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Beyond the Truth

von XFilerN

Kapitel 4

~* 4 *~



Dienstag, 10.11.2006



„Sind Sie soweit?“, fragte Scully und zog die Tür hinter sich ins Schloss. John stand im Korridor des Hotels und schien bereits auf sie gewartet zu haben. Er nickte. „Dann mal los.“

In Schweigen gehüllt, folgte John ihr ins Parkhaus, zu ihrem Mietwagen und beobachtete dabei jeden ihrer Schritte. Er musterte sie eingehend und hoffte dabei, dass es ihr nicht auffiel.

„Wir werden zunächst nach Arlington fahren, John. Dort haben Sie gewohnt und möglicher Weise kommt etwas zurück, wenn Sie Ihr altes Apartment sehen“, sagte Scully und stieg in den Wagen ein. Während sie sich anschallte, fuhr sie damit fort, ihm die heutige Route zu erläutern. „Danach werden wir alten Freunden einen Besuch abstatten.“

„Freunde?“ John sah ihr kurz in die Augen, als auch er seinen Platz auf dem Beifahrersitz eingenommen hatte.

„Ja. Sie sind zwar ein wenig komisch, aber sie haben uns in der Vergangenheit oft geholfen.“

„Also Informanten?“, hakte John erneut nach und Scully schüttelte unmerklich den Kopf.

„Nein, nicht direkt. Sie sind eher Verschwörungstheoretiker und geben den Lone Gunmen heraus. Eine Zeitschrift in der sie Enthüllungen bekannt geben und...“

„Spinner also“, griente John.

„Ja, irgendwie schon. Aber sie waren unsere Freunde und haben uns oft geholfen, wenn wir mit unserem Latein am Ende waren. Sie sind okay, glauben Sie mir.“ Scully sah ihn mit einem Blick an, den John nicht so recht deuten konnte. Offenbar waren diese Freunde nicht gerade A-typisch.



Als Scully den Wagen am Straßenrand parkte, warf John einen flüchtigen Blick auf das Wohnhaus. Es sah aus, wie all die anderen, an denen sie die letzten Minuten vorbeigefahren waren. Nichts kam ihm besonders daran vor und es brachte ihm auch seine Erinnerung nicht zurück.

„Das ist es, John. Hier haben Sie vor fünf Jahren gewohnt“, erklärte Scully und löste den Sicherheitsgurt. „Ich habe die Miete etwa ein Jahr weiterbezahlt, da ich die Hoffnung nicht aufgeben wollte. Irgendwie gab mir die Gewissheit, dass Sie wieder in Ihre alte Wohnung ziehen könnten, den nötigen Auftrieb die Suche aufrecht zu erhalten.“ John nickte und verzog den Mund zu einer schmalen Linie.

„Aber dann mussten Sie doch aufgeben, hm?“

„Nein, das nicht. Der Vermieter rief mich eines Tages an, und meinte dass er Interessenten für das Apartment hätte. Auch wenn die Miete weiterhin von mir bezahlt wurde, so wollte er dennoch die Wohnung nicht leer stehen lassen. Und so kündigte ich schließlich den Mietvertrag.“ Scully sah John ein wenig traurig an. Im Gegensatz zu ihm kamen ihre Erinnerungen an viele Stunden, die sie gemeinsam in seiner Wohnung verbracht hatten, zurück. Sie erinnerte sich an die unzähligen Fälle, die sie hier zusammen durchgegangen waren. Auch fiel ihr wieder ein, dass sie einmal um ein Haar in dieser Wohnung getötet worden war, und die Kugel damals nur knapp daneben ging. Scully schmunzelte, als sie sich zurück erinnerte an die Nacht – die erste Nacht, die sie mit Mulder verbracht hatte und die ihre Beziehung völlig verändert hatte. In diesem kleinen Apartment hatten sie sich geliebt.

„Woran denken Sie?“, wollte John wissen, als ihm ihr leerer Blick und das kleine Lächeln auffielen.

