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Zufällige Begegnungen

von foxhunt2blue

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Hilflos.
Verloren.
Das war es, was er fühlte und es machte ihn wütend. Wütend genug, um seine Faust durch eine Wand zu schlagen. Wütend genug, um zu Gott selbst zu schreien.
Er war nicht sicher, auf wen er wütender war; auf diesen rauchenden Schweinehund oder auf sich selbst.
Vier Jahre lang hatte er sich zurückgelehnt und zugesehen, wie diese Bastarde sein bestes Agentenpaar manipulierten. Er hatte nichts getan, um es aufzuhalten, nichts um den Schmerz zu lindern, der erst Fox Mulder und dann Dana Scully heimgesucht hatte.
Mulders Partnerin, die Frau die er liebte.
Ein Teil von ihm sehnte sich danach es ihr zu erzählen, aber er hatte die Art gesehen, wie sie ihren Partner ansah. Ihre Augen leuchteten mit einer blauen Flamme auf, die jedem trotzten, der es wagte sich zwischen sie zu stellen. Über die Jahre war er mehr als einmal Adressat dieses Blickes gewesen. Tatsache war, dass er erst vor wenigen Stunden das Brennen dieses Blickes im Konferenzraum gespürt hatte.
Er wusste, dass sie ihm nicht traute, dass sie dachte er stünde hinter den ständigen Überwachungen der Verschwörer von ihr und ihrem Partner. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt liegen als das.
Seine Handflächen über seinen Kopf gleiten lassend, ging er gerade außerhalb des Raumes auf und ab, wo sie jetzt im sterben lag.
Mit jedem Schritt wiederholte er den Moment, als sie in seine Arme gefallen war.
Blut.
Warm und voller Leben, ebbte es aus ihrem Körper.
Den Blick, den sie gewechselt hatten als sie um Atem rang, riss ihm sein Herz heraus.
Bitte bewahren sie unser Geheimnis, hatte sie gebeten, mit nichts mehr als einem Blick.
Mit einem letzten Blick zurück durch das Fenster auf ihren zerbrechlichen Körper ging er davon. Frische Luft war was er jetzt brauchte. Er musste nachdenken, er musste nach einer Antwort für all dies suchen.

