World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

I/03 Das Nest

von Netty

Two Wrongs Make A Right

Es geschieht ganz überraschend.

Es geschieht ganz entgegen allen Erwartungen.

Es geschieht so.

10:08pm wird Eugene Victor Tooms vom FBI in Gewahrsam genommen, in der –wie sich später herausstellen soll, richtigen– Annahme, dass er drei Menschen getötet und ihnen die Leber entfernt hat um sie zu essen. Nur, dass zu diesem Zeitpunkt weder Mulder noch ich davon wissen. Die Verhaftung erfolgt strikt aufgrund eines von mir erstellten Profils, in welches Tooms erstaunlich gut passt. Obwohl sich das später als zufälliger Glücksgriff erweisen soll, denn entgegen meines Profils ist Eugene nicht an den Tatort zurück gekehrt um ein erlebtes Hochgefühl neu aufleben zu lassen, sondern tatsächlich nur um eine tote Katze zu entfernen.

Aber all das ist in diesem Moment unwichtig, eine Verhaftung hat stattgefunden und der Verdächtige wird abgeführt. Allerdings ist das auch der Augenblick, in dem sich der ganze Tumult und die Aufregung legen und der Zeitpunkt, als Tom Colton Mulder bemerkt.

„Was macht der denn hier?“ ich kann das Testosteron quasi auf Toms Zunge hüpfen sehen. Obwohl es eine wirklich gute Frage ist.

„Ich war gerade in der Gegend“ entgegnet Mulder lässig und ich überlege schon, wie ich mich am besten zwischen die beiden Kampfhähne werfe um einen Streit zu verhindern, als Det. Johnson sich zu unserer kleinen Gruppe gesellt.

„Gute Arbeit, Agent Scully“ er schüttelt mir die Hand und ich lächle ein Dankeschön. „Da ihr Profil zu seiner Verhaftung geführt hat, dürfen sie gerne Morgen bei der Befragung des Verdächtigen dabei sein-“

„Sie befragen ihn nicht sofort?“ Mulder weiß einfach nie, wann es besser ist die Klappe zu halten.

„Agent Mulder“ Det. Johnson ist von Mulder offensichtlich genauso angetan wie Tom. „Ich denke, wir alle sind müde und können mit dem Ergebnis des heutigen Tages mehr als zufrieden sein. Der Verdächtige läuft uns jetzt sicher nicht mehr weg, aber um sich davon zu überzeugen, kommen sie doch einfach auch zu seiner Befragung, gleich als Erstes Morgen früh 8Uhr“ er lässt Mulder gar nicht erst wieder zu Wort kommen, sondern wendet sich gleich an Tom „Agent Colton, wir machen noch den Papierkram fertig und dann können wir für Heute nach Hause gehen, ich persönlich freue mich sehr darauf“ der letzte Teil auffallend an meinen Partner gewand.

„Ich ebenso, Sir“ stimmt Tom sofort mit ein als sie gemeinsam weggehen und ich frage mich, ob er damals in der Akademie auch schon so aalglatt gewesen ist und wie ich ihn auch nur irgendwie sympathisch finden konnte.

„Muss traumhaft sein, wenn man Verbrechungsbekämpfung nur von 9 bis 5 betreibt“ seine Stimme trieft geradezu vor Sarkasmus.

„Er hat doch recht, Mulder“ beruhige ich ihn, während wir zurück zu meinem Wagen laufen. „Die Opfer sind nach wie vor tot und weil wir uns alle einig darüber sind, dass Tooms allein gehandelt hat, schwebt auch Niemand in akuter Gefahr, also gibt es kein Geheimnis, dass nicht auch bis Morgen warten könnte. Diese Männer haben Familien“ erkläre ich, obwohl ich weiß, dass ich damit bei Mulder auf taube Ohren stoße. Er ist ein Workaholic und der Ansicht, dass jeder von der gleichen Passion getrieben werden sollte wie er, was bewundernswert wäre, aber auch entsetzlich chaotisch. Niemand würde sich mehr an irgendwelche Regeln halten, Anarchismus pur.

„Meinetwegen, dann sehen wir uns Morgen früh“ winkt er ab, aber ein Punkt brennt mir noch immer auf der Seele.

„Mulder“ er dreht sich zu mir um. „Du hast Coltons Frage nicht beantwortet.“

„Doch“ bekräftigt er „ich war wirklich gerade in der Gegend“ doch mein skeptischer Blick reicht als Einwand wohl aus. „Vielleicht musste ich ein Taxi nehmen, um in die Gegend zu kommen, aber…“ er lässt den Satz unbeendet ausklingen und ich senke lächelnd den Kopf. Dieser Mann ist einfach  unverbesserlich.

Moment, Taxi?

„Was ist mit deinem Auto?“

„Wird gerade überprüft.“

„Werkstatt?“

„So was in der Art“ und ich glaube, genauer will ich es gar nicht wissen.

„Steig ein, ich fahr dich nach Hause“ lenke ich ein und grinsend kommt er meiner Aufforderung nach. Die Fahrt zu seinem Appartementkomplex dauert nicht lange und wir legen sie in relativer Stille zurück, erst als ich ein Stück von seiner Tür entfernt parke fällt mir eine weitere Frage ein.

„In der Tiefgarage hast du zu mir gesagt, wenn ich die X Akte gelesen hätte, würde ich wissen, dass Tooms nicht an den Tatort zurückkehren wird, was hast du damit gemeint?“

„Was auch immer ich damit gemeint habe war offensichtlich falsch“ ist seine trockene Antwort. Mein Partner hat nicht gerne Unrecht wie ich bemerke, vielleicht ist er es auch einfach nur nicht gewöhnt.

„Trotzdem würde ich die Akte gerne lesen“ er sieht mich fragend an. „Nur um mir ein vollständiges Bild über den Fall machen zu können“ erkläre ich lächelnd „und ich bin mir ziemlich sicher, dass du eine Kopie in deiner Wohnung hast, die du mir leihen könntest.“

„Agent Scully“ grinst er. „Das klingt aber gar nicht nach der 9 bis 5 Mentalität, die das FBI vertritt.“

„Vielleicht habe ich ja einfach keine Krimis mehr, die ich vor dem Einschlafen lesen kann“ kontere ich während wir beide aus dem Auto aussteigen und zu seinem Block laufen.

Oben in seiner Wohnung wird mir klar, dass ich noch nie Mulders Appartement von innen gesehen habe. Ich habe ihn schon mal eingesammelt um zum Flughafen zu fahren, aber da habe ich unten vor dem Haus gewartet. Neugierig betrete ich die heiligen Hallen meines Partners.

Es ist klein und komplett chaotisch. Also eigentlich genauso, wie ich mir seine Wohnung vorgestellt habe. Während ich meine Augen wandern lasse, entledigt sich Mulder seiner Jacke und beginnt damit das Chaos noch chaotischer zu gestalten, indem er Papiere wahllos von A nach B sortiert, bis er schließlich triumphierend eine Akte hochhält.

„In einem ordentlichen Haushalt geht nichts verloren“ kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen.

„Ganz genau“ bekräftigt er grinsend meine Aussage und reicht mit die Akte, leider aber mit der Öffnung nach unten und dutzende Tatortfotos segeln zu Boden. Wir beide beugen uns herunter um die verstreuten Aufnahmen wieder einzusammeln, schnell finden wir alle wieder. Doch als ich nach dem Letzten greife, bemerke ich, dass Mulder mich anstarrt und ich glaube fast, dass er versucht mir in den Ausschnitt zu linsen, bis mit klar wird, das der Anhänger, der für gewöhnlich unter dem Stoff verborgen ist, sich ans Licht gekämpft hat. Langsam erheben wir uns.

„Was ist das?“ fragt er und deutet auf das kleine Amulett.

„Das ist St. Michael, er ist der Schutzpatron für Polizisten und Gesetzeshüter“ es ist mir beinahe schon ein wenig peinlich ihm das zu erzählen, immerhin bin ich die strenge Wissenschaftlerin in dieser Partnerschaft. „Meine Mom hat es mir geschenkt, als ich meine Prüfungen auf der Akademie bestanden habe“ versuche ich zu erklären, warum ich das Amulett mit dem Bildnis des Erzengels Michael trage.

„Ist das ein Schwert“ er beugt sich herunter um besser sehen zu können und sein Gesicht ist somit genau auf Höhe meiner Brüste, ein Fremder könnte diese Pose beinahe als anstößig betrachten. Jemand, der nicht weiß, dass Mulder das Eindringen in den persönlichen Freiraum eines anderen Menschen zur Kunstform erhoben hat. Ich versuche ganz ruhig weiter zu atmen.

