World of X

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A Wish waiting to come true

von Claudia Schubert

Kapitel 3

***



Scully saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf der Couch. Neben ihr hatte Mulder Platz genommen, der konzentriert den Aussagen von Mrs. Brightman folgte. Sie waren noch nicht viel weiter gekommen. Die Frau wusste nur, dass ihr Mann auf einer Geschäftsreise gewesen war, es hatten wohl ein wichtiges Treffen in Springfield stattgefunden. Mr. Brightman war in einer Computerfirma angestellt gewesen und in der letzten Zeit waren solche Reisen nichts Ungewöhnliches gewesen. Nach dem Tag, an dem er eigentlich hätte nach Hause kommen sollen, war dann per Post der Daumen des Mannes gekommen und nur zwei Tage später war die Leiche gefunden worden. Man hatte bis jetzt noch keine weiteren Hinweise, wer das getan haben könnte, und auch Mrs. Brightmans Erlebnisse konnten zur Aufklärung dieses Falls bis jetzt nicht weiterhelfen.

"Und Sie sagen, Sie hatten Visionen in der Nacht, bevor das Päckchen kam?”, fragte Mulder. "Wie meinen Sie das?”

Die Frau saß ruhig auf einem Stuhl und sah zu Boden. Ihre langen, braune Haare umrahmten ihr schmales Gesicht. Ihre Augen waren gerötet, anscheinend hatte sie geweint, doch jetzt schien sie gefasst zu sein. Sie stellte ihre Tasse, welche sie bis jetzt mit ihren Händen fest umschlungen hatte, beiseite und lehnte sich zurück. "Wissen Sie, ich bin nicht unbedingt der Typ für solche Geschichten. Um ehrlich zu sein, halte ich Leute, die solche Dinge behaupten, für Spinner und Paranoiker. Aber das... das war auf eine beängstigende Art und Weise unglaublich real. Fast so, als würde ich direkt daneben stehen.” Sie stockte und schüttelte dann den Kopf. Ihre Finger fuhren nervös über ihren Nasenrücken, dann sah sie wieder zu den beiden Agenten. "Ich habe keine Ahnung, was ich Ihnen dazu noch sagen kann und ich verlange auch nicht, dass Sie mir glauben. Ich meine, ich glaube es ja selbst kaum.”

Mulder nickte und sah kurz zu Scully. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie sich unschlüssig war. Die Vorstellung, dass jemand Visionen vom Tod des eigenen Mannes hatte, klang für sie ziemlich bizarr. "Und wie genau haben Sie diese Fiktionen erlebt. Würden Sie diese beschreiben können?”, fragte Scully.

Langsam schüttelte Mrs. Brightman den Kopf und starrte auf einen unbestimmten Punkt in ihrem Wohnzimmer. "Es ist schwer zu erklären”, begann sie und überlegte dann erneut. "Ich habe es einfach gesehen. Verstehen Sie, so wie ein Passant, der es zufällig mit ansehen musste. Ich habe den Ort gesehen, an dem mein Mann später gefunden wurde und ich habe seine Schreie gehört. Es war furchtbar!” Ihre Stimme versagte und sie brach ab, kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Nach einem kurzen Augenblick hatte sie sich wieder gefangen und sah auf ihre Hände. "Es war furchtbar”, wiederholte sie noch einmal leise die Worte, welche sie gerade gesagt hatte.

Mulder und Scully wechselten einen kurzen Blick. Mulder wartete einen Moment, bevor er seine nächste Frage stellte. "Mrs. Brightman, wir wissen, wie schwer es Ihnen fallen muss, jetzt über all das zu sprechen, aber hatte ihr Mann irgendwelche Feinde?”

Die Frau antwortete nicht sofort, sondern sah weiterhin nachdenklich auf ihre Hände. Mulder dachte schon, sie hätte seine Frage nicht verstanden, als sie plötzlich begann leicht ihren Kopf zu schütteln. "Nein”, sie sah noch immer nach unten, "nein, nicht dass ich wüsste. Er war eher ein ruhiger Typ und ging Streit immer aus dem Weg.” Sie überlegte erneut. "Er hatte einen guten Job. Ich weiß nicht, ob es irgendwelche Neider gab.”

Mulder nickte. Viel weiter würde sie durch dieses Gespräch wohl nicht kommen. "Können Sie uns vielleicht noch etwas anderes sagen, das uns weiterhelfen könnte?” Wieder begann sie ihren Kopf hin und her zu bewegen und Mulder verstand. Er sah noch einmal zu Scully und nickte ihr zu, dann sah er wieder zu der Frau. "Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir von solchen Phänomenen hören. Und ich bin mir sicher, dass wir die Sache bald aufgeklärt haben werden.” Nun stand er auf und ging hinüber zu Mrs. Brightman. In seiner Jackentasche kramte er nach einer kleinen Karte und reichte sie ihr. "Unter dieser Nummer können Sie mich immer erreichen.”

Er machte eine verabschiedende Geste und wollte sich gerade umdrehen, als die Frau nach seinem Arm griff und ihn zurückhielt. Bittend sah sie ihn an. "Finden Sie den Täter. Solche Menschen dürfen nicht frei herumlaufen.”

Mulder sah kurz auf ihre Hand, die ihn noch immer festhielt, und dann wieder zu ihr. Sein Gesicht war ernst, als er nickte. "Wir werden unser Bestes tun.”

"Danke.” Der Griff lockerte sich und ihre Hand glitt langsam seinen Ärmel herunter. Er verabschiedete sich noch einmal und verließ dann mit Scully das Haus.



Als sie wieder im Freien standen, setzte Mulder eine grüblerische Miene auf. Diese Sache erinnerte wirklich sehr an den Fall von damals. Schweigend gingen sie nebeneinander her bis zum Auto. Dort blieb Scully stehen und blickte über das Dach des Wagens hinweg zu Mulder. "Was ist? Woran denkst du?”, fragte sie und riss ihn somit aus seinen Gedanken.

Nachdenklich sah er zu ihr und lehnte sich auf das Dach. "Erinnerst du dich noch an den Fall vor drei Jahren? Den in Seattle.”

Scully dachte kurz nach, doch dann fiel es ihr wieder ein. "Ja, da waren es doch auch visionäre Träume, nicht?”

