegangen, sondern vor langer Zeit. Es hatte versucht, dem Jungen zu folgen. Dem Jungen, der leblos, gebrochen, leer in den Armen seines Vaters lag. Das Mädchen war verschwunden. Der Junge war verschwunden.

„Ich wollte, dass das passiert.“ Seine Stimme war tief, rauchig, aber sanft. Er murmelte irgendetwas Unverständliches in ihr Haar, bevor er behutsam ihre Schläfe küsste.

„Es ist nicht falsch. Du solltest nicht glauben...“

„Tut es dir nicht weh? Mich zu sehen? Erinnere ich dich nicht immer an...“

Er zuckte mit einer Schulter, ehe er den Arm enger um ihre Taille legte. „Früher. Du tust es immer noch, aber es ist anders. Ich habe dich kennen gelernt. Es geht nicht mehr nur um...“ Er holte Luft und riss seinen Blick von ihren dunklen, braunen Augen los. „Es geht nicht mehr nur um Luke.“

Sie schluckte hart und hob eine Augenbraue. „Nicht?“

„Es ist eine Weile her, Monica. An dir ist mehr als das.“

„Mehr als das.“

Er nickte langsam. „Er hätte dich gemocht, wenn er dich getroffen hätte.“

Sie starrte ihn an. Er sah auf und schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Wirklich. Er ist so ein Kind, weiß du?“

„Er spielt mit dem neuen Schüler in der Klasse?

„Teilt seine Farbstifte.“

„Und sein Lunchpaket?“

Er nickte wieder. „Yep.“

„Gibt jedem eine Chance, hm?“

„Immer. Ich bin... ich bin stolz auf ihn. Immer noch. Er war immer mein süßes Kind.“ Ihre Lider schlossen sich ein paar Sekunden lang, bevor er seinen Blick senkte und intensiv die goldenen Härchen an seinem Unterarm studierte. „Er wäre ein guter Kerl geworden.“

Sie hob ihre Hand von der Bettdecke und streichelte mit den Fingerspitzen über seinen Unterarm. „Wie sein Vater“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. Er schaute sie an und hielt ihren Blick fest. Sie grinste schief. „Ich bin mir sicher, ich hätte ihn auch gemocht, John.“

Jetzt war es er, der starrte. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, sogar für sie. Sie biss sich auf die Unterlippe und nahm schüchtern ihre Hand von seinem Arm. Er griff über das Bett und streichelte langsam ihren Rücken und ihre Schultern. „Ich vermisse Luke noch immer. Ich vermisse ihn immer noch, Monica.“

Ohne ihn anzusehen nickte sie bereitwillig. „Ich weiß“, antwortete sie sanft, als sie sich dazu zwang, die zerwühlte Bettdecke zu mustern. „Du gibst dir auch immer noch die Schuld für alles – das solltest du nicht. Du weißt, dass das nicht auf deine Kappe geht. Du kannst einfach nicht so weitermachen...“

„Schwierig“, er senkte seine Stimme zu einem Murmeln. Sanft legte er seine Hand auf ihren Ellbogen, ehe er fortfuhr. „Sie sieht mich jeden Tag an, und ich weiß, dass sie immer noch darauf wartet, dass ich irgendetwas tue. Irgendetwas, um ihn zu uns zurückzubringen. Aber ich kann nicht. Es gibt nichts, das ich tun könnte. Jeden Tag hoffe ich verdammt noch mal, dass es irgendetwas gibt... Aber da ist nichts.“ Er hielt ein paar Sekunden lang inne und ließ seine Finger ihren Arm hinaufwandern. „Sie zuckt jetzt zusammen, weißt du? Wenn ich sie anfasse. Sie stößt mich fort, wenn ich zu nahe komme.“

„John...“

„Ich kenne sie nicht mehr. Ich will es auch nicht. Ich will nicht sehen, was sie sieht. Sie hat alles andere von Luke vergessen. Er ist tot; das ist es alles, was er jetzt für sie ist. Und ich kann so...“ Er schloss seine Augen und biss die Zähne zusammen. Er hasste es, so die Kontrolle zu verlieren, er hasste es, sich verletzlich zu fühlen. Er schüttelte heftig den Kopf, seufzte mühsam und sah sie einmal mehr an. „Ich kann so nicht leben. Ich muss mich an die Zeit erinnern, als es ihm gut ging. Bevor er verletzt wurde. Vor all dem war er ein Kind, genau wie wir es waren, Monica...“

Seine tiefe Stimme schien ihren Vornamen immer regelrecht zu umschlingen. So wie sie sich selbst immer mit seiner Trauer umschlang. Man konnte ein Gefühl von Zugehörigkeit, von Harmonie wahrnehmen. Seine Stimme und ihr Name, seine Trauer und ihre bloße Existenz. Ohne zu zögern, ohne auch nur einmal – oder geschweige denn zweimal – nachzudenken, rutschte sie näher an ihn herum und massierte seine breiten Schultern mit ihren Handflächen. „John....“, der Klang ihrer eigenen Stimme wurde von seiner Stirn gedämpft.

