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No ordinary Love

von XFilerN

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Sie hob sich kaum von den übrigen Menschen ab, die sich hier um sie herum versammelten. Sie kamen aus den verschiedensten Ländern, flogen weite Strecken, nur um ein paar Tage in der Sonne Hawaiis verbringen zu können. Mit einem herablassenden Blick sah sie einen Mann an, der unmittelbar neben ihr an der Bar saß und immer wieder zu ihr rüber sah. Ein viel zu fetter, schweißtriefender alter Kerl, der nach Alkohol roch und wohl keinerlei Verstand besaß. Hätte er selbigen, dachte sie sich, dann wäre es ihm klar, dass er bei ihr niemals eine Chance haben würde.



Unruhig sah sie auf ihre Armbanduhr und bestellte sich eine weitere Mango Magerita. Hier gelangweilt an der Bar zu sitzen und zu warten, hatte sie bereits dazu gebracht drei dieser Drinks zu bestellen. Das Zeug schien regelrecht süchtig zu machen und lief ihre Kehle wie Öl hinab. Den Alkohol schmeckte sie wegen des Fruchtgeschmacks und des Zuckers kaum heraus, doch sie begann die Wirkung zunehmend zu spüren.



Ein tiefes Seufzen entkam ihr, als sie feststellte, dass ihre Verabredung, jemand dessen Identität sie noch nicht mal kannte, sich verspätete. Es war nicht üblich, dass man sie versetzte und sie wurde allmählich wütend.



***



Nach all den Monaten genoss er es, sie zu beobachten. Er hatte schon immer gerne seine Spielchen mit ihr getrieben, aber diesmal bereitete es ihm besondere Freude. - Es war interessant für ihn, zu sehen, wie sie stetig nervöser wurde und auf ihn wartete, ohne dabei zu wissen, dass sie auf IHN wartete. Ein freches Lächeln formte sich auf seinen Lippen.



Ein Kellner kam vorbei, und er rief ihn zu sich.



"Was darf ich Ihnen bringen?", erkundigte sich der Mann höflich und Alex deutete auf die Blondine an der Bar.



"Bringen Sie der Frau einen Wodka Lemon, mit zwei Eiswürfeln und einem Strohhalm", bat Alex und bezahlte den Drink.



"Wie Sie wünschen." Der Kellner schob das Geld ein und ging hinüber zur Bar.



Alex lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück, die linke Hand auf dem Schoß haltend, die rechte an dem Glas Wodka, das vor ihm stand. Er nippte einige Male, bis der Drink endlich bei ihr ankam und er wartete nur darauf, dass sie die Bedeutung schnell erkennen und ihr Blick suchend die Tische durchgehen würde.


***



"Nein, danke", sagte sie etwas verärgert und schob das Glas wieder zurück zum Kellner.



"Sagen Sie dem Kerl, dass ich bereits verabredet bin und nichts von derartigen Anmachen halte."



"Er sieht aber gar nicht mal so schlecht aus. Und wenn man davon absieht, dass er offensichtlich ein Veteran ist, dessen Arm fehlt... Er beobachtet Sie schon eine ganze Weile und ich denke, dass er nur -"



Marita legte ihre auf die Hand des Kellners, der das Glas Wodka Lemon zurücknehmen wollte. "Welcher Arm fehlt ihm?", fragte sie, als ihr plötzlich ein seltsamer Gedanke kam. Doch es musste der Alkohol sein, denn es war unmöglich, dass er es war. Er war tot und würde nicht wieder auferstehen. Nicht dieses Mal.



"Der Linke", antwortete der Kellner gelassen. "Sie brauchen sich lediglich umzudrehen. Er sitzt hinter Ihnen, Lady."



Es konnte unmöglich ER sein. Der Alkohol schien ihre Sinne zu trüben, ihren Wunsch zu einer Manie werden zu lassen. Nach den vergangenen Monaten wünschte sie sich ihn mehr zurück als jemals zuvor. Sie hatte sich seinen Tod einige Male gewünscht, doch als er plötzlich eingetreten war, da war sie fast zusammen gebrochen.