Mulder nickte kurz und deutete ihr einzusteigen. Im Wagen holte er dann den Ordner, den er in seinem Büro herausgesucht hatte, vom Rücksitz und reichte ihn ihr. Überrascht nahm sie die Mappe in die Hand und schlug sie auf. Sie konnte sich wieder ganz genau an den Fall erinnern und jetzt, wo Mulder darauf hinwies, fielen ihr auch die Übereinstimmungen auf. Hier war es die Frau des Opfers, die angeblich Visionen gehabt hatte, damals war es die Freundin gewesen. Beide Male waren die Männer nicht zu Hause. Es bestand ganz sicher eine Verbindung, die Frage war nur, worin genau diese bestand. Scully blätterte ein paar Seiten weiter, überflog dann den Abschlußbericht kurz und sah wieder zu Mulder. "Der Fall wurde als abgeschlossen eingestuft und der Exfreund der Freundin verhaftet. Soviel ich weiß, müssten die Unterlagen doch ins Archiv gekommen sein, warum hast du sie noch?”

Mulder machte eine kurze, abwertende Geste. "Die waren noch unten in den Aktenschränken, aber darum geht es doch gar nicht. Der Punkt ist, dass sich diese beiden Morde ziemlich gleichen. Ich glaube nicht, dass es ein Nachahmungstäter ist, dafür wurde die Sache damals nicht publik genug gemacht. Ich meine nur, was, wenn wir uns damals getäuscht haben? Wenn es gar nicht ihr Ex gewesen war?”

Scully runzelte die Stirn und warf noch einmal einen Blick in den Hefter. "Meinst du?” Sie überlegte; als Todesursache war in diesem Bericht ein äußerst gefährliches Schlangengift angegeben worden. "Woran ist der Mann von heute gestorben?”, fragte sie dann.

Mulder drehte den Schlüssen im Zündschloss um und brachte den Motor zum Aufheulen. "Tja, das müssen wir jetzt herausfinden. Die Obduktion wurde von einem gewissen Dr. Brown gemacht, wir sollten ihn eigentlich noch in der Pathologie erwischen. Dort ist er meistens zu dieser Zeit.”

Scully nickte und der Wagen fuhr aus der Auffahrt, wo er die letzte Stunde über gestand hatte. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss kurz die Augen. Irgendwie war sie heute unglaublich müde. Scully war es einfach nicht mehr gewöhnt, aufgrund gewisser nächtlicher Aktivitäten um den Schlaf gebracht zu werden, obwohl sie es als kein allzu großes Problem ansah, sich wieder darin einzuleben.

"Müde?” Mulder warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, verlor dabei die Straße aber nicht aus den Augen. Seine Hand fuhr hinüber zu ihrer und umfasste sie schließlich. Sie öffnete nicht die Augen, jedoch bildete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. "Mhm, ein wenig.” Sie lachte kurz auf. "Ich hatte diese Nacht nicht gerade viel Schlaf, wie du dir vielleicht denken kannst.”

Jetzt schmunzelte auch Mulder. Nein, den hatte sie wirklich nicht gehabt. "Och, du tust mir leid. Ich werde mich heute noch beschweren, warum der Flug gestern so lange gedauert hat.”

Zweifelnd und mit einem misstrauischem Grinsen auf den Lippen sah sie ihn von der Seite an. "Tu’ das, aber ich glaube nicht, dass es allein an dem Flug lag.”

Mulder musste sie nicht ansehen, um sich ihr Gesicht vorstellen zu können. Der freche -und für ihn unglaublich süße- Unterton in ihrer Stimme reichte vollkommen. Er setzte eine gespielt überlegene Miene auf und sagte nachdenklich: "Tja, dann sollte ich dich heute Abend vielleicht lieber allein lassen, damit du morgen auch schön ausgeruht bist.”

"Hey!”, widersprach sie augenblicklich und stieß ihm spielerisch den Ellenbogen in die Seite. "Du kannst mich doch nicht einfach so im Stich lassen! Was, wenn sich ein böses Monster unter meinem Bett versteckt hat und ich deine Hilfe brauche?”

Mulder machte eine kurze Kunstpause, um sie noch etwas zu locken. Dann machte er eine zustimmende Geste und meinte: "Da hast du natürlich auch recht. Wir können dich ja nicht in Gefahr bringen. Na gut, ich mache noch mal eine Ausnahme. Aber nur, wenn ich jetzt ein ganz liebes ,Bitte’ höre.”

Kritisch beäugte ihn Scully, dann drehte sie sich zum Fenster und bezeichnete ihn belustigt als Macho. Empört sah er sie an, doch sie begann nur amüsiert zu lachen. Sie liebte diese neue Chemie zwischen ihnen. Es war vollkommen anders als zuvor. Viel freier und entspannter. Sie verkniff sich eine weitere Bemerkung und zwinkerte ihm statt dessen verliebt zu. Was konnte er nach so einem Blick schon machen? Glücklich lächelte er zurück und fuhr weiter die Straße entlang.



~*~*~*~



Gemeinsam gingen sie die Treppen des Gebäudes hinab. Die Fahrt hierher hatte nicht sehr lange gedauert, schon nach einer halben Stunde waren sie an der Pathologie eingetroffen. Oben hatte man ihnen gesagt, das Dr. Brown wahrscheinlich noch in einer der Leichenhallen im Untergeschoss war. Anscheinend war er erst vor kurzem mit einer Obduktion fertig geworden. Innerlich war Scully etwas froh, dass sie diesmal nicht diejenige war, die sich mit einem Skalpell bewaffnet auf eine Leiche stürzen musste. Sie war zwar ausgebildete Ärztin und Pathologin, aber das hieß noch lange nicht, dass es ihr Spaß machte. Es war eben ihr Job.

Unten angekommen blickten sie sich suchend nach dem Doktor um. Das gesamte Geschoss schien wie ausgestorben. Verwunderlich war es nicht, kurz nach Mittag hatten die meisten sicherlich besseres zu tun als hier unten zu sein. Suchend ging Scully an Mulder vorbei und spähte in einen der Räume, die sich hier aneinander reihten. "Dr. Brown?”

Ihre Stimme hallte durch die leeren Gänge, doch sie bekam keine Antwort. Noch einmal rief sie seinen Namen, erhielt jedoch keine Antwort. Auf einmal vernahmen sie das Rollen von einem Bürostuhl oder etwas in dieser Art. Prüfend drehten sie sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Der Mann, den sie gesucht hatten, rollte gerade mit seinem Stuhl rückwärts aus einem Zimmer und sah sich dabei suchend um. Als er Mulder und Scully entdeckte, machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit und er stand auf, um sie zu begrüßen. "Ich nehme an, Sie sind die Bundesagenten. Ich bin Dr. Brown. Ich habe die Untersuchung an Mr. Brightman vorgenommen.”