„Es ist das Schwert der Wahrheit“ ergänze ich etwas atemlos und ziehe dann scharf die Luft ein, als Mulder den Anhänger in die Hand nimmt und dabei zufällig meine Brust streift. Ob ihm das aufgefallen ist?

„Du solltest es nicht verstecken, in unserem Job können wir schließlich jede Sicherheit gebrauchen“ okay, offensichtlich hat er es nicht gemerkt. „Und außerdem ist es wunderschön“ er meint wahrscheinlich das Amulett, aber er sieht mich an und irgendwie glaube ich jetzt, dass er es sehr wohl gespürt hat.

Es geschieht ganz überraschend.

Es geschieht ganz entgegen allen Erwartungen.

Es geschieht so.

In der einen Sekunde stehe ich mit der Akte in der Hand meinem Partner gegenüber, der ein Schmuckstück berührt, welches an einer Kette hängt. In der Nächsten liegt die Akte auf dem Boden, mein Mund berührt den meines Partners und seine Hände streifen ungeduldig meine Jacke von meinen Schultern, um meinen Körper besser berühren zu können.

Wie ein Sturm kommt das Verlangen über mich. Reißt in den Bruchteilen einer Sekunde alles hinfort, außer dem unbändigem Begehren.

Ich kann nicht erklären, was hier passiert. Okay, ich könnte vermutlich schon. Mit medizinischen Fachbegriffen, die nicht auch nur ansatzweise beschreiben könnten was ich fühle. Warum meine Hände gierig versuchen, noch während wir im Rahmen zwischen Wohnzimmer und Flur gefangen sind, jedes noch so kleine Stück Stoff von seinem Körper zu entfernen? Warum meine Zunge ein verwirrendes Spiel aus Vorstoß und Rückzug mit seiner spielt? Und warum wir letztendlich mit unseren unbeherrschten Händen vom Körper des anderen lassen, nur um selbst in einem unmenschlichen Tempo die letzten Barrieren von unseren Leibern zu reißen.

Nackt prallen wir wieder aufeinander und mein gesamter Kopf ist nur von einem einzigen Gedanken ausgefüllt: Jetzt, Hier, Sofort! Meine Dankbarkeit kennt keine Grenzen als ich erkenne, dass ich nicht die Einzige bin, die das denkt. Mit einer kleinen Drehung und einem Schritt nach hinten sind wir knapp aus dem Rahmen getreten und ich spüre die Wand seines Flures in meinem Rücken. Seine Hand an meinem Oberschenkel ist mein Zeichen und mit einem leichten Absprung schließen sich meine Beine um seine Hüften, doch während er sich aufrichtet schrammt die empfindliche Haut meines Rückens über die raue Tapete und ich atme, vom Schmerz überrascht, heftig ein.

„Was?“ seine Stimme besorgt, aber unruhig.

„Schlafzimmer?“

„Ich habe kein Schlafzimmer“ das durchbricht den Nebel meiner Erregung für eine Sekunde und ich muss mir auf die Zunge beißen um nicht zu lachen. „Ich schlafe auf der Couch“ erklärt er verteidigend.

„Mulder“ mir fehlen die Worte. „Du bist wirklich seltsam.“

„Nicht seltsam. Spooky“ widerspricht er bevor er meine Lippen wieder mit seinen verschließt und ich könnte die Schrammen auf meinem Rücken vermutlich einfach ignorieren nur um endlich diesem plötzlichen, widerspenstigen Verlangen nachzugeben, doch die Sekunde Klarheit in meinem Kopf hat tatsächlich noch ein weiteres Problem aufgedeckt.

„Kondom“ meine Stimme ist kaum verständlich nur Zentimeter von seinem Mund losgerissen und ich wiederhole das Wort, damit er die Dringlichkeit versteht. Ein mürrisches „Verflucht“ zeigt mir, dass er verstanden hat. Für einen Moment passiert gar nichts außer, dass er versucht seine Atmung unter Kontrolle zu bringen, dann „Okay, festhalten.“

Meine Beine fest um seine Hüften, meine Arme um seinen Hals tue ich genau das, als er uns beide von der Wand löst und erst wackelig, dann mit sicherem Schritt über den verstreuten Inhalt der X Akte hinweg in das undurchdringliche Chaos seines Wohnzimmers läuft. Es sind nur drei große Schritte zu seinem Schreibtisch, aber bei jedem Schritt, presst sich seine Erektion, zwischen uns beiden gefangen, gegen meine Klitoris und ich schwöre, ich könnte allein davon kommen. Schwer atmend erreichen wir den Schreibtisch, der allerdings genauso unordentlich ist, wie alles andere in Mulders Wohnung, so dass er mich nicht absetzen kann.

„Oberste Schublade“ reicht als kurze Erklärung und ich löse eine Hand von seinem Nacken und öffne besagtes Fach. Die Kondome liegen direkt oben auf und ich könnte dazu sicher irgendetwas sagen, aber das würde nur verzögern, was ich eigentlich will. Also bin ich still und greife die gesamte Packung und kaum habe ich die Erlösung in meiner Hand, macht er einen Schritt zurück und erneut eine halbe Drehung und schon sitzen wir auf seiner Couch und das ist perfekt. Nicht nur, weil es viel bequemer für uns beide ist, sondern weil ich jetzt die Kontrolle habe.

Schnell greife ich ein Kondom aus der Packung und lasse diese achtlos zu Boden fallen, nicht dass in dieser Umgebung ein bisschen Unordnung auffallen würde. Der Zellophanhülle wird das gleiche Schicksal zu teil und dann rutsche ich auf seinen Oberschenkeln gerade soweit nach hinten, dass ich das Kondom, im Übrigen grün, über seiner Erektion abrollen kann. Mein Partner steht auf farbige Kondome. Ein Teil in mir ist glücklich, dass ich noch in der Lage bin solche Nebensächlichkeiten zu verarbeiten, der wesentlich größere Teil aber schreit vor Ungeduld.

Das Kondom in Position folge ich dem Verlangen, spanne die Muskeln in meinem Oberschenkel an, richte mich kurz auf, um dann der Ruhelosigkeit ein Ende zu bereiten. Mit einem leisen Seufzen akzeptiert mein Körper diesen neuen Eindringling und sendet zum Dank kleine Glückswellen an mein Gehirn.

Mulder würdigt diesen neuen Umstand mit einem tiefen Stöhnen und einem festen Griff an meiner Hüfte, der sicherlich blaue Flecken hinterlassen wird. Aber ich hab schon Striemen auf dem Rücken, was sollen mich seine Fingerabdrücke in mein Fleisch gepresst da noch stören.

Ich gönne uns beiden keine Verschnaufpause, kaum ist sein Penis komplett in mir vergraben nutze ich meine Oberschenkelmuskeln auch sofort um uns fast zu trennen und ich wusste, dass es einen Grund dafür gibt, warum ich mit dem Joggen nicht schon vor Jahren aufgehört habe. So ist es mir möglich einen stetig an Geschwindigkeit zunehmenden Rhythmus aufzubauen.

Lange wird dieser Zustand wohl aber nicht anhalten, denn das Zusammentreffen unserer Leiber ist keine Sache von Finesse, viel eher von Kraft und Tempo und obwohl ich mir wünschte ich könnte meiner Finger über die vor mir entblößte Haut wandern lassen, sind meine Hände fest gegen die Wand hinter der Couch gedrückt um meinen rasenden Körper im Gleichgewicht zu halten, um schnelle Befriedigung zu erlangen.

Die Luft um uns herum wird spürbar wärmer, ob der Hitze die von uns ausgeht und ich fühle, wie sich die dichte Luft mehr und mehr in meinen Lungen fängt und wenn Mulder wenigstens versuchen würde seinen Mund oder seine Zunge an meinem Hals entlang fahren zu lassen könnte ich sofort kommen. Doch sein Kopf ruht auf der Rückenlehne, die Lippen streng aufeinander gepresst, die Augen zusammengekniffen, als würde er über eine absurde Theorie nachdenken – was wir vermutlich auch sind. Seine einzige aktive Partizipation, die Hände, die mein Becken kräftig an seines ziehen und wegstoßen als würde unser Leben davon abhängen.

So wundervoll das Gefühl zwischen meinen Beine auch ist, weiß ich, dass die Friktion nicht ausreichen wird, als könnte ich die Ziellinie bereits sehen, aber nicht überqueren. Ich versuche Mulder auf diesen Faktor aufmerksam zu machen, da ich ihn als sehr höflichen Menschen kennen gelernt habe und er mir sicher nur allzu gerne behilflich sein würde. Doch als ich meinen Mund öffne kommen keine bittenden Worte über meine Lippen, stattdessen ein sehnsüchtiges Wimmern, das er aber unmöglich interpretieren könnte.

