World of X

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Beautiful Stranger

von Franzi

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Es hat keinen Sinn mehr.

Was? Wird man sich jetzt fragen. - Das Leben, besser gesagt, mein Leben.

Jeder Mensch wird jetzt sagen: „Oh, doch! Denk mal an die vielen schönen Ereignisse in deinem Leben usw.“

Aber leider gibt es diese Ereignisse nicht.

„Denk zurück an deine Kindheit! Da war noch alles schön und frei von Sorgen!“

Jedoch war bei mir auch das anders.

Ich wurde aus einer perfekten Kleinfamilie gerissen. Ich kann nicht einmal sagen, ob sie perfekt gewesen war, aber so ziemlich alles wäre besser gewesen, als das was ich durchgemacht habe. Ich kann mich daran erinnern, Erlebnisse gehabt zu haben, das können sie mir nicht nehmen. Von welcher Art sie gewesen sind? Ich habe keine Ahnung. Von meiner Familie bestimmt, manchmal schlage ich aus Verzweiflung meinen Kopf gegen die Wand um durch den Aufprall die alten Gedanken wieder zu finden. Ich weiß, das alles klingt wie aus dem Munde einer gemeingefährlichen Kindermörderin, aber ich frage mich oft wie andere Menschen damit umgehen würden, seit ihrer frühester Kindheit mit Pillen gefüttert zu werden, verängstigt in kleinen Abstellkammern oder gefesselt in Labors einschlafen zu müssen. Wer würde das aushalten? Bei jeder Frage, die man stellt eine neue zurück zu bekommen...

Sie schicken mich ab und zu zum Psychiater, wenn ich aus Wut mich selbst verletze, natürlich ist es immer einer von ihren Psychiatern. Die meisten Sitzungen enden damit, dass ich eine neue Tablettenart verschrieben bekomme. Sie sagen mir ich wäre frei, doch wenn ich nach 3 Stunden nicht wieder zurück bin, schicken sie ihre Suchteams aus, ich muss mich beeilen...

Es ist Mitternacht, keiner auf der Straße, erst recht nicht auf dieser Brücke.

Ich hätte zu gerne einen Abschiedsbrief geschrieben, um ihn der Polizei zu hinterlassen, doch es ist aussichtslos. Sie würden nie gepackt werden, das hier mache ich aus reinem Selbstgefallen, aus einem starken Bedürfnis nach Egoismus und Freiheit.

Das Geländer ist glitschig und ich muss kurz auflachen, einer meiner noch funktionstüchtigen Gehirnstränge hat gemeldet, dass ich aufpassen solle.

Die Luft ist kühl, das Wasser sieht eisig aus, in der Ferne hört man ein Martinshorn.

Ich blicke mich kurz um, keiner zu sehen, aber hier gibt es überall Schatten, aber wenn schon, wenn mich jemand davon abhalten will, dann muss er mich schon selbst wegtragen und dafür wird es gleich zu spät sein.

Eine Träne rinnt langsam meine Wange hinunter, es ist mir nahezu peinlich, wie sehr mein Körper an diesem Leben hängt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach... Es ist doch seltsam, dass man sich an solche Sätze erinnert, jedoch nicht wie die eigenen Eltern aussehen.

„Halt!“

Ich zucke zusammen und es wäre schon passiert, wenn sich die verdammte Hand nicht an dem Brückengeländer festklammern würde.

Eine Gestalt kommt schnellen Schrittes auf mich zu.

„Hauen Sie ab!“

Keine Reaktion.

„Bleiben Sie stehen, oder ich springe!“

Den Spruch habe ich mal in einem Film gesehen, als ich ´Ausgang` hatte. Ich weiß noch genau wie ich mich damals amüsiert hatte, wenn man vorhat zu springen, dann braucht man doch nicht damit zu drohen.

Doch es wirkt. Es war wirklich in letzter Sekunde, wer weiß vielleicht hätte mich dieser übermütige Pseudoheld auch noch vom Geländer gerissen. Ich kann ihn jetzt näher betrachten, er steht 5 Schritte von mir entfernt.

Er blickt mich aus Hundeaugen an und ich muss aufpassen dass ich nicht anfange zu lachen.