Er reichte zuerst Scully und danach Mulder die Hand. Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, kam Mulder gleich zum Grund ihres Besuches; man hatte den Arzt ohnehin sicher schon darüber informiert. "Und, was haben Sie bei der Autopsie herausgefunden?”

Mit einer Handbewegung deutete der Doktor den beiden, in einen Raum zu ihrer Rechten zu gehen. "Tja, es war eindeutig Mord. Außer natürlich, Mr. Brightman war lebensmüde und hatte ohne eine Ahnung zu haben, wie gefährlich das ist, das getan.”

Er ging hinüber zu einem Schreibtisch und öffnete einen Hefter mit verschiedenen Untersuchungsergebnissen. Die Agenten waren ihm stumm gefolgt und hatten sich sein einleitende Erklärung angehört. Scully trat ein Stück vor und sah ihn kritisch an. "Was genau meinen Sie, Dr. Brown?”

Brown suchte noch kurz den entsprechenden Bericht. Als er ihn gefunden hatte, drehte er sich wieder zu den beiden um und setzte sich auf die Kante des Tisches. "Nun, ich habe Spuren von Strychnin im Blut des Mannes gefunden. Dies ist ein sehr starkes Gift, welche in den Samen der Brechnuss vorkommt, aber auch synthetisch hergestellt werden kann. Es wirkt stark anregend und erhöht den Muskeltonus. Anscheinend durch eine Spritze verabreicht, führte es hier zu heftigen Magenkrämpfen, die dann zu einem langwierigen, schmerzhaften Todeskampf führten. Die Injektion wurde allerdings ziemlich unprofessionell gesetzt und es gibt keine Anzeichen darauf, dass der Mann sich gewehrt hat, darum würde ich denken, dass er den Täter gekannt hat, aber das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe.”

Scully nickte und sah kurz zu Mulder. Dann wandte sie sich wieder an den Doktor. "Ich verstehe. Ist es möglich, dass ich mir die Leiche kurz ansehe?”

Achtlos zuckte Brown mit den Schultern. "Natürlich, wenn Sie wollen. Ich glaube allerdings nicht, dass Sie sonderlich viel herausfinden werden. Mehr gibt es da nicht zu holen.”

"Ich weiß. Ich würde sie mir aber dennoch gern anschauen; nur um mir ein genaueres Bild machen zu können.”

Nach einer einwilligenden Geste stand er auf, führte die Agenten aus dem Zimmer und in einen der vielen Autopsieräume. Hier sah es wie in jeder anderen Pathologie auch aus. Metallene Schränke an den Wänden und in der Mitte ein Seziertisch. Scully war schon öfter hier gewesen, als ihr lieb war. Und wo sollte eine Pathologin sonst arbeiten? Ohne etwas zu sagen, führte der Doktor sie zu dem Opfer, welches in einem Plastiksack eingewickelt war. Langsam zog er den Reißverschluss auf und machte dann Scully Platz. "So, viel Spaß mit ihm.”

Scully nickte dem Doktor kurz dankend zu und beugte sich dann über die Leiche. Wie Brown ihnen mitgeteilt hatte, war eine Obduktion schon durchgeführt worden. Das konnte Scully an den Einschnitten im Brustkorb sehen. Sie hatte auch nicht vor, jetzt erneut an ihm herumzuschneiden, soweit vertraute sie dem hiesigen Personal schon. Sie hatte nur vor, sich das Opfer noch einmal von außen zu betrachten. Manchmal konnte es von Nutzen sein, sich gewisse Dinge einzuprägen, das hatte sie in vergangenen Fällen gelernt. Prüfend glitten ihre Augen über den entblößten Körper. Blässe und Kälte kennzeichneten ihn , was aber normal war. Wie gesagt wurde, waren keinerlei äußere Verletzungen zu finden. Nichts deutete auf einen Kampf hin. "Und wo haben Sie den Einstich gefunden, Dr. Brown?”, wandte sich Scully an den Doktor ohne dabei aufzusehen.

Brown kam ein wenig näher und zeigte mit der Hand auf die rechte Schulter des Mannes. "Hier oben, gleich neben dem Schlüsselbein. Sie sehen ja, wie die gesamte Schulter aussieht. Der Täter hat alles getroffen, nur nicht das, wo eine Injektion für gewöhnlich hingehört.”

In dieser Hinsicht musste Scully ihm recht geben. Trotz der Blässe konnte man unschwer die blauen Flecken erkennen, welche sich nach dem Einstich gebildet hatten. Das war ganz eindeutig nicht fachmännisch gemacht worden. Nach einem weiteren prüfenden Blick trat Scully zwei Schritte zurück und nickte Mulder kurz zu. Dieser wandte sich dann wieder an Brown. "Vielen Dank, Dr. Brown. Sie haben uns sehr geholfen.”

"Das habe ich doch gern gemacht”, erwiderte der Pathologe grinsend.

Mulder drehte sich auf dem Absatz um und verließ, gefolgt von Scully, das Zimmer. Schweigend gingen sie auf den Fahrstuhl zu. Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür mit einem dumpfen Ton öffnete und sie eintraten. In dem kleinen Raum drehte sich Mulder zu Scully. "Ich denke, wir sollten nach Houston fahren.”

Scully nickte, sagte aber nichts.

"Am Besten so schnell wie möglich. Man weiß ja nie.”

Wieder stimmte sie lediglich mit einem stummen Nicken zu.

"Aber nicht mehr heute.”

Schmunzelnd sah sie zu ihm auf. Genau das hatte sie hören wollen.



~*~*~*~



Der Tag neigte sich langsam seinem Ende entgegen. Irgendwie hatte heute alles etwas länger gedauert. Hinzu kam noch, dass die Tage zu dieser Jahreszeit langsam wieder kürzer wurden. Obwohl es noch nicht sehr spät war, konnte man schon sehen, wie sich die Dunkelheit über alles legte. Der Mond schien über die Bäume mit ihren dürren Blättern und vereinzelt sah man schon einen kleinen Stern aufleuchten. Langsam bog der silberne Ford Mondeo in die Auffahrt des Motels ein. Nachdem Mulder und Scully aus der Pathologie gekommen waren, hatten sie sich noch einen Snack in einem kleinen Restaurant gegönnt, das Mittagessen war heute schließlich auf der Strecke geblieben. Anschließend hatten sie sich dann auf den Weg gemacht. Früher hatten sie öfters abends über den aktuellen Fall gesprochen, doch heute hatte keiner von beiden mehr die nötige Ausdauer oder Lust, um dies zu tun. Immer noch tief in ein Gespräch über die vergangenen Jahre vertieft, hielt Mulder schließlich vor dem Motel und sie stiegen aus.

