World of X

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Blanket

von XLouiseX

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~*~



Meine Finger streichen über das weiche Material der Decke. Ich fahre mit meinen Fingerspitzen die Muster entlang, die mich ein bisschen an Indianer erinnern. Vorsichtig lasse ich mich auf dem Sofa nieder und ziehe die Decke über mich. Bilde ich mir das nur ein, oder riecht sie ganz schwach nach seinem After Shave?



Die Wärme umgibt mich, und tröstet mich ein bisschen über den Schmerz hinweg, den ich eben erfahren habe, so wie sie mich über jeden Schmerz hinweggetröstet hat, den ich erleiden musste, seit Mulder verschwunden ist. Ich versuche immer stark zu sein, aber meine Hormone spielen verrückt. Wie soll ich das dann schaffen?



Ich schließe meine Augen und denke daran, wie ich zum ersten Mal unter dieser Decke lag. Zuerst allein, dann mit ihm. Wir haben uns geliebt und er hat mir, ohne dass wir es beide wussten, das größte Geschenk gemacht, daß er mir hätte machen können. Meine Hand streicht über meinen Bauch. Man sieht jetzt, dass ich ein Kind erwarte. Sein Kind.



Es ist eine ganz sanfte Rundung, die sich problemlos unter weiteren Blusen und Blazern verbergen l, aber meine Hosen schon nicht mehr passen lässt. Ich trage jetzt immer meine streckbaren Röcke. So auch heute. Eine weiße Bluse, einen schwarzen Rock. Mein ganzes Leben ist schwarz und weiß, wie das kleine, quadratische Bild, daß jetzt auf seinem Schreibtisch steht.



Ich habe es hingestellt, damit er, wenn er zurückkommt, weiß, was los ist. Es ist ein Ultraschallbild. Man kann nur wenig erkennen, wenn man kein Arzt ist, aber es zeigt unverkennbar ein Baby. Ich streiche über meinen Bauch.

Er ist jetzt seit fast vier Monaten verschwunden. Wo bleibt er nur? Er darf mich nicht allein lassen.



Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nachdem ich erfahren hatte, dass er weg war, hatte ich gehofft, er würde den Gang entlang kommen und meine Tasche tragen, mich küssen und flüstern, dass er mich liebt, doch vor mir lag nichts als ein kalter, dunkler Flur.

Ich ging in seine Wohnung und verkroch mich unter dieser Decke. Und sie war warm und spendete Trost.



Als ich Angst hatte, mein Baby könne durch fremde Mächte entstanden sein, war er nicht da um mir beizustehen. Meine neuer Partner Doggett brachte mich nach Hause, ich begann ihm zu vertrauen. Er ist ein guter Freund, aber er ist nicht der Vater meines Kindes und kann Mulders Platz nicht einnehmen.

Ich ging in seine Wohnung und verkroch mich unter dieser Decke. Und sie war warm und spendete Trost.

Ich lege meinen Kopf an die Lehne der Couch und schließe die Augen. Es ist ganz dunkel im Raum, wie damals. Ich bin allein, mein Kind bewegt sich, aber er ist nicht da, um es mit mir zu fühlen. Er kann nicht die Decke wieder über mich schieben, wenn sie von meiner Schulter rutscht, wie er es getan hat, als wir begannen uns zu küssen.



~*~



Ich laufe durch den Wald, höre Doggetts Stimme hinter mir, ich solle stehen bleiben, aber ich kann nicht. Ich will ihn sehen! Ein letztes Mal! Nein! Er darf nicht sterben. Er kann uns beide nicht zurücklassen. Ohne Rücksicht auf mich oder das Baby zu nehmen, drängle ich mich stolpernd durch das Einsatzpersonal, meinen Ausweis fest in der Hand. Und da liegt er.



Ich sinke ganz langsam auf die Knie. Er sieht furchtbar aus. Zerschunden, leblos. Ich kann einfach nicht weinen. Der Schreck ist zu groß, die Panik, das plötzliche Bewusstsein, dass er nie wieder für mich da sein wird. Ich will mich verstecken. Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Doggett. Gott, er meint es so gut mit mir, er will mich beschützen, wie Mulder es getan hat, aber ich lasse es nicht zu.



Wo sind die Menschen, die ihm helfen können? Oh helft ihm doch! Bitte... Meine Schritte sind auf dem weichen Waldboden gar nicht hörbar, ich atme, versuche tief durchzuatmen, versuche zu laufen. Die Scheune ist leer. Niemand ist da. Mulder wird es nicht schaffen. Nein nein nein....



"THIS IS NOT HAPPENING!!!!!"



~*~



Langsam segelt die weiße Rose hinunter auf den tiefbraunen Sarg. Ich will mich verstecken. Ich will nicht bei euch allen sein. Alle tragen sie schwarze Anzüge. Nichts als schwarz überall! Nur schwarz schwarz schwarz! Nur der Himmel ist grau. Tief hängen die Wolken über uns. Sie werden mich erdrücken, aber das ist mir egal.



