World of X

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Haunted

von XFilerN

Kapitel 3

Die letzten zwei Tage hatten sich wie Kaugummi hingezogen. Sein Leben schien ihm mit einem Mal so unwirklich und er hoffte, irgendwann aufzuwachen. Doch die Hoffnung, dass er einfach nur einen intensiven Alptraum hatte, blieb unerfüllt.

Mr. van de Kamp wickelte seinen Sohn und betrachtete sorgenvoll das kleine runde Gesicht des Säuglings. Als er und seine Frau beschlossen hatten ein Kind zu bekommen, war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass er es allein würde großziehen müssen. Und dann, als Vanessa nicht hatte schwanger werden können und sie entschieden ein Baby zu adoptieren, war er sicher gewesen, dass seine Frau sich vorwiegend um das Kind kümmern würde.

Er hatte keine Ahnung von Kindern. Wusste gerade einmal so, wie man Windeln wechselte und was ein Säugling zu essen brauchte. Er kannte keine Schlaflieder, wusste nicht wie oft ein Baby baden durfte oder sollte und bei welcher Temperatur. War William gegen irgendetwas allergisch? Er wusste es nicht mehr zu sagen. Sicherlich würde es in den Unterlagen stehen, dachte er, doch die waren wie alles andere in dem Inferno verbrannt.

Und nun saß er da und blickte auf das Kind hinab. Das bisschen Liebe, die er begonnen hatte für William zu empfinden, schwand langsam dahin wie eine sehr alte Erinnerung, die zunehmend verblasste. Vanessa hatte sich so sehr ein Kind gewünscht und er hatte im Grunde nichts weiterwollen, als ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Er hatte geglaubt in die Vaterrolle hineinzuwachsen.

Jetzt allerdings… Wie sollte er das ohne Vanessa schaffen?

Tränen sammelten sich in seinen Augen und verschleierten seinen Blick auf William. „Was soll ich jetzt nur mit dir machen, William?“

Als verstünde der Säugling, begann er plötzlich vor sich hin zu brabbeln und presste Spucke zwischen den Lippen hervor, um kleine Luftblasen damit zu machen. Jedes Mal, wenn eine der Luftblasen platzte quiekte er vor Freude auf.

George begann zu weinen. Wie konnte das Baby so glücklich sein? Sie hatten doch gerade erst vor wenigen Stunden Mutter und Ehefrau verloren! Sollte das Baby nicht auch weinen und seinen Kummer teilen?

Jähes Klopfen an der Hotelzimmertür riss ihn aus seinen trüben Gedanken und er wischte die Tränen fort. Hastig rieb er sich mit beiden Händen die letzten Tränenspuren aus dem Gesicht, räusperte sich und ging dann, um die Tür zu öffnen.

***

„Ah, Sie müssen die Herren vom FBI sein“, sagte der Mann am Empfang und während Sam noch etwas mit der Überrumpelung zu tun hatte, schnellten Deans Augenbrauen in die Höhe und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hatte eine andere Tarnung im Sinn gehabt, aber wenn man ihm derartig entgegenkam, wollte er sich dem Schicksal fügen und die Rolle des FBI Agenten spielen.

„Genau. Sie haben uns erwartet?“, fragte der ältere Winchester rhetorisch.

„Mr van de Kamp sagte mir, dass er Besuch vom FBI erwarte und dass ich Sie dann zu ihm führen soll. Er wohnt derzeit in 32b.“

Sam nestelte immer noch in der Innentasche seines Jacketts, auf der Suche nach dem gefälschten Ausweis, doch der Mann vom Empfang winkte ab. Von Dean fing sich der jüngere Bruder einen ‚Was soll das?’ Seitenblick ein. Immerhin hatte keiner von ihnen einen falschen FBI Ausweis in der Tasche. Und solange niemand danach fragte, wollte Dean sich dem Problem auch nicht stellen.

