World of X

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A Day Like Hell (Or Even Worse)

von BigBlue

Kapitel 1

Es war der allerschlimmste Tag in meinem Leben. Der Tag, an dem ich am liebsten gestorben wäre. Warum ich heute noch lebe, weiß ich nicht genau. Warum ich mir nicht einfach eine Kugel durch den Kopf gejagt habe, an diesem Abend – keine Ahnung. Ich glaube, ich war ziemlich nah dran.
Es fing schon damit an, dass ich ungefähr um eins in der Nacht aufwachte, weil ein Schuss fiel. Ich war sofort hellwach, griff nach meiner Waffe und rannte raus. Der Schuss war aus der Wohnung nebenan gekommen. Vorsichtig öffnete ich die Tür, die komischerweise offenstand. Es war völlig leise. Verdammt. Ich musste auch unbedingt da hineingehen. Jedenfalls kam ich ins Wohnzimmer und sah ihn dort liegen, meinen jungen Nachbarn. Erschossen. Er hatte sich selbst erschossen. Das ist genau der Anblick, den man sich nachts wünscht. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal einen Kopf gesehen haben, durch den eine Kugel aus nächster Nähe gejagt worden war. Es ist schrecklich. Ekelhaft. Entwürdigend. Einfach nur alptraumhaft. Ich arbeite beim FBI. Ich habe viele Leichen gesehen, aber daran gewöhnen wird man sich nie.
Polizei, aufgeregte Nachbarn und alles das, was immer folgt, bei solchen Sachen. Halb drei lag ich wieder im Bett. Hellwach. Nicht fähig, diesen Anblick meines Nachbarn aus meinem Kopf zu verbannen. Da hatte ich so ein leises Gefühl, dass dieser Tag genau das werden würde, was er dann schließlich auch wurde.
Mein Wecker klingelte und ich stand auf. Ich hatte nicht mehr geschlafen seit um eins. Ich verschüttete die Milch. Kleinigkeit. Passiert. Ich trat auf mein Handy, das irgendwie runtergefallen war, ohne dass ich es bemerkt hatte. Tja, Pech. Ist nur ein Handy.
Dieser Tag warnte mich von Anfang an. Es war fast so, als würde er mir in jeder Minute ins Gesicht schreien: Hör auf. Halte einfach an. Ich werde dich fertig machen, hör lieber auf zu leben.
Ich verfluche ihn, diesen Tag. Und das werde ich mein ganzes Leben tun.
Ich gewöhnte mich langsam daran, das alles was schiefgehen konnte, auch schiefging. Das Auto sprang erst beim vierten Mal Starten an, aber es fuhr. Und es fuhr nicht in den nächsten Baum. Es fuhr nur an jede rote Ampel, in einen Stau, der noch nie um diese Uhrzeit an diesem Ort gewesen war, aber es fuhr. Und ich kam an. Hoffnungslos zu spät, aber ich kam an, lebend und heil. Wahrscheinlich wollte dieser Tag mich lebend. Es macht ja keinen Spaß, einen Toten zu quälen.
Als ich im Aufzug stand, fiel mir siedend heiß die Besprechung ein, die gerade ohne mich ablief. Verdammt!
Sie war auch schon vorbei, als ich dann endlich da war. Scully strafte mich mit einem sauren Blick und einem nicht sehr freundlichen, knappen „Guten Morgen.“ Gut, sie hatte jeden Grund, sauer zu sein. Diese Besprechung war wichtig gewesen. Es ging -wie so oft- um Scully und mich und unsere Arbeit. Ich hatte ihr hoch und heilig versprochen, nicht zu spät zu kommen.
Skinner fing mich ab, bevor ich richtig überlegen konnte, was jetzt das taktisch Klügste wäre. Er zitierte mich zu sich ins Büro. Ich bekam Ärger. Den hatte ich ja verdient. Und wenn es nur das gewesen wäre.