"Und du hast es wirklich nicht bemerkt?” Ungläubig grinsend sah Mulder zu ihr hinüber. Auch sie lachte, aber nicht ungläubig, sondern eher entschuldigend. Abwehrend hielt sie die Hände von sich und schmunzelte. "Na ja, vielleicht habe ich es geahnt.” Sie überlegte einen Moment und fügte dann verschmitzt hinzu: "Spätestens nach dem letzten Silvester, denke ich.”

Mulder blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Auffordernd sah er sie an. "Ah, ich verstehe. Als ich damals im Krankenhaus aufgewacht bin und dir sagte, dass ich dich liebe, war das wohl zu undeutlich, was?”

Amüsiert ging sie auf Mulder zu und kniff ihm neckend in die Seite. "Hey, ich war eben unsicher. Man hätte dich ja mit sonst was für Drogen vollgepumpt haben können. Außerdem hättest du es ja noch mal versuchen können.”

"Nachdem du mein Ego auf diese Weise niedergeschmettert hast? Und außerdem, warum liegt es eigentlich an mir? Du hast dir ja auch nie was anmerken lassen.”

Lächelnd steuerte Scully wieder den Eingang an. "So etwas machen Frauen nicht”, erwiderte sie belehrend.

Stirnrunzelnd sah ihr Mulder nach. "Ach, aber Männer?”

Im Gehen warf sie ihm einen kurzen Seitenblick über ihre Schulter zu. Er stand immer noch an derselben Stelle. "Aber selbstverständlich”, rief sie ihm mit einem zuckersüßen Ton zu.

Mulder lachte kurz belustigt auf, löste sich dann aus seiner Position und rannte ihr hinterher. Besitzergreifend legte er seinen Arm um ihre Schultern und zog sie näher an sich heran. "Ich werde es mir merken”, flüsterte er leise und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Gemeinsamen betraten sie dann die Pension. Viel los war hier nicht gerade. Langsam verfluchte Mulder diese spießige FBI-Regel, dass man sich immer das billigste Motel heraussuchen musste. Nur der Gedanke, dass sie dennoch mit die höchsten Spesenrechnungen hatten und somit diese geldgeilen Bürohengste wenigstens ein wenig schädigen konnten, munterte ihn noch etwas auf. Ihre Zimmer waren gleich um die Ecke. Sie lagen direkt gegenüber, hatten daher auch keine Verbindungstür. Äußerst praktisch!

"Und jetzt?”, fragte Mulder mit einem verführerischen Ton und beugte sich ganz nah zu ihr hinunter.

Verlockend sah sie ihn an und gab ihm ein Küsschen auf die Nasenspitze. Dann begann sie zu grinsen. "Jetzt,” Es folgte ein Küsschen auf seinen Mund. "gehe ich duschen.”

Mit diesen Worten drehte sie sich von ihm weg und schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf. Noch etwas verdattert beobachtete er sie dabei, fasste sich jedoch schnell wieder und streifte sie liebevoll an der Schulter. "Ganz allein?”, säuselte er ihr entgegen, woraufhin sie sich noch einmal umdrehte. Abschätzend beäugte sie ihn von oben bis unten. Anschließend seufzte sie kurz und blickte ihn fast schon mitleidig an. "Tut mir leid, aber ich will entspannen.”

"Siehst du”, kicherte Mulder leise. "Und genau dazu brauchst du meine Hilfe. Ich kann da sehr nützlich sein, ehrlich.”

Schmunzelnd ging sie auf sein kleines Spielchen ein und betrachtete ihn skeptisch. "Meinst du wirklich? Ich weiß ja nicht.”

"Doch, doch, ganz im Ernst”, fing er an sich zu rechtfertigen. "Darin bin ich einsame Spitze. Man wollte mir schon einen Orden verleihen, aber das habe ich dann doch abgelehnt. So bin ich ja nicht.”

Scully überlegte einen Moment und machte dann eine abwertende Handbewegung, wobei sie kurz die Augen schloss und zustimmend sagte: "Ja, wenn das so ist.”

Ein triumphierendes Lächeln machte sich auf Mulders Gesicht breit, als er nach ihr das Zimmer betrat. Hart erkämpft, dachte er sich. Doch auf irgendeine Art mochte er diese kleinen, neuartigen Neckereien zwischen ihnen. Sie hatten sich zwar auch früher ab und zu etwas geärgert, aber das war absolut nicht hiermit zu vergleichen. Damals waren es lockere Anspielungen gewesen, jetzt waren es Flirts. Heiße Flirts.

Staunend blickte sich Mulder um. Als er heute morgen ihr Zimmer verlassen hatte, war es nicht gerade sonderlich aufgeräumt gewesen. Doch jetzt strotzte es geradezu vor Ordnung. Scully musste wirklich Übung im Aufräumen haben, denn in der halben Stunde, die sie allein hier gewesen war, bevor sie losgefahren waren, hätte es Mulder gerade einmal geschafft den Tisch abzuwischen und sich anzuziehen. Er musste seinen Hut vor ihr ziehen.

Scully hatte inzwischen ihren Mantel abgelegt und über einen Stuhl gehängt. Nachdem sie auch noch ihre Schuhe achtlos in die Ecke gekickt hatte, setzte sie sich seufzend auf das Bett und sah zu Mulder. Er stand immer noch da und blickte sich um, wodurch er sich einen skeptischen Blick von Scully einhandelte. "Was ist? Willst du dort Wurzeln schlagen?”

Durch ein kurzes Blinzeln löste er sich wieder aus seiner Starre und kam dann grinsend auf sie zu. Er schüttelte leicht den Kopf und ließ sich schwungvoll neben sie auf das Bett fallen, welches durch das plötzliche Hinzukommen seines Gewichtes Scully und ihn nach oben abfederte, nur um anschließend wieder abzusacken. Scully hatte für den Bruchteil einer Sekunde vor Schreck aufgeschrien, strafte Mulder jetzt mit einem funkelten Blick. "Hey!”, protestierte sie.

Statt einer Entschuldigung sah Mulder sie nur amüsiert an und fragte: "Wolltest du nicht duschen gehen?”

Belustigt verdrehte sie die Augen und schüttelte den Kopf. Dann erhob sie sich und ging in Richtung Bad, wobei sie sich noch im Gehen die Bluse über den Kopf zog. Kurz bevor sie in dem kleinen Raum verschwunden war, drehte sie sich zu Mulder und begann mit liebreizender Stimme zu säuseln: "Und wolltest du nicht mitkommen?”



