World of X

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Standing at the edge...

von Kinona

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Vorsichtig setze ich einen Fuss vor den anderen. Es ist schon so eine Art kleines Ritual geworden. Ich kann schon gar nicht mehr zählen wie oft ich hier war. Einen Moment lang zögere ich. Dann überquere ich den Absperrzaun. Noch während ich hinunterschaue, verschwimmen die Lichter der Stadt vor meinen Augen.



Ich stehe am Abgrund!



Ich weiss gar nicht mehr genau, wann ich zum ersten mal hierher kam. Ich glaube, es war Zufall. Der Aufzug zu seinem Apartment fuhr zum obersten Stockwerk. Dann habe ich die Feuertreppe entdeckt, die aufs Dach führt. Es tut gut sich vorzustellen, dass er vielleicht früher in einsamen Nächten hierher gekommen ist, um sich die Sterne anzusehen. Doch mein Grund, der mich in regelmässigen Abständen hierherführt, ist ein anderer. Ich blicke hinunter.



Nur noch wenige Zentimeter trennen mich vom Rand.



Ein kalter Wind kommt auf. Und ich schliesse meine Augen, lasse mich von ihm umarmen, berühren, trösten. Lasse ihn die warmen, salzigen Tränen, die meine Wangen hinabfliessen, trocknen.



Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf. Bilder von ihm! Bilder von uns...

Ich muss lächeln, als ich deine Bewegung in mir verspüre. Es zeigt mir, dass ich lebe. Und der Schmerz in meinem Herzen beweist mir, dass egal wie sehr ich es mir wünsche, dies hier kein Alptraum ist. Ich werde nicht aufwachen!



Sanft streiche ich mit meiner Hand über den Bauch, versuche dir nahe zu sein. Es tut mir leid!

Es tut mir leid, dass ich dir das hier zumute. Ich weiss, du kannst alles fühlen, was ich tue. Es tut mir leid, das ich dir nicht das bieten kann, was du verdient hättest. Es ist alles schiefgelaufen...

Ich mache mir schreckliche Vorwürfe deswegen. Vielleicht, wenn ich ihn davon abgehalten zu gehen, vielleicht, wäre dann alles anders gelaufen. Du bist noch nicht einmal auf der Welt, und ich habe dich bereits um deinen Vater gebracht. Er weiss nicht einmal das es dich gibt!

Glaub mir: Er fehlt mir mindestens so sehr wie dir! Ich liebe ihn. Ich habe ich schon immer geliebt! Mit jedem Augenblick, den wir getrennt sind, wird mir das immer klarer. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, hoffe ich, er würde neben mir liegen...



Es wäre so einfach, dass alles zu beenden: Nur ein Schritt! Der Grund aus dem ich zögere, bist du.



Du bist alles, woran ich mich noch klammern kann! Es ist alles so sinnlos...

Dann erwische ich mich dabei, wie ich in seine Wohnung fahre, versuche, seinen Geruch in mich aufzunehmen und auf seinem Bett zusammenbreche. Auf dem Bett, wo alles begann.

Wenn der Schmerz unerträglich wird, komme ich hierher!

Ich blicke hinab. Und jedes mal drängt sich mir die selbe Frage auf: Angst zu leben, oder Angst zu sterben?

Du solltest das nicht mitmachen müssen. Aber ich kann nicht anders. Ja, ich habe Angst: Angst davor, das ich dich auch noch verlieren könnte. Denn du bist alles, woran ich mich noch klammern kann. Wenn ich morgens aufwache, und dich nicht spüre, du dich nicht bewegst, breche ich in Panik aus!

Ich werde dich niemals verlassen! Und ich schwöre dir: Ich werde ihn finden. Ich kann gar nicht anders. Solange du nur bei mir bleibst! Du bist das Wunder, dass mich am Leben hält. Als mir die Ärzte sagten, ich sei schwanger, konnte ich es nicht glauben. dann wollte ich zu ihm rennen und es ihm sagen. Ich wünschte er könnte das alles miterleben...

Mein ganzes Leben habe ich darauf gewartet.



Plötzlich fängt es an zu schneien. Und ohne genau zu wissen warum, fange ich an zu lachen! Der erste Schnee. Auch wenn ich Angst davor habe, die Feiertage ohne ihn verbringen zu müssen, ist es irgendwie tröstlich zu wissen, dass das Leben weitergeht.

Vorsichtig klettere ich wieder hinter den Zaun. Ich werde nicht springen! So darf es einfach nicht enden. Das werde ich nicht zulassen!

Wir werden ihn finden. Es wird alles wieder gut werden: Das verspreche ich dir!
Eigentlich wollte ich dieses Jahr Weihnachten und alles was damit zusammenhängt boykottieren, aber scheinbar kann ich mich der winterlichen Magie doch nicht entziehen...
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