World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Welcome back

von Kinona

1/1

Längst habe ich aufgegeben es verstehen zu wollen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, das es unmöglich ist zu begreifen was uns passiert ist. Zu erkennen, dass ein einziger Augenblick das Leben dermaßen verändern kann, dass die Begegnung mit einem Menschen dazu in der Lage ist, den Rest deines Lebens zu bestimmen. Es ist schwer genug es einfach nur zu akzeptieren. Jahrelang habe ich versucht mich dagegen zu wehren, mich der Erkenntnis zu verschließen, dass du mein Leben bist. Doch ich bin elendig gescheitert.

Als ich es schließlich erkannte, war es zu spät. Jahrelang hatte ich Mauern gebaut, um mich vor mir selber und anderen zu schützen. Erst als ich dich traf, merkte ich, wie paradox das ist. Denn deine Mauern standen meinen in nichts nach. Wir waren zwei verletzte, ängstliche Seelen, die plötzlich begriffen, dass sie auf dieser Welt nicht alleine waren. Und so lehrten wir einander Brücken zu bauen, die verbinden, an Stelle von Mauern, die trennen.

Und doch war ich zu feige, um dir all das einzugestehen. Ich hatte Angst. Angst vor dem, was ich empfand. Angst vor der Abhängigkeit in die ich mich begab. Angst davor, dass nach all der Zeit, plötzlich doch alles so einfach sein könnte. Ich hätte alles für dich getan. Du warst zu einem Teil von mir selber geworden. Ein Teil, den ich schmerzlich vermisste, als du plötzlich verschwunden warst. Ein Teil, ohne den ich nicht leben wollte. Ich brauchte dich! Nicht nur, weil in mir ein Teil von dir wuchs, sondern weil ich nicht zu glauben wagte, das es ein Leben ohne dich gibt. Das ich mich freiwillig in diese Abhängigkeit von dir begeben hatte. Das ich dir, ohne es zu merken, erlaubt hatte der Sinn meines Lebens zu werden. Dich zu finden wurde zu einem Grundbedürfnis, wie Atmen und Essen. Ich glaubte nicht daran, dass ich dich eines Tages finden würde, ich wusste es! Ich hatte gar keine andere Wahl. Denn ich war überzeugt davon, ohne dich nicht leben zu können. Ein Irrtum, wie mir schmerzhaft bewusst wurde, als ich an deinem Grab stand. Ich weiß nicht, was schlimmer war: Der Schmerz dich verloren zu haben, oder die Leere die an deine Stelle trat. Lange ließ ich nicht zu, dass der Schmerz vergeht, weil ich Angst hatte völlig alleine zu sein. Nun plötzlich wieder auch ohne dich zurechtkommen zu müssen. Doch auf so etwas nimmt die Welt keine Rücksicht. Die Zeit verging, und ich begriff, dass sich die Erde auch ohne dich weiterdreht. Das Leben auch ohne dich weitergehen muss. Ich lernte, dass zwar niemand deinen Platz einnehmen kann, dich ersetzten kann, aber das dennoch andere Menschen in mein Leben treten und es bereichern können. Ja, ich war gut darin mir etwas vorzumachen.

Vielleicht habe ich John Doggett deshalb anfangs verabscheut. Er war der lebende Beweis dafür, dass das Leben auch nach dem schmerzhaftesten Verlust weitergeht. Seine bloße Existenz verhöhnte mich, weil sie mir bewies, dass ich schwach war. Ich hasste ihn dafür, dass er mich nicht wie alle anderen mit Samthandschuhen anfasste, dass er mir zeigte, dass es Menschen gab, denen es schlechter ergangen war als mir. Das jeder sein Kreuz zu tragen hatte. Im Nachhinein bin ich ihm dankbar. Er war für mich da und ließ gleichzeitig nicht zu, dass ich in meinem Selbstmitleid versinke. Dank ihm schaffte ich es tatsächlich so etwas wie ein neues Leben ohne dich anzufangen. Jedenfalls dachte ich das. Ich glaubte wirklich, dass ich es geschafft hatte von vorne anzufangen. Ich selbst zu sein. Alleine zurechtzukommen. Bis du von den Toten wiederaufstiegst, um mich eines Besseren zu belehren.

Jetzt blicke ich in deine Augen, und mir wird klar, wie lächerlich schon allein die Vorstellung ist, dass es ohne dich ein ich geben könnte. Wie konnte ich auch nur einen Augenblick daran glauben, dass es funktionieren könnte. Der Versuch einen Schlussstrich unter unsere, wie auch immer geartete, Beziehung zu ziehen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Deine Berührungen sind ungewohnt und doch nur allzu vertraut. All die Luftschlösser, die ich mir ohne dich aufgebaut hatte, all die kleinen liebgewonnenen und lästigen Rituale und Macken, die ich mir ohne dich angewöhnt hatte, sind plötzlich nichtig geworden. Es ist, als wäre all die Zeit ohne dich bedeutungslos gewesen, nur Lückenfüller zwischen dem Moment in dem wir Abschied nahmen und dem Augenblick in dem du wiederauftauchtest. Wortlos schlucke ich all den Schmerz, all die Vorwürfe, all die Wut herunter und gehe wieder zu unserem üblichen Spiel über. Lasse zu, dass mich die alten Gefühle mitreißen. Frage mich, ob es jemals anders war. Die Zeit ohne dich kommt mir wie ein böser Albtraum vor. Hatte ich wirklich gedacht, dass alles vorbei wäre? Wie hatte ich glauben können, dass diese Gefühle jemals vergehen würden? Wieder gebe ich mich dir bedingungslos hin. Stumm blicken wir uns in die Augen und vergeben uns all unsere Fehler, unsere Sünden. Still beobachte ich, wie du wieder in mein Leben trittst. Ich hätte so viele Fragen, will dir so viel erzählen, doch stattdessen nehme ich dich schweigend wieder mit offenen Armen auf. Räume dir ungefragt wieder deinen alten Platz in meinem Leben ein. Heimlich frage ich mich, welchen Sinn nun all die Erfahrungen haben, die ich ohne dich machte. Ob sie genauso in Vergessenheit geraten werden, wie mein Leben vor dir.

Eine weitere Schlacht ist geschlagen. Ein Krieg, aus dem wir als Sieger hervorgehen. Ein Kampf, der mich stärker gemacht hat. Ich habe gelernt, dass es ein Leben ohne dich gibt, das ich auch alleine in der Lage bin zu überleben. Nun bist du zurück, und wie immer werden wir so tun, als ob nichts gewesen wäre. Plötzlich fühle ich, wie ich wieder schwach werde. Wie ich innerlich zusammenbreche. Erneut bist du zu meinem Lebensinhalt geworden, als wäre es nie anders gewesen. Nach allem was passiert ist, will ich erneut einfach nur in deinen Armen liegen, deine Wärme spüren, geborgen sein, dich lieben, schwach sein dürfen und nie wieder kämpfen müssen!

Ich habe schmerzhaft lernen müssen, dass ich dich nicht brauche, und will dich nun doch nur umso mehr.
Okay, das hier hat sich mal wieder fast von selbst geschrieben. Ich bin selber über die Worte erstaunt, die da aus mir rausgesprudelt sind. Doch die Themen Abschied und Wiederkehr spielen in meinem Leben momentan eine wichtige Rolle...
Rezensionen