Sie wollte den Leuten nicht glauben, die ihr davon erzählten, doch letztlich gestand sie sich ein, dass er diesmal endgültig tot war. Dass er sie für immer verlassen hatte, ohne sich zu verabschieden. Er hatte es ja noch nicht einmal für nötig gehalten ihr zu erzählen, wohin er ging, oder davon, dass er Mulder und Scully erneut aufsuchen würde. Nichts. Er hatte ihr rein gar nichts erzählt.



***



"Komm schon, Marita. Dreh dich endlich um. Du weißt genau, dass ich es bin", sagte er leise zu sich selbst und auch zu ihr. Vielleicht würde sie ihn hören und seine Stimme wieder erkennen. "Tu nicht so, als hättest du das nicht erwartet."



Er kannte sie einfach zu gut, und wusste genau, dass ihre Neugierde den logischen Verstand ausschalten würde. Immer noch starrte er auf ihren Rücken, beobachtete wie sie sich ganz langsam umdrehte und ihn plötzlich entdeckte. Ihr ungläubiger Blick war mindestens eine Million Dollar wert und er wäre in diesem Augenblick bereit gewesen zu morden, um ein Bild davon machen zu können.



Alex grinste sie nur an und zwinkerte. Marita schloss die Augen, nur um sie gleich darauf wieder zu öffnen. Sie schien dem nicht zu trauen, was sie sah. Und er konnte es ihr nicht verdenken.

Wie erwartet stand sie schließlich auf und kam auf ihn zu. Inzwischen war sein Grinsen verschwunden. Abwartend sah er nun aus, auf ihre ersten Worte, die erste richtige Reaktion.



Unerwartet war es dann für ihn, als sie ihm eine Ohrfeige gab. Sie hatte es noch nie gewagt, die Hand gegen ihn zu erheben, ganz gleich, was er auch angestellt hatte. Er nickte nur, in dem Wissen, weshalb sie ihm eine klatschte. Er hatte es weiß Gott verdient.



"Es ist auch schön dich wieder zu sehen, Marita", sagte er ruhig und stand auf.



"Du verdammter Bastard! Hast du eine Ahnung, was ich in den letzten Monaten durchgemacht habe?" Sie sah ihn mit blitzenden Augen an. "Wie konntest du mir das antun, Alex?"



"Ich hatte keine Wahl, ich musste untertauchen. - Niemand wusste davon, dass ich noch lebe, keine Menschenseele."



Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie ließ sie nicht entrinnen. Dazu war sie zu stolz. "Ich bin nicht irgendjemand, Alex! Zumindest habe ich das angenommen, nach allem was war. Wieso hast du mich nicht benachrichtigt?"



Alex schwieg, und dies war schwerer für sie zu verkraften als jede andere Antwort. Vertraute er ihr wirklich nicht? Immer noch nicht? Würde sich das jemals ändern?



"Warum?", mehr bekam sie nicht hervor.



"Was meinst du mit warum?"



"Warum hast du es mir nicht gesagt? Warum gerade jetzt, wo ich allmählich wieder Boden unter den Füßen hatte? Warum zum Teufel kannst du mir nicht vertrauen, verdammt! Ich dachte, dass wir diese Lügenspielchen hinter uns hätten, dass wir zueinander stehen und ehrlich miteinander sind." Es waren so viele Fragen, die ihr im Augenblick durch den Kopf gingen. Sie konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich hier vor ihr stand. "Warum das alles, Alex?"



"Zu meinem Schutz, und auch zu deinem. Ich habe dich nie aus den Augen gelassen, Marita. Es musste sein, sonst hätten sie sich nicht in Sicherheit gefühlt und das sollten sie."