Er liebkoste ihre Halslinie und die Einkerbungen ihres Schlüsselbeines. Er weinte nicht, er war nicht der Typ zum Weinen. Er war der Typ, der still zerbrach – wie die Festungen, die kleine Jungs wie Luke in den Schnee bauten. Sie wusste genau, wie er getröstet werden wollte. Er wollte keine Tränen von ihr, er brauchte nicht ihr Mitleid oder ihren Kummer. Also biss sie sich auf die Lippe und unterdrückte den Schluchzer, der ihrem Körper zu entkommen drohte. Ihre Hand wanderte seine Wirbelsäule entlang und kam an seinem Nacken zur Ruhe, während ihre Finger durch sein kurzes, sandbraunes Haar streichelten.

„Ich liebe dich“, seufzte er leise in ihre Schulter und drückte seinen Mund gegen ihre blasse, nackte Haut.

‚Nein, tust du nicht.’ Der Gedanke war beinahe körperlich schmerzhaft, körperlich spürbar für sie. Sie biss sich auf die Lippe, blieb still und fuhr fort, durch sein Haar zu kraulen. Das war keine Lüge, da war sie sich sicher. Er würde sie niemals anlügen. Er würde sie nicht derartig täuschen, er kannte sie besser.

Er log sie nicht an, wenn er das sagte.

Aber er sagte auch nicht die Wahrheit.

Ihre ungewöhnliche Verschwiegenheit veranlasste ihn dazu, sich zurückzulehnen. „Was ist los?“

Sie lächelte in sich hinein. Du. Ich. Das hier. „Nichts.“

Er nickte und nahm ihre ausweichende Antwort hin: „Okay.“ Er wollte gerade noch mehr sagen, als sein Handy klingelte. Stirnrunzelnd räusperte er sich, schwang die Beine auf den Boden und wühlte ein paar Sekunden lang herum. Sie beobachtete, wie er sein Telefon anmachte und sich mit der Hand durch das Haar fuhr.

Sie war es.

Sie erkannte das an der Weise, wie er nickte und sprach.

Sie wollte mit ihrem Mann reden.

Ihrem.

Was auch immer noch zwischen immer passierte... Was auch immer nicht zwischen ihnen passierte...

Er gehörte immer noch ihr.

Sie starrte ihn an – seinen Rücken, sein Haar, die winzigen Sommersprossen auf seinen Schultern...

Du liebst mich nicht.

Du kannst mich nicht lieben.

Er schaltete das Telefon aus und sah sie an. „Ich muss gehen“, seine Stimme brummte und schien in ihren Ohren widerzuhallen.

Sie nickte verständnisvoll.

„Sie will mit mir reden.“

Sie nickte noch einmal.

„Bist du sicher, dass das alles okay für dich ist?“, fragte er, als er sich vor ihren Augen anzog.

„Ja, natürlich, John“, sie zuckte die Schultern und bedauerte augenblicklich die defensive Offenheit, die durch ihre Stimme brach. Sie schloss ihre Augen und versuchte es erneut, diesmal viel sanfter als vorhin. „Geh nach Hause.“

„Ich habe das, was ich vorhin gesagt habe, ehrlich gemeint, Monica. Ich wollte das...“

„Und du wolltest auch schon lange Zeit mit ihr reden. Also geh. Mir geht es gut, John. Ehrlich. Ich bin okay.“

„Monica...“

„Deine Frau wartet auf dich. Sie braucht dich jetzt. Du brauchst sie auch.“

Jetzt nickte er. Er griff nach seiner Uhr auf dem Nachtkästchen und streifte sie über sein rechtes Handgelenk. Er beugte sich hinunter, über das Bett, und drückte einen sanften Kuss auf ihre Stirn. „Bis später. Wir werden dann reden. Es...“

Er sah sich ein paar Augenblicke lang im Zimmer um, bevor sie einmal mehr durchdringend anstarrte. „Es tut mir wirklich leid, dass dich das jetzt machen muss – das ist nicht fair.“

Sie zuckte ausweichend mit der Schulter. „Ist schon okay.“

Mit einem erneuten Nicken wandte er sich um, verließ den Raum und ging den Flur hinunter. Sie hörte, wie sich die Tür hinter ihm schloss.

Sie ließ den Tränen ihren freien Lauf und legte sich zurück in das warme Bett.

Egal, was er sagt oder tut...

Sie rollte sich auf die Seite und vergrub ihr Gesicht in dem Kissen, auf dem er vergangene Nacht geschlafen hatte.

„Es ist schon okay“, flüsterte sie.


Ende

Rezensionen