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von Spooky

Kapitel 1

Angeekelt drehte sie den Wasserhahn der Badewanne auf und die sich windenden Maden verschwanden auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen der Kanalisation. Scully ließ sich auf den Toilettensitz gleiten und fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht.



Seit sie vor einem Monat in diese neue Wohnung gezogen war, schien es, als sei sie vom Pech verfolgt. Warum hatte das alte Gebäude in der Narrington Street, in der ihre alte Wohnung gelegen hatte, auch unbedingt verkauft werden müssen? Warum traf sie in ihrem Leben eigentlich immer offensichtlich die falschen Entscheidungen? Der Schluss ihrer Beziehung mit Greg lag nun schon vier Wochen zurück und es kam ihr vor, wie ein halbes Leben. Dana lächelte schief und betrachtete ihr Spiegelbild. Wieder eine ihrer Fehlentscheidungen. Warum täuschte sie sich nur immer wieder so sehr in der Wahl ihrer Männer? Warum hatte sie nicht ein kleines bisschen mehr Gespür für diese Typen, die sich nach genauerem Hinsehen als totale Tyrannen entpuppten und schließlich immer versuchten ihr Leben zu leben? Die allesamt glaubten zu wissen, was sie wolle und brauchen würde? Warum waren sie nicht ein kleines bisschen wie ihr Partner? Intelligent, weltoffen, gütig, charmant, vor allem aber, warum versuchten diese Männer immer nach einer Zeit sie in Richtungen zu lenken, in die sie nicht gehen wollte? Mulder - Scully seufzte. Ihr brillanter Partner war das eigentliche Problem. Er war der Grund, warum alle anderen Männer neben ihm keinem Vergleich standhielten.



Dana lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen.







Langsam dämmerte es ihr, dass sie in den letzten drei Monaten den Fehler ihres Lebens begangen hatte. Wie hatte sie nur auf diese schräge Idee kommen können, dass es gut war, sich nach anderen Männern umzuschauen, obwohl der Mann, dem schon seit langer Zeit ihr Herz gehörte, zum Greifen nahe war? Wenn er ihr nur einen einzigen kleinen Hinweis in all den Jahren gegeben hätte, dass sie mit ihren Gefühlen auf Gegenseitigkeit gestoßen wäre? Dutzende Möglichkeiten hatte es gegeben, aber jedes Mal, wenn sie sich zwei Schritte näher gekommen waren, hatte er wieder drei Schritte zurück gemacht. Sich zurückgezogen und damit mehr und mehr ihre Unsicherheit geschürt. Zum Greifen nahe und doch so weit entfernt. All die Zweifel, all ihre Angst und die Frage, ob sie jemals das Leben führen könnte, nachdem sie sich in der letzten Zeit immer stärker sehnte, kulminierten an diesem Abend, an dem sie Greg vor beinahe vier Monaten traf. Im ersten Moment hatte sie ihn schrecklich gefunden, wegen dieser plumpen Anmache und heute wusste sie, dass sie auf ihren Bauch hätte hören sollen, aber Greg schenkte ihr Aufmerksamkeit. Sie war ihm aufgefallen und er hatte sich bemüht ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Er war nicht Mulder, aber er war ein Mann und er gab ihr das Gefühl begehrenswert zu sein. Die Wochen vergingen und Greg und sie hatten sich immer öfter getroffen. Er sah gut aus, war charmant, pflegte angenehme Umgangsformen und gab ihr genau das, was sie schon lange vermisst hatte. Ein gleichmäßiges Leben außerhalb des Büros. Es war nicht perfekt, aber es war ein anderes Leben und für einige Wochen funktionierte der schöne Schein. Sie genoss es sogar Mulders eifersüchtige Blicke zu spüren, wenn sie nach Dienstschluss in seinen Wagen stieg. Sie hatte gespürt, dass es ihm nicht gleichgültig war, dass es da plötzlich diesen Mann in ihrem Leben gab, aber hinter seiner perfekten Maske hatte er auch nichts anderes aufblitzen lassen und das alles führte zu dem Schluss, dass Greg eine Chance bekam, die er letzten Endes nicht verdient hatte und die dazu führte, dass sie jetzt in dieser Wohnung saß, in der ihr Maden aus dem Abfluss entgegen krochen. Alles Schöne und Neue wurde irgendwann zur Routine und bei ihnen ging es schneller als erwartet. Wenn man Greg näher unter die Lupe nahm, war er ein spießiger Großstadtjuppy, der gewohnt war das zu bekommen, was er wollte. Sie gingen aus, wohin er wollte, sie aßen, was er wollte, besuchten seine Freunde, hörten seine Musik, lachten über seine Späße und vögelten, wie er es wollte. Wenn das der Preis für ein normales Leben war, hatte sie ihn viel zu lange bezahlt. Als er schließlich dann für sie gemeinsam beschlossen hatte ein Haus zu kaufen und darin mit ihr zu leben, brachte dies das Fass zum Überlaufen. Ein Heiratsantrag war eine Sache, aber dieser Deal war eine Nummer zu groß, gebunden an zu viele seiner Bedingungen und es kam, was von Beginn an unausweichlich war, was das Ende aller ihrer bisherigen Beziehungen zu Männern gewesen war. Sie brach aus, lief so schnell sie konnte und war am Ende sozusagen wieder am Start gelandet. Allein, mit einem Leben, das nicht perfekt war, mit einer Liebe, die nicht erwidert wurde, aber zumindest war sie hier aus freiem Willen und konnte tun und lassen, was sie wollte.