Auf mich allein gestellt versuche ich eine Hand von der Wand zu lösen und dabei trotzdem den fliegenden Rhythmus beizubehalten. Aber kaum habe ich die Hand als Stütze entfernt prallt mein Körper schwerfällig und ungrazil auf seinen, wobei ich auf plötzliche Weise daran erinnert werde, wie absolut fantastisch es sich anfühlt, wenn meine Klitoris bei jedem auf und ab unserer Hüften gegen ihn gepresst wird. Also versuche ich buchstäblich in Mulder hineinzukriechen um die größtmögliche Reibung zu erzielen und kluger Mann, der er nun einmal ist, nimmt er seine Hände endlich von meinen Beckenknochen und legt sie stattdessen auf meinen Hintern um meine Anstrengungen zu komplimentieren.

Ich muss meine Stirn auf seiner Schulter ablegen, denn der Raum beginnt sich zu drehen und ich fürchte beinahe ohnmächtig zu werden.

So gut.

„Bitte, bitte, bitte“ es ist mehr mein feuchter Atem auf seiner Schulter als wirkliche Worte.

Dann plötzlich verhärtet sich jeder Muskel in ihm und er wird ganz ruhig, dann ein angestrengtes Stöhnen laut an meinem Ohr und ich kann seinen Orgasmus bis in meinen eigenen Körper fühlen. Verzweifelt lasse ich meine freie Hand zwischen unsere Leiber gleiten, ein, zwei gekonnte Berührungen und ich komme.

Momente danach.

Das Rauschen in meinen Ohren das einzige Geräusch das ich höre.

Die Haut an seiner Schulter der einzige verschwommene Anblick den ich sehe.

Die jetzt überraschend kühle Raumluft an den feuchten Haaren in meinem Nacken das Einzige was ich fühle.

Sauerstoff in meine gierige Lunge zu bekommen, das einzige Ziel.

Schließlich hebe ich meinen Kopf von seiner Schulter und versuche ihn anzusehen. Für eine Sekunde sieht er so aus als würde er eine Panikattacke bekommen und fast wie ein Reflex, lege ich meine Hände an seine Wangen und küsse sanft seine Lippen. Nicht wegen des Hungers, der noch vor einem Augenblick von uns beiden Besitz ergriffen hat, sondern um seine überreizten Nerven zu beruhigen, bevor er ausflippen kann.

Bevor der Kuss jedoch ausarten könnte, trenne ich unsere Lippen und unsere Körper. Ungeschickt erhebe ich mich vom Sofa, wir werden beide darüber nachdenken müssen was gerade passiert ist, aber ich kann das nicht, während er sich im gleichen Raum befindet.

„Ich kann nicht bleiben“ versuche ich meinen plötzlichen Rückzug zu erklären, obwohl er nach keiner Erklärung verlangt, er sitzt einfach nur da und sieht mich an, oder besser sieht durch mich hindurch. Ich fühle mich in seiner Gegenwart nicht unwohl, ich habe mich, wenn auch ein wenig überstürzt selbst auf diese Situation eingelassen und wenn ich auch nicht wirklich über die Folgen nachgedacht habe ist das jetzt kein Grund in Panik zu verfallen.

Also sammle ich ruhig meine Sachen zusammen, ziehe sie an und warte darauf, dass Mulder zu dem gleichen Schluss kommt. Und das wird er. Sicherlich war das nicht die beste Art unsere Partnerschaft zu festigen, aber wir sind beide erwachsen und hoffentlich in der Lage damit umzugehen, wenn nötig es sogar zu vergessen.

Schließlich, als ich schon angezogen und gerade dabei bin erneut die Akte zusammen zu basteln, gibt er mir mit einem kurzen Räuspern zu verstehen, dass er mit seinem Gedankengang am Ende angelangt ist. Ich sehe zu ihm auf, was ihn lächerlicherweise veranlasst ein Couchkissen über seinem Schoß zu drapieren und ich muss meinen Blick für einen Augenblick abwenden um nicht zu lachen.

„Das“ er hält kurz inne, als versuche er eine passende Formulierung zu finden, doch er scheitert und deutet stattdessen erst kurz auf mich und dann auf sich „Das hier wird uns nicht verändern, oder?“ Seine Frage lässt den Drang zu lachen verschwinden, stattdessen schenke ich ihm ein warmes Lächeln.

„Ich weiß es nicht, aber es wird uns definitiv nicht schaden“ beruhige ich ihn und er lächelt zurück.

„Dann sehe ich dich morgen beim Verhör?“ fragt er leicht unsicher weiter.

„Auf jeden Fall“ nicke ich lächelnd und kehre ihm den Rücken zu um seine Wohnung zu verlassen und erst nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, erlaube ich dem Grinsen eine kurze Residenz auf meinem Gesicht. Vielleicht müssen wir beide darüber nachgrübeln wie wir mit dieser Situation umgehen, das heißt aber nicht, dass der Sex nicht fabelhaft war.

Im Auto ereilen mich dann die ersten Zweifel, ich bin noch immer nicht an dem Punkt an dem ich es bereuen würde, aber ich habe einen Schritt in diese Richtung getan. Es ist vermutlich nicht die beste Idee gewesen mit Mulder zu schlafen, obwohl es ja im Grunde genommen nicht mal eine Idee war, denn bis vor einer Stunde habe ich noch nie überhaupt an Sex mit meinem Partner gedacht.

Ich bin nicht blind. Ich habe durchaus bemerkt, dass er attraktiv ist, aber er ist auch mein Kollege und das sollte jedes Verlangen eigentlich in den Schatten stellen, oder nicht?

Als ich meine Wohnungstür öffne, versuche ich meine Gedanken neu zu ordnen. Es ist schließlich egal, ob es ein Fehler war oder nicht. Es ist passiert. Ich sollte mich nicht damit rumplagen was wäre wenn’s zu ergründen, sondern viel eher damit, wie ich mit dieser neuen Situation umgehen soll.

Unter dem heißen Strahl meiner Dusche entscheide ist, dass es definitiv eine einmalige Verfehlung, Überraschung oder was auch immer war und es nicht wieder vorkommen wird. Was eigentlich eine Schande ist, wenn man bedenkt wie wundervoll mein Körper auch jetzt noch prickelt.

In meinem Bett bin ich es leid, mir über diese Bredouille überhaupt den Kopf zerbrechen zu müssen. Morgen muss ich einen Killer verhören, der seinen Opfern gerne die Leber rausreißt, ich sollte mich eigentlich darauf vorbereiten und nicht gedanklich durchgehen, wie ich meinem Partner morgen unter die Augen treten kann.

Doch noch während ich vor meinem geistigen Auge ein angemessenes, professionelles Outfit zusammenstelle, fordert die ungeplante körperliche Ertüchtigung ihren Tribut und ich schlafe ein bevor ich auch nur mit den Blusen anfangen konnte. Mal abgesehen, dass ich nicht auch nur einen Blick in die X Akte geworfen habe wegen der das alles überhaupt begann.

 

Sechs Uhr am nächsten Morgen reißt mich der Wecker aus einem Traum, der eigentlich keiner war, sondern nur ein erneutes Durchleben des gestrigen Abends und ich bin von den Sehnsüchten und Verlangen meines Körpers irgendwie irritiert. Wochenlang hat er ohne Sex ausgehalten, seit ich mich vor einem halben Jahr von Jack getrennt habe und kaum habe ich das Biest jetzt wieder gefüttert schreit es nach mehr und immer mehr. Und Mulder steht ganz oben auf der Speisekarte.

Also entscheide ich mich an diesem überraschend schwierigen Tag für eine kalte Dusche um sämtliche unprofessionellen Gedanken im Keim zu ersticken. Dann wäre ich wieder bei der Kleiderfrage angekommen.

Anzug mit Hose, auf jeden Fall keinen Rock. Ich entdecke einen weit geschnittenen dunkelgrünen Anzug in meiner Sammlung und wähle dazu eine hochgeschlossene, einfache, weiße Bluse, aber irgendwie sehe ich immer noch nach der Frau aus, die gestern Nacht Sex mit ihren Partner hatte.

Vielleicht helfen Haare und Make up.

Ein simples, total unaufreizendes, dezentes Make up ändert allerdings auch überhaupt nichts und während ich die Haare hochstecke frage ich mich, ob dieser schuldige Gesichtsausdruck vielleicht aus meinem Inneren her kommt und sich mit Nichts überdecken lassen wird. Doch mit den Haaren streng nach hinten gesteckt kann ich dann tatsächlich die professionelle Agent Scully erkennen.

Vielleicht aber auch wieder zu professionell.

Was wenn Mulder einfach ganz locker mit dieser ganzen Situation umgehen kann, während ich hier den totalen Aufriss mache? Er könnte meinen, dass ich gestern Nacht gelogen habe und es uns doch geschadet hat.