Als sie wenige Minuten später vor van de Kamps Tür standen, sagte Dean wie beiläufig zu seinem Bruder: „Unsere Ausweise liegen wohl noch im Wagen. Holst du sie?“

Sam hasste es der Laufbursche zu sein, doch in diesem Fall übernahm er die Rolle des Jüngeren. Er war ja tatsächlich jünger, doch deshalb sollte Dean nicht den Eindruck bekommen, die Befehle geben zu können. Sam war kein Kind mehr und er konnte es absolut nicht leiden, wenn Dean ihn wie eines behandelte. Leider tat er das immer noch immer viel zu oft.

Dean war in die Rolle des großen Bruders sprichwörtlich reingewachsen und inzwischen konnte er nicht anders, als ständig darauf zu achten, dass es Sam gut ging. Selbst wenn dies bedeutete, dass Sam von Dean bevormundet wurde.

„Natürlich“, antwortete Sam knapp und marschierte in Richtung Parkplatz davon, während Dean sich in der Gegend umsah.

„Wollen Sie nicht anklopfen?“, fragte der Mann vom Empfang und sah Dean irritiert an.

„Sobald mein Kollege mit den Ausweisen wieder da ist. Van de Kamp öffnet uns vielleicht nicht, wenn wir uns nicht ausweisen. Wir könnten schließlich… puh“, Dean zuckte die Schultern, „irgendwer sein.“

„Sie haben Recht. Sie sehen ein wenig jung für FBI Agenten aus“, meinte Deans Gegenüber. „Sie müssen gut in Ihrem Job sein.“

„Genau“, nickte Dean grinsend. Der Mann war dümmer als er aussah. Er brauchte die Rolle nicht mal überzeugend spielen. Sein Gegenüber glaubte sie ihm auch so. „Da liegen Sie richtig.“

„Wenn Sie mich nicht weiter brauchen, mache ich mich wieder an meine Arbeit.“

„Klar“, nickte Dean abermals. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Erneut setzte Dean ein Lächeln auf und endlich kam Sam mit den gefälschten Ausweisen zurück. „Da bist du ja.“ Hastig nahm Dean den Ausweis mit seinem Bild entgegen, wandte sich um und klopfte an die Tür.

Der Mann vom Empfang verschwand und Sam baute sich hinter seinem Bruder auf, sah ihm direkt über die Schulter, als ihnen die Tür geöffnet wurde.

„FBI, Sir“, sagte Sam kaum, dass die Tür sich öffnete und streckte zeitgleich mit Dean seinen Ausweis vor.

***

Sam sah den Säugling genau an, der auf Mr van de Kamps Arm schlief. Der arme kleine Kerl war erst sechs Monate alt und bereits ein Halbwaise. Natürlich wusste das Baby nichts davon und es würde sich auch an nichts erinnern, was in der Schicksalsnacht geschehen war, doch Sam wusste aus eigener Erfahrung, dass es ihn dennoch ein Leben lang begleiten würde. Wie eine Narbe, die zu groß war, um zu verwachsen.

„Sie sind sehr jung“, stellte van de Kamp sachlich fest und deutete Sam und Dean sich auf die Stühle zu setzen, die an dem kleinen Tisch standen. Er selbst ließ sich mit dem Kind im Arm auf das Bett nieder, das den halben Raum einnahm.

„Wir“, begann Dean und räusperte sich, um eine Sekunde herauszuschlagen, die ihm die Möglichkeit gab eine Lüge zu erfinden, „sind Spezial-Agenten.“

„Und was ist Ihr Spezialgebiet?“, fragte van de Kamp weiter. Ihm kamen die beiden Männer seltsam vor und er war sich nicht sicher, ob er ihnen trauen konnte. Es war ein unbestimmtes Gefühl, so als ginge er Betrügern auf den Leim.