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Das Trinity Krankenhaus hatte einen wunderschönen kleinen Gartenbereich. Isoliert vom Lärm der Straße hätte er sich einreden können er stünde nicht Mitten in Washington, DC.
Familien kamen hierher, stellte er sich vor, um ihre Gedanken zu sortieren, um vielleicht mit Gott zu kommunizieren in den schwersten aller Momenten. Er war hier um zu vergessen.
Im Frühling wären die Kirschbäume wunderschön gewesen, ihre Blüten dicht, weiß und schwer von Süße. Doch jetzt in der kühlen Novemberluft ragten ihre Zweige kahl und skelettartig gegen den dunklen Himmel.
Seine Hände tief in seinen Manteltaschen verbergend bewegte er sich den Steinweg entlang, seine Gedanken wanderten.
Er war sich nicht sicher, wie lang er dort gewesen war, als er es hörte.
Weinen.
Ein sanftes Wimmern, das von Schuld und Verlust zeugte.
Als er aufschaute erhaschte er einen flüchtigen Blick auf etwas weißes, während er tiefer in den schattigen Garten vordrang.
Eine junge Frau saß auf einer der Bänke, ihr Gesicht im Schatten verborgen. Es war als würden unsichtbare Hände ihn zu ihr führen, zu jemandem, dem er vielleicht helfen konnte.
Was für ein merkwürdiger Gedanke.
Es schien, als würde sie ihn nicht bemerken, bis er praktisch über ihr war.
„Verdammt!" Sie schnappte nach Luft.
"Es tut mir leid, Ma'am. Ich wollte nicht stören."
"Schon okay. Ich dachte nur nicht, dass noch jemand so spät hier draußen sein würde." Sie wischte mit dem Ärmel ihres Laborkittels über ihr Gesicht, verschmierte die Tränenspuren.
"Walter Skinner." Er setzte sich auf die Bank neben ihr, seine Augen studierten ihre hängenden Schultern.
"Jen... Jen Phillips."
"Schwester?"
Sie lachte sanft, als sie in ihrer Tasche fummelte, eine zerdrückte Zigarettenpackung hervorziehend. "Angeblich soll ich Ärztin sein." Ihr Ton war mit derselben Schuld gefüllt, die er in ihren Tränen gehört hatte.
"Warum waren Sie allein hier draußen..., wenn ich fragen darf?"
"Um mit Gott zu sprechen", flüsterte sie.
"Ich auch", antwortete er während sich ihre Augen trafen.
Schweigen legte sich über sie, beinahe tröstend in seiner Wärme. Sie beide hofften auf Antworten von etwas, von dem er sich sicher war, dass keiner von ihnen noch daran glaubte.
"Ich habe heute Nacht meinen ersten Patienten verloren."
Auf einmal schien sein Problem weniger wichtig.
"Eine Frau... sie hatte... hatte einen Autounfall." Ihre Stimme brach als sie sich eine Zigarette anzündete.
"Ich dachte ich sei fertig hiermit." Sie nickte zu der Zigarette, die von zitternden Fingern gehalten wurde.
"Es tut mir leid." Er griff nach der Zigarette und zog sie zwischen ihren Fingern hervor. "... aber Sie brauchen das nicht." Er zertrat die trübe Glut unter seinem Absatz.
Ihre Augen schimmerten im gedämpften Licht als sie ein leises Schluchzen herunterschluckte. "Woher wissen Sie, was ich brauche? Ich musste einem Mann sagen, dass seine Frau unter meinen Augen starb... Ich hielt ihr Herz in meinen Händen." Ihre Augen wanderten nach unten, wo ihre Hände in ihrem Schoß lagen.
"Ich weiß wie das ist", antwortete er, "... ich bin FBI Agent. Ich musste auch schon Nachrichten wie diese überbringen. Es wird niemals leichter."
Ein kleines Lächeln huschte über ihre Mundwinkel.
"Weshalb sind Sie hier?"
Ihre Frage traf ihn unvorbereitet. "Eine meiner Agentinnen wurde vorhin eingeliefert."
"Harter Job, oder?" Ihre Hand kam näher, blieb auf seinem Oberschenkel liegen.
"Sie stirbt an Krebs. Eine meiner besten Agentinnen und ich kann absolut nichts dagegen tun", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Sie sind doch hier, oder nicht?"
Er hob seinen Kopf, um ihren Augen zu begegnen und plötzlich konnte er nicht mehr atmen. Sie hatte recht, er war hier, aber was änderte das? Scully wusste nicht, wie viel er bereit war für sie zu opfern und für ihren ärgerlichen Partner.
"Sie lieben sie... nicht wahr?" Ein fragender Blick zerfurchte ihre Augenbrauen. "Also, warum sagen Sie es ihr nicht?"
"Weil sie mich nicht liebt. Verdammt, manchmal vertraut sie mir nicht einmal."
"Sie liebt einen anderen Mann... nicht wahr?"
Alles was er tun konnte, war nicken während er fühlte, wie ihre Hand nach seiner griff und drückte. Da war eine Stärke in der Hand, eine Stärke, die den Schmerz in seinem Herzen linderte, die ihn an eine andere Ärztin erinnerte.
"Solange Sie für sie da sind, ändert es nichts."
Ein weiteres Nicken und er sah auf, um zu sehen wie ihr Lächeln breiter wurde.
"Ich möchte sie beschützen. Ich möchte über ihr Herz und ihre Seele Wache halten."
"Dann tun Sie es."
Stehend zog Skinner seinen Mantel enger um sich.
"Doktor Phillips, es tut mir Leid wegen Ihrer Patientin."
Sie stand da, ihre Hand bedeckte sein Kinn, zog sein Gesicht näher herunter um ihres zu treffen. Ihre Lippen streiften seine in einem sanften Kuss. "Danke", flüsterte sie, als sie sich zurückzog.
"Ich..."
"Shhh... schon okay. Geh’ zu ihr, pass auf sie auf."
Er nickte, wandte sich ab, seine Schritte schneller werdend als er die Tür erreichte. Als er zurücksah, war dort keine Spur von Jen Phillips, als wenn sie niemals dort gewesen wäre.
Zitternd schlüpfte er in das Gebäude, seine Gedanken wanderten zu Scully.

