World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Hanuman

von Steffi Raatz

Kapitel 2

***

Seine Arbeit half ihn abzulenken, doch immer wieder schweiften seine Gedanken zu der Frau, die ihn zum ersten Mal im Leben wirklich innerlich berührt hatte.

Wütend pfefferte er die gehasste Akte in eine Ecke des Büros, nur um sie wenige Minuten später wieder einzusammeln und erneut durchzulesen.

Er war der festen Überzeugung, dass an Nataschas Theorie etwas Wahres dran sein musste. Wer hätte sonst Interesse an ihrem Mord gehabt als der Täter?

Sehnsüchtig blickte er aus dem Bürofenster und erblickte das Bildnis von Natascha.

"Es muss etwas geschehen!", fluchte er, griff nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer in Washington D.C.

"Walter? ...hier ist Richard, Richard Masters. Ich brauche deine Hilfe..."

***

Washington D.C., J. Edgar Hoover Building, am gleichen Tag

Es war gerade 8:00 Uhr durch, doch Mulder schien bereits zu arbeiten. Das Licht brannte und einige Akten lagen verstreut auf dem Boden und seinem Schreibtisch. Das Büro war so furchterregend kalt, dass Scully sich entschloss ihren Mantel anzubehalten.

"Die Heizung ist defekt!" Mulder betrat das Büro mit einem Schal um den Hals.

"Man könnte meinen, wir befinden uns in einer Tiefkühlhalle!", zischte Scully zwischen ihren klappernden Zähnen hindurch und setzte sich an ihren Platz. Ihre Begrüßung blieb aus.

"Vielleicht möchte man uns ja einfrieren und in besseren Zeiten auftauen?", witzelte Mulder.

"Ich denke, wir kämen eher als Schauobjekte in eine Freakshow!", grummelte Scully und versuchte ihre Hände warm zu reiben.

"Wie wäre es mit warmen Gedanken, liebste Partnerin?" Mulder ging vor ihr in die Hocke und ergriff ihre Hände, um ihr zu helfen, sie warm zu rubbeln. Sie lächelte ihn mit einem warmen Ausdruck in den Augen an und genoss den Augenblick vertrauter Zweisamkeit.

"Agent Mulder, Agent Scully?"

Beide blickten erstaunt auf und registrierten Skinners Erscheinen in der Tür.

Mulder ließ ihre Hände abrupt los und richtete sich wieder auf. Die zarte Verbindung zwischen ihnen brach entzwei. Scully seufzte.

"Director Skinner, was treibt Sie in dieses Kellerloch?"

"...Gefriertruhe!", unterbrach Scully leise schimpfend Mulders Begrüßung.

"Ich weiß, es ist verdammt kalt hier..."

"Nein wirklich?", zischte sie und bedachte ihren Vorgesetzten mit einem ihrer patentierten Blicke.

Skinner war im ersten Augenblick sprachlos, fasste sich jedoch wieder und begann mit ernster Miene sein Anliegen darzulegen.

"Sie sollen für kurze Zeit in der VCU in New York aushelfen. Ich kann Ihnen noch nichts genaues sagen, das muss Assistant Director Masters übernehmen, aber da man dort weiß, dass Sie eine ausgezeichnete Pathologin", wandte er sich an Scully, "und Sie ein Spezialist auf dem Gebiet Serienmörder und Psychopathen sind", richtete er sein Wort nun an Mulder, "hat man Sie angefordert. Also gehen Sie Ihre Sachen packen, Ihr Flug geht in drei Stunden."

Scully rauschte an ihm vorbei: "Und nebenbei schließen Sie unsere Abteilung und machen hier einen Gefrierschrank für die Kantine daraus, alles nur Verschwörung!"

Skinner blickte ihr verwirrt hinterher. So kannte er sie ja nun gar nicht.

Mulder grinste: "Sie hat heute einen schlechten Tag!"