Okay, da mir absolut die Zeit davonrennt bleibt meine Auswahl bestehen, doch als Zugeständnis fische ich den Anhänger unter meiner Bluse hervor und lasse ihn sanft über dem Stoff zur Ruhe kommen. Er hat ja gesagt ich sollte es mehr sichtbar tragen und so weiß er hoffentlich, dass wir nicht unsere Partnerschaft ruiniert haben.

 

Mulder nimmt es ganz locker. Ab und zu schielt er zu mir hinüber während einer nach dem anderen Tooms verhört, als würde er erwarten, dass wir sofort darüber sprechen. Nicht, dass das überhaupt möglich wäre in einem Raum mit Colton, Johnson und anderen Polizisten, aber ansonsten ist mein Partner nicht anders als an jedem anderen Tag unserer Partnerschaft.

Können wir wirklich so leicht davonkommen?

Ich habe schon als Kind gelernt, dass jedes Handeln seine Konsequenzen hat und bin jetzt doch ein bisschen überrascht, wie problemlos wir einfach unserer Arbeit nachgehen können.

Nach dutzenden Verhörversuchen entscheidet man sich schließlich den Verdächtigen einem Lügendetektortest zu unterziehen, den er allerdings mit Bravour besteht, mit Ausnahme der etwas unorthodoxen Fragen von Mulder. Nicht, dass sich darum außer Mulder jemand scheren würde.

Außer ich vielleicht. Ich würde es zwar nie zugeben, aber irgendetwas an Tooms gruselt mich. Vielleicht hat Johnson recht und er hat bei den Fragen nur gelogen weil sie ihn überrascht haben, aber wenn Mulder recht hat, kommt gerade ein Mörder wieder auf freien Fuß.

Colton möchte, dass ich weiter in seinem Team arbeite, aber es gibt genug Leute die der ordnungsgemäßen Polizeiarbeit folgen werden, auf der anderen Seite jedoch steht nur mein Partner. Also lehne ich Toms Angebot ab, was er nicht gerade gut wegsteckt. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Mann auf meiner Sympathieleiter noch weiter absinken könnte, aber indem er versucht mich vor Mulder bloßzustellen, ist er gerade auf die unterste Stufe gerutscht.

Obwohl Mulder schon die Angewohnheit hat, dass Schlechteste in den Menschen hervorzubringen, besonders in anderen Kollegen. Auch wenn ich mich ernsthaft Frage ob es diesmal nur wegen seiner Theorie so reagiert, oder ob es nicht doch etwas mit letzter Nacht zu tun hat. Könnte Mulder eifersüchtig sein? Dass ich einer anderen Arbeit nachgehe als den X Akten? Ich plane nicht ihn das zu fragen, es rutscht mir einfach heraus und eigentlich erwarte ich einen Scherz, aber Mulder antwortet ernst, mit Worten und Gesten.

Die erneute Berührung des Amulettes eine Erinnerung an das Gespräch letzter Nacht, die vielleicht nicht ganz zufällige Berührung meiner Brust eine Erinnerung an die Momente, in denen wir nicht gesprochen haben. Ein Zugeständnis, dass letzte Nacht wirklich etwas passiert ist, aber auch, dass er mir glaubt, dass es uns nicht verändert hat.

Ich frage mich, ob es jetzt immer so sein wird, dass jede Berührung einen sexuellen Unterton erhält, der Gedanke an unsere unpartnerschaftliche Begegnung immer einen festen Platz in meinem Kopf einnehmen wird?

Doch er versucht sogar etwas diesen Druck zu nehmen, versucht sein territoriales Verhalten zu mindern und öffnet mir die Möglichkeit doch noch mit der VCS zu arbeiten. Aber was ich will, ist einen Mörder zu schnappen und ich glaube, mit Mulder habe ich dazu die besten Chancen.

Und das hat nicht im Geringsten etwas mit Sex zu tun.

Also arbeiten wir an dem Fall. Tage vergehen. Wir sind professionell, wir haben keinen Sex und wir sind erfolgreich, zumindest teilweise. Wir können zwar den Verdacht gegen Tooms erhärten, allerdings macht Colton uns einen Strich durch die Rechnung. Okay, also er ist definitiv ein Arschloch. Den ganzen Weg nach Hause, nach unserem Gespräch über den gestrichenen Stake out, male ich mir aus wie schön es gewesen wäre, wenn ich ihm direkt einen rechten Haken verpasst hätte und diese Vorstellung sorgt wenigstens dafür, dass ich gesund und in einem Stück in meiner Wohnung ankomme.

Mulder ist nicht bei sich zu Hause und ich frage mich, ob er irgendwo in einer Bar sitzt und sicht besäuft. Ich hätte auch ein Verlangen danach, obwohl es vermutlich nicht gut ist, wenn wir uns beide gemeinsam betrinken. Da ich auch keinen harten Alkohol im Haus habe entscheide ich mich dafür ein langes, beruhigendes Bad zu nehmen. Lavendelöl soll ja bekanntlich bei Stress und Wut helfen.

Nicht, dass ich überhaupt bis in meine Wanne komme. Ein Tropfen Galle auf meinem Handrücken, lässt mein Blut gefrieren und jeden Gedanken an ein heißes Bad vergessen. Ich stürze aus dem Badezimmer immer in der Hoffnung meine Waffe zu erreichen, bevor Tooms sich zu einem Angriff entscheidet.

Mit geladener Waffe im Anschlag kehre ich zurück ins Bad und suche nach jeder noch so kleinen Öffnung. Die Gefahr aber sehe ich nicht kommen.

Es geschieht ganz überraschend.

Es geschieht ganz entgegen allen Erwartungen.

Es geschieht so.

Aus einem winzigen Lüftungsschacht heraus greift er mich an, ich verliere meine Waffe und dann kämpfe ich um mein Leben.

Als ich neun Jahre alt war nahm mein Vater mich und meine Geschwister auf eines seiner Schiffe mit um uns zu zeigen wo er arbeitete. Bill hatte er schon öfter mitgenommen, aber für den Rest von uns war es ganz neu, allerdings war ich die Einzige die fasziniert von dem großen unendlichen Weiten des Schiffes und der See war. Charlie war zu klein um wirklich zu verstehen was Dad genau tat und Missy wollte viel lieber zu Hause sein und mit ihren Puppen spielen.

Auch wenn Ahab immer Kontrolle predigte war es bei vier Kindern nicht einfach diese auch zu behalten und auch an diesem Tag entrangen wir uns schnell seinem Kommando. Bill und Charlie fingen an zu streiten, worüber weiß ich nicht mehr und mein Vater war gezwungen seine gesamte Aufmerksamkeit auf meine beiden Brüder zu konzentrieren.

Ich nutzte die Gelegenheit um mich verbotener Weise auf das Geländer zu stellen um einen besseren Blick über die See zu haben. Eine kleine Windböe und ein leichtes Schwanken des Schiffes reichten aus und ich fiel über Bord. Mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit prallte ich auf die Wasseroberfläche, meine einzige Verletzung war eine Rippenprellung, aber der Aufprall war so heftig, dass ich nicht atmen konnte und für Sekunden wie paralysiert war.

In diesem Moment, bevor mein Vater zu mir ins Wasser sprang, mich packte und zurück an die Oberfläche zerrte, hatte ich Todesangst.

Auf dem kalten Fliesenboden meines Badezimmers, mit einem Monster über mir, erfahre ich zum zweiten Mal in meinem Leben was es bedeutet dem Tod ins Auge zu sehen.

Wie vor 20 Jahren mein Vater seine Hand nach mir ausstreckte, ist es diesmal Mulder der zur richtigen Zeit in meine Wohnung stürmt und mir das Leben rettet.

„Bist du in Ordnung?“ fragt er nachdem Tooms an meine Badewanne gekettet ist und alles was ich tun kann ist zu nicken, während ich nach Atem ringe und versuche die drohende Panikattacke abzuwehren.

Mit seinem Handy ruft er die Kavallerie und nur wenige Minuten später schwirren Polizisten wie Bienen durch meine Wohnung, Colton ist keiner von ihnen. Sie nehmen Tooms in Gewahrsam, er wird von einem Sanitäter stark sediert und dann auf eine Trage geschnallt, an Händen und Füßen gefesselt. Mulder erzählt den beiden Polizisten die ihn ins Sanatorium begleiten werden bis ins kleinste Detail wozu dieses Monster fähig ist.

