World of X

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Dark Horizon

von Steffi Raatz, XFilerN

Kapitel 1

Er wandelte durch die dunklen Straßen, an den Ruinen vorbei, die zum Teil immer noch in Flammen standen. Die ganze Stadt brannte und es stank überall nach verkohlten Leichen.

Der Gestank verursachte bei ihm Würgreiz und der Qualm trieb ihm Tränen in die Augen, die er instinktiv immer wieder fest zusammenkniff, um dem entgegenzuwirken.

Nichts war mehr so wie es einst war. Und das Schlimmste an dieser ganzen Sache war, dass nicht nur Washington DC betroffen war, sondern die gesamte Welt. Die Invasoren waren über sie gekommen, wie eine Heuschreckenplage, und hatten nichts und niemanden verschont.

Sie hatten die Erde nicht erobern wollen, auch wenn sie dies seinen ehemaligen Auftraggebern jahrelang vorgegaukelt hatten. Ihr Ziel war noch wesentlich schlimmer, denn sie hatten nur eines im Sinn - die totale Vernichtung! Das war ihre Rache, für die Lügen, die das Konsortium ihnen aufgetischt hatte. Ironie des Schicksals, dachte er bei sich.

Als er vor Jahren zu der Feststellung gelangt war, dass das Konsortium nicht annähernd ausreichend gegen die Invasion gewappnet war, da schlug er sich auf die Seite der wohl stärksten Partei, die von alle dem wusste und von der nicht ein mal der alte Krebskandidat etwas ahnte.

Nur Mitglieder dieser Regierungseinheit wussten von dem gut gehüteten Geheimnis, der wahren Macht, der NSA. Und genau von denen wurde er rekrutiert. Somit war er nicht nur ein Doppelagent, der das FBI ausspionierte, sondern einer von der aller schlimmsten Sorte, der sogar Informationen des Konsortiums an die NSA verkaufte.

Nicht für Geld, nein, sondern für die Garantie, dass er einer der wenigen sein würde, der das Inferno überleben sollte, von dem sie alle bis zum Schluss angenommen hatten, dass es stattfinden würde - die Kolonisation.

Noch während seinem Aufenthalt in Russland lief er zur NSA über, lieferte ihnen dafür Informationen der Regierung seines Heimatlandes, und hinterging das Konsortium und letztlich das Federal Bureau of Investigation. Dass seine neuen Verbündeten ihm vertrauten grenzte nach alle dem geradezu an ein Wunder, doch sie taten es und tauschten ihn aus.

Ein experimenteller Klon von Alex Krycek wurde nach Tunguska gebracht, und er verschwand zunächst im Hintergrund, jedoch immer über die Entwicklungen der verschiedenen Parteien informiert.

Instinktiv fasste Alex Krycek nach dem Arm, der seinem Klon amputiert worden war und ein fieses Lächeln umschmeichelte seine Lippen.

Damals waren die Klone noch nicht so weit entwickelt, wie zuletzt. Zwar überlebten sie ohne größeren Schaden davon zu tragen, den schwarzen Krebs, aber unsterblich waren sie keineswegs. Kein Replikant überlebte eine Kugel in den Kopf.

Alex griff nachdenklich an seine Stirn, an die Stelle, von der er wusste, dass sein Klon dort die Kugel von Skinner abbekommen hatte und erneut lächelte er teuflisch. Was würde Mulder wohl zu alle dem sagen? Würde er ihn sofort umbringen oder würde er ihm insgeheim für dieses gekonnte Täuschmanöver jedweder Partei gratulieren? Er wusste es nicht und würde es wohl auch niemals erfahren. Nicht, solange er nicht wusste, wer von den ganzen Leuten, die er im Lauf seiner Betrügereien kennen gelernt hatte, noch am Leben war.

Nicht weit von seinem Standort entfernt hörte er ein Wehklagen und ging geradewegs darauf zu. Unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes lag ein Mann verschüttet, der unter Schmerzen um Hilfe rief. Sein Schritt wurde schneller, und er räumte einige der Trümmer beiseite, um dem Mann zu helfen. An jedem normalen Tag hätte ihn das nicht berührt, aber heute war das etwas anderes.

Vorsichtig hob er einen Stein nach dem anderen und warf ihn achtlos zur Seite. Sein Gesicht verzerrte sich, als er in ein zerborstenes Fenster griff, dass er in der Dunkelheit nicht hatte sehen können. "Verdammt", entkam es ihm zwischen zusammen gepressten Zähnen. Dann jedoch versuchte er seine Wunde zu ignorieren und hievte mehr und mehr Trümmer beiseite, bis der Mann schließlich freigelegt war.

