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Survivors Guilt

von XFilerN

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Ich kann es nicht fassen, dass ich heute auf dieser Beerdigung war. Der Beerdigung von drei der wohl besten und einmaligsten Menschen, die ich jemals kennen gelernt habe. Dass ich keinen von ihnen jemals wiedersehen werde, ist etwas, dass mich wohl noch lange Zeit beschäftigen wird.



Alles ging so schnell, und niemand konnte es aufhalten!



Geopfert haben sie sich. Sich dazu verpflichtet gefühlt, das einzig Richtige zu tun. Nein, das was sie für richtig hielten. Doch muss es deshalb zwangsläufig richtig sein? Wir hatten noch etwas Zeit. Zeit, die mir bestimmt ausgereicht hätte, um den Kerl auszuschalten und somit die Gefahr abzuwenden.



Jetzt ist es zu spät. Und dieses eine Mal wollte ich ihnen keine Vorwürfe machen. Ich konnte es auch nicht. Zu sehr bewegte mich ihre Courage. Helden, die auf einem Friedhof voller Helden begraben wurden.



Ich hätte es ihnen wenigstens ein Mal sagen sollen, dass ich ihre Arbeit schätzte und genau wusste, dass sie auf dem richtigen Weg waren und ihre Herzen am rechten Fleck hatten. Stattdessen habe ich stets versucht sie im Dunkeln tappen zu lassen, ihnen ihre Aufträge abzuluchsen oder aber ich legte ihnen Steine in den Weg.



Nicht gerade die Art, wie man mit Freunden umgehen sollte. Freunde, denen ich niemals sagen konnte, dass ich sie als solche empfinde. Und jetzt ist alles vorbei, zu spät und nicht mehr zu ändern.



Das Gewissen, sagte einmal ein alter Indianer, ist ein kleines dreieckiges Ding in meinem Herzen. Es steht still, wenn ich gut bin. Tue ich aber Böses, dreht es sich und die Kanten tun dann sehr weh. Am schlimmsten aber ist, wenn ich dennoch weiterhin nicht gut bin, denn dann stumpfen die Kanten ab, und ich spüre die Schmerzen nicht mehr.



Ich hielt Jimmy davon ab, mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft die Menschen zu retten, die zu seinen Freunden und gleichzeitig auch zu seiner Familie wurden. Seinen Kummer konnte ich in diesem Moment zwar nachvollziehen, aber selbst nicht so offen zeigen.



Sind die Kanten bereits dabei abzustumpfen oder gar schon rund? Habe ich nicht auch, wie Jimmy, ein Herz aus Gold? Bin ich so kalt, so berechnend geworden?



Ich hielt Jimmy, nachdem Byers, Frohike und Langly auf dem Boden zusammengebrochen waren und schließlich ihre letzten Atemzüge taten. Er weinte bitterlich, doch ich blieb stark. Nicht, dass ich nicht auch traurig war, aber ich konnte es nicht zeigen, glaubte für Jimmy da sein zu müssen.



Als ich vor diesen drei Särgen stand gingen mir ihre letzten Worte durch den Kopf. Und dann konnte ich es nicht mehr aufhalten. Ich begann zu weinen, zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder. – Ich hatte seit dem Tod meiner Mutter keinen mir nahe stehenden Menschen mehr verloren und als mir bewusst wurde, dass ich gleich drei auf einmal verloren hatte, brach die angestaute Trauer aus mir heraus.



Ich hoffe, dass sie mir meine Schuld vergeben. Dass sie mir verzeihen, dass ich sie da hineingezogen und sie keine andere Wahl hatten, als so zu handeln wie sie es getan haben. Ich hätte ihnen nicht von alledem erzählen sollen, dann wäre es nicht soweit gekommen. Und wenn doch, dann hätte es mich erwischt und es wäre kein Verlust für die Menschheit gewesen.



Jemand, wie ich es bin, wird nur kurze Zeit vermisst, wenn überhaupt. Der Tod der drei jedoch ist etwas, das viele Menschen tief getroffen hat und die niemals ganz darüber hinweg kommen werden.

Nicht diese Agenten Doggett oder Reyes, ich glaube, sie kannten die Jungs nicht allzu gut. Aber Scully oder dieser Mulder, die werden sie sehr vermissen. Sie kannten die Jungs schließlich schon ewig.



Scully ist mir ziemlich ähnlich. Sie hat keine Träne vergossen, doch in ihrem Innern, da weinte sie vielleicht mehr als die anderen – mehr als Jimmy. Sie sagte etwas, das aus meinem Mund hätte stammen können – nämlich, dass sie ihnen niemals gesagt hatte, was sie ihr bedeuteten.



Ich denke, dass ich mich mit dieser Frau sehr gut verstehen würde.



Ob sie Mulder davon erzählen wird? Und wie wird sie ihm sagen, dass gleich drei seiner Freunde gestorben sind? Wie bringt man das jemand bei, der noch nichts davon weiß und sogar die Beerdigung verpasst hat, die einzige Chance den Menschen, die man zu Grabe trägt, die letzte Ehre zu erweisen?

Mir gehen so viele verschiedene Gedanken durch den Kopf, aber vor allem wünsche ich mir mit ihnen gestorben zu sein, oder für sie, um sie zu retten.



Warum zum Teufel bin ich noch hier? Es war meine Arbeit, meine Pflicht diesen Irrsinn zu stoppen, den Fehler meines Vaters auszubügeln.



Meine Hand gleitet über die Tastatur, mit deren Hilfe Langly wahre Wunder am Computer vollbracht hat. Das Plastik ist kalt, ebenso der Monitor. Eine ungewohnte Stille, die zur Dunkelheit in diesen Räumen passt, herrscht vor und lässt mich frieren.



Selbst wenn die Jungs nicht hier waren, so liefen doch immer die Rechner und das monotone Summen brachte ein wenig Leben in dieses alte Gemäuer. Jetzt ist es hier so still, dass ich eine Stecknadel fallen hören würde. Das Leben ist verschwunden. Sie sind verschwunden, gegangen für immer. Doch auch wenn ich es ihnen niemals gesagt habe, so werden sie für mich immer weiterleben. Ihr Glaube ist mein Glaube, wir teilten ihn. Und so lange das besteht, wird ein Teil von ihnen in meiner Arbeit weiterleben, die ich jetzt erst recht in ihrem Namen fortführen werde, mit Jimmy an meiner Seite.



Langsam wende ich mich ab und werfe einen letzten Blick auf die Schlösser an der Tür. Ich muss schmunzeln und gleichzeitig bahnt sich eine Träne ihren Weg über meine Wange.

Mit einem leisen Klicken fällt die Tür hinter mir ins Schloss und ich verlasse das Hauptquartier der Lone Gunmen.





The End
In Erinnerung an meine Oma Emma Öhling
+++ 7. Januar 1912 - 8. Mai 2002 +++
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