Währenddessen werde auch ich auf Drängen meines Partners hin kurz vom Sanitäter untersucht, aber alles was ich davongetragen habe ist ein kleiner Kratzer auf meiner Haut an der Stelle wo sich meine Leber befindet und eine Erinnerung auf die ich nicht scharf bin. Obwohl der Sanitäter auch die Fingerabdrücke auf meiner Hüfte bemerkt, sie aber unkommentiert lässt. Vielleicht aus Respekt, vielleicht aber weil er weiß, dass diese nicht frisch sind und daher nicht vom Angriff stammen können. Gott sei Dank muss er nicht auch meinen Rücken untersuchen, wie sollte ich ihm die Striemen denn erklären? Oder die Handabdrücke auf meinem Hintern, die perfekt zu Mulders Händen passen? Um seinem fragenden Blick zu entgehen, lenke ich meine Aufmerksamkeit auf Mulders Worte, der noch immer die Polizisten instruiert.

„Niemand lässt ihn aus den Augen, Handschellen und Fußfesseln können ihn nur vorübergehend bändigen, das bedeutet, dass einer von ihnen“ er sieht die beiden jungen Männer eindringlich an „immer mit seiner Waffe griffbereit auf ihn achten wird. Haben sie mich verstanden?“ Die beiden Polizisten nicken, aber das ist Mulder nicht genug. „Das dort drüben ist Agent Dopkins, er wird ihnen in seinem Wagen folgen, sie fahren nur in die Klinik, dort weiß man, dass sie kommen, keine Pause zwischendurch“ ich kann sehen, dass die Aufmerksamkeit langsam nachlässt und Mulder erkennt das ebenso, die letzten Worte spricht er daher ganz ruhig, damit sich die Männer voll auf ihn konzentrieren müssen. „Sollten sie einen Fehler begehen und diesem Straftäter eine Möglichkeit zum Entkommen bieten, müssen sie sich nicht nur vor dem FBI und der Öffentlichkeit verantworten, sondern tragen auch die Schuld am Tod weiterer Menschen, im schlimmsten Fall bezahlen sie diesen Fehler vielleicht mit ihrem eigenen Leben.“ Ich kann die jungen Männer schlucken sehen und bin mir sicher, dass sie die nächste Stunde wie auf Kohlen verbringen werden bis Tooms in der Klinik untergebracht ist.

Schließlich verlassen die Trage, das Monster und seine neue Gefolgschaft meine Wohnung.

„Du hättest einfach mitfahren sollen“ bemerke ich, während mein Sanitäter verkündet, dass ich komplett in Ordnung bin und sich dann ebenfalls verabschiedet.

„Nicht nötig, ich will lieber sichergehen, dass hier alles seinen Gang geht“ antwortet er und ich gewähre ihm die Lüge.

„Agent Scully, sie können jetzt in ihr Schlafzimmer und ein paar Sachen zusammenpacken“ es ist Agent Landes von der Spurensicherung.

„Sachen packen?“ ich bin irritiert.

„Na ja, fürs Hotel“ erklärt er kurz.

„Ich muss in ein Hotel?“

„Sicher, ihre Wohnung ist erstmal ein Tatort und meine Jungs werden hier sicherlich fast die ganze Nacht verbringen also…“ er sieht mich an, als müsste ich das wissen und eigentlich weiß ich es auch, habe im Unterricht darüber gelernt, habe selbst einige Mal zugesehen wie es bei anderen Menschen stattgefunden hat. Aber das hier ist meine Wohnung. Ein Tatort.

Ein fremder Mann ist in meine Wohnung eingebrochen und hat versucht mich zu töten.

Das Zittern beginnt in meinen Händen und erfasst dann meine Arme und als ich zu Mulder schauen will um zu erfahren was da gerade passiert, kann ich ihn plötzlich nur noch verschwommen sehen, weil sich meine Augen mit Tränen füllen.

„Danke, Agent Landes“ kann ich seine Stimme hören und dann schiebt sich seine große Gestalt zwischen mich und die Sicht der anderen Agenten um mich abzuschirmen. „Scully?“ fragt er sanft.

„Es…“ geht mir gut, will ich eigentlich sagen, aber die Worte kommen nicht aus meinem Mund und mein ganzer Körper erzittert schließlich. Er greift meine Hand, zieht mich ins Schlafzimmer, setzt mich aufs Bett und schließt sämtliche Türen. Dann kehrt er zu mir aufs Bett zurück, setzt sich neben mich, schließt seine Arme um meinen zitternden Leib und zieht mich eng an sich.

Für einige Sekunden wird auch er von meinem heftigen Zittern geschüttelt, doch dann beruhigt sich mein verräterischer Körper langsam wieder. Beschämt vergrabe ich mein Gesicht in seiner Brust und schließe die Augen und erst jetzt fallen zwei einzelne Tränen von meinen Augen, die sich aber sofort im Stoff seines Hemdes verlieren. Ich konzentriere mich darauf ruhige Atemzüge zu nehmen und meine Fassung wieder zu gewinnen. Letztendlich löse ich mich aus seiner Umarmung und sehe ihn so gefasst wie möglich an.

Seine Hände streichen mir vorsichtig meine Haare hinter die Ohren und was als freundschaftliche Geste gemeint ist, erhält plötzlich wieder diesen sexuellen Unterton. Wir beide bemerken es und schnell zieht er seine Hände zurück.

„Okay?“ fragt er ausweichend.

„Okay“ antworte ich und stehe vom Bett auf, finde eine kleine Tasche und suche einige Sachen fürs Hotel zusammen. „Ich muss noch meine Aussage machen“ bemerke ich während sich die Tasche Stück für Stück füllt.

„Es wird reichen, wenn wir uns morgen darum kümmern“ winkt er ab und sitzt einfach nur weiter auf dem Bett und sieht mir beim Packen zu.

„Könntest du meine Haarbürste aus dem Bad holen, ich will nicht…“ ich lasse den Satz bewusst unbeendet, damit er denkt, es würde mir schwer fallen zurück in mein Badezimmer zu gehen, dabei möchte ich nur für eine Sekunde seinem besorgten Blick entkommen.

„Na klar“ erwidert er sofort und stiehlt sich davon. Ich schließe kurz meine Augen und atme tief durch, Tooms ist sicher weggesperrt, ich werde die Nacht in einem guten, luxuriösen Hotel verbringen, welches das FBI bezahlen wird und Morgen werde ich meine Aussage machen. Ganz einfach. Ein einfacher Plan. Ich merke, wie ich allmählich ruhiger werde, wie das Adrenalin langsam schwindet und stattdessen eine leichte Müdigkeit meinen Körper erfasst.

Meine Tasche ist fast komplett gepackt, ich öffne meine Nachttischschublade und ergreife meine Brille und das Buch das ich gerade lese, wer weiß, ob ich heute Nacht so einfach einschlafen kann, da könnte mir ein bisschen Ablenkung vielleicht helfen.

Ich weiß nicht, inwieweit es eine vorsätzliche oder doch eher unbewusste Handlung ist, als ich noch mal in die Schublade greife und die kleine Packung Kondome ebenfalls in meine Tasche stecke und bevor ich mir darüber wirklich Gedanken machen kann kehrt Mulder mit meiner Haarbürste zurück und dann verlassen wir gemeinsam meine Wohnung.

Unten im Auto sehe ich abwesend aus dem Fenster, die ganze Stadt scheint sich schlafen zu legen ohne zu wissen, welche Monster unter dem Bett lauern könnten.

„Willst du in ein bestimmtes Hotel?“ durchbricht er die Stille und ich schüttle einfach den Kopf. Also verbringen wir die restlichen Minuten in Schweigen gehüllt, bis Mulder auf den Parkplatz eines vier Sterne Hotels fährt. Ich möchte sehen, wie das FBI auf diese Rechnung reagieren wird.

Das Einchecken verläuft schnell und problemlos, um diese Zeit ist nicht gerade viel los. Wir sind die einzigen Menschen im Aufzug und auf dem Flur und dann in meinem Zimmer.

„Ich gehe erstmal duschen“ erkläre ich kurz, bevor ich im Bad verschwinde und endlose Minuten unter dem wundervoll heißen Strahl der Dusche stehe und die Berührungen und die Ängste abwasche. Als ich meine Haare wasche kann ich endlich fühlen, wie der ganze Druck und die Anspannung aus meinem Körper weicht und ich könnte als kleines Häufchen in der Duschkabine liegen bleiben und wäre zufrieden damit. Aber stattdessen trete ich aus der Kabine, wickle meinen Körper in einen dicken, weißen Bademantel und meine Haare in ein Handtuch und betrete eingehüllt in eine Wolke aus Wasserdampf mein Zimmer.

Mulder sitzt auf dem Bett und der Fernseher läuft, er hat sein Jackett ausgezogen, die Krawatte gelockert und es ist eigentlich erschreckend wie normal dieser ganze Ablauf wirkt. Als wären die letzten Stunden gar nicht passiert.