„Sir“, brachte sich nun Sam in das Gespräch ein, „normalerweise sind wir Undercover tätig. An Universitäten und manchmal sogar an Highschools.“ Mr van de Kamp sah Sam erstaunt an, dieser nahm aus dem Augenwinkel jedoch nur die wilden Gesten seines Bruders wahr, der sich die Handfläche über den Hals zog, als wollte er sich damit die Kehle aufschlitzen. „Wir… wurden strafversetzt“, schwindelte Sam schnell weiter und versuchte Dean nicht weiter zu beachten, der immer wieder wie beiläufig dieselbe Geste vollzog.

Van de Kamp sah jedoch nur Sam an und dann hinab auf seinen Sohn. Als er schließlich wieder den Blick erhob und Dean ebenfalls ansah, ließ dieser abrupt die Hände in seinen Schoß sinken und tat ganz unschuldig.

„Wie auch immer“, unterbrach Dean die schlechte Lüge seines jüngeren Bruders und warf ihm einen warnenden Blick zu. „Wir möchten alles wissen.“

„Mir ist nicht ganz klar, weshalb das FBI überhaupt auf diesen Fall angesetzt wurde.“

„Erzählen Sie uns was passiert ist, dann können wir Ihnen genau erklären, warum wir geschickt wurden“, sagte Sam und lächelte mild.

Williams Adoptivvater nickte und erzählte den beiden alles, während er das Baby in seinem Arm ansah. Immer wieder musste er in seiner Erzählung innehalten und die Tränen unterdrücken.

Dean musterte den Mann genau. So musste sich sein eigener Vater damals gefühlt haben, als er mit Sam auf dem Arm und ihm neben sich sitzend die Fragen der Polizei über sich ergehen ließ. Er selbst war damals noch klein gewesen, stand unter Schock. Er hatte nicht verstehen können, was genau geschehen war. Die Erkenntnis kam erst langsam, im Lauf der Jahre. Als sein Vater begonnen hatte ihm zu sagen, dass es Monster im Schrank und unter dem Bett sehr wohl gab und dass er nachts niemals allein auf die Straße dürfe.

Dieser van de Kamp war kein Kämpfer. Er würde an diesem Erlebnis zerbrechen. Da hatte Dean keinen Zweifel. Sie mussten irgendwie das Kind schützen. Aus irgendeinem Grund war Yellow Eye – oder ein sehr ähnlicher Dämon – gekommen, um das Baby aus der Krippe zu stehlen, genau wie vor so vielen Jahren Sam. Etwas Besonderes war an diesem Säugling, doch sie wussten noch nicht was. Dean war jedoch entschlossen es herauszufinden.

***

Monica stellte den Motor ab und sah zu ihrem schlafenden Partner hinüber. Sie hatten sich auf der Fahrt nach Kentucky immer wieder abgewechselt. Und nun war es Zeit, etwas zu essen und eine Pinkelpause einzulegen. Ein abgelegener Rasthof bot diese Möglichkeiten.

„John“, flüsterte Monica Reyes vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken. „John, lass uns was essen. Mir tut der Hintern weh.“

Gähnend richtete sich John Doggett in seinem Sitz auf und rieb sich die Augen. „Wo sind wir?“

„Fast da“, erklärte Monica mit einem Lächeln. „Lass uns noch schnell was essen, ehe wir van de Kamp aufsuchen.“

John nickte und öffnete die Wagentür. Grelles Sonnenlicht empfing ihn und er schirmte seine Augen mit der linken Hand ab. Der Rasthof, vor dem er stand, sah wenig einladend aus. Die Fassade war heruntergekommen, das Schild mit dem Namen hing so schief, dass es aussah als falle es jeden Moment runter und die Fenster waren so dreckig, dass man kaum hindurchsehen konnte.

