World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Plejadenzauber

von Andrea Muche

Kapitel 2

„Sie wollen doch wohl nicht wirklich zu dieser sogenannten Andacht gehen, oder?!“ Mit einer fahrigen Bewegung strich die Agentin sich die Haare hinters Ohr.

„Doch, ganz bestimmt. Vielleicht hat uns Skinner ja sogar deswegen hierher geschickt. Vielleicht hat er gewußt, daß zeitgleich ein Kongreß hier stattfindet, der nach einer X-Akte riecht.“

„Nie im Leben! Doch nicht Skinner. Oder ist der ohne mein Wissen inzwischen als vierter in den Club der Einsamen Schützen eingetreten?“

„Egal. Ich werde die Chance auf Erweiterung meines Wissens jedenfalls nutzen, wo wir doch schon einmal da sind.“

„Sie sollten lieber die Erweiterung Ihrer Schlafphase in Erwägung ziehen. Sie leiden unter Jetlag.“

„Mit Ihnen in einem Bett?“ Er ließ sich vielsagend auf seine Hälfte des Doppelbettes fallen, legte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf die linke Hand und sah sie mit Dackelblick von unten an. „Was ist, wenn Sie schnarchen?“

„Vielen herzlichen Dank!“, fauchte Scully, marschierte ins Bad und knallte die Tür zu. Dann klappte sie sie wieder auf und streckte den Kopf noch einmal nach draußen: „Und wehe, die Klobrille ist nur ein einziges Mal oben...!“



„Wieso lasse ich mich nur immer wieder von Ihnen breitschlagen?“, seufzte die rothaarige Agentin, als sie eine Weile später neben Ihrem Partner her in Richtung des weißen Salons trabte.

„Weil Sie ein neugieriger Mensch sind“, gab Mulder zurück. „Genau wie ich. Wir wären das perfekte Paar. Ein Doppelzimmer haben wir schon – wollen wir nicht heiraten?“

„Wie könnten Sie mich lieben? Ich bin zwar klein, aber weder grau, noch habe ich riesige Glubschaugen.“

„Ich bin ja mal gespannt, wie dieser Aaron aussieht.“

„Klein, grau, Glubschaugen...?“

„Sie nehmen wohl zum ersten Mal an einem Treffen teil, was?“, fragte ein Mann, der hinter ihnen in die gleiche Richtung lief und ihr Geplänkel offenbar mit angehört hatte.

„Was soll das heißen?“

„Naja, natürlich nicht klein, grau und mit Glubschaugen. Damit würde er auf der Erde doch viel zu sehr auffallen.“

„Was Sie nicht sagen.“

„Und außerdem würden die Menschen dann doch wissen. Wenn wir nun aber glauben – und nicht wissen sollen?“

„Dürfen wir auch ,lieber Gott‘ zu ihm sagen?“

„Ach, ich glaube, daß ,Anführer‘ genügt, das heißt Aaron nämlich auf Irdisch, wissen Sie“, gab der andere Mann völlig nüchtern zurück.

„Und wie nennen wir ihn?“, fragte Scully halblaut, als der Mann an ihnen vorbei und außer Hörweite war. „Hundert-Prozent-humorfrei?“

Mit diesen Worten hatten sie den Eingang zum Saal erreicht, doch die Türsteherin („Ich bevorzuge Assistentin“) wollte sie zunächst nicht einlassen. „Die Sicherheits-Tagung beginnt erst morgen“, sagte sie.

„Aber wir wollten zu Aarons Andacht“, sagte Mulder.

„Oh“, kam von der Türsteherin zurück. „Und ich dachte, Sie wären vom FBI.“



„Ganz schön viele Leute“, merkte Scully nach dem Eintreten überrascht an. Rund hundert Männer und Frauen saßen im Schneidersitz auf dem Teppich und lauschten Meditationsmusik, die vom Band in einem Kassettenrekorder kam. Das Raumlicht war abgedunkelt, es brannten Kerzen.

„Setzen Sie sich“, forderte Mulder sie auf und wies auf zwei Kissen-Plätze im hinteren Teil.

„Bei der Beleuchtung schlafe ich ja gleich hier ein und schnarche Ihnen was vor“, sagte Scully – was sie dann wirklich fast tat, denn Anführer Aaron geruhte zunächst keineswegs zu erscheinen. Seine Sekretärin Nicolette („Ich bevorzuge Assistentin“) gab Anweisungen zum richtigen Meditieren.

„Wenn das so weitergeht, gehe ich doch wieder und meditiere in meiner Hälfte des Bettes“, maulte Scully. „Wieso kommt der Kerl nicht? Schläft der erst seinen Plejaden-Jetlag aus? Oder dauert das Überschminken der grauen Haut so lange?“

„Nun seien Sie doch mal ruhig, Scully, sonst kriegt er am Ende ja noch Angst vor Ihrer negativen Energie!“

Dann begannen die Menschen nahe der Tür auf einmal zu tuscheln. Und schließlich hieß es: „Pssst! Er kommt!“

Assistentin Nummer eins hielt die Tür auf. Assistentin Nummer zwei verharrte reglos im Schneidersitz. Scully reckte neugierig den Hals. Dann trat völlig unspektakulär ein eher kleiner Mann ein. Er hatte braune Augen, einen Vollbart, trug Jeans, einen grünen Pullover und auf dem Kopf eine braune Wollstrickmütze. Er winkte jovial in die Runde, während in der ersten Reihe mehrere Menschen in laute Jubelrufe ausbrachen.