So schnell würde sie sich von einigen kleinen Maden und seltsamen Nachbarn nicht ins Bockshorn jagen lassen. Sie wusch sich die Müdigkeit aus dem Gesicht, denn dieses penetrante Klopfen hatte die ganze Nacht lang gedauert, es ging schon seit einigen Tagen so, und erst in den Morgenstunden war sie unruhig eingeschlummert.



Dana kippte etwas Flüssigkeit einer Ungezieferchemiebombe in den Abfluss und spülte noch einmal kräftig nach. Nach einem kurzen morgendlichen Snack machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Als sie die Tür ihres Appartements schloss, fiel ihr ein Zettel auf, der dort angebracht war.





Passen Sie sich an. In diesem Haus gibt es Regeln, die für alle gelten; besonders für die Neuen!!





Ihre Nachbarin







Dana schluckte und stopfte den Zettel in ihre Jackentasche. Genau das hatte ihr noch gefehlt. Eine kleinkarierte Nachbarschaft. Es war ja wohl noch erlaubt, sich einzurichten. Schließlich beschwerte sie sich auch nicht über dieses Getöse in der Nacht. Sobald sie wieder heimkäme, würde sie sich mit diesem Nachbar unterhalten. Schließlich war sie an keiner Eskalation der Lage interessiert.



***



Als sie die Tür zum Büro öffnete, blickte sie verwundert in die Runde. Es war bereits nach neun und offensichtlich war ihr Partner noch nicht da. Für Mulder war das so untypisch, als wenn es im Sommer schneien würde. Nachdem sie den Computer hochgefahren hatte, ging sie in den kleinen Nebenraum, um wie jeden Morgen Kaffee zu kochen. Ungewöhnlicherweise war dieser schon frisch aufgebrüht.



Die Hitze des Getränkes wärmte durch die Tasse ihre Handflächen und Danas Gedanken wanderten einen Moment lang ab. Sie erinnerte sich an das Gespräch, das Mulder und sie vor einigen Monaten in seiner Wohnung geführt hatten. Was wäre wohl aus ihrem Leben geworden, wäre sie nicht diesen Weg gegangen? Wo wäre sie heute? Sie setzte die Tasse an die Lippen und nahm einen Schluck der braunen Flüssigkeit.



"Morgen, Scully", erklang plötzlich, wie aus dem Nichts, hinter ihr die Stimme ihres Partners und aus ihren Gedanken gerissen und völlig erschrocken, entglitt der Kaffeebecher Scullys Händen und schlug krachen auf dem Boden auf.



Ihr Blick verriet, dass er sich viel eher zu erkennen geben hätte sollen und reumütig machte Mulder sich daran die Scherben aufzunehmen, die über den Boden verstreut lagen. Es hatte nicht in seiner Absicht gelegen seine Partnerin zu erschrecken. Dana fuhr sich der Hand durch die Haare.



"Gott, Mulder. Wenn Sie mich umbringen wollen, machen Sie nur weiter so", erklärte sie und ihr Ton klang gereizter, als sie es vorgehabt hatte.