"Bitte helfen Sie mir!", bat dieser keuchend und Alex bot ihm seine gesunde Hand an, um ihm auf die Beine zu helfen. "Ich kann nicht aufstehen", sagte der Mann, in dessen Augen deutlich Schmerz geschrieben stand. "Ich glaube mein linkes Bein ist gebrochen."

"Sie müssen es versuchen. Hier kann ich Sie nicht liegen lassen, und weit und breit ist sonst niemand, der mir helfen könnte Sie zu tragen." Alex Krycek streckte erneut die Hand nach dem Mann aus. "Sie werden sonst heute Nacht erfrieren. Versuchen Sie es noch mal!"

Der Mann schrie unter dem stechenden Schmerz, schaffte es jedoch aufzustehen und stützte sich dankbar auf Krycek, der ihm gänzlich aus den Ruinen half.

Ohne ein Fahrzeug würde er mit dem Verletzten im Schlepptau nicht sehr weit kommen und so sah er sich etwas um. Zwar lagen überall Trümmer und an manchen Stellen sogar ganze Bäume auf den Straßen, aber sie waren dennoch befahrbar. Jetzt musste er nur noch ein Auto finden, das er kurzschließen konnte.

Keinen Augenblick, nachdem der Mann sich bei Alex bedankt hatte, entdeckte Krycek einen Wagen, der frei stand und kaum demoliert schien. So gut es ging stützte er den Verletzten und dirigierte ihn zu dem Auto.

"Steigen Sie ein", meinte Alex leicht außer Atem, nachdem er das Fenster der Fahrertür eingeschlagen hatte und die Zentralverriegelung aktivierte, wodurch die Türen aufgingen.

"Ich werde versuchen Sie irgendwo unterzubringen, wo Sie ärztliche Hilfe bekommen."

Der Mann nickte stumm und biss die Zähne zusammen, als er sich auf den Rücksitz des Ford sinken ließ.

Alex schloss die Tür hinter ihm und setzte sich ebenfalls in den Wagen. Er riss die Abdeckung der Zündverkabelung ab und schloss den Ford in wenigen Sekunden kurz.

~*~*~*~*~*~*~*~

Während der Fahrt hatte er versucht irgendeinen Radiosender reinzubekommen, um einen Überblick über das Ausmaß der Verwüstung zu erhalten, doch er bekam keinen einzigen rein. Er nahm an, dass einige Radiostationen zerstört oder zumindest verlassen wurden, als der Angriff stattfand.

Es dauerte etwas mehr als eine Stunde, in der er eine weitere Person in den Wagen lud, und versuchte zu einem der Krankenhäuser zu gelangen. Als er beim Memorial Hospital ankam verschlug es ihm kurzzeitig den Atem, denn von dem einst so großen Krankenhausgebäude stand lediglich noch ein verschwindend geringer Teil. Die gesamte vordere Fassade zeigte ein gigantisches Loch, durch das er einen guten Einblick ins Innere bekam.

Vor dem Gebäude jedoch befanden sich einige Überlebende, die aufgeregt gehetzt umherliefen und welche, die um Hilfe riefen und verletzt auf der offenen Straße lagen. Alex stoppte den Wagen, stieg aus und ging auf jemanden zu, der wie ein Arzt wirkte und Befehle erteilte.

"Ich habe zwei Verwundete im Wagen", erklärte er, während sein Blick traurig über die zahllosen Verletzten wanderte.

Der Arzt sah kurz von einem Patienten vor sich auf. "Wie schwer sind die Verletzungen?"

*Gute Frage*, dachte Alex bei sich. Immerhin war er kein Arzt und konnte nur schwer sagen, was genau den beiden Männern fehlte.

"Einer hat ein gebrochenes Bein. Ich habe ihn unter den Trümmern eines Gebäudes rausgeholt. Und der andere hat eine schwere Kopfverletzung und klagt über Schmerzen im Brustbereich." Alex stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich zu dem gestohlenen Fahrzeug um, bevor er gleich darauf wieder den Arzt fixierte.

Ein Nicken von seitens des Arztes. "In Ordnung. Den mit der Kopfverletzung bringen Sie bitte gleich zu mir und den anderen", er deutete auf einen Platz linkerhand von seiner Position, "den bringen Sie bitte dorthin."

Es war als befänden sie sich inmitten eines Kriegsgebietes. Und diese Einrichtung glich einem Feldlazarett, in dem die leicht Verwundeten, von denen mit schwersten Verletzungen getrennt wurden.

Dass es einmal so kommen würde, das hatte keiner vorausgesehen. Jedenfalls niemand, der nichts vom Konsortium, der Verschwörung der NSA und der Aliens wusste. – Doch obwohl Alex Krycek darüber bescheid wusste, dass es so kommen würde, war es schlimmer als er es sich jemals vorgestellt hatte.