Noch sprach er kein Wort. Er lümmelte sich in einen Sessel, der vor dem Auditorium stand und bedeutete Nicolette mit einer Handbewegung, aufzustehen.

„Nicht alle hier kennen Aaron“, begann sie mit einer einleitenden Erklärung. „Für alle, die zum ersten Mal hier sind, möchte ich ein paar Worte zur Erläuterung vorausschicken. Aaron – das ist eigentlich ein Titel, der Anführer oder Vordenker bedeutet, dort, wo er herkommt. Seine Heimat sind die Plejaden. Nun werdet ihr euch fragen: Warum ist er hier? Nun – er will uns helfen. Mit der Erde geht es nämlich bergab. Die Menschen werden immer hektischer und verlieren die wichtigen Sachen aus dem Blick. Das will Aaron ändern.“

Es folgten erneut Minuten stiller Meditation. Dann öffnete Aaron den Mund: „Ein Paar nach der Hochzeitsnacht. Er sagt zu ihr: ,Koch’ mal Kaffee – oder kannst du das auch nicht?‘ Der ist gut, was?“ Ein paar Zuhörer lachten, ein paar schnaubten verächtlich, andere sahen sich nur fragend an. „Oder der.“ Aaron erzählte einen Witz nach dem anderen. Sie wurden zunehmend dreckiger und sexistischer.

Ein Mann, der links neben Scully saß, notierte eifrig mit. „Also, Anführer oder nicht, mir reicht’s jetzt langsam endgültig“, murmelte die Agentin leise Mulder zu. „Ich gehe. Das hier ist ja noch widerlicher als die Sprüche, die Sie manchmal drauf haben.“

Der Mann zur Linken, der ihre Worte ebenfalls gehört hatte, sah indigniert auf. „Bekommen Sie bitte keinen falschen Eindruck von mir“, raunte er, als er Scullys Blick auffing. „Ich bin kein Aaron-Anhänger. Ich bin nur hier, weil... äh... naja. Ich bin Witze-Sammler. Und den letzten kannte ich noch nicht. Die anderen waren bisher ja eher ausgelutscht. Verzeihen Sie das Wortspiel, hehe...“

„Mulder, lassen Sie uns gehen, das hier ist ekelhaft“, bat Scully angewidert.

„Nun, Leute“, sprach in dem Moment Aaron vorne weiter, „was habt ihr jetzt gedacht? Hm? Na? Gebt es zu, ihr habt ganz bestimmt gedacht, wer solche Witze erzählt, der kann doch kein Meister, kein Anführer sein, stimmt’s? Nun, und das ist exakt eine der Denkfallen, vor denen ich euch die Augen öffnen, vor denen ich euch warnen will!“

„Warten Sie, Scully“, wisperte Mulder, „ich möchte doch mal gerne hören, was da nun noch kommt.“

Die Agentin seufzte.

„Ihr seid alle programmiert. Durch die Schule, durch die Religion, durch die Medien. Gegen diese Programmierung müßt ihr aber angehen. Denn wer sagt, daß am besten für euch ist, wenn euch diese Institutionen vorgeben, was und wie ihr zu denken habt? Vielleicht vernebeln sie damit nur euer Gehirn. Damit ihr nicht unbequem seid, keine Fragen stellt, leicht zu manipulieren seid. Nicht nach Wahrheiten sucht. Denn daran haben die kein Interesse.“

Scully beugte sich wieder zu Mulder. „Ist der zufällig mit Ihnen verwandt? Jetzt kommt bestimmt gleich der Teil mit der Regierungsverschwörung!“

„Gegen diese Programmierung müßt ihr angehen“, sprach Aaron weiter. „Denn ihr seid zu hundert Prozent verantwortlich für euer eigenes Leben. Glaubt an das Lachen, setzt auf Humor. Und dann geht hin und seht und ändert die Dinge! Laßt euch nicht unterjochen und klein halten!“

In dem Stil ging es noch eine Weile weiter. Dann erklärte Nicolette die Andacht für beendet, es sei aber erlaubt, an den Meister noch ein paar Fragen zu stellen.

„Ich habe gelesen, daß Aaron telepathische Fähigkeiten hat. Stimmt das?“, fragte ein Mann in der zweiten Reihe.

Nicolette drehte sich zu ihrem Brötchengeber um. „Aaron?“

Er nickte. „Ja.“

„Und das sollen wir nun einfach so glauben? Genau so, wie wir an das glauben, was uns die anderen Institutionen erzählen?“

„Nun, meine telepathischen Fähigkeiten haben mit der Sache an sich, mit meiner Botschaft, nichts zu tun. Glaub daran oder laß es bleiben.“

„Wie wäre es mit einer Testvorführung?“

„Abgelehnt. Nächste Frage, bitte.“

„Wie kommt es, daß du so menschlich aussiehst, wenn du doch von den Plejaden kommst?“ Das fragte eine Frau.