"Seit wann sind Sie denn so schreckhaft, Scully? Haben Sie jemand anderen erwartet?" Danas fragender und zugleich gereizter Blick verriet ihm, dass er den letzten Satz besser nicht laut hätte aussprechen sollen. Nur weil er sauer war, dass sie sich mit einem anderen Mann traf, hatte er noch lange nicht das Recht ihr weh zu tun und schließlich war sie die letzte Frau, die das hier mit einem Kollegen tat, was er soeben angedeutet hatte. Dafür war sie viel zu sehr auf ihren Ruf bedacht als Agentin hier in der Zentrale.



"Hören Sie, Scully. Vergessen Sie bitte, was ich gerade gesagt habe, okay? Ist heute nicht mein Tag", setzte er zu einer Erklärung an, doch Scully ließ ihn stehen und verließ den Raum.



Woher hatte er auch wissen sollen, dass der Fall Greg bereits seit ihrem Einzug in die neue Wohnung ad acta gelegt worden war? Seit dieser Mann auf der Bildfläche erschienen war, hatten sie so gut wie nicht mehr miteinander gesprochen und das hatte sich auch nicht geändert, nachdem Dana mit Greg Schluss gemacht hatte. So gut es ging, hatte sie diesen Part vor Mulder verborgen.





Als gegen 17.00 Uhr endlich der Papierkram des letzten Falles beendet war, stemmte Scully ihre Arme hoch über ihren Kopf und streckte ihren müden Körper. Da seine Muskeln nicht weniger verspannt waren als ihre, sah Mulder seine Partnerin mitfühlend an. Sie hatte den ganzen Tag lang kaum drei Worte gesprochen und sah müder aus denn je.



"Hey, alles okay, Scully? Sie sehen müde aus."



Dana lächelte. "Jep, ich sehe nicht nur müde aus." Die letzten zwei Wochen hatten sie in einem Kaff in der Wüste verbracht, mit einem Fall, der sich mal wieder als der Flop des Jahrhunderts herausgestellt hatte, und dem sie verdankte, dass noch immer alle Kartons in ihrer neuen Wohnung verschlossen waren. Ihr Privatleben glich einer Katastrophe und den Gedanken an ein heißes Bad verwarf sie im selben Moment, als ihr das Bild der Maden wieder vor Augen kam.



"Scully? Sind Sie noch da?"



Dana blickte ihren Partner verwirrt an. "Oh, Entschuldigung. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht, Mulder."



"Ja, das hab ich gemerkt. Was macht Ihre neue Wohnung?"



Scully zuckte die Schultern und nahm ihre Jacke. "Es ist schon ganz okay. Wenn ich endlich dazu komme ein paar Kartons auszupacken, wird es auch bald wohnlicher werden, Mulder."



"Autsch, das habe ich verstanden, Scully. Keine Sorge, es ist kein Fall in Sicht, der uns in der nächsten Zeit außerhalb Washingtons führen wird. Auf diese Art und Weise haben Sie Zeit sich einzurichten und Ihr Privatleben zu pflegen! Ich bin sicher, dass wird Ihren Freund ebenso freuen."



Scully zuckte unmerklich zusammen. "Ja. Sicher."



Wann hatte sich ihr Partner eigentlich in ein Arschloch verwandelt? Scully nahm ihre Jacke und ging. Sie hatte für diesen Tag genug von Mulders eindeutig zweideutigen Bemerkungen. Erneut verärgert über sein loses Mundwerk lehnte er sich an denn Türrahmen und sah zu, wie sich die Türen des Aufzugs hinter seiner Partnerin schmatzend schlossen. Was hatte dieser Mann, was er nicht hatte? Abgesehen davon, dass er Scully sich nicht diese weniger charmanten Sprüche an den Kopf warf. Mulder griff ebenfalls nach seiner Jacke und schloss die Bürotür hinter sich ab. Was war geschehen, dass es da plötzlich diesen anderen Mann gab? Auf der anderen Seite, was hatte er gedacht? Dass Scully ewig an seiner Seite sein würde, auf ihn warten würde? Gott, warum war er nicht ein kleines bisschen mutiger gewesen? Sicher, es gab Gründe für seine Zurückhaltung, gute Gründe aus seiner Sicht, auch wenn sie hauptsächlich darin begründet waren, dass er Angst hatte. Aber letzten Endes hatten sie dazu geführt, dass er die Frau verloren hatte, für die sein Herz schlug.



