World of X

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Sternenhimmel

von Cat

Kapitel 1

Völlig überhitzt und unglaublich genervt trommelte Fox Mulder mit seinen Fäusten auf das Lenkrad seines Autos ein. Die Fenster hatte er alle nach unten gekurbelt, da die Klimaanlage seines Dienstwagens nicht funktionierte. Washington DC wurde gerade von einer enormen Hitzewelle überrollt, und da es seit Wochen weder geregnet, noch sich anderweitig abgekühlt hatte, konnte er die Hitze förmlich auf dem Asphalt schimmern sehen. Der Schweiß lief dem Agenten ungehalten die Stirn hinunter und sein helles Hemd klebte an seinem Oberkörper. Dass er zurzeit in einem großen Stau stand, besänftigte seine schlechte Laune nicht im Geringsten. Doch das Schlimmste an dieser Situation war das Lied, was gerade im Radio lief. „Holiday“ von Madonna. Er saß hier in dieser tropischen Hölle fest, sein Auto hatte sich seit zwanzig Minuten nicht von der Stelle gerührt und diese Frau besang Ferien. Er musste zwangsweise an eine wunderbare Abkühlung im himmelblauen Meer denken. Oder an eine kleine Strandbar, die Drinks mit kleinen Pappschirmchen servierte - oder kaum bekleidete einheimische Mädchen, die sich um ihn scharten und erotisch tanzten. Oder eine kaum bekleidete Scully, die für ihn tanzte. Er musste aufhören, sich solche Vorstellungen zu machen. Ihm wurde immer heißer zu Mute. Gott, hatte er etwa schon einen Hitzeschlag?
Selbst wenn, für Mulder stand fest, dass er es keinen Tag länger in Washington DC aushalten konnte. Absolut unmöglich. Er überlegte, wann er das letzte Mal freiwillig einen Urlaub genommen hatte. Wohl kaum in der Zeit, in der er sich den X-Akten gewidmet hatte. Skinners Gesicht wollte er sehen, wenn er einen Urlaubsantrag für sich auf seinem Schreibtisch vorfinden würde. Also, der Entschluss war gefasst, jetzt war definitiv ein Urlaub angesagt. Und wenn er schon einmal entspannen wollte, dann richtig. Er würde sich ein Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel irgendwo in Europa buchen, für mindestens drei Wochen. Dies war genau die Gelegenheit, um etwas von dem geerbten Geld seines Vaters unter die Leute zu bringen. Wozu sonst sollte der dieses ganze Vermögen benutzen? Statussymbole wie Häuser, Autos und kostbarer Schmuck, zumindest für sich selbst, waren nicht sein Ding. Viel hatte er von dem Geerbten noch nicht angerührt. Er hatte sich einige neue und teure Markenanzüge und Schuhe gekauft, ebenso eine neue Stereoanlage. Doch diese Ausgaben waren nur ein Bruchteil seines Vermögens. Bis auf das Sommerhaus seiner Familie hatte er alle Immobilien seines Vaters liquide gemacht, und dies dann mit dem restlichen geerbten Geld gewinnbringend angelegt. Es war mal an der Zeit, das Leben einfach zu genießen und endlich nur für sich und zum Spaß Geld auszugeben. Gott, es würde ein herrlicher Urlaub werden. Er würde den ganzen Tag faul am Strand liegen, sich bräunen lassen, die Nächte wie früher auf die Piste gehen, Frauen aufreißen...

Frauen aufreißen? Woher kam denn dieser Gedanke? Er wollte keine Frauen aufreißen. Gott, er musste wirklich krank sein. Oder unglaublich verliebt. Ja, er war bis über beide Ohren in seine wunderschöne und intelligente Partnerin verliebt. In Dana! Und genau das war sein Problem. Sie war seine Partnerin. Seine Arbeitskollegin, seine beste Freundin, seine Seelenverwandte. Sie bedeutete alles für ihn. Er würde für sie töten. Auch wenn er sie immer mit einem so unpersönlich wirkenden „Scully“ ansprach, doch in Gedanken war sie nur Dana für ihn. Nur in mit Gefühlen oder Angst geladenen Zeiten benutzte er ihren Vornamen. Wenn es nach ihm gehen würde, dann würde er es immer tun, aber er fürchtete, dass sie dann seine wahren Gefühle entlarven würde. Aber seine Liebe war unerwidert. Klar, Dana Scully liebte ihn, aber nicht wie eine Frau einen Mann liebt, sondern wie eine Schwester ihren Bruder liebt. Er war sich dessen bewusst, dass er ihr niemals seine Gefühle gestehen konnte, denn er konnte mit der jetzigen Situation leben - allerdings niemals mit einer Abweisung ihrerseits. Er war mit allem froh, was sie bereit war, ihm zu geben. Er würde alles dankbar ergreifen und nicht nachfragen - so lange sie nur da sein würde, in seinem Leben.