"Es ist mir doch vollkommen egal, was du denen vorlügst. Du hättest mir vertrauen können..." Sie sah Alex vorwurfvoll an und ließ sich auf den Stuhl gleiten, als ihre Beine durch den immer noch bestehenden Schock nachzugeben drohten. "Ich kann das nicht glauben."



"Dass ich noch lebe, oder dass ich es dir nicht sagen konnte?", wollte Alex wissen und setzte sich ebenfalls wieder an den Tisch.



"Beides, Alex." Ihr Blick war weiterhin ernst und traurig zugleich.



Er wusste, dass er sie damit verletzt hatte. Dass er ihr hätte vertrauen sollen, aber er konnte es nicht. All die Jahre beim Konsortium prägten ihn dermaßen stark, dass er nur sich selbst vertraute. – Es gab Zeiten, da hatte er Leute ausgelacht, die derartig paranoid waren. Leute wie Fox Mulder und Dana Scully. Im Nachhinein jedoch, das musste er zugeben, war man einfach sicherer und nicht so leicht angreifbar, wenn man niemandem vertraut.



Ihr Vertrauen hatte er, aber er konnte dies nicht erwidern, egal wie sehr er sich das auch wünschte oder sie es sich ersehnte. Es war ihm unmöglich.



"Kannst du mich nicht einfach so akzeptieren, so wie ich bin? Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin, dass ich sogar weit davon entfernt bin dies zu sein. Dein Vertrauen habe ich im Prinzip nicht verdient." Alex sah in ihre grünen Augen, die durch Tränen mehr und mehr glänzten. "Ich weiß, dass ich dich nicht verdient habe. – Ich habe jedoch niemand außer dir, du kommst dem am nächsten was ich als Vertrauensperson bezeichnen würde."



Sie nickte nur schwach. Ihr fehlten die Worte.



"Ich möchte dir vertrauen, und wenn dieser ganze Wahnsinn einmal sein Ende gefunden hat und wir normal leben können, dann werde ich dieses Vertrauen fassen können. Du bedeutest mir sehr viel, Marita. Das musst du mir einfach glauben."



"Du zeigst es aber nicht besonders häufig, Alex. Wieso sollte ich dir glauben? Irgendwann ist auch für mich die Grenze erreicht. Ich kann nicht immer nur geben, ich möchte auch mal etwas zurückbekommen. Das ist etwas, das du allmählich mal verstehen solltest." Nie hätte sie sich selbst eine solche Härte zugetraut. Immer hatte sie ihn mit offenen Armen empfangen, egal wie niederträchtig er sich ihr gegenüber auch aufgeführt hatte. Nicht weil sie glaubte, dass dies der richtige und einzige Weg war, sondern weil sie ihn liebte und ihm beweisen wollte, dass Liebe sprichwörtlich Berge versetzten konnte.



Seine Liebe jedoch schien noch nicht einmal groß genug, um einen Ameisenhügel zu versetzen. Und allmählich war sie es leid, wirklich leid, nur zu geben und nichts von ihm zurückzubekommen. War dieser Mensch überhaupt fähig zu lieben und zu vertrauen? Sie verlor zunehmend den Glauben daran. Und wie sie empfand, aus gutem Grund.



"Ich kann es einfach nicht, Marita. Dir die Liebe geben, die du verdienst, das Vertrauen schenken, das ich eigentlich längst in dich haben sollte. – Ich bin abgestumpft, unfähig diese Gefühle zu erwidern."



„Das ist doch Blödsinn, Alex. Ein Mann, der eine Frau derart berührt, körperlich wie seelisch – so wie du mich berührst, kann nicht unfähig sein Liebe zu geben. Wenn du es dir allerdings lange genug einredest, dann wird das eines Tages so. Und sei dir gewiss, mein Lieber, dann bin ich tatsächlich niemals wieder für dich da und bereit dir aus der Patsche zu helfen, dir Wärme und Vertrauen zu geben.“ Ihm diese Worte an den Kopf zu knallen tat ihr bestimmt mehr weh als ihm, aber sie konnte nicht so tun, als sei alles in Ordnung, nur weil er hier vor ihr saß und auf seine Weise um Verzeihung bat.



