World of X

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Broken Throne

von Netty

Kapitel 2

Am nächsten Morgen, nach zwei weiteren Schreiattacken ihres Sohnes, erwachte Scully nicht durch ihren kleinen Mann, sondern durch den großen. Seine Lippen liebkosten ihre und weckten sie sanft. Genießerisch bewegte sie ihren Mund an seinem, nicht willig die Augen schon zu öffnen, doch dann verschwand das weiche Gefühl und sie seufzte frustriert.

Langsam öffnete sie die Augen und machte seine sitzende Gestalt neben sich aus, aber er war nicht allein. Auf seinen Armen lag William, der leise vor sich hinbrabbelte und gerade seine linke Hand entdeckte. Eine Entdeckung, die er seinem Vater unbedingt zeigen musste, indem er mit seiner neu begrüßten Hand gegen seine Brust schlug.

„Morgen ihr zwei“, lächelte sie. Er schenkte ihr ein breites Guten-Morgen-Lächeln und beschäftigte das Baby mit seinem Zeigefinger. Will umschloss den großen Finger mit seiner kleinen Hand und ehe Mulder sich versah, hatte er ihn auch schon im Mund und nuckelte vergnügt.

„Das ist wohl das deutlichste Zeichen dafür, dass er Hunger hat“, grinste Mulder und wandte sich dann seinem Sprössling zu. „Hey Buddy, du wirst ziemlich schnell lernen, dass da keine Milch rauskommt, da musst du schon zu Mami gehen.“

„Hast du ihm das letzte Mal die Flasche gegeben?“ fragte sie gähnend.

„Ja Mami, sonst würde ich es jetzt tun und dir noch ein wenig Ruhe gönnen“, erwiderte er lächelnd und wartete, bis sie sich aufgesetzt hatte, bevor er ihr das Baby in die Arme legte. Er quengelte kurz ob der veränderten Lage, beruhigte sich jedoch gleich wieder, als er erkannte, wo er sich jetzt befand und was das zu bedeuten hatte: Frühstück!

„Das sieht wundervoll aus. Meiner Meinung nach sollten wir die Sache mit dem Fläschchen lassen, ich meine immer abwechselnd Fläschchen und Stillen, immerhin ist das doch das Beste für ihn“, stellte Mulder kritisch fest, während er ihr fasziniert zusah, wie sie William stillte. Er hatte das in den letzten Monaten schon so oft gesehen, aber war immer noch völlig begeistert davon.

„Du hast ja auch keine Ahnung wie das weh tut. Auch ohne Zähne kann er schon kräftig zubeißen. Abgesehen davon, je früher ich anfange ihn abzustillen, um so einfacher wird es später ins Berufsleben zurückzukehren, nicht wahr Süßer, du siehst das doch genauso, oder?“, wandte sie sich an das Baby, das sich aber davon nicht im Geringsten beeindrucken ließ und stattdessen glücklich weiter an ihrer Brust saugte. Es war schon erschreckend wie ähnlich sich Vater und Sohn waren, sobald sie etwas Angenehmes im Mund hatten, war an eine Unterhaltung nicht mehr zu denken. Wer hätte gedacht, dass orale Fixierung erblich war.

„Wie spät ist es eigentlich?“, wandte sie sich dem mehr oder weniger erwachseneren männlichen Wesen im Raum zu. Ein erneutes Gähnen entrang sich ihren Lippen und sie schloss kurz die Augen.

„Es ist kurz nach sieben Uhr an einem verführerischen Mittwochmorgen in unserer aller Lieblingshauptstadt Washington, D.C. und was steht heute auf dem Programm, Bert? Sag‘ es uns Ernie!“ Er war aufgesprungen und ahmte die Stimmen von Ernie und Bert, den beiden Morgenmoderatoren von KbbL – ihrem Lieblingssender - nach. „Oh, es gilt einen dreistündigen Flug zu überleben und daraufhin eine noch langweiligere Autofahrt nach Texas zu bewältigen und als Hauptpreis gibt es dann eine Übernachtung im alten Herrenhaus der Vaaaannnn Boooolts“, er zog den Namen wie ein Boxmoderator in die Länge und sie konnte das Lachen nicht stoppen, welches als kleines Glücksgefühl in ihrem Magen begonnen und sich sehr schnell zu einem unüberwindbaren Kloß in ihrem Hals entwickelt hatte.