Plötzlich erschien ihm der Gedanke an Urlaub doch nicht mehr so verlockend. Er könnte es nicht ertragen, auch nur einige Tage getrennt von Dana Scully zu sein, geschweige denn von drei Wochen. Also würde er doch hier bleiben, in der stickigen Hitze der Großstadt. Es sei denn...
Ja, er würde Dana Scully zu einem Urlaub einladen. Er wusste, dass ihr letzter entspannender Urlaub, fern ab von allen X-Akten und Mutanten, auch schon Ewigkeiten zurück lag. Und ihm war auch klar, dass Dana noch immer etwas zu blass um die Nase herum war. Sie hatte sich nach ihrer schweren Krankheit noch nicht richtig erholt. Es würde ihr gut tun, nur einfach mal zu relaxen. Und es gab im gesamten Universum keinen anderen Menschen, mit dem er nicht lieber seinen Urlaub verbringen würde. Wahrscheinlich musste er mit all seinen Überredungskünsten aufwarten, um Dana Scully, „Miss Sturkopf“, zu so etwas zu überreden, aber er würde nichts unversucht lassen. Dana würde selbst niemals einen so teueren Urlaub planen, aber er fand, dass sie allen Luxus dieser Welt verdient hatte. Und wenn er sie nicht lieben, sie aber zeitweilig mit einem Urlaub glücklich machen konnte, dann würde er genau das tun.
Was er jetzt noch brauchte, war ein ausgeklügelter Schlachtplan. Einen, der Dana keine Ausbruchsmöglichkeit bieten würde. Er musste schlicht und einfach perfekt sein. Er konnte nicht so einfach zu ihr gehen, ihr die Tickets unter die Nase halten und ein flottes, „Ich hoffe du hast genügend Sonnencreme und einen Bikini“, säuseln. Oder doch? Genau, das war die Idee. Wenn er zwei nicht stornierbare Flugtickets besorgen würde, dann würde ihr keine andere Wahl bleiben, als ihn zu begleiten. Auch wenn sie sich nicht gerne von ihm beschenken lassen oder sogar später das Geld zurückzahlen würde, so war er sich doch sicher, dass Dana nicht zulassen würde, dass das schon bezahlte Ticket ungenutzt bleiben würde. Der Plan war einfach, genial und Erfolg versprechend. Also, ab ins nächste Reisebüro!


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Wenige Stunden später stolzierte Fox Mulder durch die Tür seines Kellerbüros im J.E.H. Building. Wie nicht anders zu erwarten, war seine Jahre lange Partnerin noch zu dieser späten Stunde am Arbeiten. Das musste aufhören, sie beide hatten sich eine Pause mehr als verdient. Grinsend trat er auf Dana Scully zu, wedelte mit einigen Papieren, die sie nur als bunte kleine Blätter identifizieren konnte, vor ihr her und meinte:
„Hey, Scully, schau dir das mal an, da werden wir ab nächste Woche Urlaub machen.“
Scully sah ihn nur verständnislos an, und verdrehte ihre Augen. Klar, er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie gleich „Ja und Amen“ sagen würde. Also präsentierte er ihr die Prospekte eines exklusiven Fünf-Sterne-Hotels an der französischen Côte d’Azur in St. Tropez. Jetzt komplett verwirrt starrte ihn seine Partnerin aus ihren wunderschönen blauen Augen an. „Was bitte soll das heißen?“, wollte sie etwas unwirsch wissen.
„Das soll heißen, dass du am Donnerstagabend deine Koffer für drei Wochen Urlaub in Europa packen, dich dann am Freitag morgen von mir abholen lassen und einfach nur mal entspannen wirst, mit mir“, gab Fox Mulder übermütig und ausgelassen zurück.
„Urlaub, mit dir, in Europa?“ Scully schüttelte nur ihren Kopf.
Warum war er über ihre Reaktion nicht verwundert? Aber er hatte seinen Trumpf ja noch nicht ausgespielt. Mit einem Siegeslächeln zog er mehrere Flugtickets aus seiner Jackentasche und grinste provozierend.