Keiner der Männer, bei denen ich jahrelang festgehalten wurde, hatte diese Augen. Ich habe gedacht auch dies sei ein Trugbild des Films, Männer die so treu schauen können, dass der Tier- und Mutterinstinkt in einem geweckt wird.

„Gehen Sie weg!“

Er rührt sich nicht.

„Warum wollen Sie springen?“

„Sind Sie Komiker? Ich werde schon einen Grund haben.“

„Ein Grund ist ein bisschen wenig für den Tod. Sie werden ihn schon noch früh genug erleben.“

„Sie haben doch keine Ahnung. Sie sollten sich nicht in anderer Angelegenheiten einmischen.

Ich habe mehr als einen Grund.“

„Das glaube ich erst, wenn Sie es mir beweisen!“

Der Typ ist hartnäckig. Ich frage mich warum ich nicht einfach springe, aber irgendetwas fastsinniert mich an ihm. Was macht so ein Mann, um Mitternacht, auf einer einsamen Brücke? Ist er vielleicht ein Triebtäter? Unauffällig versuche ich unseren Abstand zu vergrößern.

Doch, nein! So sehen keine Triebtäter aus. Er hat mein Interesse geweckt. Wie könnte sein Leben aussehen? War er der brave Hausmann, der jetzt Zigaretten holen ging? Nicht wirklich... Hatte er überhaupt eine Frau? Vielleicht, aber wenn ja, dann ist sie keine gute Hausfrau, sein langer Mantel sieht verknittert aus und ich kann auf seinem Hemd etwas Ketschup ähnliches entdecken.

„Na?“

„Wie?“

„Ihre Gründe... Welche sind es?“

„Ich werde Ihnen doch nicht mein ganzes Leben erzählen!“

„Hören Sie, Sie werden doch jetzt nicht erwarten, dass ich zusehe wie Sie sich umbringen, ohne mir einen simplen Grund zu nennen!“

„Sie könne auch einfach gehen.“

Ohne zu antworten, geht er zum Geländer und setzt sich drauf.

„Puh, das ist tief.“

„Was machen Sie da?“

„Denken Sie wirklich Sie sind die einzige auf der Welt, die Probleme hat? Ich habe so viele dass ich sie schon nicht mehr zählen kann, aber ich bin immer noch auf dieser verdammten Erde!“

„Sie Probleme? Dass ich nicht lache! Mit Ihren teuren Schuhen und Ihren Augen könnten Sie Schauspieler sein.“

„Denken Sie dass die keine Probleme haben? Außerdem ich bin ein kleiner Angestellter des Staates.“

„Gut, was sind dann Ihre großen Probleme? Wie Sie Ihre Krawatten von der Steuer absetzen sollen?“

Ich bin gehässig, ich weiß, aber wie kann ein Mensch, der keine Ahnung von all dem hat, so etwas behaupten.

„Okay, Kompromiss: Sie fangen an zu erzählen und ich sage Ihnen was meine Probleme sind, abgemacht?“

Ich bin davon gar nicht begeistert, aber irgendetwas an ihm hält mich auf.

„Ich hatte eine schwere Kindheit.“

„Sie sind gut! Wer hatte das schon nicht!“

„Ich habe meine Familie verloren.“

„Ich auch.“

„In meiner Kindheit.“

„Ich habe meine Schwester verloren, mein Vater wurde getötet, als ich in der selben Wohnung war und meine Mutter hat sich selbst umgebracht.“

„Wirklich?“

„Sehe ich so aus, als würde ich mir das aus den Fingern saugen?“

Ich gebe keine Antwort, aber ich glaube er kann sie in meinen Augen lesen: Nein.

„Ich hatte mein Leben lang keine richtige Beziehung zu irgendeinem Menschen.“

„Gleichstand würde ich sagen. Ich auch nicht wirklich, jetzt vielleicht, aber ich bin nicht würdig.“

„Das müssen Sie mir jetzt näher erklären!“

„Ich habe einen Menschen, der mir grundlos vertraut.... Doch ich ruiniere ihr Leben, ich bin es nicht wert, doch sie will es einfach nicht einsehen!“

„Sie lieben Sie, nicht wahr?“

„Ja, nicht wie andere Männer... jedenfalls in den ersten Jahren nicht...“

„Jahren?“

„Ja, es sind jetzt sieben Jahre. Sieben Jahre voller Schmerz, Enttäuschung... Ich habe sie mitgenommen, auf eine Reise zu meinen Erinnerungen, die ich schon lange verloren habe.“

Ich kann es nicht glauben, dieser fremde Mann empfindet das selbe wie ich, er hat sogar die selben Worte, er drückt sich nur besser aus. Meine Füße schlafen langsam ein und ich setze mich zu ihm auf das Geländer.