Dann eilte auch er an Skinner vorbei, kehrte jedoch noch einmal um und sah Skinner zweifelnd an: "Das mit dem Psychopathen war nicht persönlich gemeint, oder?" Eine Antwort gar nicht erst abwartend, zuckte er mit den Schultern, so nach dem Motto: 'Ist ja eh egal' und folgte Scully den Flur hinunter. Zurück blieb ein maßlos verwirrter und sprachloser Skinner.

Nach wenigen Metern hatte Mulder Scully wieder eingeholt und tippte ihr von hinten auf die Schulter: "Könnte es sein, dass meine allerliebste Partnerin schlechte Laune hat?"

"Ja und nein, mein herzallerliebster Partner", entgegnete sie im Weitergehen.

"Und? Würdest du mir verraten warum?"

"Nein, würde ich nicht."

"Hach", er seufzte theatralisch, "du hast kein Vertrauen mehr zu mir."

Lachend knuffte sie ihm in die Seite. Er konnte es doch immer wieder schaffen, sie zum Lachen zu bringen.

"Ich habe eine Meinungsverschiedenheit mit meiner Mutter", kam sie schließlich mit der Sprache raus.

"Mit deiner Mutter? Mit dieser hinreißenden Frau?"

"Wieso erzähl ich dir das überhaupt? Wir haben doch noch nie über solche Dinge geredet!" platzte sie erstaunt heraus.

"Es gab da eine merkwürdige Nacht, da... ", absichtlich zögerte er den Rest des Satzes ein wenig heraus und dachte an das merkwürdige Gespräch in dem Hotel in Philadelphia, welches sie vor kurzer Zeit mitten in der Nacht bei einem vorausgegangenem Fall geführt hatten.

Scully lächelte, um ihre Unsicherheit zu verbergen und ergänzte seinen Satz: "Da war ich so verwirrt, dass ich dir tatsächlich fast jede Frage über mich beantwortet habe. Ich begreife das bis heute noch nicht!"

"Dann muss das Liebe sein!", flachste er und handelte sich damit einen weiteren Knuff in die Rippen ein.

***

"Ich möchte wirklich wissen, warum wir nach New York gescheucht werden?"

Scully registrierte das gelbe Schild, welches sie zum Anschnallen aufforderte und begann ihre Gurtschnallen zusammen zu suchen: "Es muss sehr dringend sein, wenn wir jetzt schon im Flieger sitzen."

"Psychopath hat er mich genannt...", brummte Mulder in seine Zeitung 'Der einsame Schütze' vertieft.

"Er hat gesagt, du kennst dich mit Psychopathen aus, Mulder", entgegnete Scully und wunderte sich insgeheim, dass er nicht eines seiner Glanzheftchen in der Hand hielt.

Er grinste sie schief an: "Ist das nicht bei mir das selbe?"

***

"Willkommen im 'Big Apple' - die New Yorker haben einen eigenartigen Humor!", brummte Mulder während er sich in der Ankunftshalle des New Yorker Flughafens einen Prospekt aus einem Prospektkorb zog, der New Yorks Silhouette zeigte und die Form eines riesigen Apfels hatte.

"Fehlt nur noch, dass Godzilla in den Apfel beißt", fantasierte er weiter, als im gleichen Augenblick in einiger Ferne ein Mann in einem Godzilla-Kostüm über einen Koffer stolperte und lauter Kinoprospekte fallen ließ.

"Ouh...", murmelte Mulder und folgte der schmunzelnden Scully zu den Taxiständen.

"Agent Scully, Agent Mulder?" Ein blonder Hüne winkte sie aus einiger Entfernung zu sich heran.

"Assistant Director Masters?" Scully sah ihr Gegenüber erstaunt an. Sie hatte sich Masters völlig anders vorgestellt.

Er schüttelte beiden die Hand und führte sie zu seinem Dienstwagen: "Ich bringe Sie jetzt erstmal in Ihr Hotel, dann können wir morgen früh alles Weitere besprechen."

"Warum sprechen wir nicht gleich? Wir haben Zeit - haben wir doch, oder?" Mulder blickte Scully fragend an.