„Nun, dann ist es nur schade um die Tickets... Du musst wissen, da es sich um einen so kurzfristigen Flug handelt, sind sie leider nicht stornierbar. Entweder wir fliegen und genießen den Urlaub, oder aber wir fliegen nicht, und diese Tickets werden fliegen, und zwar in den Mülleimer!“ Er hoffte, dass Dana darauf eingehen würde.
„Du willst mir weismachen, dass du diese Flüge bereits gebucht und bezahlt hast? Mulder, hast du eine Bank überfallen?“
„Ja und nein. Die Flüge sind gebucht, zwei Hotelzimmer reserviert und die Sonnencreme bereits eingekauft. Was das Finanzielle angeht, da muss du wissen... nun... Scully, ich bin nicht unvermögend, und es würde mir eine große Freude machen, dich zu diesem Urlaub einladen zu dürfen.“
„Aber Mulder, eine Europareise... Wir können uns so etwas mit dem Gehalt eines Special Agents bei Weitem nicht leisten.“
„Nun, vielleicht nicht als Special Agent, aber als Alleinerbe? Komm schon, Scully, ich möchte wirklich gerne diesen Urlaub machen, aber allein? Du kennst doch meinen Hang zu Chaos, stell dir doch nur mal vor, ich treffe dort auf europäische Vampire, und keiner ist da, der mich aus der Scheiße ziehen kann. Kannst du das verantworten? Zudem gibt es niemand anderen, den ich lieber dazu einladen würde.“
„Du meinst es wirklich ernst?“ Sie schien es immer noch nicht glauben zu können.
„Hätte ich sonst schon die Tickets gekauft?“
„Du hast also gleich damit gerechnet, dass ich zustimmen werde?“
„Nun, um ehrlich zu sein, ja.“
„Und du willst wirklich mit mir dahin fliegen? Ich meine, du findest bestimmt einen dankbaren Abnehmer. Warum ich?“
„Du machst es mir aber auch schwer... Okay, kurz und gut: Ja, ich will mit dir nach St. Tropez fliegen. Nein, ich will niemand anderen fragen, und das, weil du meine Partnerin, beste Freundin und die einzige Person, der ich vertraue und mein Leben anvertrauen würde, bist. Reicht das als Erklärung?“
„Ja“, war Scullys jetzt etwas kleinlaute Antwort.
„Und was ist jetzt, kommst du mit?“
„Gut, aber nur, weil ich nicht will, dass du dieses Geld umsonst ausgegeben hast, und ich werde es dir wieder zurück zahlen, irgendwann.“ Sie sah ihn noch immer etwas unschlüssig an.
„Scully, hat man dir denn nicht beigebracht, dass man, wenn man was geschenkt bekommt, einfach nur danke sagt?“, witzelte Mulder. Er wollte sich seine Erleichterung und Freude nicht anmerken lassen.
„Dann, danke Mulder“, flüsterte sie.
„Na bitte, ist doch ganz einfach.“ Mulder war sichtlich stolz auf sich.
„Aber gibt uns Skinner denn beiden zur selben Zeit Urlaub?“ Es schien fast schon so, als würde sie nach einem Ausweg suchen.
„Null Problemo, schon alles geregelt, Skinmans Worte waren: “
Scully musste bei Mulders verzogenem Gesicht und seiner verstellten Stimme leise lachen.
„Du hast aber auch gar nichts dem Zufall überlassen, wie mir scheint!“


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Fox Mulder drückte eine Weile auf den Klingelknopf, ehe Scully ihm öffnete.
„Komm rein, Mulder, ich bin gleich soweit.“
Er betrat Scullys Wohnung und sah sich neugierig um. Sicher, er war schon viele Male hier gewesen, er kannte so ziemlich jeden Quadratzentimeter dieses Apartments. Nun gut, vielleicht gab es doch einige Fleckchen, die ihm bisher verschlossen geblieben waren, aber was nicht war, konnte vielleicht noch werden. Genau wie Dana, fügte er in Gedanken hinzu. Er hoffte, dass er durch diesen Urlaub weitere Einblicke in das Leben der wirklichen Dana, der Frau und nicht der FBI-Agentin und Pathologin, gewinnen würde. Doch nun sah es hier ziemlich chaotisch aus. Das war er von der sonst so ordentlichen Scully gar nicht gewöhnt. Hatte sie etwa verschlafen? Einem Wirbelwind gleich rauschte Dana aufgebracht an ihm vorbei. Sie murmelte etwas von „Ich hätte schwören können, er ist hier“ und eilte ins Bad. „Ähm, Scully, kann ich dir irgendwie helfen?“
„Eigentlich wollte ich gestern Abend packen, aber als ich meiner Mutter von meinem Urlaub erzählt hatte, bestand sie darauf, dass ich wenigstens vorher noch einmal bei ihr essen würde. Und gestern Abend ist es etwas später geworden. Als ich hundemüde heimkam, hatte ich, um ehrlich zu sein, absolut keine Lust mehr, zu packen. Schließlich habe ich schon eine gewisse Routine darin, aber wie ich gerade merke, ist es weitaus komplizierter, für einen Urlaub als für eine Dienstreise zu packen.“ Damit war sie schon wieder im Schlafzimmer verschwunden.
