Der Schnee fiel lautlos. Dicke Flocken trieben in spiralförmigen Bewegungen durch die kalte Nachtluft, bedeckten die Äste der kahlen Bäume und legten sich wie eine Decke über das alte Haus am Waldrand. Das Gebäude ragte grau und still aus der Landschaft, seine Fassade wettergegerbt, die Fenster blind vom Frost.
Ein Licht flackerte im Inneren.
Sophie Langdon, Anfang zwanzig, stand zitternd in der Eingangshalle. Ihre Finger umklammerten eine Taschenlampe, doch der Lichtstrahl zitterte wie ihr Atem. Die Tür hinter ihr war halb offen, kalter Wind drang durch den Türspalt und ließ die Holzdielen knarren.
Der Wind riss an den Fensterläden, während sie durch das Flurfenster blickte. Der Garten lag unter einer dünnen Schneeschicht, und das Licht des späten Nachmittags war trüb und blass. Irgendwo im Haus knackte das alte Holz, wie es das immer tat, wenn die Kälte Einzug hielt.
„Hallo?“ Ihre Stimme hallte zwischen den Wänden, schwach, unsicher. Keine Antwort. Nur das Knistern des Schnees, der sich durch eine zerbrochene Scheibe seinen Weg ins Innere bahnte.
Sie hatte den Schlüssel nie abgeben dürfen. Das war ihr Elternhaus gewesen, bis ihre Mutter vor drei Wochen starb. Ein Unfall, hatte man gesagt. Ein Herzinfarkt. Aber Sophie hatte es nie geglaubt. Nicht nach dem, was sie in den letzten Nächten gehört hatte – die Stimmen.
Sie ging langsam die Treppe hinauf. Jeder Schritt ein Echo. Als sie den Flur im oberen Stockwerk erreichte, war die Luft kälter. Sichtbarer Atem in der Dunkelheit. Das Licht flackerte.
Ein Flüstern.
Sophie blieb stehen.
„Sophie...“ Es war kaum mehr als ein Hauch. Doch sie erstarrte.
„Du hast mich vergessen...“
Sie fuhr herum. Nichts. Nur Schatten. Türen, leicht geöffnet. Alte Bilder an den Wänden, deren Gesichter zu verschwimmen schienen.
„Mama?“ Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
Ein leises Kichern hinter ihr. Als sie sich umdrehte, flackerte das Licht der Taschenlampe heftig – dann fiel es aus. Komplett.
Sie geriet in Panik.
Sie taumelte rückwärts – trat auf etwas Weiches – ein altes Kleidungsstück? Ein Stofftier? Dann spürte sie es: Eine Kälte, die nicht vom Winter kam. Eine Hand auf ihrer Schulter. Eiskalt.
Sie schrie aus Leibeskräften.
Ein letzter, kurzer Schrei – dann herrschte Stille. Die Taschenlampe rollte klappernd über den Boden. Licht flackerte noch einmal auf. Für einen Moment war ein Schatten zu sehen – verzerrt, unnatürlich lang – dann war es vorbei.