„Sie ist mir gefolgt, ich weiß nicht warum, vielleicht wollte sie einfach nur aus dem System ausbrechen, das Unheimliche sehen, wo wahrscheinlich gar nichts war, Trugbilder und Märchen glauben, nur um ihre eigene Einsamkeit zu vergessen.“

„Sie liebt Sie auch?“

„Diese Frage habe ich mir oft gestellt, aber es kann nicht anders sein. Ein Mensch kann nicht so viel durchmachen, nur weil er allein es so will. Sie liebt mich nicht auf die traditionelle Weise, sie würde es wahrscheinlich nur in Grenzsituationen zugeben, aber, ja, sie liebt mich.“

„Aber dann haben Sie doch noch einen Grund am Leben zu bleiben.“

„Den habe ich, hatte ich...“

„Wie meinen Sie das?“

„Sie war schwerkrank, wegen mir... ihr Bruder hat mich damals draufgestoßen. Ich war schon so lange mit ihr zusammen und habe niemals wirklich bedacht welche Opfer diese Frau für mich auf sich genommen hat. Ihre Gesundheit, ihre Familie... Seit Jahren verbringen wir jeden einzelnen Tag miteinander, außer wenn es am Wochenende mal keinen Fall gibt, oder wenn ein besonderer Feiertag ansteht.“

„Aber das ist doch wahre Liebe, nicht? Für den anderen alles aufzugeben, immer beisammen zu sein.“

„Aber nicht sich selbst dabei zu Grunde zu richten! Manchmal denke ich sie hat das alles nur wegen ihrer Liebe zu ihrem Willen getan, um anderen etwas zu beweisen, wie stark sie doch ist, dass es kein Problem für sie ist mit allem fertig zu werden.“

„Aber warum sind Sie jetzt hier? Warum versuchen Sie nicht einfach es herauszubekommen?“

„Ich wollte es herausfinden, und ihren Schmerz mit ihr teilen, doch sie hat gemeint, dass es einfacher sei, wenn sie allein ist.“

„Weshalb?“ Frage ich neugierig.

„Sie gehört zu den Menschen, die ihr Leid keinem offenbaren, sie wollen es mit sich allein austragen... heute ist der Todestag ihrer Tochter.“

„Das tut mir leid.“

Er schüttelt zerstreut den Kopf.

„Verstehen Sie mich jetzt? Ich hätte genauso viele Gründe wie Sie zu springen. Um ehrlich zu sein, ich war schon oft nach dran.“

Es rührt mich, dass er mir so viel anvertraut. Wir sitzen nebeneinander wie zwei Freunde, die etwas ausgefressen haben, wie Geschwister, die sich Geheimnisse anvertrauen. Ich wünschte ich hätte einen Bruder wie diesen Mann gehabt, vielleicht wäre das ganze dann nicht passiert.

Er hat die ganze Zeit diesen treuherzigen, fast verschwörerischen Blick, sein Haar ist leicht gewellt und kräftig, so bald wird er an keinem Haarausfall leiden. Er ist attraktiv, es ist ein Wunder, dass er solche Art von Problemen mit Frauen hat, er könnte es gewiss einfacher haben.

„Kommen Sie!“

„Was?“

Er streckt seine Hand aus um mir über das Geländer zu helfen.

„Wir sollten es beide nicht tun. Vielleicht gibt es auf diesem Planeten ja doch noch einen Grund weiterzuleben.“

Ich weiß was er meint, diese Frau muss es ihm angetan haben. Und auch wenn sie ihn stehen lässt, wird er in ihrer Nähe bleiben und sie auffangen. Ja, er hat einen Grund, doch wie steht es mit mir?