„Du bist völlig verrückt“ lachte sie und William entließ ihre Brust neugierig aus seinem Mund, um aufgeregt kreischend zwischen seinen Eltern hin und her zu sehen.

„Absolut deiner Meinung“, er saß sofort wieder an ihrer Seite auf dem Bett und streichelte seinem Sohn zärtlich über den Kopf, der fröhlich vor sich hinstrampelte. Dann beugte er sich sanft nach vorn, um verspielt ihre Lippen in Beschlag zu nehmen. Als sie sich wieder trennten, legte sie ihren Sohn, seinen Bauch voran, auf ihre Beine und knöpfte ihr Oberteil wieder zu, bevor sie langsame Streichbewegungen auf seinem Rücken vollführte, die immer den gewünschten Erfolg brachten. So ertönte auch diesmal nach kurzer Zeit ein kleines, recht feucht klingendes Bäuerchen und Mulder schenkte ihr ein stolzes Lächeln „Mein Junge“, stellte er fest.

„Naja von mir hat es das sicher nicht“, bestätigte sie lachend und drehte ihren Sohn auf den Rücken, nahm seine kleinen Füße in die Hand und begann Babyfitness mit ihm zu machen, naja zumindest nannte sie es so, eigentlich war es nur einfaches Herumalbern, aber wer war schon so korrekt? Über seinen Sprössling gebeugt ergatterte sein Vater einen weiteren Kuss seiner Mutter, sanft und zärtlich.

Der Morgen war Danas absolute Lieblingstageszeit, obwohl er, seit William da war, immer ein wenig früher anfing, als sie es gewohnt war. Aber um diese Zeit war das Baby meistens weder besonders hungrig, noch musste einer von ihnen seine Windeln wechseln, er war einfach nur munter und glücklich. Außerdem war Mulder morgens immer in einer ausgezeichneten Stimmung, er hatte eine Leidenschaft entdeckt sie mit kleinen zärtlichen Küssen auf ihrem Körper zu wecken, diese Angewohnheit hatte sie zu schnell lieben gelernt. Nicht zu vergessen, dass es am Morgen nichts gab, was man nicht tun konnte, der ganze Tag lag vor einem – zu allem bereit.

Viel zu schnell waren seine Lippen wieder verschwunden und er erneut vom Bett aufgestanden.

„Ich habe den größten Teil von seinen Sachen schon eingepackt, aber wie ich dich kenne, wirst du sowieso noch mal nachsehen, dass wir auch nichts vergessen haben, also sollten wir jetzt aufstehen. Agent Doggett wird hier um halb neun mit Agent Reyes vor der Tür stehen, also hopp, hopp“, und schon war er aus dem Schlafzimmer verschwunden.

Dana sah ihm nach, blickte auf den kleinen munteren Jungen in ihrem Schoß hinunter und seufzte: „Dein Dad ist ein richtiger Sklaventreiber, sein Glück, dass wir ihn so lieben.“ Die einzige Antwort darauf bestand aus einem kräftigen Rülpser.

 

Es klingelte um kurz nach acht und Dana sah erschrocken von ihrer Tasche auf. Sie hatte noch einmal überprüft, dass Mulder nichts vergessen hatte, hatte noch einige Sachen hinzugefügt und war nun dabei, ihre Tasche zu packen.

„Sie sind zu früh“, rief sie Mulder zu, als der mit William in seinem Autositz aus dem Kinderzimmer kam, um zu öffnen.

„Sicher, aber sie werden sicherlich noch zwei Minuten warten können, bis du – so langsam wie immer – auch fertig bist“, grinste er und öffnete die Tür. Doggett und Reyes lächelten ihm freundlich entgegen, heute waren sie definitiv in besserer Stimmung, als in der Nacht davor. Er bat sie herein und stellte William auf den Tisch. Dana lugte aus der Schlafzimmertür und als Mulder zu ihr sah und ihr ein Lächeln schenkte, warf sie ein großes Kissen nach ihm. Da er völlig unvorbereitet war, traf es ihn am Kopf und er sah sie irritiert an.