„Durch Seelen-Transfer. Ich war zehn Jahre alt, als ich an Bord eines Raumschiffes geholt wurde. Dort war Aaron. Er verschmolz seine Seele mit meiner. Seitdem gibt es mich – Aaron – in einer Art Doppelexistenz. Mein zweites Ich ist blond, zwei Meter groß und lebt an Bord des Raumschiffes. Und hier, auf der Erde, benutzt die Seele diese Hülle, die ihr vor euch seht.“

„Ein blonder Hüne. Na, das klingt aber mal attraktiv“, spottete Scully. „Entschieden besser als klein, grau und mit Glubschaugen jedenfalls.“

„Zwei Meter groß und blond? Für mich hört sich das eher nach Hitlers Arier-Zucht an!“

„Und wie hat die menschliche Hülle früher geheißen?“, fragte die Frau vorne weiter.

„Das ist unwichtig, da diese Person nicht mehr existiert.“

„Wie praktisch“, kommentierte Scully.

„Sie da hinten“, rief Aaron. „Haben Sie eine Frage? Teilen Sie sich uns mit!“

Scully zog die Augenbrauen hoch und deutet auf sich. „Ich? Meinen Sie mich?“

„Ja.“

„In Ordnung. Sie sagen also, es gibt Ufos.“

„Ja.“

„Und was sagen Sie, wenn ich Sie frage, wieso alle Wissenschaftler, die Sichtungen angeblicher Ufos untersucht haben, bisher keinen einzigen Fall hatten, in dem sie nicht andere Ursachen fanden? Hubschrauber, Wetterballons, Spionageflugzeuge, Planeten oder meinetwegen auch das Nordlicht.“

Aaron lächelte nachsichtig. „Diese Wissenschaftler werden doch dafür bezahlt, das zu sagen.“

„Von wem?“

„Von der Regierung.“

„Was sonst?“, murmelte Scully.

„Wenn es Ufos wirklich gibt“, nahm ein anderer Zuhörer den Faden auf, „wieso zeigen sie sich uns dann nicht deutlich? Dann wäre doch allen Menschen klar, was los ist, die Regierung könnte nichts mehr verheimlichen. Ende der Geschichte.“

Aaron seufzte theatralisch. „Es ist nur leider so, daß es gesetzlich verboten ist, sich auf noch in der Entwicklung befindlichen Planeten zu zeigen.“

„Und wieso gibt es dann andererseits überhaupt Meldungen über Ufo-Sichtungen, so wie die, die heute in der Zeitung steht?“

„Ja, also... Manchmal kommen auch Reisende aus noch viel weiter entfernten Regionen hierher. Und die kennen die Gesetze nicht richtig. Vielleicht leidet der junge Mann allerdings auch unter Halluzinationen.“

„Alle Ufo-Fotos zeigen also Dumpfbacken-Aliens, die null Ahnung von Vorschriften haben?“

„Oder sie sind schlicht Fälschungen...“ Das war wieder Scullys leiser Kommentar.

„Naja, nein... Meine Verwandten fliegen auch manchmal vorbei und lassen sich fotografieren oder filmen. Solche Filme und Fotos herzuzeigen, ist auch nicht gegen das Plejaden-Gesetz, da es ja kein wirklicher Beweis ist.“

„Kein wirklicher Beweis.“ Nun wisperte Mulder. „Das könnte nun aber schon eher ein Zitat von Ihnen sein, Scully!“

„Solange die Menschen auf der Erde keinen wirklichen Beweis für unsere Existenz haben, beeinflußt sie das Ganze nicht zu stark – aber stark genug, um einen Denkanstoß zu bewirken. Dafür ist nicht nötig, alles über die Außerirdischen wirklich zu wissen. Nur daran zu glauben, reicht völlig aus.“

„Genau“, pflichtete Aaron der Typ bei, den Mulder und Scully am Gang „Mister Humorfrei“ getauft hatten. „Es ist doch genau wie beim elektrischen Strom. Den sieht man schließlich auch nicht, und trotzdem käme keiner auf die Idee, davon auszugehen, daß es ihn nicht gibt!“

„Na, das ist doch ein schönes Schlußwort“, sagte Aaron. „Nicolette?“ Er bedeutete ihr zu gehen, und drei Sekunden später waren sie auch schon beide aus dem Raum.

„Nur habe ich noch nie erlebt, daß ein Ufo bei mir zu Hause vorbeigeflogen kommt und das Licht anknipst“, unkte Scully.