"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ehrlich nicht…" Alex lehnte sich in seinen Stuhl zurück und starrte wieder auf sein Glas Wodka. Ihm war bewusst, dass er diesmal zu weit gegangen war.



***



Den Nachmittag über hatten sich ihre Gespräche regelrecht im Kreis gedreht. Es war immer wieder auf die gleichen Fragen und Antworten hinausgelaufen. Marita konnte und wollte ihn nicht verstehen. Nicht mehr – sie kapitulierte.



Als die Sonne bereits hinter dem Horizont untergegangen war und sie vor Maritas Hotelzimmertür standen, sah sie ihn aus großen Augen an. "Was erwartest du jetzt?", wollte sie wissen und schob die Plastikkarte in den Schlitz, um die Tür zu öffnen.



"Dass wir uns wieder zusammen tun. Dass wir dort weitermachen, wo wir aufgehört haben... Solche Dinge", sagte er mit einem undefinierbaren Lächeln, das irgendwo zwischen Hoffen und Bangen schwebte. Zärtlich strich er ihr eine Strähne ihres blonden, seidenweichen Haares aus der Stirn.



Sie funkelte ihn bitter aus ihren grünen Augen an. "Du glaubst, dass du mich derartig täuschen und dann so mir nichts dir nichts wieder in mein Bett hüpfen kannst? Sag’ mal, hast du den Verstand verloren, Alex?!"



Zunächst sah er sie stumm an, doch dann ließ er seine gesunde Hand unter ihr Haar an ihren Nacken wandern und zog sie nahe zu sich. "Wir sind für einander bestimmt, Marita. Du und ich wir gehören einfach zusammen, auch wenn wir kein gewöhnliches Paar sind, das gewöhnliche Liebe füreinander empfindet. Wir sind wie Drogensüchtige abhängig vom anderen und du begehrst mich mindestens ebenso sehr wie ich dich." Mit diesem Worten versiegelte er ihre Lippen mit seinen, noch ehe sie zu einer Antwort ansetzen konnte.



Erst war es ein unerwiderter Kuss und Marita versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, nicht gewillt ihm alles zu verzeihen und sich ihm und seiner Begierde hinzugeben. – Doch als er mit seiner Zunge ihre berührte, ihren Mund einnahm und erforschte, sie ihn schmeckte, da wurde ihr Widerstand gebrochen. Sie gab sich ihm hin, öffnete noch während des andauernden Kusses die Tür zu ihrem Zimmer und zog ihn mit sich hinein.



Dafür, dass er eigentlich tot sein sollte und gar nicht hier sein durfte fühlte es sich verdammt gut an, von ihm berührt zu werden. Nein, ihre Liebe war wahrlich keine gewöhnliche. Jedoch war sie stark und schweißte sie beide zusammen, obwohl sie so gegensätzlich waren und im Grunde gegeneinander spielten. Im beruflichen Leben Feinde, privat jedoch Geliebte – für alle Zeit. Von einander angezogen, wie zwei Magnete.



***



Als die Sonne ihre ersten Strahlen durch ihr Fenster schickte und sie die Vögel draußen zwitschern hörte drehte sich Marita langsam im Bett herum, um ihren Kopf auf Alex’ Brust legen zu können, doch er war nicht wie erwartete neben ihr. Sie seufzte und schaute zum nahegelegenen Fenster hinaus. Wie immer, schoss es ihr in den Sinn. Du bist ihm erneut erlegen und er hat dich abermals zurückgelassen.



Plötzlich hörte sie aus dem Badezimmer das Geräusch der Toilettenspülung und ein erleichtertes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Vielleicht hatte er endlich begriffen und würde ab jetzt nicht mehr mit ihr spielen. Sie hoffte es.

Und als Alex sich wieder neben sie ins Bett legte, schlang sie ihre Arme um ihn, dankbar, dass er nicht gegangen war.




ENDE
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