„Ich bin nicht langsam und wenn ich nicht die Sachen für 3 Personen packen müsste, wäre ich auch schon fertig“, rechtfertigte sie sich. „Morgen“, gab sie dann in die Richtung der beiden Agenten, die amüsiert zurücknickten.

„Aber du würdest es doch gar nicht aushalten, wenn ich auch nur andeuten würde, dass ich mein Zeug allein zusammensuche“, antwortete er, während sie wieder im Schlafzimmer verschwand und er ihr langsam, das Kissen abwurfbereit vor sich haltend, folgte.

„Sicher, weil wir dann die Hälfte vergessen wür... Mulder!“ Die Art, wie sie empört seinen Namen rief und er siegessicher grinste, konnte nur bedeuten, dass er sie überraschend getroffen hatte.

„Rache ist süß, Dana“, grinste er. Wenn sie herumalberten, fiel es ihm irgendwie überhaupt nicht schwer sie Dana zu nennen. Ehrlich gesagt war es erstaunlich, wie schnell er sich an ihren Vornamen gewöhnt hatte. Wo doch jahrelang Scully die einzige Art wie er sie genannt, und noch viel wichtiger, die einzige Art, die er sich hatte vorstellen können, gewesen war. Allerdings auch kaum verwunderlich, wenn man zu dem Schluss kam, den er gerade in diesem Moment zog. Es war völlig egal, wie er sie nannte. Jede Form, in der er sie anredete, wurde mit der gleichen Liebe, der gleichen Sorgfalt ausgesprochen, in der nur er mit ihr sprach. Irgendwann würde es völlig egal sein, wie er sie nannte.

„Dann warte nur, bis ich mich räche“, drohte sie ihm. Er hob beschwichtigend seine Hände und nahm eine der Taschen, die bereits fertig gepackt war, und stellte sie neben William auf den Boden ab. Das Baby nuckelte vergnügt an seinem Schnuller und beobachtete mit großen Augen, was sein Vater tat.

„Na Buddy bist du zufrieden?“, er streichelte mit dem Daumen sanft über die Wange seines Sohnes. Der kleine Mund verzog sich um den Rand des Nuckels zu einem glücklichen Babylächeln.

„Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“, fragte er dann an Doggett und Reyes gewandt.

„Gern, eine Tasse mehr oder weniger wird mich nicht umbringen“, witzelte Monica und Mulder schenkte ihr ein kleines Lächeln. Yap, sie waren heute wesentlich besser drauf, als noch in der Nacht zuvor und er war auch guter Laune, aber genau das war es, was ihn ein wenig misstrauisch machte. Am Anfang eines Falles war er nie besonders gut gelaunt, eher aufgeregt und ruhelos. Allerdings war das ja auch kein Fall wie die anderen. Das war der Erste, den er als Vater lösen würde.

Während er daran dachte und in die Küche marschierte, wurde das Lächeln auf seinem Gesicht immer breiter und strahlender, und als er in der Küche nach dem Kaffee griff, leuchteten sogar seine Augen. Er war tatsächlich Vater und obwohl er es gefürchtet hatte, hatte sich nicht wirklich viel dadurch geändert, außer natürlich, dass er Scully völlig ungeniert anfassen durfte und mit seinem Sohn spielen konnte. Aber hier waren sie, unterwegs zu einigen ungeklärten Morden und alles schien so zu sein, wie früher. Er ignorierte wissentlich das kleine, nagende Gefühl in ihm, das ihm das Gegenteil weiszumachen versuchte.

Er nahm drei Tassen aus dem kleinen Schrank über der Spüle und die Kaffeesahne aus dem Kühlschrank.

„Dana, willst du einen Kaffee?“, rief er vergnügt aus der Küche.

