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Liebe

von Megan Reilly

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Sie hielten nichts vor dem Anderen geheim. Niemals. Ihre Jobs verlangten, dass sie sich gegenseitig vollständig vertrauten – aber es war mehr als das. Sie waren Partner im wahrsten Sinne des Wortes, nicht nur weil ein paar Bürokraten bestimmten, dass sie ein Auge auf ihn werfen sollte. In drei Jahren war es so viel mehr geworden.



Deswegen lag Scullys Blick auf der Tür und ihr Magen war zugeknotet, den Moment fürchtend, wenn Mulder das Büro beträte. Sie hatte ihm etwas zu sagen. Und es würde schwer werden.



Schwerer, als ihm von dem Metallimplantat zu erzählen, welches sie hinten in ihrem Nacken gefunden hatte. Schwerer, als ihm von den winzigen Geschöpfen zu erzählen, die in einer verlassenen Mine in West Virginia an ihr vorbeigeflitzt waren. Es war schwer gewesen ihm diese Dinge zu erzählen, weil sie die Theorien unterstützten, an die sie nicht glaubte, aber sie war immer noch in der Lage gewesen ihre sicheren, rationalen Erklärungen beizubehalten.



Dies war nicht wie all das.



Die Tür öffnete sich und Scully saß da wie festgenagelt. „Hey!“, sagte Mulder flüchtig, aber dann schaute er sie an. „Was ist los?“, fragte er, während sich sein Gesicht veränderte.



„Ich muss Ihnen etwas sagen“, sagte Scully und wünschte sich, schreien, treten oder heulen würde sie hier rausbringen. Sie wollte dies wirklich nicht tun.



Mulders Herz fing an, doppelt so schnell zu schlagen. Sie verließ ihn. Seine schlimmste Angst wurde war. Er wartete.



„Wir haben keine Geheimnisse voreinander, Mulder. Deswegen denke ich, dass ich Ihnen dies erzählen muss, obwohl es vielleicht für uns beide unbehaglich werden könnte“, begann Scully und holte tief Luft. „Mir wurde diesen Morgen klar, dass ich mich in Sie verliebt habe.“ Sie schaute ihn nicht an, sie setzte nur die Worte weiter fort. „Ich dachte nur, Sie sollten das wissen. Weil es sicherlich unsere Partnerschaft beeinflussen wird. Sie müssen nichts tun und ich habe nicht die Absicht nach diesen Gefühlen zu handeln, aber ich dachte nur... Sie sollten das wissen.“ Warum sagte er nichts? „Wenn dies zu schrecklich für Sie ist, um darüber nachzudenken, werde ich um eine Versetzung bitten.“ Sie hob ihren Kopf und traf seine Augen unerschrocken, während sie den Zorn, der in ihr aufflammte, genoss. Zorn war ein alter Freund, mit ihm konnte sie fertig werden.



„Nein!“, schrie Mulder, dann gewann er die Kontrolle wieder zurück. „Sie müssen nicht gehen. Wir können...“, er stoppte. „Danke, dass Sie es mich haben wissen lassen.“ Er fuhr sich ein bisschen nervös mit seiner Hand durch sein Haar und setzte sich an seinen Schreibtisch, als er fast den gesamten Inhalt der Kaffeetasse, die er gehalten hatte, in sich hineinkippte. Er brauchte eine Stärkung.



Scully erhob sich von ihrem Tisch. „Das ist alles, was Sie dazu sagen?“, fragte sie.



„Was soll ich denn noch dazu sagen?“, fragte er sie. Vielleicht wurde diese Sache schließlich doch zu einem Problem, dachte er. Scully handelte genau wie... nun, wie eine Frau und während er annahm, dass sie es nicht ändern konnte, mochte er es nicht ein bisschen.



Scully starrte ihn wütend an, setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch und räumte laut die Akten um, an denen sie gearbeitet hatte. Sie hatte von ihm weder erwartet noch gewollt, dass er sagte, dass er sie liebe, deshalb wusste sie nicht, warum sie so wütend war.