„Hetz dich nicht zu sehr, wir haben noch genug Zeit. Ich bin extra etwas früher gekommen, weil ich dich eigentlich zum Frühstück einladen wollte. Aber wir können auch genauso gut im Flugzeug etwas essen.“ Sein Blick fiel auf ihren offenen und halb gepackten Koffer auf der Couch. Mulder erkannte darin einige kurze Hosen und Sommerröcke, er brannte darauf, sie in einem solchen zu sehen, farbliche passende Trägertops und kurze T-Shirts - warum trug sie diese nicht auf der Arbeit? - ihre Kosmetikartikel, die sie gerade unachtsam dazu geworfen hatte, drei kurze, niedliche Sommerschlafanzüge, am unteren Ende erspähte er ihre Unterwäsche.
„Soll ich dir sagen, was dir noch alles fehlt?“, wollte er ihr helfen.
„Hast du durch meinen Koffer geschnüffelt?“, tadelte sie ihn spielerisch.
„Ist nur ein Angebot.“
„Schon gut. Dann schieß mal los.“
„Also, was hältst du von einer Sonnenbrille? Schuhe wären nicht schlecht, ein oder zwei Pullis, falls es kälter wird, ein Fotoapparat, die eine oder andere Jeans, das bezaubernde blaue Sommerkleid, das du neulich in deiner Freizeit anhattest, Badesachen... was zum Lesen für den Strand wäre auch nicht übel, ich glaube, meine Bücher werden dich nicht sonderlich interessieren. Sonnencreme brauchst du nicht, ich habe mehr als genug davon.“
„Was würde ich nur tun, wenn ich dich nicht hätte?“, verdrehte Scully die Augen, begann dann aber rasch, die von Mulder genannten Artikel und einige weitere zusammen zu suchen und diese in ihrem Koffer zu verstauen. Mulder konnte nur staunen, wie ordentlich sie das trotz ihrer Hektik schaffte. Er erhaschte einen kurzen Blick auf einen azurblauen kleinen Bikini, bevor dieser unter einigen Strandtüchern verschwand. Sein Mund wurde trocken und er schluckte schwer. Wie sollte er diesen Urlaub nur überleben? Nachdem Scully letztendlich auch ihre drei Paar Schuhe eingepackt und ihren Koffer mit einiger Mühe verschlossen hatte, griff sie nach ihrer Handtasche, durchsuchte die darin befindlichen Utensilien nach Brauchbarkeit und stand wenig später neben Mulder, der ihren Koffer trug, vor ihrem Apartmentkomplex. Ein letzter Blick auf das Gebäude, während Mulder versuchte, ihren Koffer in seinem Auto zu verstauen, dann fuhren sie schleunigst zum Flughafen.