"Sicher! Also warum haben Sie uns angefordert? Wir sind doch eigentlich ein abschreckendes Beispiel für andere Abteilungen."

Mulder räusperte sich beleidigt, doch Scully ignorierte ihn geflissentlich.

"Sie haben die höchsten Aufklärungsraten und laut Ihren Profilen zu urteilen, zählen Sie zu den intelligentesten Köpfen des FBI", antwortete Masters und startete seinen Wagen.

Scully nahm auf dem Beifahrersitz Platz und registrierte, wie sich Mulder auf die Rückbank zwängte: "Sie wissen aber doch garantiert, dass wir ...na ja, wie soll ich es sagen... eher außergewöhnliche Fälle bearbeiten."

Masters lenkte seinen Wagen auf die Hauptverkehrsstraße und lächelte. Ein trauriges Lächeln, registrierte Scully.

"Ich weiß über Sie Bescheid, keine Sorge, aber genau deshalb habe ich Sie ja angefordert."

"Weil Sie wissen, welche Art von Fällen wir bearbeiten?", fragte Mulder nun erstaunt nach.

"Sicher. Und der Fall, an dem ich arbeite, wird Sie garantiert interessieren!"

***

"Weshalb will er uns das alles erst morgen erzählen?" Mulder behagte es gar nicht, dass Masters sie so schnell zum Hotel gebracht hatte.

"Weil wir vielleicht zu müde sind, um noch aufnahmefähig zu sein? Mulder, sei nicht so ungeduldig, du wirst deinen UFOs und Gespenstern schon noch früh genug nachjagen können."

"Du kannst mir nicht erzählen, dass du überhaupt nicht daran glaubst! Dazu hast du viel zu viel gesehen!" Mulder stemmte beide Hände neben sie an die Wand und war mit seiner Nasenspitze schon wieder viel zu nah an ihrer, während er sie indirekt zu Recht wies.

"Mag sein, dass ich genug gesehen habe, aber was bedeutet das schon?", lächelte sie und schlüpfte unter einem seiner Arme durch.

"Hey!" Mit schnellen Schritten war er wieder neben ihr und betrat den ankommenden Fahrstuhl.

"Masters hat dich erstaunt, wieso?"

Er hatte blitzschnell das Thema gewechselt und sie damit völlig aus dem Konzept gebracht. Erstaunt sah sie Mulder an: "Wie kommst du denn darauf?"

"Nun sag schon, du hast ihn dir anders vorgestellt, oder?", entgegnete er, ohne auf ihre Frage einzugehen.

"Ja, irgendwie älter und unattraktiver. Nicht so durchtrainiert und sportlich."

"Durchtrainiert, sportlich, attraktiv...soso...", murmelte Mulder und betrachtete ihr Gesicht eingehend.

"Lass das! Sieh mich nicht so an!"

"Was hast du dir denn vorgestellt?", hakte er nach.

Scully verdrehte demonstrativ die Augen: "Vielleicht jemanden, der eher wie Skinner aussieht oder noch älter. Was weiß ich, jedenfalls..."

"...jedenfalls keinen so gut aussehenden Mann also. Ah ja." Er fuhr sich mit einer Hand über das Kinn und wirkte nachdenklich.

Scully hatte ein amüsiertes Zucken um ihre Mundwinkel, während sie ihn betrachtete.

***

Tamara räkelte sich auf einem grünen Samtbezug und betrachtet ihren Gegenüber mit glänzenden Augen: "Willst du nicht doch zu mir kommen?"

Sie streckten ihm ihre Arme entgegen und versuchte ihn mit ihren Blicken zu locken, doch ihr Gegenüber blieb unberührt von dem Schauspiel, so dass sie beleidigt ihre Arme zurück zog und sie vor der Brust verschränkte.

"Tamara, sei vernünftig, wir haben Wichtigeres zu erledigen!"