***



Das Gewicht des Rucksacks zerrte an ihren Schultern und Danas Blick richtete sich im Treppenhaus nach oben. Dank dieses Aufzugs war sie mal wieder dazu gezwungen zu Fuß zu gehen und mit den Einkäufen, die sie noch schnell besorgt hatte, war das keine Leichtigkeit.



Knarrend öffnete sich die Tür neben ihr und Mrs. Brighton tauchte im Flur auf. Die Lockenwickler unter einem Haartuch verbunden, wirkte sie wie das Inbild einer typischen Hausfrau.



"Oh, Miss Scully. Wie geht es Ihnen? Es ist ein Jammer, dass dieser alte Aufzug mehr kaputt ist, als dass er funktioniert, nicht wahr?", fragte sie zuckersüß und Dana lächelte gequält.



"Ehm, das geht schon, Mrs. Brighton, danke der Nachfrage. Sagen Sie, wer bewohnt die Wohnung unter mir?"



"Im Stockwerk direkt unter Ihnen?"



"Ja, genau unter mir.“



"Na ja, ich habe vorgestern einige Möbel umgestellt und sicher war das auch etwas laut. Ich hatte dann heute Morgen einen Beschwerdebrief an meiner Tür hängen und ich dachte, es wäre vielleicht aus der Wohnung unter mir gekommen. Ich wollte mich entschuldigen, dass ich etwas Lärm verursacht habe, aber ich bin noch immer am Einrichten und na ja, Sie wissen ja, wie das ist. Ich möchte mich eben nur nicht gleich unbeliebt machen, aber in dieser Wohnung öffnet niemand und es gibt auch kein Türschild. Hören Sie eigentlich in der Nacht auch diesen Lärm? Dieses Klopfen?"



"Ein Klopfen, Miss Scully?!"



"Ja, die halbe Nacht lang."



"Nein, ich höre nichts. Vielleicht sind es die alten Heizungsrohre. Sie wohnen erst kurz hier und da muss man sich erst an alle Geräusche im Haus gewöhnen. Ach und unter Ihnen wohnt übrigens die alte Mrs. May. Sie ist über achtzig und kommt nur noch selten aus ihrer Wohnung heraus."



Scully nickte. "Gut, ich wollte Sie nämlich nicht verärgern. Ich nehme an, dass Sie mir diesen Brief geschickt hatte."



"Einen Brief?"



"Ja, aber ich denke, ich sollte das nicht so aufbauschen. Vielen Dank für Ihre Geduld und Ihre Auskunft." Dana verabschiedete sich und erklomm die letzten Stufen zu ihrem Appartement. Gerade als sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte, erschreckte sie eine fremde Stimme, ähnlich wie Mulder es am Morgen getan hatte. Ein leiser Schauder lief über ihren Nacken, als sie sich umdrehte und in die Augen eines älteren, freundlichen Mannes blickte.



"Oh, Miss. Ich wollte Sie nicht erschrecken", erklärte dieser und Dana lächelte gepresst. "Mein Name ist Vince McCullen. Ich wohne über Ihnen und hatte mich bis jetzt noch nicht vorgestellt als neuer Nachbar. Das ist sehr unfreundlich und ich dachte, ich nutzte jetzt mal die Gelegenheit."



Freundlich streckte er Scully einen Kuchen entgegen, um im selben Moment zu entdecken, dass sie keine Hand mehr frei hatte.



"Oh, ähm, kommen Sie doch kurz mit herein" , bot sie an und der ältere Herr folgte ihr strahlend.



"Sie haben eine schöne Wohnung, Miss Scully."



"Danke. Und danke für den Kuchen. Das war aber nicht nötig."



Mr. McCullen winkte ab. "Oh, das macht gar nichts. Es ist ein Zeichen von Gastfreundlichkeit neue Mieter zu begrüßen, finde ich."



Dana lächelte. Anscheinend wohnten in diesem Haus doch auch normale und freundliche Menschen. "Möchten Sie eine Tasse Tee oder ein Stück Kuchen?"



"Nein, nein. Meine Frau hat Abendessen gemacht. Ich sollte gehen. Ich möchte Sie auch nicht aufhalten, Miss Scully."



"Danke, danke wirklich. Das war sehr freundlich von Ihnen." Scully schloss die Tür und lehnte sich einen Moment dagegen. Vielleicht war sie in der letzten Zeit wirklich etwas empfindlich gewesen.