Langsam verlassen alle sein Grab. Ich sehe zu, wie die Friedhofsarbeiter den Sarg mit Erde zuschütten und dann gehen. Es beginnt zu regnen, doch ich stehe nur so da und starre auf das Grab vor mir. Die Dornen der Rose, die ich noch in der Hand halte schneiden in meine Handfläche. Dunkelrotes Blut läuft an meinem Arm herunter und tropft vor mich auf den Boden. Die einzige Farbe an diesem Tag. Blutrot.



Ich spüre den Regen und die Tränen auf meinen Wangen, rühre mich nicht. Endlich darf ich weinen. Ich habe eben mit Skinner gesprochen. Auch er ist gegangen. Der Regen wird stärker und durchnässt meinen Mantel. Ich denke an das Kind. Eigentlich sollte ich keine Erkältung riskieren, doch mein Körper will sich nicht regen.



Plötzlich senkt sich ein Schatten über mich. Ein Regenschirm. Ich drehe mich langsam um und ein Arm legt sich um meine Schultern. Es ist Skinner. "Kommen Sie, Dana."



Ich sitze in seinem Wagen. Er fährt nicht zu mir nach Hause. Er fährt zu Mulder. Dann hält er vor der Haustür. Er drückt meine Hand, während ich ihn ungläubig ansehe. Woher weiß er das? "Dana, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe Sie oft beobachtet, wie Sie herkamen. Verstehen Sie, ich wollte nicht, daß Ihnen oder dem Kind etwas zustößt. Ich denke, Sie wollen hier her, oder?" Ich nicke und steige aus.



Wieder liege ich auf seiner Couch. Ich bin müde aber die Verzweiflung hält mich wach. Skinner hat mich hergebracht, damit ich Abschied nehmen kann. Abschied von Mulder und seiner Wohnung. Wieso sollten wir sie erhalten, er wird nie wiederkommen. Und ich weine, bis ich völlig erschöpft darüber einschlafe.



~*~



Ich kann nicht schlafen. Heute ist Samstag, aber vielleicht ist auch schon Mitternacht vorbei. Ich seufze. Heute war ein schrecklicher Tag. Ich musste seine Sachen durchsehen. Es war grauenhaft. Ich habe alles behalten, was ich unterbringen konnte, aber das war nicht viel. Alle Möbel sind weg, die Wohnung ist bereits neu vergeben, an eine alleinerziehende Mutter mit Baby.



Ich habe fast alle seiner Kleidungsstücke und persönlichen Sachen bei mir. Die Bücher konnte ich nicht unterbringen. Genauso wenig, wie CDs und Videos (die ich auch gar nicht haben wollte). Ich stehe auf und tappe durch die Dunkelheit. Ich trage ein Nachthemd, weil meine Pyjamas nicht mehr passen.



In meiner Abstellkammer wühle ich in einem Karton. Oben drauf liegen ein paar seiner T-Shirts und die Wolldecke. Ich trage beides in mein Bett und streife das Nachthemd ab. Der Stoff des Shirts ist angenehm kühl, aber nicht so steif wie nach dem Waschen. Es riecht noch nach ihm und ich krieche unter beide Decken. Meine und die Wolldecke. Darin wickele ich mich ein. Es ist so tröstend und endlich kann ich schlafen.



~*~



Irgend etwas reißt mich aus dem Schlaf, ruckartig setze ich mich auf. Mein Telefon! Das Baby gibt mir einen kleinen Tritt, als sei es verärgert, dass ich schon jetzt aufstehe. Ich streiche über meinen runden Bauch und gehe zum Telefon. Ich trage wieder Mulders Hemd.



Zehn Minuten später befinde ich mich in wilder Fahrt zum Krankenhaus. Ich springe aus dem Wagen und renne, so gut ich es noch kann, den Krankenhausflur entlang. Skinner wartet auf mich. Sie wollen mich nicht zu ihm lassen! Nein! Nein! Ich verstehe das alles nicht! Wie kann er leben?!



Aber es ist mir egal. Wenn er lebt, dann will ich zu ihm! Lasst mich zu ihm! Ich öffne verstohlen die Tür zu seinem Zimmer. Er liegt dort, als würde er schlafen. Ich lasse mich neben seinem Bett nieder, nehme seine Hand und warte. Ich erzähle ihm alles, was er verpasst hat, küsse ihn, ohne mich an seinem Zustand zu stören und bete. Viele Nächte lang.



~*~



Er öffnet die Augen. Die Art wie er mich ansieht, ist so wie immer. So liebevoll und wohltuend. Wie konnte ich je daran zweifeln, daß er zu mir zurückkommen würde? Ich lächle ihn an, seine Augen sind auf mein Gesicht gerichtet. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust. Kein Worte. Wir brauchen sie nicht.