"Meine Güte, du hast vielleicht eine Angst vor diesem Typen. Was kann er dir schon tun? Er ist doch ein kleines Nichts!" Verächtlich begutachtete sie die vor Anspannung zitternde Hand ihres Gegenübers.

"Du wirst es noch begreifen! Er ist gefährlicher als irgendeine Regierung!", entgegnete dieser und zündete sich eine Zigarette an.

"Musst du so viel rauchen? Das ist ja widerlich!" Sie verzog ihr Gesicht und wedelte mit der Hand den Rauch aus ihrer Richtung.

"Geh an die Arbeit und lass mich meine tun, okay?"

"Unterschätze mich nicht, mein Lieber!", zischte sie gefährlich und ihre smaragdgrünen Augen funkelten ihn mordlustig an.

Er blies den Rauch in die Luft und lehnte sich lässig an die Wand, ihre Reaktion geflissentlich ignorierend: "Ich unterschätze niemanden, vor allem nicht Fox Mulder!"

***

"Sind wir hier richtig?" Mulder ließ seinen Blick die Etage rauf und wieder runter gleiten.

"Wir hätten auf Masters warten sollen, dann würden wir hier nicht wie bestellt und nicht abgeholt da stehen!", kommentierte Scully und lehnte sich seufzend an die Wand hinter sich.

"Meine Güte, Scully, wer beginnt denn schon um 9.00 Uhr morgens mit der Arbeit?"

"Ich weiß, du nicht. Du beginnst entweder mitten in der Nacht oder erst mittags", seufzte sie und betrachtete beiläufig die Türschilder.

"So schwer kann das Büro von einem Assistant Director doch nicht zu finden sein", schimpfte er und eilte zum zigsten Male den Gang rauf und runter.

"Vielleicht finden wir es nicht, weil wir falsch suchen", entgegnete sie und stieß sich von der Wand ab, um auf ein Zimmer mit der Aufschrift 'Secretary AD' zu zusteuern.

"Wie wär’s hiermit?" Mit einer einladenden Handbewegung präsentierte sie die Tür und betrat das Büro. Mulder folgte ihr und prallte gegen sie, als sie plötzlich stoppte.

"Was...?"

"Mulder, ich denke, wir sollten lieber auf Masters warten", flüsterte Scully und ging in die Hocke um die Blutspuren am Boden genauer zu betrachten. Sie waren eingetrocknet, aber irgendwas sagte ihr, dass sie noch nicht sehr alt waren.

"Ich denke, das sollten Sie!", vernahmen beide und drehten sich zu Masters um, der den Raum hinter ihnen betrat. Seine Stimme klang, als ob er einen Wutausbruch hinter sich hatte, und seine ganze Haltung hatte sich im Gegensatz zum Vortag verändert.

"Was geht hier vor, Masters? Und erzählen Sie uns endlich die ganze Geschichte!", fuhr Mulder ihn an.

"Mulder, bitte!", hielt Scully ihn zurück. Sie sah die Traurigkeit auf Masters’ Gesicht, während er die Blutflecken betrachtete. Irgendwas stimmte hier nicht, das war kein 'normaler' Fall im Sinne von paranormal oder Ähnlichem.

Sie folgten ihm in sein Büro, neugierig wartend, welche Erklärung er parat hatte.

"Setzen Sie sich." Er deutete ihnen an, Platz zu nehmen und reichte Mulder die Akte.

"Sie war meine Sekretärin", begann er und musste schlucken.

"Sie hat mir bei dem Fall geholfen - Natascha war eine Seele von einem Mensch. Vermutlich hat man sie wegen ihrem Wissen umgebracht."

"Natascha Duncan?" Mulder blickte von der Akte auf und sah, dass sein Gegenüber Schwierigkeiten hatte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.

"Ja, Natascha..."

Mit aufgewühlten Gefühlen, die in seinem Inneren tobten, versuchte er seinen Blick aus dem Fenster zu richten.

"Kann es sein, dass Miss Duncan mehr für Sie...", begann Scully.

"Ja, sie war mehr für mich", schluckte Masters.