„An nichts Besonderes. Vergessen Sie’s“, winkte Scully seine Frage ab. Er war noch nicht soweit, um alle Details, ihre Beziehung betreffend, zu erfahren. „Sollen wir mal versuchen, ob wir hinein kommen?“

„In die Wohnung?“, fragte John. Sein Blick glitt wieder zu dem Wohnhaus hinüber.

Scully nickte. „Ja, selbstverständlich.“

„Was wenn niemand da ist, oder man uns nicht reinlassen will?“

„Tja, für den Fall das niemand da ist, kenne ich eine Lösung. Sie ist nicht unbedingt legal, aber...“ Sie lächelte ihn frech an und wackelte einwenig mit den Brauen.

„Nein, nein. Lieber nicht. Ich möchte keinen Ärger bekommen.“ John schaute ihr wieder in die Augen. Sie schien leicht eingeschnappt, aber nicht wirklich sauer zu sein. „Es würde mir ohnehin nicht helfen. Allmählich denke ich, dass egal wie sehr Sie sich bemühen, mir nichts meine Erinnerungen wiederbringen kann.“

„Hey, nicht so pessimistisch. Das sieht Ihnen nicht ähnlich, John.“ Einen Augenblick dachte Scully nach. Dann bekam sie plötzlich eine Idee und klopfte enthusiastisch aufs Lenkrad. „Ich hab’s! Warum bin ich nicht früher drauf gekommen?“

„Was – ist Ihnen was eingefallen?“

„Jep, in der Tat, das ist es“, meinte Scully freudig und schnallte sich wieder an. „Ihre Sachen – Möbel, Kleidung und so weiter – sind in einem Lagerhaus, nicht weit von hier. Ich konnte schließlich nicht ihre ganze Ausstattung mit nach Seattle nehmen, aber hergeben wollte ich es auch nicht, daher...“

„Was soll das bringen? Ich habe mir die Fallakten angesehen, viel über meine Familie erfahren und mir das Apartmenthaus angesehen und nichts hat geholfen.“

Scully warf ihm einen leicht genervten Blick zu. „Gerüche, das ist bewiesen, helfen oftmals Erinnerungen zu wecken. Nichts bleibt so stark im Gedächtnis erhalten, wie Düfte“, sagte Scully und fuhr wieder los.

„Ich dachte, wir wollen noch zu diesen Typen fahren – unseren Freunden?“, bemerkte John und befestigte ebenfalls den Gurt.

„Die müssen sich noch etwas gedulden. Da sie noch keine Ahnung von unserem Besuch haben, spielt es auch keine Rolle, wann wir dort eintreffen. – Wichtiger ist jetzt, dass wir zu diesem Lagerhaus fahren.“

„Wenn Sie meinen“, kam es schulterzuckend von John.





Mit einem nahezu ohrenbetäubenden Surren verschwand die Rolltür in der Decke des Lagerraums und zum Vorschein kam nahezu alles, was John je sein Eigen genannt hatte. Möbel und Kartons türmten sich so hoch, dass es so aussah, als ob diese jeden Augenblick über John und Dana zusammenstürzen würden.

„Was für ein Durcheinander“, raunte John und trat in den Raum ein.

„Ihre Wohnung hat damals nicht viel anders ausgesehen“, scherzte Scully und folgte John, der sich zu ihr umwandte und ihr einen strengen Blick zuwarf. „Im Ernst, Sie waren nicht sonderlich ordentlich. Jedenfalls nicht nach meinen Maßstäben“, endete sie provokant und John zog die linke Braue hoch. Es folgte ein Grinsen, welches Scully erwiderte, bevor sie sich daran machte, den ersten Karton zu öffnen.

„Ich fasse es nicht, das praktisch mein ganzes Leben, alles was einmal mir gehört hatte, in diesen kleinen Raum passt“, meinte John ungläubig und begann ebenfalls die Kartons zu sichten.