„Meinst du, dass du schlafen kannst?“ fragt er, als ich einfach nur in der Badezimmertür stehe und mich nicht bewege.

„Ich denke schon.“ Zumindest jetzt, wo ich geduscht bin, Tooms nicht mehr an mir riechen kann und weiß, dass er in sicherem Gewahrsam ist, vermutlich.

Ich setze mich zu ihm aufs Bett und für ein paar Sekunden sehen wir stumm auf den Fernseher. Eigentlich wäre jetzt der Punkt wo er gehen sollte, aber keiner von uns beiden bewegt sich.

„Woher wusstest du, dass Tooms mich angreifen würde?“

„Ich fand St. Michael in seiner Sammlung“ erklärt er „das hat dir das Leben gerettet.“

Du hast mir das Leben gerettet“ sage ich ernst und sehe ihn an. Ich weiß, dass er mich küssen wird noch bevor seine Lippen meine berühren und ich weiß, dass ich diesen Kuss zulassen werde und auch, dass er tiefer wird. Und dass, obwohl ich mir geschworen habe es nicht zu tun, ich ihm erlauben werde die Nacht hier zu verbringen, sollte er es wollen. Wusste es vermutlich schon, als ich die Kondome in meine Tasche gesteckt habe.

Nur weil man einen Fehler zwei Mal begeht wird er dadurch nicht weniger falsch. Aber hier bin ich, bereit jede Vernunft zu vergessen.

Wird es so sein? Immer wenn etwas Unerwartetes passiert landen wir doch wieder im Bett? Banale Auslöser, die uns schneller in eine Abhängigkeit treiben könnten als uns lieb ist. Obwohl ich den Tod natürlich nicht als banal beschreiben würde. Aber jetzt ist es noch der Angriff, später vielleicht nur noch eine kleine Verletzung, dann reicht vielleicht schon die potentielle Gefahr bis wir irgendwann jede Ausrede gelten lassen um zu vergessen, dass wir eigentlich nur Kollegen sind.

Seine Hände greifen nach oben und lösen das Handtuch um meinen Kopf, es landet achtlos am Boden. Kalte Tropfen rinnen aus den noch feuchten Haaren meinen Nacken hinunter unter den Bademantel und ich versuche dem kalten Schauer zu entkomme, recke meinen Körper Mulder entgegen.

Die Hände nun an meinen Wangen, trennt er unsere Lippen kurz um ein „Langsam“ zu flüstern.

Ich will kein langsam. Soll das hier nicht eine Zelebrierung des Lebens werden? Ich bin nicht verletzt, zumindest nicht körperlich. Es gibt keinen Grund für langsam, im Gegenteil, es sollte stürmisch und ungebremst sein. So dass ich später sagen kann, es hat mich wieder überrascht. Es soll keine rational getroffene Entscheidung sein, nicht diesmal.

Vielleicht kann ich ihm diesen Gedanken austreiben.

Meine eigenen Hände stehlen sich über seine an meinen Wangen und sanft aber bestimmt löse ich seine Finger von meinem Gesicht. Umschließe seine großen so gut es geht mit meinen kleinen und lasse sie in seinen Schoß sinken.

Dann stehe ich vom Bett auf, stelle mich direkt vor ihn und löse den Knoten, der meinen Bademantel geschlossen hält.

Beim Aufstehen folgen seine Augen meinem Gesicht, doch als sich der Stoff meines Bademantels teilt wandern sie nach unten und ich wiege mich schon fast in Sicherheit, dass er mich nun an sich reißen wird und wir langsam vergessen.

Doch dann das Gefühl seiner Haut auf meiner. Seine Hand an meiner rechten Seite, sein Zeigefinger, der über die kleine Schramme fährt wo Tooms mich gekratzt hat. Sein Blick ernst und traurig.

Schnell ergreife ich die Hand, die meinen Plan zu Nichte machen möchte, mit meiner und führe sie hinauf zu meiner Brust. Es ist besser, wenn hier nur zwei Erwachsene die zufällig miteinander arbeiten, in gegenseitigem Einverständnis Sex haben, als wenn wir zulassen was es sonst noch sein könnte, kann er das nicht sehen?

Seine Augen suchen wieder Kontakt mit meinen und ich überlege, wie ich ihm erklären kann, dass alles was ich will, schneller, roher und fabelhafter Sex ist, von dem man im Nachhinein sagen kann, dass er nie passiert ist.

Aber ich brauch nicht mal meinen Mund zu öffnen um die hastig geformten Worte auszusprechen. Seine Hand beginnt von ganz allein sich gegen das Fleisch meiner Brust zu pressen, lässt seine Finger über die empfindliche Haut streicheln.

Ein letztes Mal widmet er seinen Blick dem kleinen, oberflächlichen Kratzer, beugt sich vor und lässt seine Lippen fast unmerklich darüber streifen. Dann wandert sein rechter Arm um meinen Körper, seine Hand legt sich auf meinen Rücken und dann zieht er mich so kraftvoll gegen sich, dass wir beide fast aufs Bett fallen.

Und das ist genau, was ich will.

Während sein Mund seinen Weg zu meinem Nippel findet und mich überraschend daran erinnert, was ich bei unserem letzten Zusammentreffen so schmerzlich vermisst habe, lösen meine Finger den lockeren Knoten seiner Krawatte und das erste Kleidungsstück seinerseits fliegt davon. Andere folgen. Zunächst sein Hemd, welches das einzige Kleidungsstück ist, was ich in meiner Position problemlos erreichen kann, obwohl es nicht einfach ist die Knöpfe zu öffnen, mit Mulders Zunge als Ablenkung die zwischen meinen Brüsten hin und her wandert.

Um besseren Zugang zu erhalten, knie ich mich auf das Bett über ihn sobald der Störfaktor Hemd die Bahn frei gemacht hat, setze mich auf seine Oberschenkel. Unser Größenunterschied sorgt dabei leider dafür, dass er seine Lippen nicht weiter auf meinen Brüsten ruhen lassen kann. Mein Partner, Improvisationstalent das er nun mal ist, lässt sich von dieser Tatsache aber nicht beirren und erkundet mit seinem Mund stattdessen die Haut an meinem Hals, hinauf bist zu meinem Ohr und wieder zurück bis in die kleine Kuhle unter meinem Kehlkopf.

Der Knopf seiner Hose lässt sich erst beim dritten Versuch öffnen und ich kommentiere meinen Erfolg mit einem erfreuten Murmeln und ich kann sein Lächeln auf mir kribbeln fühlen. Allerdings verschwindet das Gefühl sobald meine Finger den Reißverschluss langsam nach unten ziehen, wobei die Rückseite meiner Knöchel über die gespannte Erektion, unter dem Stoff gefangen, streifen.

Doch auch wenn der Reißverschluss nun aus dem Weg ist, wird Mulder kurz seine Hüften anheben müssen um die lästigen Klamotten los zu werden und das kann er wohl kaum solange ich noch auf ihm sitze. Also erhebe ich mich zurück auf meine Knie und hoffe, dass er schnell handeln wird, damit wir endlich keine Hindernisse mehr zwischen uns haben. Aber mein Partner hat andere Pläne, da er erkennt, dass angesichts meiner erhöhten Haltung über ihm meine Brüste wieder genau auf Höhe seiner Mundes sind und ohne jede Vorwarnung umschließen seine Lippen erneut einen harten Nippel. Jedoch mit mehr Saugkraft als beim ersten Mal und nur seine Hände, die meinen Rücken stabilisieren verhindern, dass mein sich ihm entgegen reckender Körper vom Bett fällt. Mein Kopf rollt zurück und ich schenke der Decke ein lang überfälliges Stöhnen.

Meine zurück gereckten Schultern verursachen das herab gleiten des Bademantels, so dass ich meine Arme einfach aus den Ärmeln ziehen und meine überhitze Haut von der Raumluft kühlen lassen kann. Mulders Hände, beide an meinem Rücken zentralisiert, lösen sich nach einander um die Baumwolle der Schwerkraft zu übergeben. Dann jedoch kehren sie an verschiedene Punkte zurück, eine Hand legt sich auf die empfindliche Haut kurz über meinem Hintern und ich wünschte er würde sie tiefer gleiten lassen. Die andere wandert zwischen meine Schulterblätter und bevor ich mir klar werden kann, was sein fester Griff, der mich eng an seinen Körper presst, zu bedeuten hat, erhebt er sich plötzlich mit mir vom Bett. Reflexartig schließen sich meine Beine um seine Hüften, wir haben schließlich Erfahrung was diese Position angeht. Meine Klitoris erinnert sich mit Freuden daran.