Wenn sie sich langsam einrichten wollte, musste sie endlich ihre Klamotten aus diesen Kartons bekommen. Sie rieb ihre Hände und begab sich an die Arbeit.



Während sie den ersten öffnete, hörte sie den Anrufbeantworter ab, nur um Gregs Stimme exakt neunzehn Mal darauf zu hören. Wenn es seine Absicht war sie zu verärgern, dann hatte er es damit geschafft. Dana löschte alle Beiträge und beschloss nicht zu reagieren. Je eher würde er sein Vorhaben vergessen.





Wenn es eine Hölle gab, dann war sie mit Sicherheit mitten drin! Seit einer Woche nun schon hatte sie jede Nacht dieses Klopfen gehört, aber Mrs. May hatte nicht einmal die Courage gehabt die Tür zu öffnen. Scully fragte sich, wie oft sie in den letzten Tagen schon an dieser Tür geklopft hatte. Und obwohl sie mittlerweile die Verträglichkeit in Person war, was die Lautstärke anging, hatten diese Briefe nicht aufgehört. Zuerst hatte sie es nicht ernst genommen, aber langsam bestärkte sich der Gedanke, dass diese alte Dame verrückt war. Immerhin verrückt genug nicht an die Tür zu gehen, ihr aber diese Briefe zu schicken. Mittlerweile wenigstens mit Unterschrift.



Zweimal in der vergangenen Woche hatte sie die Cops gerufen, aber natürlich war das Klopfen in dem Moment vorbei, als diese das Gebäude betraten und zu allem Übel war sie wohl die Einzige im Haus, die dieses Klopfen hörte, was in den Augen der Cops nicht sonderlich glaubwürdig wirkte. Wahrscheinlich hielten sie sie für eine total überarbeitete Frau, die ihre Nerven nicht im Griff hatte und wenn das so weiter ging, fürchtete sie, dass letzteres auch geschehen würde, denn seit Wochen litt sie unter permanentem Schlafmangel.



Dieser Morgen allerdings hatte alles bis dahin vorgekommene in den Schatten gestellt. Als sie nach dem Aufstehen das Wohnzimmer betreten hatte, wimmelte es dort von Mäusen ohne Ende und Dana hatte nichts anderes tun können, als einen Kammerjäger zu bestellen.



Hoffentlich war dieser auch wirklich am Nachmittag fertig.





Genervt und überarbeitet verbrachte sie die Stunden bis zur Mittagspause im Keller des FBIs, um eine Autopsie durch zu führen. Wenigstens hatte sie hier unten ihre Ruhe und konnte nachdenken. Langsam bereute sie es jemals einen Fuß in diese Wohnung gesetzt zu haben. Warum hatte sie nicht etwas länger gesucht???



Gegen Mittag tauchte Mulder in der Leichenhalle auf.



"He. Wie geht es?" Dana zuckte die Schultern.



"Die Autopsie läuft gut. Es dauert aber noch etwas."



"Dann können Sie also nicht mit mir zum Mittagessen gehen, Scully?", fragte er etwas enttäuscht und seine Partnerin schüttelte den Kopf.



"Nein, leider. Ich kann ihn hier nicht so herumliegen lassen, aber danke für die Einlandung." Mulder betrachtete seine Partnerin genau. In den letzten Wochen sah sie furchtbar müde aus, ausgelaugt und überarbeitet. Scully war gereizt und oftmals unaufmerksam. Tief in seinem Herzen hoffte er, dass das nicht an diesem Kerl lag, denn schließlich gefiel ihm die Vorstellung, warum Dana nachts keinen Schlaf bekam eher weniger. Zaghaft machte er einen Versuch.



"Scully, sie sehen müde aus. Vielleicht würde eine Pause ganz gut tun. Er läuft Ihnen schon nicht weg."



"Es geht mir gut, Mulder. Ich habe nur etwas schlecht geschlafen in der letzten Nacht. Das ist alles", konterte sie und es tat ihr leid, dass sie ihren gereizten Unterton nicht aus ihrer Stimme verbannen konnte. Schließlich machte Mulder sich nur Gedanken um sie, wie er es immer tat. Er konnte nichts dafür, dass sie so viele Probleme mit ihrer Wohnung hatte und einen Exfreund, der keine Ruhe gab. Mulder sah sie enttäuscht an.