„Es ist schäbig, ich weiß“, sagte Monica mit einem Seitenblick zu ihm. Sie konnte an Doggetts Gesicht sehen, dass er wenig begeistert war. „Ich kann ohne Essen nicht klar denken. Und mein Magen verdaut sich schon bald selbst.“

„Ich habe ja nichts gesagt“, raunte Doggett und deutete zur Tür hinüber. „Nach dir…“

Reyes verzog das Gesicht zu einer kleinen Grimasse und ging voran. Im Rasthof selbst war es erstaunlich sauber, wie sie überrascht feststellte. Der Fliesenboden glänzte mit dem Tresen und den Tischen um die Wette. Rock’n Roll Musik drang aus den Lautsprechern, jedoch in einer angenehmen Lautstärke und es duftete verlockend nach frischem Kaffee, Eiern und Speck.

„Na ihr beiden“, rief ihnen die Kellnerin zu, die aus der Küche kam und hinter der Theke stehen blieb. Hinter ihrem Ohr zog sie einen Bleistift hervor und aus ihrer Schürze einen kleinen Block. „Was darf ich euch bringen? Ihr seid wohl auf der Durchreise.“

„Kann man so sagen“, erwiderte Monica und setzte sich auf einen der Hocker an der Theke. John blieb hinter ihr stehen und sah ihr über die Schulter, als sie die kleine Speisekarte in die Hand nahm. „Können Sie uns was empfehlen?“

„Na ja, der Pfirsichkuchen ist nicht übel. Vom Käsekuchen würde ich die Finger lassen“, feixte die Kellnerin. „Ihr seht aus, als bräuchtet ihr Kaffee.“

„Da liegen Sie richtig“, sagte Doggett und warf einen raschen Blick auf das Namensschild der Kellnerin. „Rachel. Wie ist das Frühstück nach Art des Hauses?“

„Langweilig. Das Übliche eben. Eier, gebratener Speck, Toast…“

„Ich nehme es“, sagte Monica. „Rührei, die doppelte Portion, bitte. Und einen schönen, starken Kaffee.“

„Notiert. Und was möchtest du, Schätzchen?“, fragte sie und lächelte Doggett offen an.

Er hob nur die Brauen, wodurch tiefe Falten in seiner Stirn entstanden. „Zwei Spiegeleier. Der Rest nach Art des Hauses.“

Die etwas zu rundliche Kellnerin schob den Stift wieder hinter ihr Ohr, riss den Zettel mit der Bestellung vom Block und übergab ihn dem Koch. Ihren Gästen schenkte sie sofort den Kaffee ein und versuchte dabei immer wieder ein Gespräch anzuzetteln.

John jedoch war weder richtig wach, noch interessiert. Monica verfiel jedoch in eine kleine Plauderei mit Rachel, die schließlich wissen wollte, ob John und Monica ein Paar waren. Während Doggett versuchte dem Thema auszuweichen, begann Reyes darauf einzugehen. Sie machte Scherze über die seltsame Beziehung, die sie zu John hatte, bis dieser ihr einen fragwürdigen Blick zuwarf. 

Rachel machte sich auf, um in der Küche zu helfen. Und da außer ihnen sonst keine Gäste anwesend waren, fragte Doggett schließlich frei heraus: „Was sollte das denn?“

„Das war doch nur Spaß. Machst du nie Blödsinn aus Langeweile?“

„Nein.“

„Weißt du“, grinste sie frech, „das glaub ich dir sogar.“ Sie ließ drei Stück Zucker in ihren Kaffee fallen, goss Milch ein und rührte um. Sie spürte Johns bohrenden Blick und sah schließlich zu ihm auf. „Du solltest lernen dich etwas zu entspannen.“

„Ich bin entspannt.“

„Und wie…“ Monica nippte an der dampfenden Tasse und schloss genüsslich die Augen, als der Kaffee ihre Kehle hinab rann. „Ich versuche mich zu entspannen, John, ehe die Pflicht ruft. Ich brauche das hin und wieder. Ich kann nicht nur ständig ernst und zu Tode betrübt durchs Leben gehen. Der Fall wird auch so schon schwer genug werden.“

„Wo wir beim Thema sind“, sagte John und seufzte. Er nahm einen großen Schluck des schwarzen Kaffees. „Wie sollen wir Kontakt zu Dana aufnehmen?“

„Das wird nicht leicht werden. Aber Yves könnte es hinbekommen.“

„Yves? Du hast noch Kontakt zu Yves?“ Er hatte selbst nur wenig Kontakt zu den Lone Gunmen und deren seltsamer, fragwürdiger Freunde gepflegt. Ganz anders als Monica offensichtlich.