„Im Vergleich zu mir haben Sie in der Tat ein recht spartanisches Leben geführt. Sie waren mit wenig zufrieden.“ Scully sah kurz zu ihm hinüber und widmete sich dann aber wieder der Kiste vor sich, in der sich ein paar von Mulders Kleidungsstücken befanden.

„Nach allem was ich bis jetzt über mein alter Ego erfahren habe, scheine ich nicht mehr sehr viel mit ihm gemein zu haben. Sind Sie sich auch sicher, dass ich der Mann bin, den Sie gesucht haben?“, fragte John und betrachtete einige der Kleidungsstücke, die er nach und nach aus dem Karton zog.

„Kein Zweifel, John, Sie sind es. Wenn man nach dem Äußeren gehen kann, bin ich mir hundertprozentig sicher. Ich muss aber zugeben, dass Sie nur noch wenige von Mulders Charaktereigenschaften besitzen. – Vielleicht sollte ich zur Sicherheit Ihre DNA untersuchen, nur um jeden Zweifel auszuschließen“, scherzte Scully. Dann verschwand plötzlich ihr Lächeln. Sie hielt Mulders schwarze Lederjacke in der Hand. Schwermütig erinnerte sie sich daran, wie gut ihm diese immer gestanden und wie sexy er stets darin ausgesehen hatte. Ihr fiel es so unglaublich leicht, sich auch nach fünf Jahren an jedes Detail zu erinnern. Warum nur schien bei John jeder Versuch vergebens zu sein?

„Na, wenigstens hatte ich Geschmack, was die Kleidung anbelangt“, sagte John und kam auf Scully zu, nachdem er die Jacke gesehen hatte. Er nahm sie ihr aus den Händen und schlüpfte hinein. „Denken Sie, dass ich sie behalten kann?“

Scully nickte stumm und versuchte angestrengt den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken. Tränen drohten sich ihren Weg an die Oberfläche zu bahnen und sammelten sich in ihren Augen. Die Jacke stand ihm wie eh und je und für den Bruchteil einer Sekunde bekam Scully das Gefühl, als stünde der alte Mulder vor ihr.

John sog den Geruch des Leders in sich auf und strich mit beiden Händen das angenehm kühle Material glatt. Er schloss die Augen, um sich ganz auf den Duft konzentrieren zu können, um diesen Sinn zu schärfen – doch es half alles nichts. Trübsinnig schüttelte er den Kopf. „Nichts. Es kommt nicht das kleinste Bisschen zurück, Dana.“

Schnell wischte sie sich die einzelne Träne weg, die sie nicht hatte zurückhalten können und sah zu John auf. „Sie können die Jacke und alles behalten, John. Es ist schließlich Ihr Eigentum. Vielleicht sollten Sie alles nach Seattle schicken, um es sich dort in Ruhe anzusehen.“

„Gute Idee, das mache ich.“ John sah, dass ihre Augen feucht waren, doch er hielt es für besser, nicht weiter darauf einzugehen. Er kannte diese Frau schließlich erst seit wenigen Tagen. Sie jetzt in den Arm zu nehmen, um ihr Trost zu spenden, schien ihm unangebracht. Und möglicher Weise würde diese Geste ihren Gemütszustand nur noch verschlechtern. Dazu kam, dass er ihre Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle nicht mit ihr teilte.

„Vielleicht sollten wir weiter. Ich möchte nur allzu gern sehen, wen ich als meine Freunde bezeichnet habe“, wechselte John schließlich das Thema.

„Einverstanden.“ Scully legte die Kleidungsstücke wieder in den Karton und verschloss ihn provisorisch.



Bevor Scully den Lagerraum wieder sorgsam verriegelte, warf sie noch einen letzten Blick auf die Überbleibsel der Vergangenheit. Mit jeder Stunde, die sie mit John damit zubrachte ihm sein altes Leben wiederzugeben, verlor sie mehr an Hoffnung auf einen Durchbruch. So vieles hatten sie nun schon versucht, doch jede Bemühung war bislang vergebens.