~*~*~*~



Wieder hatten sie eine ganze Weile im Flugzeug verbracht. Scully konnte sich nicht daran erinnern, dass sie schon einmal so weite Entfernungen wegen eines einzigen Falles zurücklegen mussten. Oder, na ja, das eine Mal vielleicht, als sie wegen dieses Artefaktes eine halbe Weltreise gemacht hatte, oder als Mulder sogar in die Antarktis musste, nur um sie zu retten. Für ihn war das natürlich selbstverständlich gewesen, aber sie selbst fand es im Nachhinein richtig süß. Gott, sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie peinlich ihr eine ganze Zeit lang der Gedanke gewesen war, dass er sie nackt gesehen haben musste. Das war eigentlich recht idiotisch, denn er hatte in dieser Situation sicherlich andere Probleme gehabt. Genau wie sie selbst, wenn sie diese auch nur bedingt mitbekommen hatte.

Im Moment konnte sie das jedenfalls reichlich wenig stören und sie bezweifelte, dass es das jemals wieder tun würde. Müde ließ sie sich in den Autositz zurücksinken und beobachtete die an ihr vorbeiziehende Landschaft. Von Washington DC über Illinois nach Texas. Warum konnte das hier nicht einer von den leichten Fällen sein, die innerhalb von zwei Tagen erledigt waren? Jetzt, wo sie mit Mulder zusammen war, hatte sie weiß Gott bessere Dinge zu tun als psychopathischen Killern hinterherzujagen, die ihren Opfern die Daumen abhacken. Aber es war nun mal ihr Job, ihre Aufgabe, von Staat zu Staat zu reisen, um irgendwelchen verwirrenden Indizien nachzugehen und ihr Privatleben immer weiter zurückzuschrauben. Warum sollte sich etwas, was sich schon seit sieben Jahren eingebürgert hatte, jetzt auf einmal ändern? Auf der anderen Seite war sie aber auch dankbar; dankbar, weil sie eine gewisse Sache noch ein wenig vor sich hinschieben konnten. Das FBI würde es nicht unbedingt gutheißen, dass sich zwischen ihrem Partner und ihr Gefühle entwickelt hatten, die weit über die Grenze normaler Partnerschaft hinausgingen. Sie wusste, dass solche Beziehungen zwar nicht verboten waren, aber dennoch nicht gern gesehen wurden. Wenn man besonderes Glück hatte, konnte das hier sogar zu einer Versetzung führen. Ein kurzer Seufzer entfuhr ihrer Kehle und sie schloss die Augen.

"Was hast du?” Mulder wandte kurz den Blick von der Straße ab und sah zu ihr hinüber. Auch sie hatte sich inzwischen in seine Richtung gedreht und lächelte ihn nun warm an. Sie wollte jetzt nicht über dieses Problem sprechen. Dafür würde es sicher noch genug Zeit geben. Viel lieber wollte sie sich von der atemberaubenden Landschaft vor ihr berauschen lassen. Nur leider würde das keine Lösungen bringen. "Nichts.” Sie sah wieder aus dem Fenster. "Ist es nicht herrlich hier?”

Irgendwie schien sie nicht sonderlich überzeugt geklungen zu haben. Mulder lachte kurz und sah sie aus den Augenwinkeln heraus an, während er weiterhin auf die kaum befahrene Straße achtete. "Ja, das ist es. Aber das ist es nicht, worüber du nachdenkst, habe ich recht?”

Scully zögerte einen Augenblick. Es waren so viele Gedanken, die in ihrem Inneren herumspukten und doch wusste sie nicht, ob sie wirklich relevant waren. Vielleicht dachte sie auch zu viel nach. "Ach, ich weiß auch nicht, ich mache mir nur Sorgen.”

"Und weshalb?” Mulders Stimme klang grüblerisch, sogar schon etwas nachhakend. Es hatte in schon die letzte halbe Stunde über gewundert, warum sie so nachdenklich gewesen war. Er kannte seine Scully und wusste ganz genau, dass es nicht der Fall war, über den sie sich Sorgen machte.

Sie zuckte nur kurz mit den Schultern und sah auf die Hände in ihrem Schoß. "Wie wird es weitergehen, Fox?”, fragte sie, hoffend darauf, dass er es ihr würde sagen können.

Er behielt die Augen weiterhin auf der Straße, er wollte ja nicht unbedingt einen Autounfall riskieren. Dennoch zog er die Stirn kraus und bedachte ihre Worte. Natürlich hatte er sich auch schon Gedanken darüber gemacht, allerdings hatte er - genau wie sie - geglaubt, sich darüber später noch den Kopf zerbrechen zu können. Aber vielleicht meinte sie auch etwas ganz anderes. "Was genau meinst du?”, fragte er noch einmal nach, nur um sicherzugehen, dass er sie richtig verstand.

Scully ließ sich resigniert in den Sitz sinken und schloss erneut die Augen. "Ich meine uns”, begann sie ohne die Augen zu öffnen. "Wie wird es mit uns weitergehen? Haben wir überhaupt eine Zukunft? Wir würden unsere Beziehung wahrscheinlich geheim halten müssen, du kennst das FBI. Ich weiß nicht, ob ich so ein Versteckspiel ewig aushalten werde. Die erste Zeit schon, aber soll es wirklich immer so weitergehen? Dass wir uns nur heimlich treffen können, nie zusammenziehen werden oder sonst irgendwas gemeinsam machen außerhalb unseres Jobs?”

Nun war Mulder still. Er wusste, dass sie recht hatte. Das FBI würde ihre Beziehung sicher nicht billigen, erst recht bei ihnen nicht, wo man ohnehin andauernd nach einem Grund suchte, um sie auseinanderzubringen. Partnern war es in deren Augen einfach nicht gestattet romantische Gefühle füreinander zu hegen. Als ob man das kontrollieren könnte! Aber er dachte nicht daran, sich sein Glück durch seine Arbeit verderben zu lassen. Niemand würde ihn jemals dazu bringen, Scully wieder gehen zu lassen, und er hatte ganz bestimmt nicht vor ihre Beziehung zueinander in einen kleinen Goldkäfig zu sperren, den man nur öffnen konnte, wenn es auch wirklich niemand merkte.

Er blickte kurz zu ihr hinüber. Sie hatte ihr Gesicht inzwischen wieder dem Fenster zugewandt und betrachtete die vorbeiziehenden Bäume. Er atmete einmal tief ein und trat dann auf die Bremse. Es war ihm egal, ob er jetzt mitten auf der Straße stand. Innerhalb der letzten Stunde hatten sie gerade mal ein Auto gesehen und die Fahrbahn war außerdem groß genug, so dass ein anderer Wagen mühelos an ihnen vorbeifahren konnte. Er schaltete den Motor ab und sah zu Scully. Diese hatte sich wieder zu ihm gedreht und beäugte ihn nun mit einem äußerst kritischen Blick. "Fox, was soll das?”, fragte sie erstaunt über seine plötzliche Reaktion.