„Was halten Sie davon, daß er sagt, er ist von den Plejaden?“, fragte Mulder. „Also, irgendwie denke ich, das ist nur vorgetäuscht. Genau wie die Sache mit der Seelenverschmelzung.“

„Genau. Weil er nämlich ein Betrüger ist.“

„Und wenn er in Wahrheit für die Regierung arbeitet? Vielleicht will er von der Wahrheit, daß die Aliens klein und grau sind, ablenken. Und davon, was sie wirklich auf der Erde tun. Vielleicht ist er sogar in Wahrheit selbst klein und grau. Denken Sie an den Kopfjäger, der menschliche Gestalt annehmen kann.“

„Um ehrlich zu sein: Ich denke gerade nur noch an eine Dusche und mein Bett, glaube ich. Ich bin hundemüde.“

Während sich die Zuhörer alle langsam in Richtung Tür aufmachten und auch Mulder und Scully dem Ausgang zustrebten, sagte Mulder: „Was war das überhaupt für eine Bemerkung mit der Zeitung? Ich weiß nicht genau, was von diesem Aaron zu halten ist, aber irgendwie habe ich das Gefühl, wir sind in eine X-Akte geraten.“

„Ein junger Mann hat einen Unfall gebaut und behauptet, daß ihm ein Ufo die Vorfahrt genommen hat“, mischte sich eine junge, blonde Frau von hinten ins Gespräch. „Wir haben es heute in der Zeitung.“

Die beiden Agenten drehten sich fragend zu ihr um.

Sie streckte ihnen die Hand hin. „Charlotte Kraus. Ich halte nichts von diesen Ufo-Leuten und bin genauso skeptisch wie Sie. Ist mir alles zu sektennah. Ich bin nur aus arbeitstechnischen Gründen hier, ich schreibe einen Artikel. – Bei der Vorrecherche bin ich übrigens auf einen Edmund Müller in der Schweiz gestoßen, der behauptet, Aaron ist nur ein Betrüger. Gleichzeitig behauptet Müller allerdings, selbst mit Leuten von den Plejaden in Verbindung zu stehen. Mit den echten, natürlich...“

„Sind Sie morgen auch wieder hier?“

„Klar. Angeblich führt Aaron morgen ja Filme und Fotos von den Ufos seiner Verwandten vor.“

„Könnten Sie uns den Artikel über den Verkehrsrowdy in der fliegenden Untertasse vielleicht mitbringen?“

Sie nickte. „Mach’ ich.“



„Den elektrischen Strom sieht man auch nicht, und trotzdem käme keiner auf die Idee, davon auszugehen, daß es ihn nicht gibt“, äffte Scully Mister Humorfrei nach, als sie die Tür ihres Zimmers geschlossen hatten und sie das Licht anknipste.

„Sie können ja schon mal Aaron für diesen Segen danken, während ich das Bad aufsuche!“

„Halt! Da wollte ich gerade hin, um einem dringenden Bedürfnis nachzugehen!“

„Sollen wir eine Münze werfen?“

„Ach, nun gehen Sie schon. Aber wehe, die Klobrille ist oben.“

Er zog sein Jackett aus und verschwand ins Bad, sie seufzte. Im Bett mit Mulder...! Als ob das Zusammensein mit ihm tagsüber nicht manchmal schon stressig genug wäre.

Scully holte ihren Pyjama aus der Reisetasche, legte ihn aufs Bett und begann, sich langsam auszukleiden. Ausgerechnet, als sie gerade nur noch in BH und Höschen dastand und noch keine Zeit gehabt hatte, sich den Pyjama überzustreifen, trat Mulder hinter ihr wieder aus dem Bad. Im nächsten Moment fühlte sie, wie er sie auf die Schulter küßte. Gleich danach gab er ihr einen leichten Klaps auf den Hintern. „Sie sind dran.“

Empört drehte sie sich zu ihm um und wollte ihn mit einer scharfen Bemerkung zurechtweisen – aber da stand er wie ein Lausejunge, seinen treuherzigsten Blick in den Augen, die Haare hingen ihm in die Stirn, und lächelte sie an. Sein Hemd stand offen, die Krawatte hielt er in der linken Hand. Sie schloß kurz die Augen und zog einen ergebenen Flunsch. Er zog das Hemd ganz aus und warf Hemd und Krawatte lässig über den Stuhl auf seiner Seite des Bettes. Dann begann er ungeniert, den Gürtel seiner Hose zu lösen und versicherte: „Die Klobrille ist unten.“

Scully ließ ihren Blick noch kurz auf ihm ruhen. Er hatte starke Arme, einen durchtrainierten Körper. Eigentlich verwunderlich, dachte die Agentin, daß er nie irgendeine wirkliche Beziehung hatte. Er war doch ein durchaus attraktiver Mann... Im selben Moment zog Mulder den Reißverschluß auf, ließ seine Hose nach unten gleiten, und zum Vorschein kamen Boxershorts, auf denen der Spaß-Aufdruck „Von Aliens ausgestattet“ stand. Scully drehte sich weg. Okay, so verwunderlich vielleicht denn doch nicht...!



„Mulder, wieso habe ich das merkwürdige Gefühl, daß Sie nicht vorhaben, an der Sicherheitskonferenz, deretwegen wir hier sind, auch teilzunehmen?“

Dana Scully setzte sich im Bett auf und umschlang ihre Knie. Es war noch früh am nächsten Morgen, aber Fox Mulder war bereits hellwach, geduscht und angezogen – mit Jeans und einem dicken Pullover.

„Seien Sie doch nicht so mißtrauisch, Scully. Es ist kalt da draußen. Und ich habe es satt, daß jeder denkt, wir gehen zu einem Maskenball.“

Sie sah ihn nur vielsagend an und zog eine Augenbraue hoch. Er seufzte, sah sie an und hob verteidigend die Hände.