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Einige Zeit später parkte Mulder seinen Wagen auf der Langzeit-Parker-Ebene. Wenn er schon einen so kostspieligen Urlaub geplant hatte, dann sollten die Parkgebühren sein kleinstes Problem sein, zudem war es ihm sowieso egal. Ganz gentlemanlike trug er nicht nur seinen, sondern auch Danas Koffer. Diese hatte zuerst protestiert, doch er hatte sie nur grinsend angesehen und ein „Widerstand ist zwecklos!“ geraunt. Ohne auf ihre Reaktion zu warten, trabte er dem Shuttle-Service entgegen. Er ergatterte für sie beide einen Sitzplatz und hantierte umständlich mit den Koffern herum. Dana Scully ließ sich neben ihn auf den Sitz fallen. Sie sah heute morgen einfach unglaublich bezaubernd aus. Sie trug eine figurbetonende dunkelblaue Jeans und ein graues, ebenso enges T-Shirt. Um ihre Hüften hatte sie eine passende dünne Strickjacke gebunden. Anstatt ihrer sonst immer so hohen Pumps trug sie praktische Turnschuhe. Er musste sich mal wieder darüber wundern, wie klein ihre Füße eigentlich waren. Ihre Sonnenbrille hatte sie sich in ihren Haaren zurück geschoben. Er fand dieses sportliche Outfit sehr vorteilhaft für seine zierliche Partnerin, sie sah einfach süß darin aus. Doch viel weiter kam er mit seinen Gedanken nicht, da sie am Flughafengebäude angekommen waren. Schnell packte er die Koffer und zog Scully hinter sich her, in Richtung Terminal 2. Glücklicherweise ging das Einchecken erstaunlich rasch von Statten, und so saß er wenig später mit Dana Scully in der VIP-Lounge, um auf ihren Aufruf zu warten. Wenn er schon einen so langen Flug in Kauf nehmen musste, dann wollte er zumindest komfortabel reisen. Und da Geld ja für ihn keine Rolle mehr spielte, wollte er sich den Luxus gönnen, einmal in seinem Leben Erste Klasse zu fliegen. Nun, und er wollte Dana Scully beeindrucken. Und sie hatte nicht schlecht gestaunt. In ihrer typischen Scully-Manier hatte sie ihre Augenbraue gehoben und zur Sicherheit ihr Ticket aus der Tasche geholt, um sich zu vergewissern, dass Mulder tatsächlich so teuer reisen wollte.
Als sie endlich das Flugzeug besteigen durften und die Agenten ihre Plätze gezeigt bekamen, seufzte Mulder erleichtert auf.
„Endlich, ich hasse es, nur herumzusitzen und zu warten.“
„Ach ja, und ein Stunden langer Flug fällt nicht unter diese Kategorie? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir hier wirklich Erste Klasse fliegen. Du hast mich wirklich überrascht, und das schon zum zweiten Mal in dieser Woche.“
„Ich bin halt immer für eine Überraschung gut“, grinste Mulder sie verschmitzt an.
„Das kann ich allerdings nur bestätigen, muss ich mir weitere Sorgen machen?“
„Scully, was denkst du nur von mir? – Nein, sag es mir lieber nicht... Also, was wollen wir uns denn jetzt mal genehmigen? So ein nettes Glas Sekt zum Urlaubsbeginn, was ist, Partner?“
„Mir wäre ein Frühstück lieber, auf leeren Magen ist Alkohol nicht das Wahre.“
„Und da hatte ich gehofft, ich würde dich betrunken machen können... Aber du hast Recht, Frühstück ist jetzt an der Reihe.“ Damit wandte er sich einer der freundlichen Stewardessen zu und bestellte für Scully und sich ein ausgewogenes Frühstück. Und kurz nach dem Start wurde beiden ein köstliches Mahl serviert. Mulder fühlte sich im Himmel - nun, genaugenommen war er da gerade, aber was konnte schöner sein, als hier mit seiner Partnerin, und der Frau, die er liebte, nach Europa zu fliegen, mit einem wunderbaren Urlaub in Aussicht? Keine Arbeit, keine Mutanten oder Aliens, einfach nur Dana und er, am Strand, relaxt... und vielleicht, ganz vielleicht, würde er auch endlich genug Mut aufbringen, um ihr seine wahren Gefühle zu gestehen. Er blickte kurz zu ihr herüber. Sie bekämpfte gerade ein Stück Rührei mit ihrer Gabel. Ihre Stirn hatte sich in angestrengte Falten verzogen, sie schien kurz davor zu stehen, das Rührei mit samt dem Tablett durch das Abteil zu schleudern. Mulder lächelte bei dem Anblick, ergriff seine Gabel, fischte ein Stück Rührei von ihrem Teller und hielt es ihr vor den Mund. Er wusste nur allzu gut, dass sie nicht sehr gerne flog und sichtlich nervös war. Erstaunt blickte sie in Mulders haselnussbraune Augen, dabei entging ihr sein fast schon zärtlicher Blick nicht. Doch er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, sondern drückte ihr die Gabel sanft an den Mund. Scully wollte gerade protestieren, und diese Gelegenheit nutzte Mulder, um ihr das Rührei in den Mund zu stecken. Um sich nicht zu verschlucken zerkaute sie das Essen und schluckte es hinunter. Sie sah Mulder auffordernd an.