Vor Jahren hatte er den Film Independence Day gesehen und dachte damals, dass es wirklich einmal so enden könnte. Dass dieser Tag so früh eintreffen, und die Menschheit gegen die Außerirdischen kämpfen und dabei verlieren würden, das hatte er sich so nicht vorgestellt.

Sein Glaube und seine Hoffnung waren gewesen, dass sie lediglich eine Kolonisierung würden aufhalten müssen, nicht jedoch die Zerstörung des gesamten Planeten. Gegen die Kolonisierung waren sie gewappnet gewesen, nicht jedoch gegen diese immense Waffengewalt der Aliens. Zudem waren sie ohne Vorwarnung gekommen, so dass keines der Länder eine Chance auf Widerstand gehabt hatte.

Die Gedanken auf das Hier und Jetzt lenkend, begab er sich zurück zu dem Wagen, wo er den beiden mitteilte, dass man sie hier versorgen würde. Jeden brachte er an den angewiesenen Platz und verließ diesen Ort des Todes.

Nichts hatte ihm jemals solche Angst gemacht, wie dieser letzte Tag. Überall die vielen unzähligen Leichen. Frauen, Kinder, Alte, tapfere Soldaten… so viele hatten keine Chance gehabt und waren regelrecht, wie die Fliegen gefallen.

Die Elektronik erneut kurzschließend schloss er für einen bedächtigen Moment die Augen und gab dann Gas. Aus der Stadt raus, das wollte er. Fliehen, wie ein Feigling, die grausame Realität ignorieren. Und was dann? Wie lange würde es dauern, bis er der Realität ins Auge sehen und sich dem Leben stellen musste? – Jetzt war es ihm egal, er wollte einfach nur weit weg.

~*~*~*~*~*~*~*~

Obwohl er bereits Kilometer weit gefahren sein musste, so schien sich die Umgebung nicht maßgeblich zu verändern. Noch immer hing der Gestank verbrannter Leiber in seiner Nase und noch immer säumten zerstörte und verbrannte Gebäude die Straßenseiten. Es war, als schien es keinen Fluchtweg zu geben. Als ob jemand verhindern wollte, dass er wie ein Feigling von dannen fuhr und sich verkroch. Doch er fuhr weiter, versuchte den klapprigen Wagen zu beschleunigen, um noch schneller von all der Zerstörung fortzugelangen.

Eine herunter gestürzte Hauswand blockierte schließlich seinen Weg. Hier gab es kein Weiterkommen. Diese Straße war definitiv eine Sackgasse. 

Noch während er darüber nachdachte, ob er den Wagen stehen lassen sollte, um sich zu Fuß aus der Stadt zu machen, gab das Fahrzeug unter seinen Füßen den Geist auf. Ein, zwei kurze Stotterer erklangen noch, dann erstarb der Motor und Alex blieb nichts anderes übrig, als den Wagen zu verlassen und sich suchend umzusehen.

Zwar kannte er Washington D.C. wie seine eigene Westentasche, trotzdem fiel es ihm im ersten Augenblick nicht sonderlich leicht, sich zu orientieren. Das Stadtbild hatte sich durch die Zerstörung maßgeblich verändert und wenn er nicht irgendeinen bekannten Anhaltspunkt, wie ein Straßenschild oder eine Bushaltestelle fand, dann würde es gewiss noch eine Weile dauern, bis er sich sicher sein konnte, in welche Richtung er weitermusste. Gerade zu Fuß war das Ganze wesentlich schwerer.

Einige Meter entfernt, dort wo das Haus in sich zusammengefallen war, und die Straße versperrte, konnte er ein Reklameschild erkennen. Wenn er viel Glück hatte, gehörte dieses zu einem Geschäft und konnte ihm so zumindest eine ungefähre Richtung weisen.

Alex begann auf den Schutthaufen zu zulaufen und räumte einige Bretter und Steine beiseite, die ihm im Weg lagen und nicht zu schwer waren. Dann zog er ein entscheidendes Teil hervor und musste erkennen, dass es sich um Blech handelte. Das Blech eines Busses, der vermutlich während der Fahrt von dem herabfallenden Haus begraben worden war.

Resigniert warf er das Blech wieder fort und drehte sich um, um den Rückweg zum Wagen einzuschlagen. Über den Schutthaufen kam er auch zu Fuß nicht, da musste er schon einen anderen Weg finden.

Plötzlich blendete ihn etwas. Er wusste nicht genau, was es gewesen war, aber die lodernden Flammen aus einem nahen stehenden Gebäude, hatten etwas am Boden zum Reflektieren gebracht.

