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Ein Neuanfang (Teil 2)

von XFilerN

Kapitel 2

Minnesota
Minneapolis / Saint Paul
International Airport

Als sie aus dem Flugzeug stieg, der Flug war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen, betrachtete sie die dicke, weiße Schneedecke, welche den Flughafen bedeckte. Sie atmete die angenehm frische Winterluft tief ein, sobald das riesige Hauptgebäude des Flughafens hinter ihr lag. Die Koffer in ihren Händen wurden ihr langsam zu schwer, daher stellte sie diese direkt neben sich ab und rief ein Taxi herbei.

Dana Scully konnte es kaum erwarten in das neu erworbene Haus, ihr Eigenheim zu kommen. Die Müdigkeit schien sie nun, nach dem Flug von Washington D.C. nach St. Paul, zu übermannen. Ein kleiner, rundlicher Mann winkte ihr zu, sie solle zu ihm kommen. Er kam ihr jedoch auf halbem Weg entgegen, als er sah wie sich diese hübsche, zierliche Frau mit den schweren, großen Koffern abquälte.

„Bleiben Sie länger in der Gegend?“, wollte der Taxifahrer wissen, als er ihre Koffer zu seinem Wagen trug und feststellte, dass sie gnadenlos vollgepackt waren.

Scully nickte ihm zu, bevor sie es sich auf der Rückbank bequem machte.

Der Mann verstaute ihre Sachen im Kofferraum des Taxis und begab sich hinter das Steuer. Benjamin mochte seinen Beruf, den er schon seit mehr als zwanzig Jahren ausübte. Am liebsten hatte er es immer, mehr über seine Kundschaft in Erfahrung zu bringen. Er war ein sehr neugieriger Mann. Diese Kundin jedoch, hatte es ihm besonders angetan. Sie wollte nichts weiter über sich erzählen, nachdem sie ihm ihr Ziel angekündigt hatte, was ihn selbstverständlich nur um so neugieriger machte. Ben bemerkte schnell, dass diese Frau vor etwas, oder jemandem floh. Er konnte es in ihren traurigen Augen sehen. Obwohl die junge Frau auf seiner Rückbank sich in Schweigen hüllte, sprachen ihre strahlend blauen Augen Bände. Sie erzählten ihm von einer Sehnsucht, von Zweifeln und von dem grausamen Gefühl der Einsamkeit. Die Frau sah wie jemand aus, der einen Neuanfang wagte und alles Vergangene dafür zurücklassen musste. – Vielleicht war sie gerade frisch geschieden – dachte er im Stillen. Benjamin erinnerte sich nach diesem Gedanken liebevoll an seine eigene Frau, die zu Hause auf seine Rückkehr wartete.

Saint Paul zeigte sich um diese vorweihnachtliche Jahreszeit von seiner schönsten und beeindruckendsten Seite. Sämtliche Bäume, Sträucher, Wege und Häuser wurden in einen dicken Schneemantel gehüllt. Scully sah überall kleine Kinder in der weißen Pracht herumtoben. Sie bewarfen sich gegenseitig mit Schneebällen oder bauten gemeinsam Schneemänner. Die Häuser wurden mit Tannenzweigen, Kränzen und mit bunten Lichterketten geschmückt. In manchen Gärten konnte sie sogar schon den einen oder anderen Tannenbaum stehen sehen, welche mit allerlei Schmuck und Glaskugeln verziert waren. Bis zum Heiligabend waren es nur noch zehn Tage, doch in Anbetracht der neuen Situation, wollte bei Scully keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen. Es war ihr bisher nicht gelungen die Vergangenheit – und sei es nur für einige Minuten – hinter sich zu lassen. Sie hielt an dem Gedanken fest, dass sie sich erst an ihr neues Leben und ihr neues Zuhause gewöhnen musste. Der Rest würde sich hoffentlich von selbst ergeben. Doch wie sollte sie ein glückliches Weihnachten ohne Mulder verbringen? Vielleicht würde der Besuch ihrer Mutter und ihres Bruders Bill, der mit seiner Frau und dem Kind kommen wollte, sie während der Feiertage etwas aufmuntern. Scully fühlte sich, als hätte sie einen wichtigen, lebensnotwendigen Teil von sich in Washington D.C. zurückgelassen.


Summit Hill
Scullys Haus

Etwas außerhalb von St. Paul brachte Benjamin das Taxi zum Stehen. „Da sind wir, Miss. Soll ich Ihnen noch helfen die Koffer ins Haus zu tragen?“, er wandte seinen Blick von dem Haus zurück zu seiner Kundin, die erst jetzt wieder etwas zu ihm sagte und ihn ob der Wortkargheit reichlich unbefriedigt zurückließ.

„Ja, bitte. Was bin ich Ihnen schuldig?“ Dana zog ihre Geldbörse aus der Handtasche und wartete auf eine Antwort.

„Elf Dollar und fünfzig Cents.“ Er schob das Geld ein, das sie ihm gab. Sie gab ihm fünfzehn, da er ihr half die Sachen in das kleine Haus zu tragen. Gemeinsam schleppten sie die Koffer in ihr neues Zuhause und stellten es im Eingang ab. Benjamin verabschiedete sich mit: „Schöne Feiertage, Miss“ und ging zu seinem Wagen zurück.