„Ich bin sicher, es wird vorbeigehen“, bot er hilfsbereit an. Sie starrte ihn wieder wütend an, dieses Mal waren ihre Augen so kalt wie Stahl. Sie sah ihn an, als ob sie ihn mit ihren kleinen, kurzen Nägeln zerreißen wollte. „Ich glaube nicht an die Liebe, Scully“, erklärte er ihr einfach.



Ihr Kinnladen fiel herunter und sie gaffte ihn an, zu geschockt um ihn noch weiter wütend anzugucken. „Wie können Sie nicht an die Liebe glauben?“



Mulder zuckte mit den Schultern: „So etwas gibt es nicht. Es ist erfunden worden um Grußkarten zu verkaufen und damit sich die Leute besser fühlen – oder vielleicht schlechter – wegen ihrer Lüste und Anziehungskräfte.“



„Aber... aber...“, Scully stotterte bestürzt. “Liebe existiert in dieser Welt! Was ist mit alten, verheirateten Paaren, die seit fünfzig Jahren zusammen sind? Das sind keine Lüste.“



„Gesellschaft“, antwortete Mulder.



„Mulder, ich bin – ich kann das nicht glauben.“, sagte Scully, während sie ihn anstarrte. „Sie glauben an UFOs und an alle möglichen anderen merkwürdigen Sachen und Sie glauben nicht an die Liebe?“



„Ich habe niemals irgendwelche Beweise gesehen“, sagte Mulder verärgert. „Sicherlich kann ein Wissenschaftler wie Sie so etwas würdigen.“



„Ich habe Beweise gesehen, Mulder. Ich weiß, dass ich jeden Tag von meiner Familie und von meinen Freunden geliebt werde“, sie runzelte die Stirn. Sie musste ihn dazu bringen, es zu verstehen. „Sie werden auch geliebt.“



Mulder schüttelte den Kopf und gab vor, brennend an einer Akte interessiert zu sein.



„Ihre Mutter liebt Sie, Mulder.“



„Nein“, sagte er standhaft.



Scully war einen langen Augenblick lang still, sie verarbeitete die Informationen und dachte nach. „Sie lieben Ihre Schwester“, sagte sie schließlich triumphierend. „Sie lieben Samantha.“



„Besessenheit ist ein physikalischer Fakt, Scully. Es ist eine Ansammlung von Geistesblitzen und Zwängen und Motivationen. Es ist nicht Liebe.“



Scully starrte Mulder an und sie wollte wirklich weinen. Sie fühlte alles in ihrem Inneren weich werden und wollte ihn umarmen, etwas tun, um ihm zu beweisen, dass Liebe existierte. Es verletzte sie zu wissen, dass er so viel Schmerzen in seinem Leben erduldet hatte, dass er alles sublimierte, es unterdrückte und verdrängte und sich einredete, dass es nicht existierte.



„Ich liebe Sie, Mulder!“, sagte sie weich, dieses Mal so, wie sie es meinte.



„Gesellschaft, Scully“, sagte er ihr, während er seinen Kiefer wieder einrenkte. Das war alles, was er für sie empfand, sagte er sich, er könnte sie nicht lieben. Es war ein Befehl. „Wenn das in diesem Moment in Lust übergeht, bin ich mir sicher, Sie können damit umgehen und es wird vorbeigehen.“



Scully schrie, ein langer Ton voller Frustration, der aus ihrem Hals herauskam. Mulder war überrumpelt. „Verdammt, Mulder! Sie treiben mich in den Wahnsinn!“, schrie sie ihn an. Er schaute sie an, seine Augen aufgerissen. Sie hatte sich noch nie zuvor so verhalten. Er wunderte sich, was sie wohl als nächstes tun würde.



Scully atmete ein. Sie konnte nicht weiter fluchen bis Mulder seine Meinung änderte. Es würde nichts bringen. Während sie ihren Mund schloss und sich auf die Lippe biss, um sicher zu gehen, dass er geschlossen blieb, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und wandte sich wieder der Akte zu, die sie gelesen hatte.



Sie konnte die Worte nicht lesen. Sie verschwammen in den heißen Tränen, die sie sehr beschämt und ängstlich machten.