Ich höre seinen Herzschlag. Gleichmäßig und stark. Ich fühle die Wärme seines Körpers. Er ist nicht so kalt wie damals, als sie ihn fanden. Alles verblasst um mich. Alles Erinnerungen verschwinden. Jetzt sind nur noch wir beide da. Er hebt langsam seine Hand und legt sie schwerfällig auf meinen Kopf. Ich weine nur noch hemmungslos.



Seine Hand streicht sanft durch meine Haare. Ich schluchze und richte mich auf, um ihm einen Kuss auf die Stirn geben zu können. Und da geschieht es, er bemerkt meinen Zustand. Er sieht meinen Bauch, er versteht und zieht seine Hand unbeholfen weg.


"Scully", flüstert er. Ich setze mich langsam und nehme seine Hand. "Guck nicht so, Mulder..." Er hört nicht auf mich, sondern starrt nur noch auf meinen Bauch. "Willst du es treten fühlen?" frage ich leise. Er nickt und ich glaube einen Funken Begeisterung in seinen müden Augen sehen zu können.

Behutsam lege ich seine Hand an die richtige Stelle und seine Augen weiten sich. Nun hat er begriffen.



~*~



Alle Ängste sind ausgestanden, sie verschwinden, Monica schließt die Tür. "Dana es ist alles in Ordnung." Sie legt mir das kleine wimmernde Bündel in die Arme, ich sehe es das erste Mal richtig an. Es ist ein kleiner Junge, dessen Faust sich langsam öffnet und schließt. Er macht die kleinen, strahlend blauen Augen auf und blickt mich an. Die rechte Hand schließt sich um meinen Daumen.



Draußen höre ich einen Helikopter näher kommen. Was ist los? Was ist passiert? Oh Gott. Ich will ihn nicht doch noch verlieren. Vorsichtig drücke ich mein kleines Wunder an meine Brust und er gähnt. Ich bin wie gebannt. Dieses kleine Gähnen ist so unbeschreiblich niedlich, daß ich beinahe weinen muss.



Ich vergesse alles um mich herum, höre die Stimmen von Monica und jemand anderem nur leise im Hintergrund, höre nicht auf sie. Vorsichtig fahre ich mit meinem Finger über die winzige Wange. Noch immer ist die kleine Hand um meinen Finger geschlossen. Ich küsse das Baby auf die Stirn, wie ich es damals mit Bills Baby getan habe. Aber nicht mit dem Neid, den ich damals empfunden habe, sondern mit Liebe und Stolz. MEIN Baby.



Die Tür schlägt gegen die Wand und Mulder stürzt herein. Er läuft auf das Bett zu und setzt sich auf die Bettkante neben mich und den Kleinen. "Gott Dana..." In diesem Augenblick kommt Monica herein. "Mulder, sie muß unbedingt zu einem Arzt." Mulder hilft mir auf und bringt mich mit dem Kleinen zusammen in den Helikopter.



~*~



"Du solltest dich ein bißchen ausruhen", rät mir Frohike und verlässt den Raum. Der Kleine liegt in meinen Armen eingewickelt in weiße Decken und sieht mich mit großen Augen an. Ich beschließe, ihn zu stillen, denn ist wieder an der Zeit, aber da betritt Mulder den Raum.



Er fragt mich, wie ich das Baby nennen möchte. Ich antworte ihm, daß er nach seinem Vater, William heißen soll. Weiß Mulder, dass der Kleine von ihm ist? Ich habe es ihm nie offen gesagt. Noch immer weiß ich nicht, wieso sie mir das Baby nicht genommen haben, Mulder beruhigt mich und schließlich, ganz von selbst, berühren sich unsere Lippen und ich schließe meine Arme um ihn.



Er hält William und als wir uns schließlich voneinander lösen, sieht er nicht aus, als wolle er ihn so schnell wieder hergeben. Ehrfurchtsvoll betrachtet er unser kleines Wunder und holt tief Luft. Mit zitternder Stimme fragt er mich nun: "Ist... ist er von mir?" Ich nicke. Ich weiß, dass er in dieser einen Nacht entstanden ist, und dass er unser Kind ist. Und das nicht nur, weil es zeitlich hinkommt. Ich weiß es einfach.



Er sieht jetzt nur noch stolz aus und küsst William auf die kleine Stirn. William fängt leise an zu jammern. "Er hat Hunger", erkläre ich Mulder, der sehr besorgt aussieht. Vorsichtig legt er mir einen Arm um die Schulter und geleitet mich zum Bett, wo wir uns mit William unter die Wolldecke verkriechen. Ich stille ihn und Mulder hält mich dabei, so gut es geht, im Arm.



So sollte es immer sein, und so wird es bleiben.

"Ich liebe dich", wispert er und ich bin einfach nur noch überglücklich.



-Ende-



Ich weiß, daß ich die achte Staffel in manchen Kleinigkeiten etwas durcheinandergebracht habe, aber das dient dem Storyaufbau.

Außerdem ist es doch unlogisch, daß Mulder so viele Monate lang tot ist und keiner auf die Idee kommt seine Wohnung aufzulösen, oder?
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