Und auch, dass die Lone Gunmen hilfreich sein würden, zweifelte sie an. Wieso sollten sie mit ihrer Hilfe auch nur einen Schritt weiterkommen? Es war, als gingen sie eine endlose Gerade entlang, wobei das Ziel noch so weit entfernt lag, dass sie es nicht einmal annähernd sehen konnten.





Sie hörten deutlich Schritte, die sich vom Innern der Wohnung in Richtung der massiven Tür näherten und Scully atmete erleichtert aus. Die Gunmen schienen zu Hause zu sein. Sie wechselte mit John einen kurzen Blick aus, als sie eine gedämpfte Stimme hörten, „Das ist nicht wahr – Frohike, Byers, ihr glaubt nicht, wer uns besuchen kommt!“, und sich die Tür öffnete.

„Hallo, Langly“, grüßte Scully den blonden Mann und lächelte ein wenig.

„Scully! Mulder?“, Frohike und Byers kamen aus einem der hinteren Zimmer und staunten nicht schlecht, als sie die Beiden in der Tür stehend vorfanden. Schnell wurden sie herein gebeten.

„Jungs, das ist John Donahou“, stellte Dana ihn vor. „John, das sind Byers, Langly und Frohike.“

Die vier nickten sich kurz zu.

„John?“, erkundigte sich Byers und sah Dana fragend an.

„Das ist nicht leicht zu erklären“, begann sie und schilderte den Dreien, was sich in den vergangen Tagen ereignet hatte. John wiederum erzählte ihnen seine Version, und dass er hierher gekommen war, um sein alter Ego wieder zu finden.

Eine Weile brauchten die Drei, um das Ganze zu verdauen. Da hatten sie nach fünf Jahren endlich wieder Kontakt zu Mulder und dann war er es irgendwie doch nicht? Sie wechselten untereinander verdutzte Blicke, dann erzählen sie John, wie sie sich lange vor Scullys Zeit kennen gelernt hatten.

„Tja, das waren einige sehr interessante Geschichten. Danke, aber es ist, wie ich annahm – wirkungslos“, sagte John, nachdem er sich über eine Stunde die Anekdoten der Lone Gunmen hatte anhören dürfen.

„Es ist wirklich nichts zurück gekommen, Mulder?“, erkundigte sich Frohike und fing sich von John einen irritierten Blick ein.

„Bitte nennen Sie mich John, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Ich teile Ihre Erinnerungen nun einmal nicht und habe mich an meinen Namen gewöhnt“, bat John und sah von den Dreien zu Scully und wieder zurück.

Vollkommen entmutigt stand Dana auf und deutete John an, dass sie gehen würden. Auch hier verschwendeten sie offenbar ihre Zeit und inzwischen war es schon spät geworden. Sie hatte ihrer Tochter versprochen, sie anzurufen und wollte dieses Versprechen nicht brechen.

„Ich danke euch, dennoch“, sagte Scully an ihre Freunde gerichtet. „Ich melde mich bei euch, sobald ich wieder zu Hause bin, oder sich etwas Neues ergibt.“

„Ihr wollt schon gehen?“, fragte Byers überrascht und auch die anderen Beiden sahen fragend zu Dana und John auf.

„Ja, hier kommen wir nicht weiter und ich möchte Kathryn noch anrufen.“ Scully rang sich nur mit Mühe ein Lächeln ab, nahm dann ihre Jacke von der Stuhllehne und sah John an.

„Hey, Mu... John, Sie können sich ja mal melden.“ Frohike warf ihm einen zwinkernden Blick zu.

Er nickte lächelnd. „Ja, das mache ich vielleicht. – Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.“

„Nichts zu danken, ihr Beiden“, erwiderte Byers und schloss ihnen die Tür wieder auf.

