World of X

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Your House

von XS

Chapter 1

Sie wußte, daß er nicht da war. Sie konnte es mit Sicherheit sagen, daß er nicht hier sein konnte. Aber trotzdem. Ihr Herz klopfte wie wild. Warum machte sie das auch? Was tat sie hier eigentlich? Wäre sie doch nie auf diesen unsinnigen Gedanken gekommen. Aber etwas in ihr hatte sie dazu gezwungen, hierher zu kommen. Zu *seinem* Apartment. Und jetzt stand sie hier. Einen Schlüssel in der vor Aufregung zitternden Hand.

War das wirklich nur die Aufregung? Die Aufregung vor etwas Verbotenem, etwas Ungewöhnlichem? Nein, es war mehr als das. Es war das Gleiche, das sie auch dazu bewogen hatte, hier herzukommen.

Sehnsucht.

Sehnsucht? Ja, eindeutig. Sie konnte es nicht leugnen und wollte es auch gar nicht mehr. Selbst wenn er entgegen aller Annahmen da sein sollte, dann würde sie es ihm sagen. Sie würde ihm ihr Herz ausschütten. Auch auf die Gefahr hin, daß er sich nicht nach ihr sehnte, wenn er abends alleine zu Hause saß. Genau wie sie. Aber diese Gefahr war unbegründet, das spürte sie klar und deutlich. Das einzige Problem war, daß sie sich jetzt sagte, sie würde ihm alles beichten, aber die Realität würde ganz anders aussehen.

Sie seufzte. Er war ja doch nicht da. Also, wieso sich Gedanken darum machen? Sie wurde jetzt nur noch von dieser tiefen Sehnsucht erfüllt und öffnete die Tür zu seiner Wohnung. Sie klopfte nicht, um nachzuprüfen, ob er auch wirklich nicht anwesend war. Selbst wenn er es sein sollte. Sie mußte es einfach auf sich zukommen lassen.

Merkwürdig. So hatte sie noch niemals in ihrem Leben gehandelt. Geschweige denn darüber nachgedacht, je so etwas zu tun. Diese Sehnsucht hatte sie einfach umgekrempelt.

Beinahe andächtig betrat sie die Wohnung und ließ die Tür leise ins Schloß fallen, als könnte sie ihn erschrecken und herlocken. Aber sie wollte nichts von dem Zauber, der sie augenblicklich gefangen genommen hatte, zerstören. Allein die Atmosphäre und der Geruch der dem Raum anhaftete - sein Duft - hatten sie ihm nähergebracht.

Eine Weile stand sie nur da mit geschlossenen Augen und genoß die Atmosphäre. Es war, als wäre er bei ihr.

Schließlich ging sie einige Schritte weiter in das Zimmer hinein und betrat sein Schlafzimmer. Sein Geruch wurde noch intensiver und mit leichten Schritten ging sie zu seinem Bett und betastete das Kleidungsstück, das er achtlos dorthin geworfen hatte.

Sein Mantel. Er hatte ihn schon so lange. Er hing daran. Aber er trug ihn nicht mehr oft. Er war zu alt. Abgetragen. Nur zu bestimmten Anlässen trug er ihn.

Sanft, beinahe schmeichelnd glitten ihre Fingerspitzen über den Stoff. Vorsichtig hob sie den Mantel hoch und saugte den Duft ein, den er verströmte. Wieder sein Duft. Und noch intensiver. Er mußte ihn kurz zuvor getragen haben. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

Wie in Trance streifte sie ihre Kleidung ab und zog sich den Mantel an. Sie wollte diesen vollkommenen Duft ganz in sich aufnehmen, wollte in diesem schwelgen und schweben. Wollte ihn näher zu sich bringen.

Sie sah sich um. Da, eine offene Schublade an seinem Nachttisch. Sie lächelte wieder. Mit wenigen Schritten war sie bei dem Nachttisch und betrachtete den Inhalt. Wie konnte man nur? Das war ebenso typisch für ihn, wie die offene Schublade. Er hatte sein Parfum in seiner Nachttischschublade verstaut. Sie nahm es heraus und sprühte etwas auf ihre nackte Haut. Ein Schauder durchlief sie. Nicht wegen der angenehmen Kälte, die ihre Haut traf, sondern wegen der Tatsache, daß sich etwas von ihm auf ihrer Haut befand. Der Mantel, das Parfum.