„Liebe macht die Menschen abhängig, Scully“, sagte Mulder, weil er glaubte, dass er ihr seine Position erklären müsse. Er wollte, dass sie verstünde. Sie schaute nicht auf. „Die andere Person gewinnt zu viel an Bedeutung. Man fängt an, sich selbst zu verlieren und macht was sie möchten. Man ist jemand, den der andere erwartet, der man ist.“



„So sehen Sie mich?“, fragte Scully. „Ist es das, wie ich bin?“, fuhr sie ihn an. „Bin ich abhängig von meiner Mutter, weil sie mich liebt? Ergreifen meine Brüder die Macht über jeden meiner Gedanken? Bin ich nicht in der Lage für mich selbst zu denken und zu sprechen?“



„Nein, natürlich nicht“, sagte Mulder. Es gab eine lange Stille, während jeder stur dachte: Ich habe Recht.



„Warum dann-?“, begann Scully. Ein winziges Lächeln begann ihren Mund zu umspielen, als sie sich die Worte, die er so oft zu ihr gesagt hatte, zurückrief. „Warum können Sie dann nicht daran glauben, nach allem was Sie gesehen haben? Warum können Sie nicht an Liebe glauben?“



„Liebe...“, Mulders Stimme wurde für einen Moment schwach und er musste sich wiederholen, „Liebe macht, dass es zu sehr wehtut, wenn Menschen weggehen.“



Scully fand es schwer zu atmen. Sie wusste was er meinte, verflucht sei er. Das war es, warum sie sich gefürchtet hatte, es ihm zu erzählen. Sie hatte sich keine Sorgen darüber gemacht, dass er hätte sagen können: „Ich liebe dich nicht.“ Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass er hätte sagen können, dass er sie tatsächlich liebte und dass sie dann etwas wegen dieser Gefühle hätte unternehmen müssen. Sie wollte sie rauslassen, damit sie mit ihnen aufräumen konnte. Wenn er ihre Liebe erwiderte, müssten sie eine Beziehung haben und wenn sie dies taten... könnte das alles beenden.



Sie hatte Angst. „Gesellschaft macht das auch“, spuckte sie zurück und zwang sich, die Akte anzusehen. Denn wenn sie es nicht tat, würde sie in Tränen ausbrechen. Gott helfe ihr, diese Gefühle für ihn konnten nicht so einfach zurückgestellt werden. Sie konnten nicht besprochen und dann vergessen werden. Sie liebte ihn zu sehr, um ihn sterben zu sehen und das war eine reale Möglichkeit. Wenn er stürbe, würde sie da sein. Und dies würde sie zerstören.



Das war es, warum er nicht sagen konnte, dass er sie liebte, begriff sie. Warum er nicht zugeben konnte, dass Liebe existierte. Mulder könnte es nicht ertragen, jemand anderen zu verlieren, den er liebte. Er hatte schon so viel verloren.



„Scully-“, sagte Mulder.



„Nein! Vergessen Sie es, ich habe es nie erwähnt“, sagte Scully, während sie die Akte zuknallte. Es war plötzlich sehr heiß und sehr einengend in ihrem Büro. Sie musste raus oder sie würde ersticken oder verrückt werden. Aber sie bewegte sich nicht.



„Ich habe Angst“, sagte Mulder ehrlich. „Da, ich habe es doch gesagt. Ich möchte nicht daran glauben, dass es so etwas gib, weil es zu sehr weh tut. Jeder, den ich jemals geliebt habe, wurde mir genommen.“



Ihre Augen trafen sich und Scully nickte leicht. Sie verstand.



„Sie sind die einzige, die immer wieder zurückkam“, beendete er und als sie einen kleinen Laut der Verwunderung ausstieß, verzog sich Mulders Gesicht und er begann zu schluchzen, als die Erinnerungen an ihre Entführung - völlig allein und verletzt zu sein - tiefe Emotionen, die er sich nie erlaubt hatte auszudrücken, auf ihn einstürzten. Er drehte sich schnell von ihr weg, nahm sein Gesicht in seine Hände und versuchte, die Kontrolle über sich wiederzuerlangen. Er wollte nicht, dass es passierte. Warum hatte sie ihn gedrängt? dachte er, während er sich wünschte, sauer auf sie sein zu können. Jeder mögliche Fehler, jeder empfindliche Punkt wurde weggemeißelt, bis schließlich das ganze Sein brechen würde.