„Sie können das sowieso viel besser, Scully. Ich vergaloppiere mich am Ende doch bloß wieder und erzähle denen was von einer Sicherheitsbedrohung durch Außerirdische. Skinner wird entzückt sein.“

„Genauso entzückt wird er aber vermutlich sein, wenn Sie versuchen, hier Aarons Laden aufzumischen.“

„Irgendwas stimmt mit diesem Kerl nicht.“

„Er gibt sich als Außerirdischer aus, verspricht seinen Anhängern ein besseres Leben und läßt sie dann ganz sicher für sein besseres Leben spenden. Das ist unethisch – aber es ist wohl weder eine Bedrohung, noch ein Fall fürs FBI. Soweit ich weiß, hat er niemanden umgebracht oder auf die Plejaden verfrachtet.“

„Und was ist mit dem Unfall, den Charlotte Kraus erwähnt hat?“

„Darüber wissen wir doch gar nichts.“

„Genau. Und deswegen will ich mehr darüber herausfinden. Sie will ja übrigens heute auch den Artikel mitbringen, schon vergessen?“

Scully runzelte die Stirn und schürzte die Lippen. Sie dachte an die weizenblonde Reporterin und an das, was sie selbst am vorigen Abend über Mulders Liebesleben gedacht hatte. „Mulder“, sagte sie dann, „stehen Sie eigentlich auf Blondinen?“

„Was?“ Er sah sie entgeistert an. Dann begann er zu grinsen. „Scully, sind Sie etwa eifersüchtig? Ts, ts, kaum teilt man einmal Tisch und Bett...“



Die Agentin stand noch im Flur vor dem Konferenzraum und wartete darauf, daß sie an die Reihe kam, sich beim Eintreten in die Anwesenheitsliste einzutragen. Da ging weiter hinten eine Tür auf, und die Ufogläubigen ergossen sich in den Korridor, sich gegenseitig von der großartigen Morgenandacht vorschwärmend. Auch ein schlanker, großer, dunkelhaariger Mann in Pullover und Jeans war darunter, der Scully überaus vertraut war. So vertraut, daß sie ihm am liebsten in den Hintern getreten hätte.

„Und Sie sind bitte? Oh, ich hab’s schon. Dana Scully, FBI, richtig?“

„Ja.“ Scully wandte ihre Aufmerksamkeit dem Kontrolleur am Eingang zu. „Kennen wir uns?“

Der Mann lächelte breit und freundlich. „Nein. Aber so, wie Sie aussehen...“

Sie sah an ihrem schwarzen Hosenanzug herunter, blickte Mulder an, der in dem Moment gerade an ihr vorbeikam, und rollte mit den Augen.

„Lächeln!“, raunte er im Vorbeigehen und blinzelte ihr zu.



Der Agent betrat das Foyer, um sich zu erkundigen, ob Charlotte Kraus schon eingetroffen war, als er sie gerade von draußen kommen sah. „Guten Morgen!“

„Hallo, Charlotte. Haben Sie den Artikel dabei?“

„Ja. Hier.“ Sie griff in ihre Tasche und holte ihn heraus.

Mulder vertiefte sich in den Bericht. Ein junger Mann war mit seinem Auto an einen Baum gefahren und hatte behauptet, ein Ufo habe ihm die Vorfahrt genommen.

„Naja, gerade viel sagt das ja nicht aus.“

„Nein. Er hatte über ein Promille Alkohol im Blut. Und vielleicht war die Straße einfach glatt.“

Mulder dachte an seinen Wildunfall und verzog das Gesicht. „Halten Sie auch eine andere Erklärung für möglich?“

„Welche? Daß er wirklich ein Ufo gesehen hat? Denken Sie, Aarons Verwandte sind mal eben kurz vorbeigeflogen, um ,Hallo‘ zu sagen?“

„Naja, wer weiß.“

„Moment mal, was macht der denn hier?“

„Wer?“

„Der Typ dort drüben im karierten Anzug. Er ist von der Polizei. Terrorfahnder.“

„Es findet hier im Haus gerade auch eine Sicherheitskonferenz statt. – Allerdings läuft die eigentlich schon...“

„Ich habe irgendwie das Gefühl, der interessiert sich eher für die Ufogläubigen. Entschuldigen Sie mich mal einen Moment.“

Mulder sah Charlotte nach, wie sie zu dem Polizisten ging, ihn begrüßte und mit ihm zu reden begann. In dem Moment trat ein älterer Mann neben Mulder. „Sie sind der Typ vom FBI, nicht?“

„Ich dachte, jetzt sehe ich gar nicht mehr so aus.“

Der andere Mann lachte. „Thomas Kurz, Sektenbeauftragter. Ich nehme an dem Ufo-Treffen wie Sie auch nicht teil, weil ich daran glauben würde. Ich will wissen, ob der Mann gefährlich ist. Ob er einer von den Typen ist, die Endzeitstimmung verbreiten, den Leuten erzählen, als Auserwählte würden sie von Ufos gerettet – und dann in einem Massenselbstmord alle ins Jenseits befördern. Das hätten wir hier nämlich eher nicht so gerne.“

„Haben Sie die Raumschiffe letzte Nacht eigentlich auch gesehen?“ fragte in dem Moment eine junge Frau, die zu ihnen trat.