"Es tut mir leid. Ich bin heute nicht so gut drauf, Mulder. Warum gehen Sie nicht essen und bringen mir etwas mit? Einen Salat oder so?". Dana lächelte versöhnlich und schaute ihrem Partner hinterher, der etwas geknickt den Raum verließ und sich auf den Weg nach oben in die Cafeteria machte.





Warum war Scully nur immer so furchtbar verschlossen? Er konnte deutlich spüren, dass es ihr nicht gut ging, aber sie würde sich eher ihre Zunge abbeißen, bevor sie sich ihm anvertrauen würde. Sie und ihr verdammter Stolz. Missmutig gab er der Tür zur Cafeteria einen Stoß und betrat den Raum, in dem sich schon dutzende anderer Agenten tummelten.



Als er sich gerade nach einem geeigneten Platz umsah, rief plötzlich jemand nach ihm und Mulder erkannte Debbie auf den ersten Blick.



"He. Ist Euch in Quantico der Kaffee ausgegangen?", fragte er süß und nahm Platz. Debbie lächelte. Sie war Danas beste Freundin und in den vergangenen Jahren hatte auch Mulder sie recht lieb gewonnen.



"Nein, ich dachte, ich treffe Dana hier, aber ich kann sie nicht finden." Mulder schluckte.



"Ist etwas mit ihr?"



"Das fragst Du mich?" Debbie sah ihn abwartend an.



"Sie ist im Keller und lässt sich nicht von dieser Leiche losreißen. Was ist los mit Scully, Debbie? Sie ist total überarbeitet und auf die Dauer kann das nicht gut gehen." Danas Freundin biss sich auf die Unterlippe. Sie war sich nicht sicher, wie viel sie preisgeben durfte, auf der anderen Seite aber machte sie sich dieselben Sorgen und wusste, dass Mulder sie nicht bei Dana in die Pfanne hauen würde.



Sie atmete tief durch.



"Ich denke, es geht Dana ganz und gar nicht gut im Moment. Seit sie sich von Greg getrennt hat, läuft so ziemlich alles schief. Die neue Wohnung entpuppt sich als Alptraum wegen diesen Mietern und seit Wochen bekommt sie nachts kaum Schlaf. Das sieht fast nach gezieltem Mobben aus, mit netten Briefen und allem was dazu gehört und die Cops können da auch nichts machen, da angeblich nur Dana diese Geräusche hört. Und na ja, als wäre das nicht genug, terrorisiert Greg sie auch noch mit Anrufen. Er will sich eben nicht damit anfreunden, dass es aus ist!" Mulder starrte Debbie ungläubig an.



"Das ist nicht Dein Ernst, oder?", fragte er doch ihr Blick verriet das ganze Gegenteil.



"Seit wann ist es aus mit Greg?"



"Ungefähr seit einem Monat. Kurz darauf ist Dana in die Wohnung gezogen. So lange eben schon. Ich wusste von vorne herein, dass das nicht gut geht."



"So? Warum?" Debbie lächelte verschmitzt.



"Sorry, Mulder, aber es gibt Dinge, die sind eben für Dich tabu. Aber ich geb Dir gerne einen Tipp, warum findest Du das nicht selber heraus?" Deb sah auf ihre Uhr. "Gott, ich muss wieder los. Bitte grüß Dana von mir, wenn Du sie siehst und sag ihr, dass ich sie anrufe heute Abend, ja?"



Mulder blickte ihr erstaunt hinterher. Es war also aus mit diesem Typen und er sollte selber herausfinden, warum es von Anfang an nicht funktioniert hatte. Manchmal sprach Debbie sogar für ihn in Rätseln, aber er war gewillt es herauszufinden.







Die Autopsie hatte länger gedauert, als ihr lieb gewesen war und so nahm Scully erst sehr spät an diesem Abend ihre Jacke und verließ das Büro. Für einen Moment überlegte, sie, ob sie noch kurz einen Blick in Mulders Büro werfen sollte, aber sie entschied sich dagegen. Daheim würde noch eine Menge Arbeit auf sie warten, die der Kammerjäger hinterlassen hatte. Hoffentlich hatte er diese Viecher alle beseitigen können.