Er ließ sich nicht beirren, nahm statt dessen ihre Hand in die seine und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Fingerspitzen. "Dana, du weißt, ich liebe dich”, begann er und sah dabei tief in ihre aquamarinblauen Augen. "Und ich würde es niemals zulassen, dass unser Verhältnis in eine solche Bahn gelenkt wird, egal, was passiert. Ja, ich kenne die Regeln und ich habe auch schon darüber nachgedacht, nur hatte ich gehofft, es noch ein wenig von uns fernhalten zu können.”

"Schatz, wir müssen jetzt nicht...”

Mit einer Handbewegung brachte er sie zum Schweigen. Auch wenn sie es jetzt vergessen würden, spätestens wenn sie wieder in Washington DC waren, würden sie wieder daran erinnert werden. ,Aufgehoben ist nicht aufgeschoben’ hatte seine Großmutter immer gesagt und bis jetzt hatte sich diese Weisheit immer bestätigt. Ihre Hand lag immer noch in seiner, während er mit seinen Fingern immer wieder über ihren Handrücken fuhr. "Nein, ich will es hinter uns bringen. Wir kommen kein Stück weiter, wenn wir dieses Problem verdrängen. Und ich denke, ich habe einen Entschluss gefasst, Dana.” Er schwieg einen Augenblick. Sie sah ihn verwundert an, hatte keine Ahnung, worauf er hinaus wollte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er ernst fortfuhr. "Ich denke, einer von uns wird die X-Akten verlassen müssen." Sie wollte etwas erwidern. "Lass mich erklären. Wir müssten trotzdem nicht auf die Hilfe des anderen verzichten. Du mit deinem medizinischen Fachwissen und ich mit meinen Erfahrungen und Hintergrundinformationen... Was sagst du?"

Ihre Augen weiteten sich und sie blickte ihn geschockt an. Hatte sie gerade richtig gehört? Fox Mulder zog es in Betracht ihretwegen die X-Akten, sein Lebenswerk, einfach so aufgeben. Und das alles nur, um mit ihr zusammensein zu können? "Fox, aber... aber das geht nicht”, stotterte sie fassungslos heraus, überlegte dann einen Moment. "Wenn es das ist, was du willst, werde ich gehen. Das ist dein Leben, dein Kreuzzug. Ich könnte mir niemals erlauben, dir das zu nehmen.”

Er lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. Wieder gab er ihr einen Kuss auf ihre Hand und sah sie dann liebevoll an. "Nein, Dana, du bist mein Leben. Mein ganzes. Und außerdem, was soll ich denn noch dort unten im Keller? Ich weiß nun, was mit meiner Schwester geschehen ist, wir haben die Verschwörung aufgedeckt. Es wird immer neue Syndikate geben, aber ich werde mich nicht darum kümmern und dich damit in Gefahr bringen. Ich hätte diese Entscheidung schon längst fällen sollen, spätestens, nachdem sie dich wieder entführt hatten. Verstehst du nicht? Ich habe Angst. Angst, dass dir etwas zustoßen könnte, und ich dich verlieren könnte. Ich würde das einfach nicht ertragen. Ich lege die Entscheidung in deine Hände und ich werde das tun, was du möchtest, okay?”

Nun war Scully wirklich sprachlos. War sie ihm wirklich so wichtig? Er wollte alles aufgeben, nur um sie in Sicherheit zu sehen? Sie sah in seine Augen. Was sie da erblickte, war grenzenlose Hingabe und Zuneigung. Er liebte sie und sie wusste, dass das hier der größte Beweis war, den er ihr geben konnte. Er lächelte, als er Tränen in ihren Augen bemerkte. Sie konnte nicht anders, langsam bildete sich ein freudiges Strahlen in ihrem Gesicht. Ohne den Blickkontakt zu ihm abzubrechen, drückte sie auf den kleinen Knopf neben ihrem Sitz, um den Gurt zu lösen. "Oh, ich liebe dich!” Mit diesen Worten fiel sie ihm stürmisch um den Hals. Vollkommen überrumpelt von dieser stürmischen Umarmung, drückte Mulder sie ganz fest an sich. Er wusste, spürte mit jeder Faser seines Körpers, dass es richtig war. Was war sein Leben denn schon ohne diese Frau? Er war doch rein gar nichts ohne sie.

Nach einer schier endlos langen Zeit löste sie sich schließlich aus seiner Umarmung. Sie lächelte ihn an. Dana sah einfach bezaubernd aus, wenn sie lachte. "Womit habe ich dich nur verdient?”, fragte Mulder überwältigt von ihrer Schönheit. Anstatt ihm eine Antwort zu geben, begann sie ihn sanft zu küssen. Es war der schönste Kuss, den sie jemals mit ihm geteilt hatte, dass wusste er. Und er würde sie nie wieder gehen lassen, ganz egal, was geschah.

Schließlich lösten sich ihre Lippen und sie sahen sich, tief Luft holend, verliebt an. "Ich glaube, wir müssen weiter”, unterbrach Mulder die entstandene Stille.

Scully nickte nur kurz, gab ihm einen letzten, kleinen Kuss auf die Lippen, platzierte sich dann wieder auf ihre Seite. Sie lächelten sich noch ein paar Sekunden an, bevor Mulder den Schlüssel im Zündschloss umdrehte und somit den Wagen wieder zum Aufheulen brachte. Wesentlich erleichterter als vorhin trat er das Gaspedal mit seinem Fuß durch und brauste die leere Straße entlang.

Es vergingen einige Minuten, in denen Scully einfach nur glücklich aus dem Fenster sah. Ab und zu schenke sie Mulder ein entzücktes Lächeln, nur um sich dann wieder genüsslich in ihrem Sitz zurückzulegen. Er hatte ihr den Tag soeben um das Hundertfache versüßt, so dass schon plötzlich ein Erdbeben stattfinden müsste, welches sie unter einem Trümmerhaufen begraben würde, damit Scullys gute Laune verschwand. Außerhalb des Wagens sah sie die vielen kleinen Geschäfte vorbeiziehen und sie fragte sich, ob wohl in den nächsten Tagen noch Zeit für einen Einkaufsbummel sein würde. Plötzlich hielt Mulder den Wagen an. Fragend sah Scully zu ihm hinüber, doch er schien es nicht für nötig zu halten, ihr sein Verhalten zu erklären. Statt dessen grinste er, als hätte er gerade die Idee des Tages bekommen. Ohne einen Kommentar stieg er aus und rannte auf die andere Straßenseite. Als ihm Scully mit ihren Augen folgte und einen Blumenstand entdeckte, wurde ihr klar, was er vorhatte. Sie schmunzelte und beobachtete, wie er dem Händler eine langstielige rote Rose abkaufte. Grinsend kam er wieder zurück und ließ sich in den Sitz fallen. "Für die schönste Frau der Welt", säuselte er und hielt ihr die Rose entgegen.