Eine schnelle Drehung seinerseits und schon bin ich unten. Durch dieses ganze Manöver hat sich sein Mund natürlich wieder von meiner Brust losgerissen und obwohl er jetzt meinen gesamten Körper zu seiner freien Verfügung hat beugt er sich über mich und küsst hungrig meine Lippen.

Wir sind aber trotz Stellungswechsel noch kein Stück höher auf dem Bett gerutscht und es wäre doch eine Verschwendung ein so großes, wundervoll weiches Bett nicht vollkommen auszunutzen. Da sein Gewicht nicht auf mir ruht, packe ich die Gelegenheit um meinen Körper Stück für Stück nach oben zu schieben, um den Kontakt zu meinen Lippen nicht zu verlieren ist er gezwungen mir zu folgen und nur Sekunden später liege ich bequem auf dem Bett mit dem warmen Körper meines Partners über mir.

Ein Problem bleibt aber nach wie vor noch bestehen, denn er ist unten rum noch immer komplett bekleidet, inklusive Schuhen. Während ich meine Zunge auf Entdeckungstour in seinen Mund schicke versuche ich mit Händen und Füßen irgendwie Hose und Unterhose wenigstens ein bisschen herunter zu schieben, Mulder versucht mit einer Hand ebenfalls zu helfen, aber es sind einfach zu viele Gliedmaßen an einer Stelle und mit einem frustrierten Grummeln trennt er unsere Lippen, Körper und jeglichen Kontakt zwischen uns, erhebt sich vom Bett und mit hastigen, etwas unkoordinierten Bewegungen entledigt er sich der überflüssigen Kleidungsstücke. Eigentlich sieht das eher komisch als attraktiv aus. Es könnte mich kaum weniger interessieren. Mein Körper und Geist wissen, dieser im Moment lächerlich aussehende Mann bringt Befriedigung und das ist alles was zählt.

Mein Atem geht schnell, mein Brustkorb hebt und senkt sich mit den kräftigen Atemzügen. Anstrengung, wilde Küsse und Erregung haben meinen Puls in die Höhe getrieben und ich kann es kaum erwarten meine Arme wieder um ihn legen zu können. Doch auch nachdem er nackt und wunderschön am Fuße des Bettes steht kehrt er nicht zu mir zurück.

„Mulder?“ Unsicherheit lässt meine Stimme schwach wirken.

„Wir haben kein Kondom“ erklärt er sein Zögern.

Oh.

„Tasche“ ich nicke in Richtung meiner kleinen Reisetasche, die neben der Tür steht und vermeide es Mulder anzusehen. Ich höre, wie er den Reißverschluss öffnet und dann eine ewig erscheinende Stille, so dass ich doch gezwungen bin meinen Blick auf ihn zu richten. Er hält die kleine Packung in der Hand und sieht mich fragend an.

Versuch nicht mir etwas zu unterstellen, Mulder.

Ich kann nicht erklären, warum ich sie eingepackt habe. Kann nicht sagen, dass ich das hier nicht geplant habe, weil der Gegenbeweis in deiner Hand liegt.

Warum kann er die Implikationen nicht einfach übergehen? Ich habe es getan, als ich in seiner Wohnung die Kondome ganz oben in der Schublade fand. Auch wenn ich weiß, dass die Situation nicht die Gleiche ist. In seinem Appartement hieß es nur, dass er allzeit bereit für eventuellen Damenbesuch ist. Heute, in meiner Tasche gibt es nur einen einzigen Mann für den sie bestimmt sein können.

Sekunden vergehen in denen eine Entscheidung getroffen werden muss und nur er kann sie treffen und es macht mich wahnsinnig keine Kontrolle mehr zu haben. Entweder er erkennt die Gefahr die er in seinen Händen hält, zieht sich an und geht und schon ein kurzer Gedanke daran erscheint mir unglaublich schmerzhaft. Oder wir akzeptieren und ignorieren den Punkt, dass wir heute Nacht vielleicht nicht einfach nur Sex haben, er bleibt bei mir und wir beide gehen den ersten Schritt in Richtung Abhängigkeit.

Es geschieht ganz überraschend.

Es geschieht ganz entgegen allen Erwartungen.

Es geschieht so.

Das erlösende Geräusch einer aufreißenden Zellophanhülle besiegelt seine Entscheidung. Meine Hände kribbeln sehnsüchtig als ich betrachte wie er das Kondom über seine Erektion streift, wollen diesen Job am liebsten wieder selbst übernehmen. Ich vergrabe meine Zähne in meiner Unterlippe um dem verräterischen Stöhnen Einhalt zu gebieten, dass sich herauskämpfen möchte.

Auf mich wirken die drei Schritte, die er braucht um die Distanz zwischen uns zu überbrücken unendlich lang, doch dann sinkt die Matratze unter seinem Gewicht nach unten und meine Hände legen sich sofort an seine Wangen und ziehen seine Lippen auf meinen wartenden Mund. Zeige ihm mit sanften, tiefen Küssen wie dankbar ich für seine getroffene Entscheidung bin, auch wenn sie irgendwann unser Verderben werden könnte.

Doch als er seinen Körper in Position bringt, unsere Lippen auseinander reißen und nur noch Zentimeter uns trennen, schiebe ich seine Hand, die seinen Penis leiten möchte zur Seite und ersetze sie durch meine Eigene. Denn nur so erhalte ich den Augenblick seiner Aufmerksamkeit der so wichtig ist um zumindest den Schein zu wahren, bevor wir uns komplett diesem Wahn hingeben können.

„Das wird nicht zur Gewohnheit“ hauche ich schnell, obwohl ich nicht weiß, ob ich damit den Sex im Allgemeinen meine oder was auch immer hier gerade zwischen uns passiert.

„Okay“ ist seine raue, ungeduldige Antwort, bereit die Lüge zu ignorieren und das muss reichen, denn ich kann keine längere Verzögerung mehr ertragen. Mein Körper nimmt seine Erektion auf wie einen alten Freund.

Er stützt sich auf seine Unterarme und diese Stellung ist perfekt, so dass er seine Lippen immer wieder kurzfristig auf meine legen kann, doch er ist zu unruhig um mich lang und innig zu küssen. Seine Bewegungen in mir aber sind langsam und konzentriert und dabei so tief und unbeschreiblich gut, dass ich schreien möchte um dem ansteigenden Druck zu entkommen.

Meine Hände wandern hungrig und neugierig über seinen Körper, denn auch diese Entdeckung ist mir bei unserer ersten stürmischen Begegnung verwehrt geblieben und wenn ich das alles hier später ignorieren muss, dann will ich wenigstens wissen, was ich vergessen soll. Jede Kerbe, jeder Muskel, jede Struktur seiner Haut wird von meinen Fingerspitzen inspiziert. Seine Schultern, seine Brust, sein Bauch, der Punkt an dem wir beide zu einander finden und ich weiß, dass ich mit ein paar schnellen Berührungen ein befriedigendes Ende herbei führen könnte, aber auch wenn ich vorhin noch schnell wollte, bin ich jetzt noch nicht bereit es zu beenden.

Sein heißer Atem streicht über mein Gesicht wann immer sein Mund von meinem lässt und hin und wieder ändert er sein Ziel und verteilt kleine Küsse mit geöffneten Lippen auf jede Stelle die er erreichen kann. Mein Nasenrücken, der kleine Punkt zwischen meinen Augenbrauen, meine Wangenknochen, die Spitze meines Kinnes und wenn seine Hüften nicht stetig auf meine treffen würden, würden diese Gesten beinahe tröstlich wirken.

Aber irgendwann sind diese liebevollen Berührungen und seine langen, tiefen Stöße nicht mehr genug, ich fühle wie mein Gehirn anfangen möchte zu analysieren und ich fürchte die möglichen Ergebnisse. Wenigstens einen Augenblick und sei es nur für einen Moment, wenn ich es auch nicht die ganze Nacht schaffen werden, möchte ich nur fühlen.

Also platziere ich meine Füße auf der weichen Überdecke und bei seiner nächsten Bewegung in meinen Körper schiebe ich ihm meine Hüften entgegen. Sein überraschtes Aufstöhnen begleitet die plötzliche Kraft hinter diesem wundervollen Gefühl. Wir wiederholen diese Prozedur wieder und wieder, bis wir ein knochenbrecherisches Tempo aufgebaut haben und ich liebe jede Minute.

Um eine bessere Bewegungsfreiheit seines Beckens zu erlangen, verlagert er sein Gewicht etwas von seinen Armen auf meinen Körper, presst die Luft für eine Sekunde aus meiner Lunge und ich bin gezwungen meine Hände, nun plötzlich zwischen unseren Leibern gefangen, von seinem Bauch zu lösen. Eigentlich möchte ich sie auf seinen Rücken oder seinen Hintern legen, aber ich traue mir selbst nicht, ihn in der Hitze des Augenblickes nicht zu kratzen und wir müssen wirklich aufhören Spuren auf dem Körper des Anderen zu hinterlassen, also kralle ich meine Finger stattdessen in die Decke.