Er ist für einen Mann ziemlich hübsch, aber ich fühle mich nicht von ihm angezogen, in anderer Weise, vielleicht. Ich kann seine Gefühle so deutlich spüren, als hätten sie Gestalt angenommen. Er hat sein Herz an diese Frau verschenkt, doch tief in seinem Inneren da ist noch Platz. Dieser Platz hat im Laufe der Jahre immer mehr abgenommen, doch er wird da sein, bis er die Person, der dieser Platz gebührt gefunden ist. So lange wird er warten und wenn es bis zu seinem Tod dauert. Vielleicht ist das der Grund warum er diese Frau nicht haben kann. Sie sehnt sich danach ihn zu besitzen, sein ganzes Herz, doch er kann nicht anders.

Seine traurigen Augen beobachten mich, ich versuche zu Lächeln, was bei der Eiseskälte und bei dem Anlass unserer Bekanntschaft gar nicht so einfach ist.

Ich ergreife seine Hand, er hält die meine sanft und doch fest.

Langsam steige ich von dem Brückengeländer und habe wieder `festen´ Boden unter den Füßen. Er strahlt mich an.

„Darf ich Sie um etwas bitten?“

Überrascht nicke ich.

„Denken Sie nicht mehr an so etwas. Ich kenne Sie nicht, ich habe auch kein Recht Ihnen etwas zu sagen, aber es wäre sehr schön wenn Sie heute in einem Jahr an einem warmen Ort sitzen und eine Minute an mich denken. Es gibt bestimmt mehr Leute auf dieser Welt, die Probleme haben und wenn nicht...“ er strahlt „... dann müssen wir beide uns damit abfinden, dass wir die einzigen zwei auf dieser Welt sind. Versprechen Sie mir, dass Sie das tun werden?“

Gerührt nicke ich ein zweites Mal.

Er ist der erste Mensch in meinem Leben, der sich um mich kümmert, dem es nicht egal ist was mit mir geschieht.

Manchmal träume ich von einer verschwommene Gestalt, immer die selbe, Bruder oder Schwester?, sie sucht verzweifelt nach mir. Ich stehe an einem Punkt, doch die Gestalt läuft kreisförmig um mich herum, ich rufe, doch sie ist so in ihren Gedanken vertieft, dass sie mich nicht hören kann. Würde er mich finden? Ein Mann, den die Angst um eine Frau, die ihm alles bedeutet, fast umbringt. Würde er alles versuchen?

Wieder die Fragen und keine Antworten... wie jedes Mal... wann hört es auf?

Hinter uns hupt ein Auto.

Sie sind es, sie haben mich gefunden. Es ist noch nicht zu spät, ich könnte noch weglaufen und mich in den Fluss stürzen und alles wäre vorbei... Doch wie kann ich es diesem Mann antun? Dem ich gerade vor ein paar Minuten das Gegenteil versprochen habe?

Ich muss mich fügen, bevor sie noch auf die Idee kommen ihn auch noch mitzunehmen.

„Ich muss jetzt gehen!“

Er nickt, fast wissend, aber das muss Einbildung sein.

Seine Hand streicht einen Moment über meine Wange, im Mondlicht scheint es, als würde eine glitzernde Träne an seinem sanften Gesicht hinablaufen, aber auch das muss eine Täuschung sein.

„Denken Sie an mich.“

Meint er zum Abschied, dann dreht er sich ohne zurückzublicken um.

Ich gehe zu dem Auto, er wartet schon.

Die Tür wird geöffnet, ich setze mich auf den Beifahrersitz.

„Feuer?“

Ich krame eine Packung Morleys aus meiner Manteltasche, stecke eine in den Mund und lasse sie mir geduldig von seiner zitternden Hand anstecken.

Der Dunst im Wagen ist so dicht, wie der Nebel draußen auf der Straße.

„Fahren wir nach Hause, Samantha.“

Der schöne Fremde ist verschwunden.


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8.35 a.m.

Das ist doch Feedback wert, oder? madangel@t-online.de




Haven´t we met

You´re some kind of beautiful stranger

You could be good for me

I have a taste for danger

If I´m smart then I´ll run away

But I´m not so I guess that I´ll stay

Heaven forbid

I take my chance on a beautiful stranger

I looked into your eyes

And my world came tumbling down

You´re the devil in disguise

That´s why I´m singing this song

To know you is to love you

You´re everywhere I go

And everybody knows

To love you is to be a part of you

I pay for you with tears

And swallow all my pride

13x dah




Beautiful stranger …
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