Und sie war sein empfindlicher Punkt. Er hatte das gelernt, als sie weg war.



Scully erhob sich und ging erstaunt zu ihm. Sie hatte Mulder noch nie so traurig gesehen. Sie legte ihre Hand sanft auf seinen bebenden Rücken und er zuckte zusammen, als ob er sie abschütteln wollte. Sie schlang von hinten ihre Armen um ihn und hielt ihn fest, auch wenn er gegen sie ankämpfte. „Es ist in Ordnung“, flüsterte sie ihn sein Ohr. „Es tut mir leid. Wir alle tun, was wir müssen um zu überleben. Schhh“, beruhigte sie ihn. „Ich werde auf Sie aufpassen.“



„Das ist es, was ich nicht will“, sagte er atemlos. „Lassen Sie mich gehen.“ Er keuchte noch immer, aber das Schluchzen und die Tränen hatten aufgehört.



„Ich bin hier und ich werde nirgendwo hingehen“, sagte Scully ihm, während sie ihn langsam losließ. Er verschränkte seine Arme, als ob er sich beschützen könnte und weigerte sich, sich umzudrehen und sie anzusehen. „Es tut mir leid, Mulder. Aber Sie mussten das wissen. Es ist okay, wenn sie nicht – wenn Sie nicht können – wenn Sie nichts für mich empfinden wollen. Ich musste Ihnen einfach erzählen, wie ich mich fühlte. Und nun kann es sich in Ruhe legen.“



Mulder nickte. „Schauen Sie mich an“, sagte Scully, wissend, dass, wenn er es jetzt nicht tat, er niemals dazu in der Lage wäre. Er bewegte sich nicht. „Mulder-“



„Sie haben bekommen, was Sie wollten, nun lassen Sie mich allein“, informierte er sie kalt.



„Was ich wollte? Wovon reden Sie?“



„Sie wollten, dass ich sage, dass ich Sie liebe. In Ordnung, Scully, ich liebe Sie. Ich liebe Sie so sehr, dass es weh tut. Ich liebe Sie so gottverdammt sehr-“, er brüllte jetzt und seine Augen brannten voller Feuer, als er sie ansah.



„Mulder! Hören Sie auf damit! Mulder!“, schrie Scully über seine Stimme, da sie sich weigerte seinen Worten zuzuhören. Und sie schrieen sich beide mit voller Lautstärke an bis sie aufhören mussten, beide schwer atmend und sich wütend anstarrend.



„Sind Sie jetzt glücklich?“, verlangte Mulder, mit hartem Gesichtsausdruck.



„Sind Sie es denn?“, sie zog ihre Augenbraue hoch.



„Nein“, sagte er auf ihre Herausforderung und starrte sie an. Ihr Gesicht errötet, ihr Haar verwühlt, während sich ihre Brust hob und senkte. „Ich will Sie küssen und dann will ich Sie auf den Schreibtisch werfen und mit Ihnen Liebe machen, bis Sie meinen Namen schreien. Dieses Mal vor Lust.“



Scullys Herz pochte. Das war sowohl ihre geheime Fantasie als auch ihre geheime Angst. Was sollte sie sagen? „Okay, dann tun Sie es“, sagte sie - eine Herausforderung.



Mulder grinste, dann grinste sie und einen Moment später lachten sie beide. „Was machen wir hier?“, sagte sie und schüttelte ihren Kopf auf Grund der Komik des Ganzen.



„Ich weiß es nicht“, gab Mulder zu und sie verfielen wieder in das unkontrollierbare Kichern. Scullys Bauch tat vom Lachen weh und sie lehnte sich schwer gegen Mulder, der immer noch vor ihr stand. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und ihr Gelächter verstummte.



Er traf ihre Augen und dann nach einem langen Moment, beugte er sich hinunter und küsste sie, langsam und tief.