Er machte einen Schritt auf den Gegenstand zu und erkannte, dass es sich um eine Kette handelte. Eine kleine goldene Kette mit einem Kreuz.

Augenblicklich schoss ihm durch den Kopf, wo er schon einmal solch eine Kette gesehen hatte. Melissa Scully hatte eine solche getragen und wenn er sich richtig erinnerte, dann besaß auch Dana Scully eine derartige Halskette.

Alex ging in die Knie und hob das Schmuckstück vorsichtig auf. Fast schon bedächtig wischte er den Ruß von dem Anhänger und ließ die Kette geschmeidig durch seine Finger gleiten. 

Es gab mit Sicherheit hunderte von Ketten dieser Art. Ihm war nicht klar, warum er das unbestimmte Gefühl hatte, Dana Scullys Kette in der Hand zu halten. Aber wenn das ihre Kette war, wo war dann die rothaarige Agentin?

Gewohnt lässig ließ er die Kette in seine Jackentasche gleiten und begann sich umzusehen. War er vielleicht sogar in der Nähe von Scullys Wohnung? Wenn dem so war, hatte er schon mal einen Anhaltspunkt, wo er sich befand. 

Mit einem tiefen Seufzer kletterte er auf dem Schuttberg entlang und versuchte etwas zu erkennen. Dass er sich plötzlich suchend umsah, weil er ein unbestimmtes Gefühl hatte, darüber wollte er nicht näher nachdenken. Fakt war, irgendwo unter den Trümmern konnte jemand liegen, den er kannte. Vielleicht nicht einer seiner Freunde, dennoch jemand den er kannte, der ihn kannte, zumindest teilweise. 

Immer schon hatte er die Kraft und die Entschlossenheit der Agentin bewundert, schon immer war er ihrem bissigen Charme ihm gegenüber regelrecht verfallen. Jetzt, und das wusste er sicher, würde sie ihn hassen, wenn sie die Wahrheit erkannte und wahrscheinlich war dieser Hass sogar ein gegenseitiges Gefühl. Irgendwie.

In diesen Augenblicken jedoch hätte er alles dafür gegeben, ihre Kraft an seiner Seite zu spüren. Jemanden, um sich zu haben, der der Situation die Ausweglosigkeit nahm und Mut dazu hatte, einen Ausweg zu finden.

Seine Kraft hatte er in die NSA investiert, in die altruistische Suche nach einem Mittel gegen die Invasion. Wie selbstlos war er sich doch erschienen. Er, der Retter der Welt, von dessen ideologischen Zielen nur er und einige Leute der NSA wussten. 

Doch diese Kraft war verloren. Vernichtet. Vernichtet in nur einem kurzen Augenblick, der alles vernichtet hatte, woran er je geglaubt hatte. Die NSA, sein Leben, seine Hoffnung.

Neben seinen Füßen gab ein Stein nach und brachte ihn ins Schwanken. Rechtzeitig noch trat er zur Seite und brachte sich in Sicherheit. Als er den Blick zurück schweifen ließ, erkannte er eine Hand.

Während er sich noch fragte, was genau er eigentlich hier tat, kniete er bereits am Boden   und fühlte den Puls. Ein schwacher, dennoch regelmäßiger Puls war zu spüren. Alex betrachtete sich die Situation genauer. Selbst wenn er so manches Mal wie ein egoistisches Arschloch gehandelt hatte, so konnte er in diesem Augenblick nicht tatenlos dastehen.

Der Geruch von verbranntem Fleisch drang erneut in seine Nase und verursachte Übelkeit in ihm. Aber gerade das war es, was ihn anspornte, dieser Person zu helfen. 

Er hievte einige Trümmer zur Seite und erkannte plötzlich einen roten Haarschopf. War das wirklich... konnte es sein? Alex begann eilig die restlichen Trümmer beiseitezuräumen. Seine Hände rissen auf an den spitzen, rauen Kanten der Steine, Schweiß rann seine Stirn hinunter. Er wollte Gewissheit.

Als der letzte Stein beiseite geräumt war, fiel er auf die Knie und atmete durch. Sein Puls war beschleunigt und seine Lungen rasselten vor Anstrengung und Ruß, der in der Luft lag, aber er hatte es geschafft. Er hatte das Opfer der Katastrophe befreit und während er langsam die Augen hob, um sich die Frau genauer anzusehen, da wusste er bereits, was er sehen würde. 

Das rote, halblange Haar, der blasse Teint, die zartgliedrigen Finger. Dana Scully war am Leben und er, verdammt, er, Alex Krycek, hatte sie gefunden.

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