Die Freude war Scully ins Gesicht geschrieben. Sie nahm den Duft der Blume tief in sich auf und drehte ihre Augen verträumt nach oben. "Ach, du bist wirklich hoffnungslos romantisch." Nach einer kurzen Pause fügte sie mit einem Seitenblick auf ihn schmunzelnd hinzu: "Und so außergewöhnlich einfallsreich."

Sein jungenhaftes Lächeln erstarb im selben Augenblick. Erstaunt sah er erst sie an und dann verbissen auf die Straße. Mulder war eingeschnappt und diesem Gefühl gab er sich nun mit ganzer Intensität hin. Sie hatte ihre Worte sofort wieder bereut, konnte ihm allerdings kein Lächeln mehr abringen. Da half auch kein verstohlenes Streicheln seiner Wange, aber sie würde ihn schon irgendwie wieder fröhlich stimmen...



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"So, hier müsste es eigentlich sein.” Überlegend lugte Mulder über seine Karte hinweg auf das Haus. Man hatte ihnen gestern noch die aktuelle Adresse von Mrs. Parker durchgegeben, doch Houston war eine große Stadt und das kleine, abgelegene Haus war doch etwas schwer zu finden gewesen. Er warf Scully einen kurzen Blick zu und faltete dann die Karte vollständig zusammen. Nachdem er sie im Handschuhfach verstaut hatte, deutete er überzeugt auf die Blockhütte. "Klar ist es das! Man hat uns den Weg immerhin so beschrieben.” Er überlegte noch einmal kurz und öffnete dann die Wagentür. "Kommst du?”

Scully nickte und stieg ebenfalls aus. Es war nur eine kleine Siedlung am Rande der Stadt; gerade mal drei Häuser. Ihr Blick schweifte über die kahle Landschaft. Sie selbst würde hier niemals leben können. Sicher, eine Zeit lang könnte es recht entspannend sein, aber irgendwann würde sie die Einsamkeit verrückt machen. Schwungvoll ließ sie die Wagentür zufallen und begab sich auf Mulders Seite. "Sieht ziemlich verlassen aus”, sagte sie, während ihre Augen die leere Veranda musterten.

Ein kurzes Brummen stellte Mulders Bestätigung dar, als er sich langsam auf das Haus zu bewegte. Scully folgte ihm und gemeinsam betraten sie schließlich den Vorbau der Behausung. Ohne weiteres Zögern klopfte Mulder an die schwere Holztür und machte somit auf sie beide aufmerksam. Schon nach wenigen Sekunden hörte man von innen Schritte, die sich näherten. Eine Frau mittleren Alters öffnete. "Ja, bitte, was kann ich für Sie tun?”, fragte sie und sah den beiden Agenten freundlich entgegen.

Sie präsentierten der Frau ihre Ausweise und stellten sich vor. "Mrs. Parker? Ich bin Agent Mulder und das hier ist meine Partnerin Agent Scully - wir sind vom FBI.”

Sie überlegte kurz und ein flüchtiges, verwirrtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. "FBI? Ist irgendetwas passiert, von dem ich wissen sollte?”

"Vielleicht”, gab Mulder zurück und steckte den Ausweis wieder zurück in sein Jackett. "Es gab einen Zwischenfall in Illinois, wahrscheinlich Mord. Wir wollten uns mit Ihnen unterhalten, weil dieser Fall sehr der Sache mit Ihrem Mann ähnelt.”

Die Frau kniff für einen Moment die Augen zusammen und musterte ihre Gegenüber kritisch. Dann verhärtete sich ihre Miene und sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann.”

Mulder ließ sich von der plötzlichen Verschlossenheit der Frau nicht beirren, setzte statt dessen ein freundliches Lächeln auf und erwiderte: "Würde es Ihnen viel ausmachen, wenn wir Ihnen dennoch ein paar Fragen stellen, Mrs. Parker?”

Mulder wusste, dass sie nur widerwillig den Weg freigab, aber das war ihm im Moment egal. Er wollte den Fall abschließen und die Frau wollte entweder nicht an diese tragische Sache erinnert werden oder sie wusste etwas. Er nickte ihr dankend zu und betrat mit Scully den Flur.

Wie er draußen schon bemerkt hatte, war es ein ziemlich kleines Haus - wie alle hier. Innen war es sparsam, aber bequem eingerichtet. Es war alles da, was man brauchte, es gab keine von diesen sinnlosen Sachen, die den einzigen Zweck hatten, den Reichtum nach außen hin zu präsentieren.

Die Frau führte sie in einen kleinen Raum, der anscheinend das Wohnzimmer war, und deutete auf die Couch. "Setzen Sie sich ruhig. Wollen Sie einen Kaffe?” Beide Agenten lehnten dankend ab, woraufhin sich Mrs. Parker in einen Sessel sinken ließ. "Also, was wollen Sie wissen?”

Mulder sah kurz zu Scully und vermittelte ihr somit, dass sie das übernehmen sollte. Sie bestätigte mit einem kurzen Blick und beugte sich dann weiter nach vorn, um ihre Arme abstützen zu können. "Wie Agent Mulder Ihnen schon gesagt hat, gab es einen Mordfall in der Nähe von Quincy und wir hatten darauf gehofft, dass Sie uns vielleicht weiterhelfen könnten. Gena-”

"Ich kann mir das nicht vorstellen”, unterbrach sie Mrs. Parker schroff. "Ich glaube nicht, was die Polizei über diese Sache schreibt. Das mit meinem Mann war kein Mord, sondern ein Unfall, mein Ex-Freund hätte so etwas nie getan. Und auch wenn es so gewesen wäre, er sitzt noch immer im Gefängnis. Ich sehe also keinen Zusammenhang.”