„Wir können nicht-“, Scully zog sich zurück und Mulder ließ sie gehen. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Sie hatte ihren Teil sagen und es damit zu Ende gehen lassen wollen. Sich an stille Liebe, beständig und sanft wie eine Freundschaft, gewöhnen wollen. Sie konnte nicht aufhören, zurück auf seine Lippen zu sehen.



„Was haben Sie erwartet?“, fragte Mulder sie.



„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie ehrlich. „Nicht das.“



„Was machen wir jetzt?“, fragte er sie.



„An die Arbeit zurückgehen?“, schlug sie hoffnungsvoll vor.



„Sie spielen mit dem Feuer.“



„Ich wusste nicht, dass ich das tue.“ Man sollte uns mal zuhören, dachte sie, es klingt wie necken. Vorspiel. Sie hätte fast gestöhnt, als sie sich vorstellte, mit Mulder ein Vorspiel zu haben. Sich vorstellte mit Mulder zu schlafen. Dies hier war völlig außer Kontrolle geraten.



„Sie wissen, wie ich mich bei Feuer fühle“, sagte Mulder und seine Augen bohrten sich in ihre. „Und Sie haben schreckliche Angst.“



„Habe ich?“, sie hasste diese Worte - schreckliche Angst haben - es klang so schwach.



„Warum können Sie zugeben, dass Sie mich lieben, aber nicht, dass Sie Angst haben?“, fragte er sie.



„Sie sind der Psychiater, Sie bekommen es raus“, sagte sie abfällig.



„Sie dachten, ich wäre eine sichere Sache“, sagte er und umarmte sie wieder und sie musste sich anstrengen, um zu ihm hoch zu sehen. „Ich bin jetzt nicht mehr so sicher, oder?“



Er war es nicht, weil er scharf war und männlich und erregt, aber dann, im gleichen Augenblick, war er es doch, weil dies Mulder war. „Als nächstes werden Sie sagen, es ist nur eine Tarnung der Lust“, ihre Worte waren atemloser als beabsichtigt.



„Ist es nicht so?“



„Jetzt schon.“ Scullys Hände gingen auf Entdeckung, als sie seinen Mund mit ihrem beschlagnahmte und ihm einen Kuss, der direkt aus ihren heißesten Tagträumen stammte, gab - aus jenen, die sie niemals zugab zu haben.



Er stöhnte, seine Hände in ihren Haaren. „Dana-“, rief er, nach mehr fragend, nicht wollend, dass dies endete.



Sie fuhr zusammen und erstarrte. Dies war ein Mann, der sie immer mit ihrem Nachnamen ansprach, um sich selbst von ihr zu distanzieren. Ein Mann, der sich weigerte zuzugeben, dass er überhaupt einen Vornamen besaß, weil es ihn daran erinnerte, verletzt zu werden. Das war eine absolut schlechte Idee. Sie konnte keine Beziehung mit ihm haben.



Weil ihr Kopf voll war mit einer Vision von ihm, wie er vor ihren Augen erschossen wird. Es war früher schon passiert. Aber dieses Mal war es eine Waffe, die von einer unsichtbaren Hand an seinen Kopf gehalten wird. Eine Kugel, die festes Fleisch zerreißt, die alles auf ihrem Weg zerfetzt, die Knochen zersplittert und Leben stiehlt. Sie war forensische Pathologin, sie wusste genau, welchen Schaden Kugeln anrichteten. Er würde sterben und es würde vor ihren Augen geschehen. Wenn sie dies hier tat, würde es seinen Tod bedeuten.



„Scully?“, fragte Mulder sie.



„Sie haben Recht“, sagte sie, als sie sich wegdrehte, ihre empfindlichen Lippen mit ihren Fingern berührend. „Lust. Es ist nur Lust. Es wird vorübergehen und alles wird wieder so sein, wie es war.“



„Sind Sie sicher?“, fragte er und sie nickte. „Warum haben Sie dann Angst?“



Sie stritt es dieses Mal nicht ab. „Weil Sie Recht haben“, flüsterte sie, die Vision von Mulder mit einer Waffe an seinem Kopf war immer noch fest in ihrem Kopf. „Wir verlieren die, die wir lieben.“



Er wollte sie so sehr, aber er konnte nicht streiten. Sie hatte Recht. Er nickte. Scully nickte einen Moment später zurück. Sie waren beide übererregt und unglücklich, aber sie wussten, dass es so sein musste. Um sich selbst vor späteren Schmerzen zu schützen.