„Raumschiffe? Was für Raumschiffe?“

„Ich war gestern spät nachts noch auf dem Hausberg hier. Und da hab’ ich sie gesehen. Silbrig-rote Kugeln, und sie flogen Manöver, wie ich sie noch bei keinem Flugzeug je erlebt habe.“

„Wirklich?“, fragte in dem Moment ein weiterer Mann. „Ich bin nämlich Testpilot, wissen Sie, und das hätte mich sehr interessiert. An der Konferenz hier nehme ich eigentlich nur teil, weil ich über die Flugmanöver dieser Außerirdischen gerne mehr wissen würde. Das heißt natürlich, sofern es die überhaupt gibt...“

„Hallo“, begrüßte in dem Moment jemand Mulder von hinten. „Ich bin der örtliche Pfarrer.“

„Und da gehen Sie zu einem Ufo-Kongreß?!“

„Nur des inszenierten Spektakels wegen. Ich dachte, vielleicht kann ich mir für meine jährliche Show ein paar Tricks abschauen.“

„Bitte?“

„Sie wissen schon, dieses Spiel über die Suche des Ortspatrons. In der letzten Zeit nehmen die Gottesdienstteilnehmer dabei doch erheblich ab. Die Leute sind anderswo auf Sinnsuche. – Was macht es verführerischer, an Außerirdische zu glauben als an Gott?“

Der FBI-Agent sah den Pfarrer grübelnd an. „Keine Ahnung.“

„Vielleicht, weil es von den Außerirdischen wenigstens hin und wieder Fotos gibt?“ Das war Charlotte, die wieder herangekommen war. „Grüß Gott, Herr Pfarrer.“

„Mhm“, machte der Pfarrer. „Und der Abdruck im Turiner Grabtuch zählt nicht?“

„Die Wunder von Lourdes und so weiter nicht zu vergessen. Jeder kann sie sehen oder nachlesen.“

„Oder ist das Fliegen so faszinierend? Aber Engel können das doch auch, sollte man meinen.“

„Und wenn die Außerirdischen nun in Wahrheit Engel sind? Ich meine, so ganz irdisch sind die ja wohl definitiv auch nicht...“

Die beiden lachten, dann wandten sie sich wieder Mulder zu. „Wenn man beim FBI ist, dann glaubt man vermutlich nur an die Welt des rational Erklärbaren, nicht wahr?“

Er kam um eine Antwort herum, denn eine dunkelhaarige Frau trat zu der Gruppe. „Hallo.“

„Franziska! Was machst du denn hier?“

Die Frau lachte. „Als Psychiaterin? Ich muß das hier sehen, wer weiß, vielleicht landen ein paar der Teilnehmer nachher ja bei mir in der Praxis? Außerdem könnte es durchaus interessant sein. Ich meine, von wegen Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus. Vielleicht sind wir in Wahrheit alle von den Plejaden?“

„Wow, sind das viele Teilnehmer!“ Das war eine Männerstimme in Mulders Rücken. Er drehte sich um. Da stand ein Mann mit leuchtenden Augen. „Wissen Sie“, sagte er, „ich halte ja nichts von diesem Ufo-Zeugs, aber so viele Konferenzteilnehmer für mehrere Tage in ein Hotel zu bekommen...“ Er zückte seine Karte. „Hubert Ernst, Hotelmanager. Wir haben auch Tagungsräume, allerdings ein viel schöneres Ambiente, drüben, im nächsten Ort...“

Mulder blickte über die Köpfe all der anderen Tagungsteilnehmer und begann sich zu fragen, wie viele davon nun eigentlich für wahr hielten, was Aaron erzählte. Oder wenigstens die Möglichkeit, daß es Außerirdische wirklich gab, in Betracht zogen. Fast jeder schien einen völlig anderen Grund für die Teilnahme zu haben. Er seufzte. Vielleicht war er der einzige wahre Gläubige...



„Und wie unterscheidet sich das Profiling denn nun von einfachem Raten?“, fragte ein Teilnehmer der Sicherheitskonferenz. „Ich meine, es gibt da doch wohl auch eine hohe Fehlerquote.“

„Nun ja, natürlich gibt es eine Fehlerquote“, sagte Scully. „Aber man zieht seine Schlüsse unter anderem aus den Tatortspuren, aus dem Muster, nach dem ein Serientäter vorgeht, aus Erkenntnissen der Autopsien. Ich würde es also doch nicht gerade als Raten bezeichnen.“

„Schön und gut. Aber was denken Sie eigentlich, was wir hier bisher gemacht haben? Ich meine, wir haben schließlich auch nicht einen Toten mit Stichwunden betrachtet und gesagt, der ist wahrscheinlich erschossen worden. – Ist alles, was über definitive Erkenntnis hinausgeht, nicht reine Spekulation, Spinnerei, Hokuspokus? Und sich in die Gedankenwelt eines Serienkillers hineinversetzen – geht das denn letzten Endes überhaupt? Wie kann man so denken wie manche dieser Monster? Verlassen wir mit einem solchen Vorgehen nicht die Welt des rational Erklärbaren?“

Daraufhin brach der reinste Tumult los. Alle begannen gleichzeitig zu reden und sich darüber zu streiten, wo die exakte Wissenschaft aufhörte und das völlig Absurde anfing, was mit methodischem Vorgehen und was mit abgedrehter Spinnerei zu tun hatte, und ob auch letztere noch Ergebnisse bei der Fahndung liefern konnte oder eben nicht.