Wieder wechselte Scully einen Blick mit ihrem Partner und wandte sich dann zu der Frau. "Ich weiß, das es sehr schwer für Sie sein muss, jetzt nach all den Jahren wieder daran erinnert zu werden”, versuchte Scully auf sie einzureden. "Aber es besteht wirklich Grund genug, um von einer Verbindung auszugehen. Die Visionen, welche Sie gehabt hatten und-”

Die Frau hob ihre Hand, um Scully zum Schweigen zu bringen, und stand auf. "Nein, ich will davon nichts hören. Die Angelegenheit ist für mich beendet, und wenn dies das einzige war, über was Sie mit mir sprechen wollten, bitte ich Sie jetzt zu gehen. Ich dürfte ohnehin nicht mit Ihnen sprechen.”

Verwirrt runzelte Mulder die Stirn und rückte ein Stück nach vorn. "Und darf man fragen, weshalb, Mrs. Parker?”

Sie wandte ihr Gesicht nun in seine Richtung und blickte ihn abschätzend an. "Weil es nicht gut für mein Inneres ist”, erwiderte sie dann mit gehobener Stimme. "Mein Glaube warnt mich davor, an vergangene Schmerzen erinnert zu werden und schützt mich zugleich vor neuen.”

Nun schaltete sich auch Scully wieder in das Gespräch ein. "Von welcher Religion sprechen Sie, Mrs. Parker?”, fragte sie neugierig.

Die Frau lachte leise auf und schüttelte den Kopf. "Keine, die Sie kennen, glauben Sie mir. Und es ist vielleicht auch besser so, außer-”

Bevor sie den Satz beenden konnte, klingelte es an der Tür und sie stoppte mit ihrer Erläuterung. Reflexartig sah sie in Richtung Eingangstür und beäugte dann wieder die zwei Agenten auf ihrer Couch. "Entschuldigen Sie mich bitte”, sagte sie und verließ das Zimmer.

Die beiden sahen ihr noch kurz nach und lehnten sich dann zurück. Nachdem sie sich sicher waren, dass Mrs. Parker in den Flur verschwunden war, wandte sich Mulder zu Scully. "Glaubst du das?”, fragte er misstrauisch.

Scully sah ihn nachdenklich an, schüttelte danach unsicher den Kopf. "Ich weiß es nicht”, gab sie zu. "Sie benimmt sich irgendwie komisch.”

Mulder nickte nur und wandte seinen Blick wieder ab. So lange würde Mrs. Parker nicht brauchen, um die Tür zu öffnen. Kaum hatte er diesen Gedanken beendet, kam sie auch schon wieder, im Schlepptau einen etwas älteren Mann, welcher mit einer Art dunklem Umhang bekleidet war. Neugierig sahen Mulder und Scully auf. Der Mann war nicht sehr groß, dennoch überragte er die Frau neben sich um mindestens einen Kopf. Mulder schätzte, dass Mrs. Parker ihrem Gast schon mitgeteilt hatte, wer bei ihr zu Besuch war, denn der Mann war mit einem misstrauischen Blick in das Wohnzimmer gekommen, welcher sich aber sofort in ein eindeutig aufgesetztes Lächeln umgewandelt hatte, als er die beiden gesehen hatte. Mit ausgestreckter Hand kam er auf sie zu. "Ah, Judy hat mir schon erzählt, dass Leute von der Polizei hier wären. Freut mich, Sie kennenzulernen.”

Der Mann schüttelte erst Scullys und dann Mulders Hand. Es war Mulder sofort klar gewesen, dass der Mann alles andere als erfreut über ihre Anwesenheit war - so etwas merkte man. "Und Sie sind?”, fragte Mulder freundlich und kaschierte somit seinen Argwohn.

"Patchet ist mein Name”, erwiderte der Mann. "Ich kümmere mich um Judy und helfe ihr bei den Meditationen.”

Scully zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. "Meditationen?”

Patchet wollte gerade antworten, als Judy ihm ihre Hand auf den Arm legte und ihm somit signalisierte, nichts zusagen. Anschließend drehte sie sich wieder zu den zwei Agenten. "Ich sehe keine Notwendigkeit, darüber jetzt zu sprechen. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Bitte gehen Sie!”

Der Nachdruck in ihrer Stimme ließ keine Widerworte zu. Einen Augenblick noch musterte Mulder die Frau, dann stand er auf und warf einen auffordernden Blick zu Scully, welche daraufhin ebenfalls aufstand. Mulder sah der Frau noch einmal in die Augen und drehte sich dann um. Worte wären jetzt überflüssig gewesen, es war offensichtlich, dass sie hinausgeschmissen wurden. Sie versicherten noch einmal, dass sie den Ausgang allein finden würden und gingen.



"Gott, was war das denn?”, fragte Mulder entnervt, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. "Wir fahren den ganzen Weg nach Houston, nur um dann rausgeworfen zu werden?”

Scully lachte kurz gequält auf und sah ihn aufmunternd an. "Beruhige dich, wir haben es zumindest versucht.” Sie überlegte einen Augenblick und sah noch einmal zurück zum Haus. "Dieser Patchet kam mir aber trotzdem irgendwie seltsam vor. Hast du seinen Gesichtsausdruck bemerkt, als er hereinkam?”

Natürlich hatte er das, der Kerl hatte sie schon fast wie ein Insekt beliebäugelt, welches im Begriff war, sie in die Nahrungskette aufzunehmen. "Mich würde zu sehr interessieren, wo der nachher hinfährt. Aus irgendeinem Grund bezweifle ich, dass uns jemand den Sitz dieser angeblichen Kirchengemeinschaft verraten würde.”

Grüblerisch sah Scully auf. "Hast du einen Verdacht?”

Er zuckte kaum merklich mit den Schultern und starrte weiterhin auf das Haus vor ihnen. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich traue dem Kerl mit seiner Sekte nicht über den Weg.”

Er drehte sich wieder um und ging auf das Auto zu. Scully blieb noch einen Moment stehen und blickte ihm hinterher, löste sich dann aus ihrer Starre und folgte ihm. "Und jetzt?”, fragte sie ihn über seine Schulter hinweg. "Es kann sonst wie lang dauern, bevor er das Haus wieder verlässt. Willst du die ganze Zeit hier warten? ”

Er blieb nicht stehen, drehte sich nicht um. Erst als er an der Wagentür angelangt war, sah er zu ihr. "Tja, freuen wir uns auf ein paar Stunden in der Kutsche hier.”

Scullys Blick schweifte über den Wagen, dann zurück zum Eingang, den sie in der nächsten Zeit nicht aus den Augen lassen würden, und letztendlich zu Mulder. Fast schon geschockt sah sie ihn an. Er wollte hier tatsächlich Wache schieben? Womöglich nicht nur die nächsten Stunden, sondern den ganzen Tag? Resigniert schloss sie einen Moment die Augen und ließ den Kopf zurücksinken. "Na toll.”
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