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Mulder gegenüberzutreten war niemals leicht, aber als er die Worte gesagt hatte, wusste er, dass er sein Schicksal besiegelt hatte.
Wenn der rauchende Schweinehund herausfinden würde, dass er Informationen zurückgehalten hatte, würde er den Preis dafür zahlen müssen, Mulders Arsch zu retten. Es spielte jedoch keine Rolle, weder jetzt noch irgendwann.
Dana Scully liebte Mulder und selbst wenn er es nicht zugeben wollte, liebte er sie ebenso.
Manchmal war das Schicksal stärker, als das was ein Mann wollte. Skinner hatte sich selbst ein Versprechen gegeben als er zurück zum Krankenhaus geeilt war. Er würde alles tun, um Scully zu schützen und das beinhaltete auch, den Mann den sie liebte ebenso zu schützen.
Doch zunächst schuldete er jemandem ein großes Dankeschön.

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Die Trinity Notfallaufnahme war hektisch als er sich seinen Weg zur Schwesternstation bahnte, hoffend dass Jen heute Nachtschicht hatte. Er hatte seit etwa fünfzehn Minuten am Schreibtisch gestanden als ihn ein junger Internist sah.
"Kann ich Ihnen helfen, Sir?"
"Ja..." Er fand den Namen des Mannes auf dem Schild, das er trug. "Jefferson. Ich suche nach Dr. Jen Phillips."
"Ich kenne sie nicht. Sind Sie sicher, dass sie hier arbeitet?"
Skinner runzelte die Stirn.
"Sir, kann ich Sie einen Moment sprechen?"
Er wandte sich um uns sah einen grausträhnigen Mann, mit blassem Gesicht.
"Natürlich." Skinner ging auf den Mann zu und fragte sich, ob dies ein Bote vom kettenrauchenden Bastard war.
"Habe ich Sie richtig verstanden? Suchen Sie nach Jen Phillips?" Die Stimme des Mannes zitterte für einen Moment.
"Ja, ...warum?"
"Sie ist fort", war seine einfache Antwort.
"Fort?" Dies wird jede Minute seltsamer, dachte er. Was zur Hölle ging hier vor?
"Ich habe Geschichten gehört, aber ich habe sie niemals wirklich geglaubt bis jetzt. Jen war meine Verlobte... sie.. sie…"
"Was? Was ist mit ihr?" Nun konnte er fühlen, wie Panik in seiner Brust aufwallte, die von seinem Bauch ausging.
"Wer sind Sie? Sagen Sie mir, woher sie Jen kennen."
Die Finger des Mannes fuhren durch sein zerzaustes Haar, seine Augen füllten sich mit Tränen.
"Mein Name ist Walter Skinner. Ich bin Bundesagent beim FBI. Was ist passiert?"
"Wissen Sie, es ist seltsam, wie sich die Dinge manchmal entwickeln? Alles was ich jemals wollte war sie noch ein einziges mal zu sehen, aber es ist immer ein Fremder." Seine Augen trafen Skinners mit einer traurigen Entschlossenheit.
"Jen verlor einen Patienten..."
"Ich weiß. Wir sprachen letzte Nacht darüber."
"Sie konnte es nicht verkraften... sie ging nach Hause und... sie nahm sich das Leben."
"Jesus...", hörte Skinner sich murmeln. War er letzte Nacht so mit sich selbst beschäftigt gewesen? So sehr, dass er die Zeichen nicht gesehen hatte? "Es tut mir leid das zu hören..."
"Greg... Greg Mathison." Er schüttelte Skinners Hand. "Es ist okay... die Zeit heilt."
"Zeit?" Nun war er noch verwirrter.
"Ja. Jen brachte sich vor zehn Jahren um. Letzte Nacht war der Jahrestag ihres Todes. Ich kann es einfach nicht glauben; der 12. November 1987. Zehn Jahre in einem Wimpernschlag."
Greg Mathison wandte sich um und ging davon, seine Schultern vor Kummer gebeugt.
Skinner stand da und starrte den sich entfernenden Rücken des Mannes an, seine Gedanken ein Wirbel von Zweifeln. Hatte er sie wirklich gesehen... mit ihr gesprochen?
Wie sollte sie ein Geist gewesen sein? Sie hatte sich so real angefühlt.
Vielleicht war sie überhaupt nicht da gewesen oder vielleicht war sie ein Engel. Ein Schutzengel, der ihm helfen sollte zu entscheiden, was er tun sollte, den Schmerzen eines brechenden Herzens zum Trotz.
In Momenten der Verzweiflung rufen wir manchmal gen Himmel, geben die Hoffnung nicht auf, dass es eine Antwort geben wird, irgendeine Antwort... manchmal gibt es sie.


~Ende~
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