„Was bitte sollte denn das? Bist du der Ansicht, ich wäre nicht in der Lage, mein Frühstück allein zu mir zu nehmen?“ Und schon wieder hob sie ihre Augenbraue auf für Mulder unglaublich anmutige Art und Weise.
„Das würde ich mir niemals herausnehmen. Ich weiß aber, wie sehr du Flüge verabscheust. Und da du einen kleinen Kampf mit deinem Essen hattest, da habe ich mir gedacht, dass ich dir einfach helfen könnte.“ Er sah sie mit seinem hoffentlich unwiderstehlichen Dackelblick an. Nicht umsonst hatte er ihn früher vor dem Spiegel perfektioniert.
„Du willst mir helfen, indem du mich fütterst?“ Sie wirkte überrascht.
„Nun, das erschien mir die richtige Entscheidung zu sein, ja. Und jetzt solltest du weiter essen, damit nicht alles kalt wird. Oder willst du, dass ich dich weiter füttere?“
Leicht ihrem Kopf schüttelnd widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Frühstück.
Mulder tat es ihr gleich und verputzte sein Schinken-Käse-Baguette in Rekordzeit.

Dana Scully wurde plötzlich unsanft aus ihren Träumen gerissen. Noch etwas benommen nahm sie eine ihr nur allzu gut bekannte Stimme wahr.
„Hey Scully, wach auf! Du musst dich anschnallen, wir beginnen gleich mit der Landung.“ Mulder blickte mit einem entschuldigenden Blick auf sie hinab.
„Hast du gut geschlafen?“
„Wie? O ja, danke.“ Mit eifrigen Fingern zerrte sie an ihrem Gurt herum, dann hatte sie es endlich geschafft und lehnte sich wieder in ihren Sitz zurück. Ihr Blick glitt zur Scheibe. Da draußen waren bereits Häuser zu sehen, zwar noch in Miniaturgröße, aber das würde sich nun schnell ändern. Mulder blickte etwas verträumt auf seine Partnerin. Sie hatte ziemlich lange geschlafen, ihre Nacht war wohl wirklich ganz schön kurz gewesen. Nun ja, jetzt blickte sie mit wachen Augen zum Fenster hinaus.
Da begann das Flugzeug plötzlich, sich nach vorne zu neigen. Für Scully schien das ein Zeichen zu sein, sich an den Armlehnen festzukrallen. Mulder warf ihr einen mitleidigen Blick zu und versuchte, sie zu beruhigen:
„Hey Scully, du weißt doch, dass so etwas bei einer Landung passiert. Wir sind doch schon so oft geflogen. Entspann dich.“
Mit diesen Worten ergriff er ihre Hand und strich beruhigend darüber. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und wie ein kleines Kind gewiegt, aber das hier war Scully. Bevor sie das erlauben würde, würde sie ihn eher erwürgen. Also behielt er diesen Gedanken lieber für sich und redete während der Landung leise auf sie ein.


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Endlich standen die Beiden ziemlich erschöpft von dem langen Flug an der Gepäckausgabe und warteten geduldig mit all den anderen Reisenden auf ihre Koffer. Einige Male hatte Mulder die Befürchtung, Scully würde im Stehen einschlafen, doch sie hielt sich tapfer wach und unterdrückte ein Gähnen. Sie sah so niedlich aus, wie sie da stand, mit ihren müden Augen und den zerknitterten Klamotten. Nach scheinbar unendlich langer Zeit erspähte Mulder ihre Gepäckstücke. Suchend begab er sich mit Scully im Schlepptau zu den Ausgängen, um ihren Shuttlebus, der sie zu ihrem Hotel bringen sollte, zu finden. Nach einer halbstündigen Fahrt standen sie in einer klimatisierten Rezeption, Mulder kramte nach seinen Papieren und checkte sie beide schließlich ein. Alles, was er jetzt noch wollte, waren mindestens sieben Stunden ununterbrochener Schlaf und er war sich sicher, dass es Dana genauso ging. Nachdem alle Formalitäten erledigt, ihre Hotelzimmer bezogen, die Koffer ausgepackt und einige letzte Worte ausgetauscht waren, verzogen sie sich auf ihre Zimmer, um ihren wohlverdienten Schlaf zu bekommen.


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Frisch ausgeruht klopfte Fox Mulder vorsichtig an die Zwischentür, die seinen und Danas Raum voneinander trennte. Hoffentlich war sie schon wach. Diese Hoffnung bestätigte sich durch ein „Ja?“ ihrerseits. Er öffnete die Tür einen Spalt und steckte seinen Kopf hinein.