Scully seufzte. Sie hätte vielleicht mit Mulder zum Ufo-Kongreß gehen sollen. Irgendwie schien sich das hier jedenfalls nicht wesentlich davon zu unterscheiden!



„Und nun bildet euch selbst ein Urteil!“ Mit diesen Worten hatte Aaron die Vorführung seiner Filme und Fotos gestartet. Auf manchen waren nur unscharfe Schatten zu sehen, die auch fliegende Enten oder sonst etwas hätten sein können. Mulder seufzte. Vielleicht hatte Scully recht, und das alles hier war nichts als reine Zeitverschwendung und nur eine Masche dieses Aaron, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Manche der Bilder kamen ihm obendrein bekannt vor. Zum Beispiel jenes von drei leuchtenden Objekten am Himmel über einem Hotelbalkon.

„Dieses Foto wurde doch schon vor Jahren als Fälschung entlarvt“, protestierte auch ein anderer Konferenzteilnehmer. „Es ist die Spiegelung der Deckenlampen in der offenstehenden Balkontür.“

„Erstens habe ich schon mal gesagt, daß es Leute gibt, die dafür bezahlt werden, das zu sagen“, entgegnete Aaron. „Zweitens habe ich nicht gesagt, daß alle dieser Aufnahmen echte Außerirdische zeigen, oder? Ich habe gesagt, bildet euch ein Urteil.“

Ein Teil der anderen Aufnahmen sah allerdings genau so aus wie Unerklärbares, das Mulder schon mit eigenen Augen gesehen hatte. In einem der Filme lieferte sich eine pulsierende Scheibe ein Wettrennen mit einem Auto, in der Wüste von Nevada umkreisten Jagdflieger ein helles Objekt am Himmel. Auch eine sehr deutliche Aufnahme von Golfern in Miami gab es, und über ihren Köpfen schwebte ein Ufo wie aus dem Lehrbuch.



„Halt, keine Fotos!“ Der Rüffel Aarons galt Charlotte, die ihre Nikon gezückt hatte, um vom Anführer, der von den Plejaden stammte, während seiner Erklärungen ein Bild zu machen.

Sie ließ die Kamera sinken. „Warum nicht, wenn ich fragen darf?“

„Weil Sie damit mein Leben gefährden. Es gibt mir nicht so Wohlgesonnene“, lautete die Antwort. Mulder kam es so vor, als ob er dabei in seine Richtung blickte. „Es werden, wie gesagt, auch Leute dafür bezahlt, zu behaupten, alle Ufo-Sichtungen seien nur angeblich Außerirdische. Weil die Wahrheit gefährlich ist. Ich muß mich schützen. Sie verstehen das doch?“

„Gehört auch Edmund Müller zu den Ihnen nicht Wohlgesonnenen?“

„Müller!“ Es klang, als spucke er aus. „Der ist doch nur ein Narr.“

„Warum? Weil er sagt, daß Sie ein Schwindler sind, während er selbst mit Außerirdischen von den Plejaden in Verbindung steht? Weil er behauptet, seine Fotos seien echt, und Sie hätten diese als Grundlage einer Fälschung benutzt, aufgestockt durch Modell-Raumschiffe am Bindfaden?“

„Der Scharlatan ist Müller. Außer mir selbst gibt es auf der Erde zwar noch acht andere Anführer. Aber Müller ist keiner davon. Er erzählt totalen Unsinn über die Plejaden.“

Alle schwiegen kurz. Dann reichte Aaron Charlotte Fotos und schlug wieder einen versöhnlicheren Ton an: „Ich verstehe, daß Sie Illustrationen für Ihren Artikel brauchen. Nehmen Sie die hier von verschiedenen Sichtungen. Bekannt sind sie sowieso.“



„Toll, die Konferenzen liegen im Zeitplan, und wir kriegen was zu essen.“ Mulder ließ sich am Mittagstisch bei Scully nieder.

„Darf ich mich Ihnen anschließen?“, fragte Charlotte.

„Natürlich, gerne.“

Scully hatte eigentlich mit Mulder alleine sprechen wollen, bedauerte es nach den nächsten Worten von Charlotte allerdings entschieden weniger, daß sie sich mit dazugesetzt hatte. „Was für ein grandioser Mist, den Aaron da von sich gibt“, sagte Charlotte, an Scully gewandt. „Er weigert sich, irgendeinen Beweis für seine angeblichen außerirdischen Fähigkeiten zu geben oder seine Verwandten zu rufen, damit sie mal in Sichtweite meiner Kamera vorbeifliegen. Er läßt sich auch selbst nicht fotografieren, angeblich würde das sein Leben bedrohen. Ihn als Lügner entlarven würde es wohl eher. – Sehen Sie mal, seine angeblichen Ufo-Beweisfotos.“

Sie schob ein paar Aufnahmen quer über den Tisch. Auf etlichen waren nur unscharfe Flecken zu sehen. „Das kann von einem Fleck auf dem Objektiv bis zu einem ins Bild geworfenen Topfdeckel alles sein. Oder das hier. Angeblich eine Ufo-Unterseite.“

Auf dem Foto war in der Mitte ein helles Kreuz zu sehen. Rings um dieses standen strahlenförmig gelbe Spitzen. Dahinter etwas, das fast wie blau-gelbe Flammen aussah. Nach außen hin wurde das Objekt langsam lila.