Neugierig ging sie durch alle Zimmer des Hauses, öffnete jeden verschlossenen Fensterladen und überlegte, was sie zuerst verändern würde. Zwar war es ein schönes, gemütliches Haus, doch hatte Scully bei der Besichtigung nicht die nötige Konzentration aufbringen können, um die Mängel wahrzunehmen.

Das Haus war nicht allzu groß, aber sehr geräumig und zweistöckig. Wenn man den Dachboden mit einbezog, war es sogar dreistöckig. Sie begann im untersten Stockwerk, in der relativ kleinen Eingangshalle, sie schätzte sie auf etwa 10qm. Stufen führten von hier aus in die nächste Etage. Linkerhand ging sie durch den Eingangsbogen, ins Wohnzimmer. Den Platz, an welchem sie immer lesen würde, hatte sie sich schnell ausgesucht. Denn an der Hausvorderseite gab es ein Erkerfenster, das sich ideal zum Schmökern eignete. Das Zimmer war ausgesprochen geräumig. Kurzer Hand verschob sie einige Möbelstücke und stellte die, die ihr nicht gefielen beiseite. Ihr fiel dabei auf, dass sie sich eine neue Couch kaufen musste. In diesem Zimmer gab es an zwei von vier Wänden Fenster, was den Raum sehr hell wirken ließ. Rechts von ihr befand sich ein kleiner Kamin. Als sie ihn entdeckte, dachte Scully an ihr altes Apartment zurück. Dort hatte sie jedoch einen kleineren Kamin und dieser war um einiges schöner.

Direkt vom Wohnzimmer aus ging es zu ihrer Küche, welche exakt den selben Schnitt hatte. Etwa wie ein eckiges U. Scully hatte sich eine Einbauküche mit allen Extras, einrichten lassen. Die Kücheneinrichtung war aus echtem Buchenholz. Sie fand das Weiß ihrer alten Küche schon immer zu langweilig und auch zu anfällig für Schmutz. Diese hier verlieh dem Haus genau die richtige Wärme. Von der Küche aus kam sie zurück zur Eingangshalle, wieder durch einen Bogen im Durchgang.

Scully betrat durch die Treppen die nächste Ebene ihres Hauses. Dort fand sie drei Türen auf dem schmalen Flur vor. Sie entschloss sich für die mittlere Tür, hinter welcher sie ein hellgrau, gekacheltes Badezimmer vorfand. Das Bad bestand im Wesentlichen aus einer Badewanne, einer separaten Dusche und einer Toilette nebst Waschbecken. Auch dieses Zimmer wurde durch ein kleines Fenster auf natürliche Weise erhellt und belüftet.

Die beiden übrig gebliebenen, sich gegenüberliegenden Zimmer, waren wieder genau gleich groß und hatten den selben Schnitt. Sie waren jeweils gute 25qm groß.

Scully hatte sich das Zimmer, über der Küche, als Schlafzimmer eingerichtet. Sie ging nach unten, holte ihre Koffer und begann auszupacken. Sie hängte ihre Kleidung in den Wandschrank, welcher an das Badezimmer angrenzte.

Sie wurde gerade mit auspacken fertig, als es an der Haustür klingelte. Sie fragte sich wer das sein mochte, bevor sie die Treppen hinabeilte. Eine junge Frau mit grünen Augen und blondem Haar, etwa von ihrer Größe und ihrem Alter, lächelte sie freundlich an, nachdem Scully ihr die Tür geöffnet hatte. Sie lächelte zurück und bat die Fremde, herein zu kommen.

„Hi, ich bin Lucinda Michaels. Ich bin wegen des freien Zimmers hier.“ Die Frau wirkte angespannt und schüchtern, aber freundlich auf sie.

„Dana Scully“, stellte sie sich vor, „nehmen Sie doch bitte Platz“. Sie führte Lucinda ins Wohnzimmer und setzte sich neben sie auf die alte Couch. „Sie haben Glück, Miss Michaels. Ich bin selbst erst heute eingezogen.“

„Wow, dann störe ich doch sicher? Ich kann ein andermal wiederkommen.“

Scully schüttelte den Kopf und versicherte Lucinda, dass es okay sei. Sie konnte nicht genau sagen was es war, aber etwas an der Frau erinnerte Scully vage an ihre verstorbene Schwester Melissa. Nachdem Scully, Lucinda allerlei Fragen gestellt hatte, gab sie ihr direkt die Zusage. Zwar war sie die erste Bewerberin, die sich als Mitbewohnerin vorgestellt hatte, aber Scully mochte sie auf Anhieb. Lucinda war sichtlich erfreut über die Zusage. Sie brauchte offenbar dringend eine neue Unterkunft, wie Scully annahm.