„Wir treffen uns regelmäßig auf dem Schießstand“, sagte Monica mit einem Schulterzucken. „Informanten wie sie zu haben ist wichtig.“

„Die bringen doch die Zeitschrift nicht mehr heraus, oder?“

„Doch, natürlich.“

Doggett konnte ob dieser Neuigkeit nur den Kopf schütteln. Irgendwie war es, als wären die X-Akten nie geschlossen worden, die Lone Gunmen niemals gestorben und Mulder und Scully niemals auf der Flucht gewesen. Er hatte dieses kleine, aber aufregende Kapitel in seinem Leben geschlossen und hinter sich gelassen. Und nun geschah dieser Zwischenfall mit Williams Adoptivmutter und alles war wieder beim Alten. Er fühlte sich wie in der Zeit zurückversetzt.

„Sobald ich was gegessen hab, werde ich versuchen Yves von dem Münztelefon aus zu erreichen“, sagte Monica und deutete mit einem Nicken an Doggett vorbei. Ein kleiner Korridor links neben der Theke und Küche führte zu den Toiletten. Und davor war ein Münztelefon an der Wand angebracht. „Unsere Handys werden vielleicht abgehört.“

Doggett seufzte und schüttelte amüsiert den Kopf. „In Ordnung Spooky2. Wir machen, was immer du für richtig hältst.“

„Danke, dass du dich über mich lustig machst“, feixte Reyes. Sie hatte die kleinen Meinungsverschiedenheiten vermisst. In den Fällen, die sie seit der Schließung der X-Akten bearbeitet hatten, waren sie sich meistens einig. Es gab kaum Diskussion, das Feuer brannte auf Sparflamme. Es war schön wieder einen aufregenden Fall zu bearbeiten, der Paranoia und Adrenalin förderte.

***

Ihr herzliches Lachen erfüllte die Küche. Er genoss es, wenn sie lachte. Es kam immer noch viel zu selten vor. Die vielen Jahre beim FBI hatten sie geprägt, sie beide. Und wann immer Mulder sie zum Lachen bringen konnte, nahm er den wunderbaren Klang ihres Lachens tief in seinem Herzen auf, ebenso brannte sich der herrliche Anblick ihres schönen Gesichts in sein Gedächtnis.

Er hatte nie aufgehört der Mann zu sein, der versuchte den Untergang der Welt aufzuhalten. Doch ihr zur Liebe hatte er es im Verborgenen getan. Sie hatte sich nach einem normalen Leben gesehnt, einem Haus, einem Hund, einem normalen Job und nach einer Familie. Er hatte ihr nicht alles bieten können.

Gegen den Hund war er allergisch, wie sie nach wenigen Tagen feststellen mussten, nachdem sie einen jungen Beagle Welpen von einem Züchter gekauft hatten. Sie brachten ihn zurück. Sie hatte geweint, weil sie den Welpen wieder hergeben musste. Mulder glaubte jedoch nicht, dass es wegen des Hundes war. Die Situation war fiel zu ähnlich mit der gewesen, als sie ihren Sohn hatte aufgeben und zur Adoption hergeben müssen.

Den Hund zurückzubringen hatte eine schlecht verheilte Wunde wieder aufgerissen. Und seit diesem Tag war er bemüht diese Wunde wieder zu flicken. Mit mäßigem Erfolg.