„Interessant“, sagte Mulder.

„Ja“, gab Charlotte zurück. „Für einen Botaniker.“

Scully nickte. „Ich würde sagen, von oben auf den Stempel im Blütenkelch einer Tulpe fotografiert.“

„Und das hier.“

Drei Ufos schwebten über Wohnhäusern, aufgenommen durch das Gitter eines Balkons.

„Sieht aus wie ins Bild kopierte Lampen. Oder Modell-Ufos.“

„Einkopiert auf alle Fälle. Das Foto hat sehr große Tiefenschärfe: Die Häuser im Hintergrund wirken scharf. Das Balkongeländer im Vordergrund ist nur leicht unscharf, obwohl es dem Objektiv ziemlich nahe sein muß. Und die Ufos, die ja ein Stück weit entfernt, entweder zwischen Balkon und Häusern oder gar direkt über den Häusern schweben? Die sind auf einmal unscharf. Das ist fototechnisch nicht möglich.“

Scully nickte. „Sagt Ihnen übrigens der Name Damiantro etwas?“, fragte sie dann Mulder.

„Damiantro? Warten Sie, ja... War das nicht einer, der vor einer Weile in den USA herumgereist ist und Vorträge über Roswell gehalten hat?“

„Ganz genau. Dreimal dürfen sie raten, wer das war. Oder wie Anführer dann wohl auf Englisch heißt...“

„Aaron?“

„Aaron, der eigentlich Exil-Kubaner ist und Barney Fuertes heißt. Und der Schatz seiner Erkenntnisse stammt hauptsächlich aus Science-fiction-Comics.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte Charlotte und zückte ihren Block.

„Ich habe etwas im Internet recherchiert und ein Telefonat geführt. Mit einem Experten bei der GWUP, der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften.“

„Die gehören frei nach Aaron bestimmt auch zu jenen, die fürs Lügen und Abstreiten bezahlt werden...“

Scully zog eine Augenbraue hoch. „Ach. Und ich dachte immer, die nennt man Regierung.“

„Wann hatten Sie im übrigen Zeit für eine Recherche? Ich dachte, Sie haben uns bei der Sicherheitskonferenz würdig vertreten.“

Scully blickte vielsagend an die Decke. „Erinnern Sie mich lieber nicht an diese Konferenz!“

„Machen die von der GWUP bei den angeblichen Beweisfotos nicht auch Falschfarbenanalysen?“, fragte Charlotte.

Scully nickte. „Ja. Das haben sie mit Aarons Fotos beziehungsweise mit Müllers Fotos auch gemacht. Und siehe da: Ufos an der Schnur. Weswegen die Bewegung in Filmen oft auch eher nach Pendeln als nach Fliegen aussieht.“

Mulder seufzte theatralisch. „Und da geht es hin, mein Weltbild. – Aber was tun wir eigentlich, falls Aaron nun trotz all unserer Bedenken echt ist? Falls dieser Seelentransfer stattgefunden hat, von Barney zu Aaron? Und selbst wenn nicht: Vielleicht besuchen tatsächlich gerade Außerirdische diese Gegend. Immerhin haben auch hier nächtens Teilnehmer angeblich Ufos gesehen. Und die Geschichte mit dem verunglückten jungen Mann...“

„Nun ja“, entgegnete Scully, „vielleicht existieren Außerirdische, die die Erde besuchen. Wer weiß? Es läßt sich jedenfalls wahrscheinlich kaum definitiv beweisen, daß es keine gibt, denn wie beweist man Nicht-Existenz? Sie können ja auch nicht beweisen, daß es Aschenbrödel nicht gibt.“

„Dana Scully?“, fragte in dem Moment ein Hotelangestellter, der an ihren Tisch getreten war.

„Ja?“

„Diese Nachricht wurde für Sie an der Rezeption abgegeben.“

„Was ist das?“

Scully faltete das Blatt auseinander, las und reichte es dann an Mulder weiter.

Es stand Scullys Name darauf, und darunter: „Nicht so skeptisch, Miss FBI. Aaron.“

„Woher weiß er das?“, fragte Charlotte, die auch einen Blick darauf geworfen hatte.

„Vielleicht soll uns das den Beweis liefern, daß er doch telepathische Fähigkeiten hat und Gedankenlesen kann“, vermutete Mulder.

„Ich würde eher sagen, daß auch Plejaden-Bewohner wohl schon wissen, was eine Internetrecherche ist. Jeder hier hält uns auf den ersten Blick sofort fürs FBI. Denken Sie wirklich, daß es dann noch so schwierig ist, unsere Namen herauszufinden? Das Hotel hat im übrigen auch eine Gästeliste, auf der wir stehen.“

„Aber, aber“, witzelte Mulder, „nicht so skeptisch, Miss FBI.“
Rezensionen