Scully und Mulder sahen sich an. Ihr lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.

Mulder fand seine Fassung als erster wieder und räusperte sich: "Sir, kann es sein, dass sie vielleicht umgebracht wurde, weil sie mit Ihnen..., weil Sie..."

Mulder mochte das Vermeintliche nicht aussprechen.

"Das...," Masters versuchte über seine Gefühle die Kontrolle wiederzuerlangen, "...das war auch meine erste Vermutung, aber ihre Erklärungen für den Fall waren so klar, so logisch - wie sie selbst in ihrem Denken..."

Mulder ließ seinen Blick kurz zu Scully schweifen und überdachte die Ähnlichkeiten...

***

Mulder reichte Scully einen Hotdog und fuhr in seiner Analyse fort: "Wir haben also den Diebstahl von ausländischem Forschungsmaterial, einen Mord an einem Agenten sowie dessen verschwundene Dateien, einen Massenmord an einem Konzernvorstand und den Mord an einer FBI-Sekretärin, die angeblich zu viel wusste."

"Mh, vergiss den Mord an diesem Banker und seiner Frau nicht und den weiteren Diebstahl", ergänzte Scully kauend.

"Was wurde eigentlich beim letzten Raub gestohlen?", murmelte Mulder in seinen Hotdog.

Hastig blätterte Scully in ihrer Aktenkopie und stockte erstaunt.

"Es wurden Zigaretten geklaut, über 300 Packungen Zigaretten! Was zum Teufel..."

"Dann kann nur der Krebskandidat dahinter stecken", feixte Mulder, während er sich das letzte Stück seines Hotdogs in den Mund schob.

"Nein, mal ganz ehrlich, wie sagte Masters, der letzte Raub muss nicht unbedingt etwas mit den anderen Morden und Diebstählen zu tun haben", erwiderte Scully auf Mulders Kommentar mit einem Kopfschütteln.

"Welche Marke wurde denn geklaut?" Mulder versuchte in die Akte zu schielen.

"Morleys... Mulder! NEIN!", zischte Scully und klappte die Akte ganz schnell wieder zu.

Er schmunzelte und leckte sich genüsslich die Finger ab, an denen noch Reste der Hotdog-Soße klebten. Daraufhin strafte sie ihn mit einem ihrer patentierten Blicke, den er wieder mal geflissentlich überging.

"Aber warum in aller Welt seine Sekretärin?", grübelte Mulder auf den eigentlichen Fall wieder eingehend.

"Sie war der Wahrheit vielleicht mit ihren Ausführungen näher gekommen, als sie vermutete und deshalb hat man sie umgebracht", erläuterte Scully und blickte gen Himmel, wo sich dunkle Wolken zusammenbrauten.

"Aber wer wusste von ihren Ausführungen? Doch nur Masters! Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Frau, die ihm was bedeutet umbringt oder umbringen lässt", wog Mulder die Wahrscheinlichkeiten ab.

"Ich auch nicht. Also muss noch jemand davon gewusst haben, aber wer?", entgegnete sie und wischte sich die Hände an einem Tuch ab, die Akte unter den Arm geklemmt.

"Vielleicht verschweigt uns Masters etwas?"

"Denkst du das wirklich?" Ihre Augen blickten ihn fragend an.

"Vielleicht unbewusst. Wer weiß, es kann doch sein, dass er ein paar Fakten als belanglos abtut oder etwas vergessen hat", schlussfolgerte er.

"Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wenn auch sein Büro einem kleinen Chaos glich - wobei ich anmerken möchte, dass das bei dir auch ständig der Fall ist und ich dich trotzdem nicht für schlampig halte - so vermute ich in ihm eine sehr korrekte Person, was Daten und Fakten angeht", erläuterte sie und bedachte ihren Partner mit einem vielsagenden Blick.

"Gewonnen!", entgegnete er und nahm dankend das Papiertuch seiner Partnerin an, um sich die Finger abzuwischen.

"Irgendwie war Masters heute verändert." Scully zog ihren Mantel enger zusammen.