Er hatte ihr einen Urlaub vorgeschlagen. Einen Abenteuerurlaub, um genau zu sein. Er wollte mit ihr alte Ruinen der Mayas besuchen und so ganz nebenbei einer alten Sage auf den Grund gehen. Sie hatte begonnen zu lachen und ihn ‚Spooky’ genannt.

Es war ein bisschen wie in alten Zeiten, nur eben, dass sie niemals wieder als FBI-Agenten würden ermitteln können. Sie würden weniger Mittel haben, aber keineswegs weniger Spaß und Abenteuerlust.

„Ich weiß nicht recht“, sagte Dana, als sie sich wieder beruhigt hatte. „Was ist, wenn ich keinen Urlaub bekomme?“

„Melde dich krank. Du bist Ärztin, lass dir eine schlimme ansteckende Krankheit einfallen, die dich für zwei Wochen zwingt, das Bett zu hüten.“ Er grinste sie frech an und goss ihr Kaffee nach. „Sei kreativ.“

Dana schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich frage mich, ob du jemals ‚normal’ wirst.“

„Ich hoffe nicht“, feixte Mulder und schob sich den letzten Bissen seines Frühstücks in den Mund, ohne seine Frau aus den Augen zu lassen. „Also, ziehen wir es durch?“, fragte er mit halbvollem Mund und kaute emsig weiter.

„Lass mich darüber nachdenken…“, bat sie und er nickte eifrig, sie erwartungsvoll ansehend.

Noch ehe er seine Antwort bekam, klingelte das Telefon. Mulder verzog genervt den Mund zu einer Grimasse. Er hoffte, dass es nicht wieder jemand aus der Pathologie war, um Dana früher zur Arbeit zu holen. Sie machte ohnehin zu viele Überstunden in der letzten Zeit.

Er nahm das schnurlose Telefon und schaltete die Leitung frei. „James Ward“, meldete sich Mulder gewohnheitsmäßig.

„James“, sagte eine weibliche Stimme auf der anderen Seite der Leitung und Mulder erkannte sofort die Stimme.

„Maggie“, grüßte er sie und runzelte die Stirn. Sie hatten nur einmal telefoniert, seit sie untergetaucht waren und das war am Tag ihrer Hochzeit gewesen. Dana hatte darauf bestanden ihre Mutter anzurufen und es ihr zu sagen.

Sofort verließ jegliche Fröhlichkeit Danas Gesicht. Maggie hatte versprechen müssen diese Nummer nur im Notfall anzurufen. Und sie ahnte sofort, dass der Anruf nichts Gutes verhieß.

„Kann ich bitte Maria sprechen?“

Ohne zu zögern, übergab Mulder das Telefon an Dana. Diese schluckte und hielt dann das Telefon an ihr Ohr. „Wie geht es dir? Alles in Ordnung?“

„Mir geht es gut“, sagte Maggie schnell. Sie konnte die Besorgnis in der Stimme ihrer Tochter hören. „Aber deine Tante Vanessa… Schätzchen, sie ist gestorben.“

Jegliche Farbe wich aus Danas Gesicht. Ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihre Brust. „Wie?“, hauchte sie fassungslos und auch Mulder war plötzlich vollkommen angespannt.

„Es war ein Brand, Liebes.“

„Und…“ Sie wagte kaum die Frage nach William zu stellen. Sie mussten vorsichtig sein, falls die Leitung abgehört werden würde. Sie vermieden es gewisse Namen zu nennen. Yves hatte ihnen beiden eine perfekte neue Identität verschafft, aber sicher fühlten sie sich dennoch nie.

„George und Emily geht es gut“, sagte Maggie.

Emily. Den Namen hatte Scully schon ewig nicht mehr gehört. Es war clever von Maggie diesen Namen zu verwenden. Tränen der Erleichterung schossen ihr in die Augen.