Ohne auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein, machten sich die Beiden wieder auf den Rückweg ins Hotel.

Die gesamte Fahrt über schwiegen sie sich an, und auch als sie in ihre jeweiligen Zimmer verschwanden, sagte keiner auch nur ein Wort. Beide hingen ihren Gedanken nach und verarbeiteten den Tag auf ihre individuelle Art. Es war, als wäre alles gesagt und getan worden.





Ihr Handy klingelte unmittelbar, nachdem sie das Gespräch mit Kathy beendet hatte. Entnervt holte sie es aus ihrer Tasche und nahm das Telefonat an.

„Scully.“

„Skinner, hier. Und haben Sie Fortschritte gemacht?“, wollte er wissen.

Sie schüttelte den Kopf unmerklich. „Nein, Walter. Nichts scheint zu funktionieren. – Ich schätze, ich gebe es auf und fliege morgen wieder zu meiner Tochter.“

„Verstehe... Mir kam auch keine sinnvolle Idee mehr, nachdem ich mir die letzte Nacht um die Ohren geschlagen habe. Halten Sie mich aber bitte auf dem Laufenden, ja?“

„Selbstverständlich, das werde ich. Obwohl ich im Augenblick ziemlich hoffnungslos bin. – Bitte richtigen Sie Doggett Grüße aus. Sagen Sie ihm, dass es mir leid täte, dass ich mich nicht mehr persönlich verabschieden konnte.“

„Das werde ich. Passen Sie auf sich und auch auf Mulder auf“, schloss Skinner und beendete das Telefongespräch.





Gerade als er in einen leichten Dämmerschlaf gefallen war, hörte er ein Klopfen an der Tür und schrak auf. „Wer ist da?“, erkundigte er sich gähnend und bequemte sich wieder aus dem Bett.

„Ich bin es.“

Verwundert öffnete John die Tür und bat Dana herein. „Ist alles okay?“

„Ja – ich denke schon. ...John, ich würde gerne morgen wieder nach Seattle zurückfliegen. Wir kommen hier nicht weiter und...“

„Sie müssen es mir nicht erklären. Ich bin auch dafür, dass wir nach Hause gehen. Haben Sie denn schon einen Flug gebucht?“, erkundigte er sich und schloss die Tür, nachdem Scully eingetreten war.

„Ja, vor einer halben Stunde. Es ist zwar kein erster Klasse Flug, aber dafür habe ich für morgen um 11:00 Uhr noch zwei Plätze bekommen.“ Sie sah ihn an und bemerkte seine stille Zustimmung, als er schwach nickte. Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber, bis Scully die Stille nicht mehr ertrug, zurück zur Tür ging und meinte: „Ich schätze, dann gehe ich jetzt wohl besser wieder.“

Wie aus einen Trancezustand erwacht, erwiderte John hastig: „Dana, bitte... Wir – ich meine... Gott, wieso fällt es uns seit heute Mittag so schwer miteinander zu reden?“

Sein Blick, dieser leicht traurige Mulder-Blick, schmerzte sie auf eine seltsame Weise. Er sah sie an, wie damals, als sie beim FBI kündigen wollte und er sie im Flur seines Apartmenthauses versucht hatte, davon abzuhalten. „Ich weiß es nicht, John. Möglicherweise weil wir die letzten zwei Tage sehr viel Zeit miteinander verbracht haben, weil wir beide ziemlich harte Rückschläge einzustecken hatten. Keine Ahnung“, wisperte sie und atmete tief durch.

„Sehen Sie eine Möglichkeit, dass wir uns nicht ‚wieder’ völlig aus den Augen verlieren und eventuell versuchen können unsere Freundschaft neu aufzubauen?“ Noch immer sah er sie mit diesem Blick an.

