World of X

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Im Einzelnen liegt die Macht der Erkenntnis

von Steffi Raatz

Kapitel 1

"Vielleicht muß man manchmal seltsame Wege gehen, um zu bekommen, was einem zusteht. Vielleicht gibt es aber auch nur einen Weg, den man erkennen muß, damit sich unser Schicksal erfüllt."



Die Nacht war so klar wie selten. Jeder einzelne Stern am Firmament war zu erkennen und für einen Augenblick glaubte sie, unendlich glücklich zu sein. Dann spürte sie Angels Gegenwart und allein das verursachte ein bitteres Gefühl in ihrem Inneren. Nicht, daß es an ihm selbst lag, es war ihre Seele, die immer wieder, wenn Angel auftauchte oder sie das Büro betrat, die Gedanken an Doyle zurück brachte.

Erst hatte sie geglaubt, mit Wesley würde jemand ins Team kommen, der ihr den Verlust von Doyle leichter machen würde, doch unterdessen war ihr klar geworden, keiner konnte ihn ersetzen. Angel hatte immer gewußt, was sein Freund für sie empfand, aber sie hatte es nicht erkannt und auch nicht wahr haben wollen. Jetzt war sie sich im Klaren darüber, daß sie für den Halbdämonen viel mehr empfunden hatte und noch immer empfand, als sie sich selbst je eingestanden hatte. Cordelia holte tief Luft.

So klar und schön die Nacht auch sein mochte. Der Moment der Zufriedenheit und Entspannung war vorbei. Angel hatte die Erinnerungen zurück gebracht.

"Du kannst die Vergangenheit einfach nicht loslassen oder?" Angels Stimme drang in ihr Innerstes. Ihr Kopf ruckte hoch und ihre Augen trafen sich: "Nicht, seit ich weiß, was Doyle für mich empfunden hat. Seit diesem Moment, als er mir seine Gabe übertrug, seither plagen mich Schuldgefühle. Ich habe ihm nie eine Chance gegeben, weil ich arrogant und überheblich war, aber Angel, ich habe etwas für ihn empfunden, wenn ich auch nicht wußte was, es waren tiefe Gefühle."

Er nickte und zog sich leise von ihr zurück. Er wußte, wann sie die Einsamkeit brauchte, die Ruhe zum Nachdenken, war es ihm doch oft auch nicht anders ergangen.





"Die Zeichen der Zeit führen manchmal zusammen, was zusammen gehört, auch wenn es im ersten Augenblick so scheint, als wäre es falsch."



Die Musik war nicht zu laut, aber dennoch in einer Lautstärke, daß man den Geräuschpegel der vielen Menschen nicht wahrnehmen konnte. Ihre Hand umschloß ein Glas Ginger Ale, auch wenn sie lieber etwas Alkoholisches gehabt hätte. Mehrere Männer, darunter auch einige gut aussehende hatten sich zu ihr setzen wollen, doch sie hatte alle samt abgewiesen. Früher hätte sie keinen abgewiesen, doch sie hatte sich verändert.

Die Tür des Lokals öffnete sich mehrmals und brachte einen frischen Wind hinein, der Cordelia zum Zittern brachte, doch mit einem Male war da ein Gefühl. So warm, so vertraut.

Sie sah von ihrem Glas auf. Ihr Blick wanderte zur Tür, folgte dem Mann im dunklen Mantel bis zur Bar. Ihre Blicke trafen sich. Ein warmer, intensiver Blick und in ihrem Inneren spürte sie eine Vertrautheit wie bei Angel, Wesley oder einst bei Doyle, doch noch viel stärker.





"Ein Blick in fremde Augen, so vertraut und warm, kann uns alle Türen öffnen und unsere Zukunft scheint so nah."



Er lächelte, nahm seinen Mantel und kam zu ihr hinüber. Sie lächelte zurück. Wie selbstverständlich setzte er sich ihr gegenüber und sah sie an. Worte wurden zwischen ihnen nicht gewechselt.

Einen Augenblick sahen sie einander nur an, dann nahm er ihre Hände in seine. Warme wohlige Schauer durchliefen sie. Sie wußte nicht, warum sie das tat, was sie gerade tat, aber es schien so richtig und er war ihr so vertraut.

"Wie...?", begann er mit einer Stimme zu fragen, die Cordelias Innerstes erwärmte.

"Cordelia", hauchte sie und schloß für einen winzigen Augenblick die Augen.

"Fox", lächelte er und strich ihr mit den Daumen über ihre Handrücken.

Sie formte seinen Namen mit den Lippen und lächelte sanft. Es war wie ein Zauber. Keine großen Worte, keine Erklärungen. Er war da, sie war da und so war es richtig.