„Danke, dass du mir bescheid gesagt hast.“

„Sicher…“, sagte Maggie traurig. „Sehen wir uns bei der Beerdigung?“

Dana seufzte. Sie wusste, dass ihre Mutter sie gerne wieder sehen würde. Natürlich nicht auf irgendeiner Beerdigung. Würde es jemals sicher sein, ihre Mutter zu besuchen? Darüber konnte Dana sich jetzt jedoch keine Gedanken machen. Viel wichtiger war doch, ob sie sie William jemals wiedersehen würde.

„Ich weiß nicht, ob ich es schaffe zu kommen. Falls nicht, richte bitte mein Beileid aus.“ Sie tauschte einen vielsagenden Blick mit Mulder und hörte leises Schluchzen von der anderen Seite der Leitung. „Ich liebe dich“, sagte sie zu ihrer Mutter und Tränen rannen ihre Wangen hinab.

„Ich dich auch“, antwortete Maggie noch und dann beendete Dana das Gespräch.

„Was hat deine Mom gesagt?“, verlangte Mulder zu erfahren. Er nahm Danas zitternde Hände über den Tisch hinweg in seine. „Liebes?“

Dana atmete tief durch und bemühte sich die Angst wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Vanessa van de Kamp kam bei einem Brand ums Leben.“ Mulders Gesicht entgleiste. „William und George geht es aber so weit gut.“

„Was für eine Art von Brand war es? Ein Unfall?“

„Das hat sie nicht gesagt. Sie wusste es vielleicht einfach nicht. Aber ich glaube, sie hofft, dass wir hinfahren und nach William sehen.“

„Und das werden wir auch tun“, sagte Mulder entschlossen. „Selbst wenn es nur ein Unfall war, es wird in die Medien kommen. Und ‚die’ finden ihn vielleicht. Wir müssen gleich los. Er wird nirgendwo sicherer sein als bei uns, Dana.“

„Ich weiß…“, nickte sie und wischte sich die Tränen fort. „Fängst du bitte an zu packen, ich sage bei der Arbeit bescheid, dass ich aufgrund eines Todesfalls in der Familie kurzfristig ein paar Tage frei brauche.“

Mulder nickte und stand auf. Sie sah die alte Entschlossenheit in seinen Augen, die er immer dann gehabt hatte, wenn sie einer neuen Spur gefolgt waren.

Dana freute sich auf das Wiedersehen mit William, aber gleichzeitig hatte sie auch Angst davor. Sie hatte ihren Sohn weggeben, damit er sicher war. Und nun war er das nicht mehr. Doch würde er bei ihnen wirklich sicher vor dem Konsortium sein? Was, wenn man ihre Spur verfolgen und sie finden würde? Mulder drohte noch immer die Giftspritze. Sie würden ihr Urteil nicht ändern.

Sorgenvoll sah Mulder sie noch einen Moment lang an, als sie bereits die Nummer ihrer Arbeitsstelle wählte. Er stand im Türrahmen und wusste nicht recht, was er empfinden sollte. Er hatte William schon so lange nicht mehr gesehen. Er hatte nicht gedacht, dass er ihn überhaupt jemals wiedersehen würde und sich mit dieser Möglichkeit bereits abgefunden. Und nun schien es wie ein Wunder. Das Schicksal hatte wieder einmal zugeschlagen. Es verfolgte sie, ließ sie nicht zur Ruhe kommen.

Was würde dieses Ereignis verändern? Würden sie erneut von vorn anfangen müssen? Diesmal mit William? Würden sie jemals in Sicherheit sein? Er konnte es nur hoffen. Nicht für sich selbst, aber für die Frau, die er liebte, und für seinen Sohn. Früher hatte sich Mulder niemals vorstellen können Ehemann und Vater zu sein. Und nun wünschte er sich nichts sehnlicher als ein ganz normales Leben. Doch würde er dies jemals haben können? Immerhin stand der Tag schon fest.

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