„Ich weiß zwar nicht, warum du so schreist“, ertönte eine amüsierte Stimme hinter ihm und er drehte sich erschrocken um. Er hatte sie gar nicht reinkommen gehört und was noch viel wichtiger war, er hatte sie nicht reinkommen gefühlt. Was aber wahrscheinlich eher daran lag, dass er sich ihrer Präsenz nur allzu bewusst war, schließlich war das hier ihr Appartement. Nein, nicht mehr. Jetzt war es auch sein Zuhause geworden. „Aber ich hätte liebend gern eine Tasse, allerdings mit viel Milch“, beendete sie ihren Satz und küsste seine Schulter durch sein T-Shirt, während sie ihre Arme um seine Taille schlang. Eine Geste, die so vertraut und liebevoll war, dass er diesen Moment für eine Ewigkeit auskosten wollte.

„Wie die Dame wünscht.“ Er drehte sich in ihrer Umarmung und küsste ihre Nasenspitze und schloss dann seine Arme ebenfalls um sie. Ihr Kopf ruhte sanft an seiner Brust und sie schloss genießerisch die Augen.

„Das fühlt sich so gut an“, sprach er ihre Gedanken aus.

„So natürlich“, endete sie für ihn. Endlich nach all der Zeit gab es kein Versteckspiel mehr. Niemand, der sie darauf hinweisen konnte, dass ihre Gefühle offen auf dem Gesicht des anderen zu lesen waren, obwohl sie es nicht hätten sein dürfen. Nie mehr abends allein im Hotelzimmer liegen und sich nach dem anderen verzehren. Niemals wieder die einzige Person begehren, die man nicht begehren durfte. Und es war so erschreckend einfach.

„Ich würde gerne für immer so bleiben“, flüsterte er in ihren Haaransatz.

„Das könnte ein bisschen problematisch werden. Wer füttert William?“, fragte sie und er konnte das Lächeln an seiner Brust fühlen, wie es sich langsam über ihr ganzes Gesicht ausbreitete. Dann löste sich ihr Kopf von seiner Brust und er lockerte seine Arme um sie herum, während sie die Augen wieder öffnete. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen zärtlichen, unschuldigen Kuss und dann war der Moment vorbei. Ihre traute Zweisamkeit löste sich, als sie aus seinen Armen trat und eine weitere Tasse aus dem Schrank holte.

„Schön, also wie lange werden wir brauchen?“, steuerte sie geschickt auf das eigentliche Thema, während sie die Milch aus dem Kühlschrank nahm und ihre Tasse füllte.

„Wir fliegen ungefähr drei bis vier Stunden und fahren dann noch etwas über eine halbe Stunde, da das Haus ein wenig außerhalb liegt. Ich denke, wir werden so kurz nach Mittag da sein“, erklärte er, während er die braune Flüssigkeit erst in ihre und dann in die verbleibenden Tassen goss.

„Okay, dann können wir uns heute Nachmittag schon ein wenig umsehen und uns mit den Gegebenheiten vertraut machen. Ich nehme an, dass Agent Doggett die Akte dabei hat. Die können wir während des Fluges durchsehen“, sie stoppte kurz und legte eine Hand auf seinen Arm. „Wirst du okay sein?“ Er wusste sofort, worauf sie anspielte und er nickte verhalten, während er ihr ein kleines Lächeln schenkte.

„Wir haben Schlimmeres überstanden.“ William gab ein Geräusch zwischen einem Lachen und einem Schreien von sich und Mulders Lächeln erlosch. „Wie meinst du, wird er den Flug überstehen?“

„Oh, er ist ein starkes Baby und wird alles gut meistern“, sie nahm außer ihrer eigenen noch eine andere Tasse und lief zur Tür. Kurz vor dem Hinausgehen drehte sie sich noch einmal um, „genau wie sein Vater“, und mit diesen Worten war sie aus der Tür verschwunden. Gab es irgendetwas an dieser Frau, das nicht liebenswert war, fragte sich Mulder, der nach den beiden übrig gebliebenen Tassen langte. Als er ihr folgte, stellte er fest, dass falls es etwas gab, er es in acht Jahren noch nicht gefunden hatte. Und wenn doch, dass es ihn noch nie sehr gestört hatte, um es nicht trotzdem zu versuchen.

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