"Manche Entscheidung scheint leichtsinnig und doch kann sie unser Leben in die richtige Richtung lenken. Es liegt an uns, unseren Gefühlen zu vertrauen..."



Er stand auf, reichte ihr seine Hand und sie ergriff sie, stellte keine Fragen, sprach kein Wort der Gegenwehr, denn noch nie in ihrem Leben hatte etwas so viel Sinn ergeben. Ihre Finger umschlossen seine Hand, zärtlich und vertrauensvoll. Sie ließ sich von ihrem Stuhl hochziehen, stand ihm gegenüber und versank in seinen tiefgrünen Augen. Einfach nur da stehend, sich ansehend und schweigen, mehr geschah nicht und doch erschien es ihr, als ob sich ihr ganzes Leben verändern würde, begonnen mit dem Moment, in dem sie seine Gegenwart zum erstenmal gespürt hatte.

Die Welt um sie herum schien sich zu drehen, zu verschwimmen und ihren Sinn abzulegen. Nur er und sie zählten noch.

Dann beugte er sich sanft zu ihr herab. Ihre Augen schlossen sich, ihr Atem wurde schwer. Sie spürte bereits seine Lippen auf ihren, obwohl es noch nicht soweit war, doch es war schön, so unbeschreiblich schön. Als es dann geschah, so selbstverständlich und doch so sehnsüchtig erwartet, da fühlte sie sich, als sei sie nach Hause gekommen, als sei jeglicher Schmerz aus ihrem Inneren genommen.

Ihre Lippen ließen von einander, doch ihre Blicke nicht. Ihre Hand streckte sich aus nach seiner, seine Finger umschlossen ihre Hand zärtlich. Vertrauen lag in seinem Blick, Vertrauen auch in ihrem. Sie griff ihre Jacke, er seinen Mantel. Es bedurfte keiner Worte, der Weg war klar...





"Vertrauen ist eine Gunst, die wir uns erst verdienen müssen, dennoch gibt es einen Augenblick, in dem wir bedingungslos vertrauen und der uns zu neuen Ufern führt."



Die Sonne schickte ihre ersten Sonnenstrahlen zwischen den zugezogenen Vorhängen hindurch, die Nacht hatte ihre Dunkelheit mit sich genommen. Cordelia rieb sich die Augen, strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und zog die Vorhänge auf.

Gleißendes Licht erfüllte den Raum, spendete Wärme und Behaglichkeit. Sie schloß die Augen und versank in der wundervollen Harmonie des Morgens.

Zärtlich legten sich zwei Arme um ihre Hüften, umarmten sie. Warmer Atem berührte ihre Haut am Hals, ließ die Erinnerung an die letzte Nacht zurück kommen.

Sie blieb stehen, rührte sich nicht, genoß nur den Augenblick und die Wärme in ihrem Inneren. Die Leere, die so lange in ihr vorgeherrscht hatte, war verschwunden.





"Glück kann nur einen kurzen Augenblick umfassen und doch ist es manchmal der Zufall, der uns ein lebenslanges Glück beschert, wissen wir es zu erkennen..."



Der Kaffeeduft breitete sich in allen Räumen aus und zu Cordelias Erstaunen war Dennis noch nicht einmal in Erscheinung getreten. Er schien ihren Gast zu akzeptieren. Etwas, was Cordelia in ihrem Glauben bestärkte, der Mann ihr gegenüber sitzend sei der Richtige. Es war ein eigenartiges Gefühl. Sie wußte eigentlich gar nichts über ihn und dennoch schien er ihr so vertraut, als ob sie sich bereits ein Leben lang kennen würden.

Wie selbstverständlich hatte er frische Brötchen geholt, hatte sie den Tisch gedeckt und Kaffee gekocht, alles so, als ob es schon immer so gewesen war. Doch dabei kannte sie diesen Mann nicht einmal einen ganzen Tag. Sie hatten bis jetzt nicht einmal mehr als zwei Worte gewechselt.

"Guten Morgen, ich habe Brötchen und Croissants mitgebra...!" Wesley stoppte und sah ein wenig irritiert von Cordelia zu ihrem Besucher.

"Morgen Wesley!", lächelte sie und stand auf, um ihm die Tüte Brötchen abzunehmen.

"Ich äh... dachte wir frühstücken zusammen, Angel erzählte, Du warst gestern so betrübt, da wollte ich..." murmelte Wesely.

Cordelia unterbrach ihn erneut, schob ihn sanft Richtung Tür: "Das ist sehr lieb von Dir, Wes, aber wie Du siehst, habe ich gerade Besuch."