Mulder findet in der Zeit einen neuen obsessiven Punkt außer meinen Lippen und meinem Gesicht und diesmal entkommt mir tatsächlich ein kleiner Schrei als seine Zunge heiß und feucht beginnt mein Ohr zu umkreisen. Um weitere laute Bekundungen meinerseits zu unterdrücken drücke ich meinen Mund auf seine Schulter, erinnere mich daran nicht in das verführerisch leicht salzige Fleisch zu beißen.

Die angespannte Erwartungshaltung meines Körpers wird mich noch umbringen, aber die prickelnde Lust, die durch meine Adern jagt, vertreibt endlich jeden anderen Gedanken außer dem Mann in mir. Kein kalter Fliesenboden an meinem Rücken nur warme, weiche Baumwolle. Kein Leber fressendes Monster über mir, nur Mulder. Keine fast schon lähmende Angst, nur brennende Erregung.

Meine Hände, zu Fäusten um den dicken Stoff geballt, sehnen sich nach dem Gefühl seiner Haut unter meinen Fingerspitzen und ich drücke sie fester in die Matratze, schließe meine Lippen an seiner Schulter, weil ich nur Sekundenbruchteile von dem Moment entfernt bin, wo es mir egal ist, ob ich ihn fürs Leben zeichne.

Dann verlagert er erneut sein Gewicht und damit auch den Winkel indem wir aufeinander prallen und ich halte meine Augenlider mit solcher Kraft geschlossen, dass ich Tränen auf meinen Wangen dahin rinnen fühlen kann. Zwei weitere unmenschliche Stöße und ich komme und merke wie Mulder über mir ganz ruhig wird und ich könnte es sicher als mir bekanntes Vorzeichen für seinen eigenen Orgasmus erkennen, wenn ich nicht gerade fliegen würde.

Es dauert für immer.

Und ist doch viel zu schnell vorbei.

Ich versuche das Gefühl von seinem befriedigten Körper über mir solange wie möglich zu genießen, bis die kühle Raumluft auf meiner nackten, überhitzten Haut darauf hinweist, dass so die Nacht zu verbringen eine schlechte Idee ist, also gebe ich ihm einen kleinen Anstoß und er rollt mit einem zufriedenen Brummen auf seinen Rücken.

Eigentlich sollte ich ihn jetzt rauswerfen, das weiß ich. Aber stattdessen drapiere ich meinen Leib unter die Decke und sehe ich zu, wie er das Kondom entsorgt, ebenso unter die Decke kriecht, sich zurück zu mir dreht und lasse zu, dass er seine Brust nah an meine eigene kuschelt, wobei sein Arm Besitz ergreifend meinen Oberkörper umschlingt. Das fühlt sich erstaunlich gut an, sogar so gut, dass ich es auch ohne den Sex immer wieder gerne fühlen würde. Aber das ist nur ein weiterer gefährlicher Pfad in diesem Spiel, also versuche ich es mir selbst und ihm auszureden.

„Das wird auch nicht zur Gewohnheit“ tadele ich sein Verhalten, schmiege mich jedoch enger an seinen warmen Körper, gebe ihm einen federleichten Kuss. Denn heute bin ich dem Tod entronnen und ich habe mir diesen Luxus verdient.

„Ich weiß, jetzt versuch zu schlafen“ gähnt er schläfrig an meine Lippen, aber es wird noch Stunden dauern, bevor mein Verstand meinem erschöpften Körper endlich die ersehnte Ruhe gönnt.

Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffne ist Mulder bereits verschwunden.

 

Zwei Tage später, als wäre nichts geschehen, fahren wir in die Klinik, in der Tooms den Rest seines Lebens verbringen wird. Zum einen um sicher zu gehen, dass er in einem für ihn geeigneten Raum gehalten wird und zum anderen um die ersten Untersuchungsergebnisse abzuholen. Denn Eugene wird nicht nur ewig ein Gefangener sein, seine einmalige Fähigkeit wird ihn auch zu einer dauerhaften Laborratte machen. Ich kann kein Mitleid für ihn empfinden.

Denn obwohl ich inzwischen wieder in meiner Wohnung wohne werde ich dort ständig an ihn erinnert. Ich habe bereits begonnen die Wohnungsanzeigen zu studieren und hoffe, dass ich bald eine neue Bleibe ohne diese Vergangenheit finde.

Während ich mit dem Leiter der Klinik über die ersten Testergebnisse spreche, übernimmt Mulder den Part sich mit dem Personal über Tooms Unterbringung auseinander zu setzen. Der Neuzeitmutant wird in einer kleinen Zelle ohne Lüftungsgitter, mit einem Fenster aus bruchsicherem Glas und einer isolierten Eisentür seinen Lebensabend verbringen. Die einzige Schwachstelle ist die Öffnung für das Essenstablett, die aber ebenso aus bruchsicherem Plexiglas besteht und nur dann eine Möglichkeit bietet, wenn sie jemand vergisst zu schließen. Ich denke, Mulders eindringliche Ansprache vor dem Klinikpersonal garantiert, dass das für die nächsten Jahre definitiv nicht passieren wird.

Als ich zu ihm stoße, steht er vor der Zelle und starrt abwesend zu dem Mutanten, der sich bereits ein neues Nest baut. In kurzen Worten vermittle ich ihm, was ich vom Direktor erfahren habe und was ich für Tests angeordnet habe, aber Mulder ist abwesend und ich frage mich, ob er an den verhängnisvollen Abend denkt und an das, was hätte passieren können, wenn er nicht rechtzeitig in meiner Wohnung gewesen wäre. Ich denke daran, auch wenn ich versuche es nicht zu tun.

So wie ich versuche nicht daran zu denken was danach im Hotelzimmer passiert ist und über das wir nicht sprechen.

Auf dem Weg von der Klinik zurück zum Auto bleibt er plötzlich stehen.

„Alles in Ordnung?“ ich möchte nicht besorgt klingen, weiß aber, dass ich es nicht verhindern kann.

„Ja, es ist nur“ er zieht etwas aus seiner Jackentasche. „Ich war gestern Abend unterwegs und bin an einem Pfandhaus vorbeigekommen, dass auch Schmuckstücke verkauft und weil Deines ja ein Beweisstück ist“ er öffnet seine Hand und ich kann St. Michael erkennen, es ist nicht genau wie mein Amulett, aber ähnlich.

„Mulder, das kann ich nicht annehmen“ versuche ich abzulehnen, aber er schüttelt den Kopf.

„Doch, denn nach allem was passiert ist, darfst du nicht zulassen, dass er“ er nickt mit seinem Kopf in Richtung Klinik „oder irgendjemand sonst dir diesen Glauben und diesen Schutz nimmt“ er legt den kleinen Anhänger in meine Handfläche und schließt meine Hand mit seinem Fingern darum. „Manchmal ist der Glaube nämlich alles was uns bleibt.“ Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll, wie ich meine Dankbarkeit ausdrücken könnte. Aber Mulder erwartet gar keine Antwort, löst seine Finger lächelnd von meinen und setzt sich Richtung Auto in Bewegung.

„In dem Laden habe ich auch gleich noch einen Schutzpatron für mich gefunden“ ergänzt er locker und ich sehe ihn fragend an, er zieht sein Amulett aus der Tasche und zeigt es mir. „Judas Thaddäus.“

„Und wofür steht der?“ frage ich neugierig.

„Er ist der Schutzpatron für die hoffnungslosen Fälle“ grinst er frech und ich lache noch als ich ins Auto einsteige.

Manchmal geschieht es ganz überraschend.

Manchmal geschieht es ganz entgegen allen Erwartungen.

Aber manchmal geschieht es einfach…

Ende


… und wenn sie nicht gestorben sind, dann jagen sie noch Heute Mutanten und Verschwörer.

Zumindest für die wenige Zeit, in der die Fantasie sich mit diesem kleinen Schmuckstück beschäftigt, können wir das glauben. Ein Happy End ist nicht unerreichbar, aber Niemand behauptet, es sei einfach. Deshalb brauche ich manchmal so kitschige Geschichten, die man einfach nur lesen kann und sich denkt „Hach, ist das schön“ begleitet von einem wehmütigen Seufzen. Ich hoffe ich konnte euch auch so einen Moment bescheren, denn das hier war harte Arbeit, ich kann gar nicht sagen, wie oft ich allein die letzten drei Zeilen neu geschrieben habe, aber es muss sicher ein dutzend Mal gewesen sein.

Bis zum nächsten Mal, Netty.

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