„Hey, du bist ja schon wach. Sind die Wasserbetten nicht genial? Schade, dass meines kaputt ist, aber wenn ich das hier so sehe, ich glaube ich besorg mir ein neues. Was hältst du von einer kleinen Erkundungstour?“, wollte er wissen.
„Du hattest ein Wasserbett? Nun, die Details möchte ich lieber nicht wissen. Aber eine Erkundungstour ist eine gute Idee. Dann gib mir eine Viertelstunde Zeit, um mich umzuziehen. Ich komme dich dann abholen.“ Sie drehte sich weg und für ihn war das ein Zeichen, die Tür wieder zu schließen und ihr etwas Privatsphäre zu geben.
Sogar einige Minuten früher als versprochen betrat Dana sein Zimmer. Er sah erstaunt auf.
„Was, eine Frau ist früher fertig als sie sagt? Ich bin verwirrt!“, scherzte Mulder.
„Dann reiß dich aus deiner Verwunderung und bring deinen Hintern in Bewegung!“, forderte sie ihn auf und verließ den Raum. Mulder betrachtete Dana ausgiebig. Sie hatte niedliche beige Shorts und ein dunkelgrünes Trägershirt an. Dazu trug sie Sandalen. Erstaunt stellte Mulder fest, dass sie ihre Zehnägel lackiert hatte. Er konnte sich an ihr nicht satt sehen. Auch er hatte sich für Shorts entschieden, kombiniert mit einem hellen Hemd. Dann war er barfuß in seine neuen und modernen Turnschuhe geschlüpft.
Eilig folgte Mulder seiner Partnerin. Zusammen erkundeten sie zuerst die Hotelanlage. Beide waren hellauf begeistert. Direkt hinter der riesigen Rezeptionshalle befand ich ein nicht weniger imposantes Restaurant. Mulder, der zuerst einmal anfing den Speiseplan zu inspizieren, konnte gar nicht glauben, was für ein riesengroßes Angebot es gab. Und jeden Abend gab es ein gigantisches Buffet.
„Also hier kann man sich wirklich verwöhnen lassen!“, stellte Mulder glücklich fest.
Auch Scully war nicht minder erfreut. Doch ihre Neugierde über das restliche Anwesen siegte, und sie zog den noch immer glückseligen Mulder hinter sich her. Gemeinsam schlenderten sie weiter und stellten ihre Erkundungen an. Sie fanden im Gebäude eine große Sauna, die direkt an einen Whirlpool angrenzte, eine gemütliche Sommerterrasse, eine kleine Cocktailbar, einen gut ausgestatteten Shop mit allen möglichen Verbrauchsutensilien, eine Leseecke mit großen, dick gepolsterten Ledersesseln, ein Fitnessstudio, das Mulders Herz höher schlagen ließ, ein Internetcafe und sogar einen kleinen Kinosaal.
Direkt hinter der Terrasse erstreckte sich ein perfekt ausgestatteter Swimmingpool mit einer großen Liegewiese und jeder Menge Sonnenstühle, die zwischen Palmen platziert waren. Mitten im Pool war ebenfalls eine kleine Cocktailbar mit einem Strohdach. Vor dem Tresen waren kleine Hocker im Wasser angebracht. Mulder strahlte wie ein kleines Kind. Doch die abenteuerlustige Scully zog ihn bereits wieder hinter sich her. Sie betraten die Außensportanlage. Es gab einen Tennisplatz, eine großzügig angelegte Golfwiese, einen kleinen Minigolf-Parkour und auch einige Tischtennisplatten. Und natürlich durfte kein Platz für das Nationalspiel, Bowl, fehlen. Ihre weitere Erkundung führte sie hinunter zum Strand. Die beiden Freunde zogen schnell ihre Schuhe aus und genossen das Gefühl, wie sich der feine Sand zwischen ihre nackten Zehen grub. Laut vor Freude juchzend und glücklich wie zwei kleine Kinder liefen sie hinunter zum Meer und tauchten vorsichtig zuerst ihre Zehen ins Wasser. Schnell standen sie knietief in den Fluten. Langsam schlenderten sie weiter und entdeckten eine kleine Strandbar, einen Tretbootverleih, eine hoteleigene Surf- und Tauchschule und einige Wasserjets. - Dies hier war das reinste Paradies.