Er seufzte nur, blieb ihm doch nichts anderes übrig und ging wieder. Wohl war ihm jedoch nicht dabei.





"Oft erscheint die Skepsis anderer wie ein Damoklesschwert und dennoch kann sie einen Schritt weiter zur Erkenntnis führen, welcher Weg uns vorbestimmt ist."



Wesley beobachtete sie nun schon eine ganze Weile. Sie fühlte sich nicht nur beobachtet, sondern auch kontrolliert, bewacht. Doch die Bewachung war nicht angenehmer, beschützender Natur, bereitete ihr Unbehagen, hinterließ in ihr ein leicht bitteres Gefühl. Sie versuchte es zu ignorieren, versuchte sich auf die schönen Momente zu konzentrieren, die bis noch vor kurzem ihr Leben beherrscht hatten.

Angel betrat den Raum und seit langem spürte sie zum erstenmal nicht diese Verzweiflung in ihrem Inneren.

"Guten Morgen, Ihr zwei!", er sah zu Cordelia hinüber, dann zu Wesley und stockte, "Wes, was ist los? Du siehst aus, als würdest Du gleich jemanden umbringen wollen und ich hoffe mal, Du hast nicht mich als Opfer auserkoren!"

Ein leicht ironisches Lächeln huschte über Cordelias Lippen, während sie ihren Freund ansah: "Ich denke, da brauchst Du Dir keine Gedanken machen, Angel, Wesley fixiert sein Opfer schon seit geraumer Zeit."

Ihre Blicke trafen sich und ihr Freund sah zur Seite, betroffen von den Worten Cordelias, leicht beschämt und dennoch nicht nachgebend, empfand er sich doch im Recht. Sie verstummte, kehrte ihm den Rücken zu und sah auf ihren Bildschirm.

"Was geht nur zwischen Euch vor?" Angel schlug die Hände über dem Kopf zusammen, nicht begreifen, wie seine Freunde so herablassend zu einander sein konnten.

"Noch gestern erzählt Angel mir, wie schlecht es Dir geht", begann Wesley die Stille zu durchbrechen, doch seine Worte brachten Cordelia nur dazu, Angel mit bösen Blicken zu strafen. Wie hatte er nur Wesley von ihrem Gemütszustand erzählen können?!

"Und warum seit Ihr deshalb zerstritten? An sich hätte Cordelia dann doch auf mich wütend sein müssen", Angels Blick streifte Cordelias, "was sie auch scheinbar ist..." und ein entschuldigendes Lächeln legte sich um seine Lippen.

"Das Problem liegt darin", fuhr Wesley erklärend fort, "daß ich Cordelia eine Freude machen wollte und ihr heute morgen Brötchen und Croissants für ein gemeinsames Frühstück bringen wollte, doch das gemeinsame Frühstück fand bereits statt, nur nicht mit mir, sondern mit einem Fremden, der bis auf die Hose nichts am Leib trug."

Wieder war es an Angel, irritiert in die Runde zu blicken: "Aber Moment, dann müßtest Du, Wesley, doch auch auf mich wütend sein, weil ich Dir eine falsche Information gab."

Angel wurde von ärgerlichen Blicken Wesleys gestreift und lamentierte schließlich schulterzuckend: "Was Du auch scheinbar bist... Aber warum seid Ihr dann auf einander wütend?"

Die Frage blieb in der Luft stehen, keiner reagierte.

Selbst hätte Cordelia gewollt, eine Vision suchte sich ihren Weg, fand ihn und streckte sie mit einer Schmerzwelle nieder, die ihresgleichen suchte. Sie konnte nicht antworten, konnte nicht einmal mehr denken oder ihre Motorik bemühen, der Schmerz war zu groß, die Bilder zu wirr und zu erschreckend.

Doch die Vision war kurz, heftig, schmerzvoll, aber kurz und ehe sie sich versah, standen Wesley und Angel besorgt neben ihr, hielten sie und waren für sie da. Der Groll war vergessen, die Vernunft hatte gesiegt und mit ihr das Vertrauen. Vertrauen in einander, Vertrauen in die Gefühle des anderen.

"Was hast Du gesehen?" Wesley strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, betrachtete ihre matten Augen, geschwächt von der Macht der Vision.

"Ein dunkler Raum... eine Halle und zwei Menschen, die sich gegenüberstehen... zwei Männer, groß und stattlich... einer wird sterben..." ein Schauer rann ihren Rücken hinab, ließ ihren Puls schneller schlagen, "Angel, einer der Männer warst Du!"
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