Um sich noch näher kennenzulernen, beschlossen die Beiden gemeinsam in ein Restaurant zum Essen zu gehen, im Kühlschrank herrschte noch gähnende Leere, und machten sich gleich auf den Weg. Lucy, wie Scully sie nennen durfte, war zu ihrem Glück die stolze Besitzerin eines kleinen Autos.

Lucy kannte sich gut in der Stadt aus, was Scully ihr zusätzlich zugutehielt. Sie führte sie zur ‚Mall of America’, dort gab es unzählige verschiedenen Restaurants. Nachdem sie sich auf eines geeinigt hatten, suchten sie sich darin einen freien Tisch und gaben ihre Bestellung auf.

Während sie sich stundenlang unterhielten, machte Scully noch eine überraschende Feststellung in Bezug auf Lucys Charakter. Abgesehen davon, dass sie an die heilende Kraft von Kristallen glaubte und an die zukunftsvorhersagenden Tarotkarten, war Lucy nämlich fest von der Existenz außerirdischer Lebensformen überzeugt. Was dazu führte, dass Scullys Gedanken vorübergehend wieder nach DC abschweiften.

Lucy bemerkte ihre Geistesabwesenheit und schmunzelte, als sie fragte: „An wen denkst du gerade, Dana?“

Überrascht durch diese Frage wurde sie leicht rot im Gesicht, schüttelte den Kopf und lächelte beschämt zurück. „Niemand bestimmtes“, flunkerte Scully und hoffte, Lucy würde es nicht bemerken.

„Okay, Dana ... dann erfahre ich es eben ein andermal. Denn, dass du etwas verheimlichst steht dir praktisch ins Gesicht geschrieben.“ Sie lächelten einander an, als Lucy, getrieben von ihrer angeborenen Neugier, weiterfragte: „Ist es ein Mann?“ An Scullys Gesichtsausdruck erkannte sie, dass sie voll ins Schwarze getroffen hatte. „Komm schon, mir kannst du es ruhig sagen. Wir leben doch praktisch schon in einer Wohnung zusammen. Zumindest ab morgen. Also?“ Gespannt auf eine romantische oder tragische Geschichte, lehnte Lucy sich auf dem Tisch vor und wartete auf eine Antwort.

Scullys Grinsen wurde zunehmend breiter, doch sie schwieg. ‚Vertraue Niemandem‘, ging es ihr durch den Kopf. Andererseits spürte sie, dass sie Lucy vertrauen und es ihr erzählen konnte. Sie provozierte Lucys Neugierde geradezu, als sie verschwiegen weiterlächelte.

„Komm schon ...“ Lucy begann beinahe zu flehen. „Ich erzähl dir dann auch ein Geheimnis von mir. Indianer-Ehrenwort.“ Scully nickte großzügig, was Lucys Flehen, Betteln und Witzeln sofort im Keim erstickte, als sie aufmerksam die spannende, dramatische und romantische Geschichte von Scullys Vergangenheit zu hören bekam. Diese fing ganz am Anfang an, als Sections Chief Blevins sie zu den X- Akten versetzt hatte, und beendete ihre Geschichte am Dulles Airport.

Lucy saß, mit zu Tränen gerührter Miene, vor Scully und fragte sie: „Hast du ein Foto von ihm?“

„Ja. Ich bin nicht leicht drangekommen, aber ich habe eins.“ Sie zog daraufhin ihre Geldbörse aus der Handtasche, nahm das Bild heraus und reichte es Lucy über den Tisch.

Diese atmete tief durch, bevor sie Scully einen verständnislosen Blick zuwarf. „Wow, den hast du freiwillig zurückgelassen? Das war dein Partner beim FBI?“ Dass sie diese Entscheidung bereits bereute, konnte Lucy an ihrem nachdenklichen Blick sehen.

Später am Abend trennten sich die beiden vorübergehend und Scully ging nach Hause. In das viel zu leer wirkende Haus, in dem sie sich allein niemals wohlgefühlt hätte. Lucy hatte sie dort abgesetzt, bevor sie sich verabschiedeten. Der große Ohrensessel vor dem Kamin bot den Platz, den Scully nun brauchte, um ihren bisher unterdrückten Tränen freien Lauf zu lassen. Sie kuschelte sich in ihn hinein und lehnte sich an ihn, als würde sie auf Mulders Schoß sitzen und sich an seine Brust schmiegen. Sie starrte mit feuchten Augen auf das Foto in ihrer Hand und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Mulder hier bei ihr wäre. Etwas später ging sie hoch in ihr Schlafzimmer, denn Morgen wollte sie für ihren ersten Arbeitstag ausgeruht sein. Eine unausgeschlafene Pathologin könnte sich nicht auf das Wesentliche konzentrieren, was nicht gut war in diesem Beruf.

Eine unbeschwerte Nacht war Scully jedoch nicht vergönnt. Denn von wirren Träumen geplagt, wälzte sie sich im Bett von einer Seite zur anderen. Sie träumte von Autopsien, welche sie in ihrer Zeit mit Mulder durchgeführt hatte. Doch diese Menschen waren nicht tot, sondern schrien lauthals als sie ihnen das Skalpell in die Brust steckte, um mit der Obduktion zu beginnen.
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