„Okay“, sagte Scully und Mulder schaute sie an und wusste, dass er weggehen, sich hinter seinen Schreibtisch setzen und vergessen sollte, dass dies jemals passiert war.



Scullys Arm fuhr hoch und um seinen Hals, ihre Finger vergruben sich in seinem Haar und sie bewegte seinen Kopf so, dass sie ihn küssen konnte. Er ließ sie, aber versuchte es sanft und leidenschaftslos zu halten. Es war ein Abschiedskuss für etwas, was niemals sein konnte und beide wussten das.



Ihre andere Hand berührte seine Schläfe für einen Moment, dann streichelte sie die weiche Haut dort, bevor sie seine Wange hinunterglitt, die Struktur seines Kinns studierte und über seinen Hals und seine Schulter strich. Sie rieb seinen Arm, wie sie es früher schon so oft in Freundschaft getan hatte und dann ließ sie ihre Hand auf seinem Körper ruhen, ihre Finger spielten mit ihm, berührten seine Brust.



Der Kuss hatte schon geendet und nach einem Moment, in dem sie sich noch mit den Lippen berührten, zog sie sich zurück, drehte ihren Kopf, drückte ihn gegen seine Schulter und drückte ihre Augen fest zu. Für den Fall, dass sie diese Chance nie wieder bekam.



Mulders Bauch zitterte vor Verlangen nach ihr und er legte seine Hand auf ihre, um sie von seinem Körper zu schieben. „Okay“, sagte er und schob sie von sich weg. Er berührte sie kurz unter dem Kinn – eine Geste die sagte ’sei stark’ - und ging, um sich an seinen Schreibtisch zu setzen. Seine Augen waren nicht weniger traurig als ihre, als ihre Blicke einen Moment aufeinander verweilten.



Sie mussten sich gegenseitig beschützen. Keiner von beiden war es gewöhnt solche Gefühle zuzugeben oder zuzulassen oder nach ihnen zu handeln. In ihrer Welt gab es keinen Platz für Liebe.



Aber Angst war eine andere Geschichte. Ob sie es zugaben oder nicht, sie lebten jeden Tag mit der Angst. Sie konnten ihr begegnen, es war ein vertrauter Feind. Ihre Entscheidung war gefallen. Mulder und Scully wollten sich fürchten zu glauben und so würde es bleiben.



Es kam ihnen nie der Gedanke, wie traurig es war, ihre Leben in Angst zu verbringen.



Es klopfte an der Tür. Mulder und Scully sahen sich ein bisschen überrascht an, und dann ging Scully, um die Tür zu öffnen. Sie beide übernahmen sofort ihre professionelle Haltung.



Ein großer Mann im Anzug stand dort, er hatte ein schlimmes blaues Auge. Er hielt ein Tablett mit Dias in der Hand und sie wusste, es war ein Fall. „Ich bin Detective Frank Burst“, stellte er sich vor. „Ich brauche ihre Hilfe.“



Er schob das Magazin mit den Dias in den Projektor und schaltete diesen an. Ein junger Mann in einer Polizeiuniform lag ausgestreckt auf dem Bürgersteig. „Als der Lastwagen uns rammte, wurde ich bewusstlos“, begann Burst. „Deputy Scott Gerber wurde tödlich verletzt. Bevor er starb, gelang es ihm noch, sich aus dem Wagen zu befreien und einen Schlüssel aus seiner Tasche zu holen und seinen letzten Atemzug hat er dafür verschwendet, den Gefangen loszuschließen, dem es trotz seiner eigenen Verletzungen gelang, zu Fuß zu flüchten. Er nennt sich ’Pusher’.“






Ende
Anmerkung des Beta-Readers:

Die letzten Zeilen mit der Aussage von Detective Burst habe ich aus der deutschen Übersetzung der entsprechenden Folge genommen, da auch die Original-Story genau mit der Dialogzeile aus der Folge übereinstimmt. Daher ist die Übersetzung also nicht ganz genau.
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