"Er wirkte auf mich, wie... wie..." Sie fuhr sich nachdenklich durchs Haar. "Ja! Wie du, wenn du einen Fall entzogen bekommst! Exakt so!"

Mulder sah seine Partnerin abschätzend an: "Pass auf was du sagst, meine Liebe!"

"Nein, ehrlich Mulder, er wirkte verändert", entgegnete sie.

Nachdenklich ließ er Masters Gebaren und ihr Gespräch Revue passieren, doch er musste Scully zustimmen. Irgendwas war geschehen vor ihrem Gespräch. Masters hatte noch am Vorabend große Andeutungen gemacht, doch bei ihrem Gespräch nur wenige Stunden zurück, war er sehr spärlich mit Informationen gewesen.

Sie schritten eine Weile schweigend nebeneinander her und überdachten ihre eigenen Schlussfolgerungen zu diesem Fall. Und es schien fast wie Gedankenübertragung, als sie sich plötzlich gleichzeitig die identische Frage stellten:

"Und wo ist der Aspekt des Falles, der ihn dazu veranlasste uns zu holen?"

***

"Meine liebe Miss Vermont, Sie sollten nicht den Klang eines so wunderbaren Instrumentes unterschätzen", flötete der Antiquitätenhändler in das Ohr seiner Kundin.'

Diese hatte jedoch zum Leidwesen des Händlers nur Augen für einen äußerst schlichten und relativ wertlosen Spazierstock.

"Nein, Miss Vermont, das kann nicht ihr Ernst sein! Ich bitte Sie, dieses unbedeutende Stück Holz kann für eine solch anspruchsvolle Dame, wie Sie es sind, nicht von Interesse sein!"

"Mein lieber Bernard, diesen Spazierstock oder gar nichts! Hören Sie auf zu debattieren."

Er löste den Stock aus seiner Halterung und reichte ihn seiner Kundin, die diesen mit geschultem Auge überprüfte: "Ja, durchaus, dies ist der Richtige."

Sie reichte ein Bündel Geldscheine an den Händler und verließ das Antiquariat mit einem siegessicheren Lächeln.

Keine drei Straßen weiter stieg sie in einen roten Sportwagen und streifte sich die Perücke von den Haaren.

"Ey, was haben wir denn da?!" lächelte sie und öffnete mit Brachialgewalt den Griff des Stockes, um ein kleines, noch nicht sehr altes Schriftstück mit Formeln zu entnehmen.

"Danke!" ertönte es hinter ihr.

Erschrocken wirbelte sie herum und sah in ein ihr vertrautes Gesicht.

"Verdammt, du sollst mich nicht so erschrecken!", fauchte sie und ihre smaragdfarbenen Augen leuchteten wieder mal wütend.

"Du solltest dich daran gewöhnen, dass ich ungesehen komme und gehe, Tamara."

Sie reichte ihm das Schriftstück und starrte auf den rot glühenden Punkt der Zigarette, der ihr als einzige Orientierungshilfe zur Verfügung stand. Ihr Auftraggeber zog es vor sich ins Dunkle zurückzuziehen.

"Wofür brauchst du all diese Dinge? Es erscheint mir ein wenig zusammenhanglos."

"Das musst du nicht wissen!", entgegnete er mit eisiger Stimme, die sie dazu veranlasste, nicht einmal mehr darüber nachzudenken.

"Welche Aufträge hast du nun für mich?"

Ihre Stimme war ein weiches harmonisches Säuseln, welches so ziemlich jeden Mann um den Verstand gebracht hätte, doch ihr Gegenüber blieb völlig unbeeindruckt.

"Schaff Masters aus dem Weg!"

"Den blonden Hünen?" Sie seufzte ein wenig enttäuscht, hatte er ihr doch recht gut gefallen.

"Tu einfach deine Arbeit!", kam die Stimme aus dem Dunkeln und als Tamara sich ein weiteres Mal nach ihm umsah, war ihr Auftraggeber spurlos verschwunden.
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