Er sagte mir, dass es schlecht aussieht. Ich sagte nichts, hoffend, dass er nicht von dem redete, an was ich dachte. Es sieht sehr schlecht aus, sagte er. Toll, er redete davon, was ich befürchtete. Natürlich redete er davon. Es war wie ein Schlag in den Magen. „Scully und Sie werden nicht mehr zusammenarbeiten.“
Ich hatte dem, was er dann erzählte, gar nicht mehr große Beachtung geschenkt. Ich bekam noch gesagt, dass ich durch diese Besprechung heute hätte das Schlimmste noch verhindern können, ich hätte die X-Akten retten können und meine Zusammenarbeit mit Scully, dann wurde ich aus der Höhle des Löwen entlassen.
An dem Punkt dachte ich, dass es nicht mehr sehr viel schlimmer werden könnte.
Aber natürlich wurde es das. Der Tag war noch lange nicht mit mir fertig.
Als ich ins Büro kam, hatte ich alle Entschuldigungen, die ich mir auf dem Weg ausgedacht hatte, verworfen und war bereit, mich einfach vor Scullys Füße zu werfen und um Verzeihung zu flehen. Ich wollte ihr sagen, wie sehr ich mich dafür hasste und alles sowas. Es stimmte alles, was ich ihr gesagt hätte. Wenn ich es ihr nur hätte sagen können! Dann hätte ich ihr auch gleichgestanden, dass ich sie unsterblich liebe. Aber ich bekam diese Chance nicht.
Alles, was mir bis hierhin passiert war, war nichts. Waren unwichtige Kleinigkeiten gegen das, was dann geschah.
Scully war nicht im Büro. Dieser verfluchte Scheißtag nahm mir das, was mir am wichtigsten war. Er wollte mich wirklich lebend umbringen.
Ok, Scully war nicht im Büro, das ist ja an sich nicht schlimm.
Ich suchte nach ihr. Lange.
Schließlich suchte das halbe FBI nach ihr.
Und nachdem ich schon anfing, mir die schlimmsten Szenarios auszumalen, fand man sie. Und das schlimmste aller Szenarios trat ein. Sie war tot.
Tot.
Scully.
Tot.
Ich stand einfach da. Erst zerriss es mich innerlich. Es war, als würde eine Bombe in mir explodieren oder implodieren oder als würde mir jemand bei lebendigem Leibe alle Organe rausnehmen. Es war ein Schmerz, wie ich ihn noch nie gespürt hatte.
Später saß ich dann einfach nur da und fühlte nichts. Das müsste wohl so eine automatische Abwehrreaktion sein. Ich war wie betäubt. Es war unwirklich. Ich konnte es nicht glauben. Das konnte einfach nicht passiert sein.
Bis ich irgendwann mitbekam, dass es doch passiert war.
Ich hatte Scully verloren.
Sie war sauer gewesen, wir hatten nicht miteinander gesprochen, wir waren auseinandergerissen worden und dann ist sie gestorben.
Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so elend gefühlt.
Ich weiß nicht mehr genau, was an dem Tag noch alles passiert ist, es war auch egal. Irgendwie muss mich wohl jemand davon abgehalten haben, mich selbst zu erschießen.
Und jetzt, 20 Jahre danach, sitze ich in meinem farblosen Leben und zolle diesem Höllentag seinen Tribut, indem ich an ihn denke.
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. An dem ich nicht von Schuldgefühlen erfasst werde. An dem ich Scully nicht nachtrauere.
Aber es ist mit der Zeit alles verblasst. Ich bin abgestumpft.
Ich denke immer noch daran, das zu tun, was ich an diesem Tag nicht getan hatte. Mich einfach zu erschießen und Scully zu folgen, wo auch immer sie jetzt war. Irgendwie tue ich es aber nicht. Als würde dieser verfluchte Tag mich am Leben halten, nur um mich jeden Tag zu quälen.

- - ENDE - -
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