Aber nicht nur durch seinen Duft konnte sie sich ihn genau vorstellen. Seine Stimme. Sie war so oft zornig, aber sie konnte auch so unglaublich sanft sein. Sanft, wenn er mit ihr redete. Wenn er sich Sorgen um sie machte. Seine Augen blickten dann auf diese wunderbare Weise und seine Stimme schien alles wieder in Ordnung zu bringen. Egal, was er sagte.

Aber seine Stimme war nicht hier. Sie hatte so oft in diesem Raum getönt, aber sie war nirgendwo hängen geblieben. Nicht, wie der Duft hängen bleibt. Die Wände. Ja die Wände könnten ihr sicherlich erzählen von seiner Stimme. Aber sie blieben stumm. Stumme Zeugen, die Wunderbares gehört hatten. Die Wunderbares gesehen hatten.

Schlafwandlerisch, noch immer in den Mantel gehüllt, den sie fest um sich gewickelt hatte, ging sie in den Wohnraum. Wenn sie schon nicht seine Stimme hören konnte, dann konnte sie vielleicht wenigstens die Stimmung erahnen, in der er sich als letztes befunden hatte. Sie schaltete die Stereoanlage ein und drückte auf Play.

Sanfte Klänge einer wunderschönen Melodie, die sie nicht kannte, drangen in ihr Bewußtsein. Traurig und schön zugleich. Zwei Liebende, die nicht zueinander fanden.

Sie mußte sich nicht erst in die Stimmung versetzen, die dieses Lied ausdrückte. Nein, sie kannte dieses Gefühl genau und sie seufzte abermals, während sie sich langsam zu den Klängen des Liedes bewegte.

Nachdem die letzten Töne verklungen waren, öffnete sie ihre Augen wieder. Sie dachte über das nach, was sie sich vorgenommen hatte, bevor sie hier hergekommen war. Sie hatte nicht hier tanzen wollen.

Sie hatte die Absicht gehabt in seiner Dusche zu stehen. Vielleicht sich zu den Takten eines nicht wahrnehmbaren Liedes zu wiegen. Um ihm noch näher zu sein. An einem Ort, wo er nur alleine war. Wo er ganz er selbst sein konnte.

Sie hatte sich in sein Bett legen wollen. Sie hatte sich vorstellen wollen, wie er in diesem Bett lag. Auch alleine. Auch ganz er selbst. Und dadurch hätte sie ihm noch näher sein können und ihre Sehnsucht hätte vielleicht etwas gestillt werden können.

Aber sie hatte es nicht getan. Wie würde er reagieren? Würde er ihr verzeihen, wenn er es herausfand? Sie wollte dieses Risiko nicht eingehen. Sie hatte ihm schon genug von seiner Privatsphäre genommen. Also, wieso sollte sie noch weiter eindringen? Sie wußte nicht, ob er es wollte. Aber wenn er sich auch nach ihr sehnte, dann würde seine Privatsphäre vielleicht auch bald ihre sein...

Wenn sie nur den Mut fand, ihm ihre Sehnsucht zu gestehen.

Aber sie wollte ihm doch so nahe sein. Sie huschte ins Badezimmer und betrachtete erstaunt den kleinen Behälter, der dort neben der Wanne auf einem kleinen Tisch stand. Räucherstäbchen. Das paßte nun so gar nicht in das Bild, dass sie sich von ihm gemacht hatte. Aber ihr gefiel diese neue Seite , die sie entdeckt hatte, auf Anhieb. Sie entzündete ein Räucherstäbchen, steckte es in den dafür vorgesehene Untersatz und wartete, daß sich der wohlriechende Duft im Zimmer ausbreitete.

Dann ließ sie ein Bad ein und fragte sich, ob sie, sobald sie darin läge, fühlen konnte, wie er in der Wanne gelegen hatte. Ob sie vielleicht schon beinahe seine Haut an ihrer spüren konnte. Bei diesem Gedanken lächelte sie und sah sich, während das dampfende, heiße Wasser noch immer in die Wanne lief, weiter im Bad um. Erstaunt sah sie, wie aufgeräumt alles war, ganz im Gegensatz zur restlichen Wohnung. Alles war ordentlich in den Regalen verstaut.

Ein Blick zur Wanne sagte ihr, daß sie den Wasserhahn zudrehen mußte. Doch nachdem sie das getan hatte, wanderte ihr Blick noch einmal durch den Raum. Sie hatte etwas bemerkt. Aus den Augenwinkeln nur, aber es hatte sie gestört. Da, auf dem Tisch, direkt neben dem Waschbecken. Ein Zettel. Es sah aus wie ein Brief.