Scully lächelte, „Einen Versuch ist es wert“. Wieder hielt sie einen Augenblick inne. Sie wollte ihm nicht zeigen, dass sie mehr als nur eine Freundschaft zu ihm haben wollte. Sie würde lernen müssen, damit umzugehen und auch damit zufrieden zu sein, selbst wenn es ihr noch so schwer fiel.

„Danke, Dana“, riss seine sanfte Stimme sie plötzlich aus den Gedanken.

„Nichts zu danken, wirklich. Ich habe es ja nicht nur für Sie getan.“ Wieder umspielte ein schwaches Lächeln ihre zarten Züge. „Ich werde jetzt aber wirklich gehen.“

„Okay“, stimmte John ihr zu, so ungern er sie jetzt schon gehen ließ, er wusste, dass es besser so sein würde. Die letzten Tage hatte sie sehr viel durchgemacht und er verstand, dass sie erst mal einen gewissen Abstand zu ihm brauchte.

Als sie durch die Tür gegangen war, sah er ihr noch so lange nach, bis sie in ihrem Zimmer verschwand. Nach den letzten beiden Tagen, musste John sich eingestehen, dass er es sich gut vorstellen konnte, einmal sehr tiefe Gefühle für sie empfunden zu haben. Er schätzte und respektierte Dana nach nur so wenigen Tagen, die sie sich kannten. Und nicht nur das; er vertraute ihr.

John ging hinüber ins Badezimmer und blieb vor dem Spiegel stehen, musterte sein Gegenüber kritisch. Die Augen zusammengekniffen, versuchte er darin zu lesen, forschte darin, als würden sie der Schlüssel sein, um sich selbst wieder zu finden. Nur ein Gedanke, eine einzige Frage, doch Antwort hatte er noch immer nicht bekommen. Grünbraune Augen schauten ihn aus dem Spiegel an, verbargen seine Vergangenheit vor ihm. Angestrengt versuchte er sich an die Zeit, an die Tage zu erinnern, bevor er in diesem sterilen Raum im Krankenhaus unter wildfremden Menschen erwacht war, doch was er sah war nichts. Ein tiefes, unergründliches und alles verschlingendes Schwarz.





Sie sah schwarze Linien, die sich entlang der Zimmerdecke zu bewegen schienen. Sie schlängelten sich unkontrolliert über das matte Weiß, wie eine Schlange die sich durch den Sand in der Wüste fortbewegt. Als Ärztin wusste Scully, dass sie durch das Weiß an der Decke ihre eigene Netzhaut ansah, dass diese Linien lediglich ihre Adern waren. Adern die Blut transportieren. Blut, welches letztlich zu ihrem Herzen floss. Sie fasste sich nachdenklich an ihr Herz. Sie dachte wieder an diesen kurzen Augenblick im Büro zurück, als er sie sanft berührt hatte und fühlte erneut das Kribbeln. Der bloße Gedanke an ihn löste in ihr so viele gemischte Gefühle aus. Sie hatte Angst sich von ihm berühren zu lassen, fürchtete, dass dieser Schmerz sie nicht wieder loslassen würde.

„Mulder“, wisperte sie sanft seinen Namen. Der Schmerz wurde stärker, unerträglich, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. , dieses Wort hallte in ihrem Kopf wieder und sie fragte sich, ob es so einfach sein würde. War sie imstande alles zu vergessen, was zwischen ihnen gewesen war? Nein! Wie sollte sie das vergessen, wenn sie jeden Tag Kathryn um sich hatte, die so viele Eigenschaften von ihrem Vater besaß? Wenn sie in die Augen ihrer Tochter sah, dieser freche Blick, wenn sie etwas im Schilde führte... Es war sein Blick.

Zu stolz sich den Gefühlen hinzugeben, die sie überkamen, wischte Dana sich die Tränen fort und schloss die Augen. Sie musste einen Weg finden, mit John befreundet zu sein, ohne sich ständig an längst vergangene Zeiten zu klammern. Sie musste es, für Kathryn und für sich selbst.
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