Auf dem Heimweg machte sie ihren obligatorischen Einkauf. Es wurde mit jedem Male später, wenn sie in diesen kleinen Laden kam.



Um diese Uhrzeit war nur noch sehr wenig los und so nahm der Mann hinter der Kasse sich viel Zeit und half ihr beim Einpacken der Einkäufe.



"Wünschen Sie sonst noch etwas, Miss?", fragte er freundlich und Scully nickte. Beim letzten Einkauf hatte sie dieses Schild gelesen, dass der Laden Sonntags Morgens auch frische Milch an die Haustür liefern würde und sie hatte sich überlegt diesen Service anzunehmen.



"Liefern Sie Sonntags noch die Milch?", fragte sie freundlich und der nette Herr bestätigte ihre Frage.



"Ja, möchten Sie welche, Miss?"



"Gerne."



"Gut, dann brauche ich nur ihre Adresse und schon kann es losgehen."



"2467 Walker Lane, Apartment 5."



"Walker Lane 2467? Dort wohnt doch auch Mrs. May, oder?" Alleine der Klang dieses Namens ließ Scullys Laune mittlerweile kippen.



"Sie kennen Mrs. May?" Immerhin hatte dieser Mann sie wenigstens wohl schon mal gesehen. Da war er ihr gegenüber glatt im Vorteil.



"Ja, bis vor zwei Monaten hat sie immer hier bestellt, aber dann hörte es plötzlich auf. Jemand rief an und bestellte den Service ab. Grüßen Sie sie doch bitte von mir, wenn Sie sehen, ja? Sie ist eine sehr freundliche alte Dame"



Freundlich? Entweder sie oder diese anderen Menschen verloren allmählich die Übersicht. Mrs. May war alles in Danas Augen, aber mit Sicherheit fiel "freundlich" nicht darunter.



Auf dem Heimweg grübelte sie lange nach. Wäre sie aufmerksamer gewesen, hätte sie den Wagen ihres Ex-Freundes sicherlich in der Auffahrt bemerkt. So lief sie ihm direkt vor ihrer Wohnung in die Arme.







"Dana!", flüsterte er leise und trat aus dem Schatten. Allein seine Stimme ließ sich mittlerweile erschaudern.



"Greg! Was willst Du hier? Ich habe gesagt, dass ich Dich nicht sehen möchte und ich wäre sehr froh, wenn Du Dich auch daran halten könntest, ok?"



"Wieso? Was habe ich falsch gemacht?" Sein Griff ging um ihren Arm, doch Scully drehte sich weg.



"Bitte, lass mich in Ruhe. Es ist vorbei mit uns!", fauchte sie langsam ungeduldiger werdend, doch so schnell wurde sie ihn nicht los.



"Ich habe ein Recht es zu erfahren. Ich liebe Dich!"



"Du hast kein Recht! Zu gar nichts. Ich liebe Dich nicht und ich werde nicht zurückkommen, Greg. Bitte versteh das doch!"



"Du willst doch nicht in dieser Bruchbude wohnen, oder? Ich habe Dir doch das Haus gezeigt, dass ich für uns ausgesucht hatte? Willst Du sagen, dass Du das hier vorziehst?" Dana nickte.



"Hör zu, ich formuliere es noch einmal langsam. Es ist aus, Greg. Ich liebe Dich nicht und ich will, dass Du mich in Ruhe lässt!"



Scully verschwand in der Wohnung und verriegelte die Tür.



Gott, was hatte sie eigentlich angestellt, dass derzeit alles so lief wie es lief? Im Licht der kleinen antiken Lampe, die ein Geschenk ihrer Mutter war, blickte sie sich neugierig um. Anscheinend hatte der Kammerjäger ganze Arbeit geleistet.



Auf ihrem Küchentisch lang ein kleiner weißer Zettel. Neugierig hob sie ihn hoch und las:







Sehr geehrte Miss Scully,





Haben Sie sich schon mal Gedanken über ihre Nachbarn gemacht?



Diese Mäuse kamen nicht aus der Kanalisation oder alten Lüftungen, denn ich habe auch einige Albinomäuse gefangen und die kommen in der freien Natur nicht vor.



Werfen Sie doch mal einen Blick unter ihre Heizung. Was sie dort finden ist kein Mauseloch, sondern ein von Menschenhand gedrehtes Loch.





Mit freundlichen Grüßen
Life Erikson, Kammerjäger
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