Er konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich hier war, und das mit Scully, seiner Dana. Am liebsten hätte er ihre Hand in die seine genommen, doch das wäre wohl zu offensichtlich gewesen. Nach einer endlosen Zeit kehrten die Beiden zum Hotel zurück. Das Buffet würde jetzt bald eröffnet werden, und zuvor wollten sie sich noch schnell umziehen.

Das Essen war phantastisch. Wenn er alles heute Abend essen würde, was es gab, dann würde er wahrscheinlich platzen. Aber er hatte ja drei Wochen Zeit, um all diese kulinarischen Genüsse zu probieren. Aber der Fischteller, den er sich zusammengestellt hatte, war einfach nur köstlich gewesen. Er hatte sich zweimal einen Nachschlag besorgt. Als er ein weiteres Mal an die Tafel treten wollte, bemerkte er Scullys warnenden Blick. Schnell sank er zurück auf seinen Stuhl. Dana hatte sich am Salatbuffet bedient. Sie hatte noch immer einen riesigen Teller vor sich, der nicht leer zu werden schien. Heute Abend trug sie ein elegantes schwarzes und knielanges Sommerkleid mit kurzen Ärmeln, dazu Sandalen mit etwas höheren Absätzen.
Mulder wünschte, er hätte einen Fotoapparat zur Hand, um diesen Moment - und natürlich Dana - zu verewiglichen.
„Nun, Mulder, wie sieht deine weitere Planung für heute Abend und für morgen aus?“, erkundigte sich seine Partnerin.
„Viel hatte ich, um ehrlich zu sein, heute nicht mehr vor. Ich wollte kurz ins Internetcafe, um den Jungs ’ne Mail zu schicken und ihnen ein bisschen die Nase lang zu machen, so unter guten Freunden...“
„ Du bist so gut zu deinen Freunden, hoffentlich ergeht es mir irgendwann nicht auch so!“, lachte Dana und schob sich eine weitere Gabel des köstlichen Salats in den Mund.
„Niemals, Scully“, tat Mulder sehr unschuldig.
„Aber das mit der Mail ist eine gute Idee. Ich wollte mich sowieso kurz bei meiner Mutter melden, das musste ich versprechen."
„Deine Mutter hat Internet?“, fragte Mulder interessiert.
„Seit kurzem, jetzt ist es sehr schwer, sie überhaupt vom PC wegzubekommen. Ich bin jedes Mal erneut erstaunt. Sie hat einige neue Mailbekanntschaften gemacht, ist auf einigen Mailinglisten vertreten und macht auch hin und wieder einige Chaträume unsicher“, erklärte Dana grinsend.
„Cool, dann werde ich ihr auch gleich mal ’ne Mail schreiben. Komm schon, ab an den PC.“
„Darf ich vielleicht noch in Ruhe aufessen? Mulder, wir haben Urlaub, Ferien, wir sind hier zum Entspannen, die Mails laufen uns nicht weg.“
„Sorry.“ Mulder sah sie mit Unschuldsmiene an.
„Was den morgigen Tag angeht, da wollte ich eigentlich schön ausschlafen, dann gut frühstücken, anschließend zum Strand gehen, etwas schwimmen, mich bräunen lassen, all die Sachen, die Touristen halt immer tun.“ Mulders Blick wurde leicht verträumt. Er hatte einen Urlaub wirklich mehr als nötig gehabt.
„Hört sich klasse an. Abends können wir ja mal nach St. Tropez fahren. Eine Freundin war vor einigen Jahren dort und war sehr begeistert von der Stadt“, schlug Scully vor.
„Klar, das werden wir machen“, stimmte Mulder ihr übereifrig zu.
Nachdem Scully ihr Abendessen beendet hatte, machten sich die Beiden daran, ihre Emails zu schreiben. Mulder zog die Lone Gunmen auf, schickte Maggie Scully eine kurze Nachricht und auch Skinner wurde nicht vergessen. Er schrieb von dem himmlischen Hotel, dem Stand und dem wunderbar klaren Mittelmeer, als wolle er beweisen, dass er tatsächlich Urlaub machte. Scully musste lachen, als sie seine Nachrichten, kurz bevor er sie abschickte, überflog. Sein Angebot, auch noch einige Zeilen einzufügen, lehnte sie lieber ab. Sie selbst unterrichtete ihre Mutter kurz, dass sie beide gut angekommen waren und wie traumhaft schön die Côte d’Azur war.
Nachdem sie noch einen Drink auf der Terrasse genossen hatten, zogen sie sich müde von dem anstrengenden Tag in ihre Zimmer zurück. Kurze Zeit später hielten beide Einzug ins Reich der Träume.
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