Es handelte sich vermutlich um eine persönliche Nachricht, aber sie war neugierig geworden. Wer würde ihm eine Nachricht oder einen Brief im Badezimmer hinterlassen?

Sie betrachtete den Zettel genauer. In Horror, Wut und Enttäuschung weiteten sich ihre Augen:


Hallo Liebes,

ich liebe Dich so sehr, Darling,
triff mich um Mitternacht


Geschockt ließ sie den Brief zurück auf den Tisch fallen. Nein, es handelte sich nicht um ihre Schrift. Sie hatte diesen zarten Liebesbeweis nicht geschrieben. Das hatte eine andere getan. Tränen rannen ihr Gesicht hinunter. Tränen der Enttäuschung, Wut und unendlicher Traurigkeit. Sie beschloß, daß es besser wäre zu gehen. Raus aus seiner Wohnung. Weg von der Nachricht, die alles in ihr zerstört zu haben schien. Ihre Hoffnung. Ihr Vertrauen.

Wieso sollte sie noch hierbleiben? Es würde alles nur noch schlimmer machen. Sie würde in seiner Wanne heulen. Würde in seinem Bett bittere und salzige Tränen hinterlassen. Sie würde die restliche Nacht weinen. Und hier würde es noch schlimmer sein, als in ihrem eigenen Apartment. Vielleicht würde sie den Brief vernichten und aus Wut alles zerreißen, das ihr in die Finger kam.

Nein, sie sollte gehen.

Sie schaffte es noch, ihre Kleider wieder anzuziehen und das Haus zu verlassen, bevor sie einen Weinkrampf bekam. Sie kam sich so töricht vor. Warum hatte sie nicht früher etwas gesagt? Warum hatte sie ihm nicht früher von ihrer Sehnsucht erzählt? Jetzt war es zu spät. Hatte sie denn wirklich geglaubt, so jemand wie er, würde nicht auch Anderen auffallen? Sie hatte gerade den Beweis gesehen. Und die Tatsache, dass nicht sie den Brief geschrieben hatte, sondern eine Andere, machte sie so wütend. Besonders, wenn sie daran dachte, daß sie selber Schuld daran war. Hätte sie doch nur früher gehandelt. Aber darüber nachzugrübeln hatte keinen Sinn mehr. Sie konnte nichts mehr an der Vergangenheit ändern. Sie mußte mit ihrer Entscheidung leben. Ihr ganzes Leben lang.

Wieder wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt und konnte sich nur mit Mühe wieder beruhigen. Sie ließ den Motor an und konnte dabei sein Parfum reichen, daß sich noch immer auf ihrer Haut befand. Erneut schossen ihr Tränen ins Gesicht. Unwirsch wischte sie sie weg. Sie mußte nach Hause. Sie wollte auf keinen Fall so gesehen werden. Sie mußte jetzt alleine sein.

Sie legte den ersten Gang ein und fuhr langsam davon, bis das Haus, in der er seine Wohnung hatte in ihrem Rückspiegel verschwunden war.



I went to your house
Walked up the stairs
I opened your door without ringing the bell
I walked down the hall
Into your room
Where I could smell you
And I shouldn't be here, without permission
I shouldn't be here

Would you forgive me love
If I danced in your shower
Would you forgive me love
If I laid in your bed
Would you forgive me love
If I stay all afternoon

I took off my clothes
Put on your robe
I went through your drawers
And I found your cologne
I went down to the den
I found your cd's
And I played your Joni
And I shouldn't stay long, you might be home soon
I shouldn't stay long

Would you forgive me love
If I danced in your shower
Would you forgive me love
If I laid in your bed
Would you forgive me love
If I stay all afternoon

I burned your incense
I ran a bath
And I noticed a letter that sat on your desk
It said "Hello love, I love you so love,
meet me at midnight"
And no, it wasn't my writing
I'd better go soon
It wasn't my writing

So forgive me love
If I cry in your shower
So forgive me love
For the salt in your bed
So forgive me love
If I cry all afternoon


Alanis Morissette




Ende
Fortsetzung folgt...?



Hat's Euch gefallen? Oder möchtet ihr eine Fortsetzung lesen? Wenn ja, dann schreibt mir doch bitte eine Review.


Ich weiß noch nicht, ob eine Fortsetzung geschrieben wird. Das liegt ganz daran, ob ihr noch mehr wollt. Einige Ideen hätte ich schon...
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