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Anticipation

von XFilerN

Kapitel 2

Um 18:23 Uhr
Doggetts Haus
Falls Church, Virginia

Agent Scully ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und folgte ihrem Partner ins Wohnzimmer, wo sie ihre kleine Reisetasche neben der Couch abstellte.
„Sie haben ein schönes Haus, Agent Doggett. Ich schätze, das habe ich Ihnen bisher noch nie gesagt.“ Scully sah sich beeindruckt in dem großen Wohnzimmer um, das an einige andere Zimmer, wie die Küche, angrenzte. Doggett war eindeutig ein ordentlicher Mann, denn nirgendwo konnte Scully schmutzige Wäsche, Geschirr vom Vortag oder dem Frühstück oder ähnliches entdecken. Auch war sein Haus geschmackvoll eingerichtet und machte einen gemütlichen Eindruck auf sie. An den Wänden hingen vereinzelt Fotos in einfachen Glasrahmen und einige Auszeichnungen, die Doggett zweifellos im Laufe seiner Karriere bekommen hatte.
„Sie waren auch noch nicht sehr oft hier“, antwortete er. Dann ging er wieder zurück ins Foyer, von wo Treppen in den ersten Stock hinaufführten. „Wenn Sie möchten, Agent Scully, dann können Sie gerne ein Bad oder eine Dusche nehmen. Ich werde mich solange um unser Abendessen kümmern.“ Er deutete die Treppen hinauf als Scully zu ihm kam. Ihr Blick folgte seiner Geste und sie nickte dankbar.
„Sie wollen unser Abendessen machen?“, fragte Scully einwenig überrascht.
„Aber ja. Trauen Sie es mir nicht zu, dass ich kochen kann? Was glauben Sie, wie ich all die Zeit überlebt habe?“ Er sah sie mit einem kleinen Lächeln an und sie schüttelte einfach nur den Kopf. Dann ging Scully zurück ins Wohnzimmer, nahm ihre Tasche und schob sich an ihrem Partner vorbei, hinauf in das obere Stockwerk.
„Die dritte Türe links ist das Bad, die zweite das Schlafzimmer“, erklärte Agent Doggett.
„Das Schlafzimmer kenne ich schon“, entgegnete Scully mit einem Zwinkern und stieg die Treppen hinauf.

John erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem Scully ihm das Leben gerettet hatte. Zwar hatte sie es ihm nicht glauben wollen, dass er damals nur knapp dem Tod entkommen war, aber ihm war dieser Tag nur allzu gut im Gedächtnis haften geblieben. Hätte sie ihn nicht geweckt, dann... Er wollte diesen Tag kein weiteres Mal erleben und so schob er diesen Gedanken schnell wieder beiseite, durchquerte das Wohnzimmer und ging in die Küche. Dort schaltete er das kleine Radio an, welches auf der Anrichte gleich neben seiner Kaffeemaschine stand, und machte sich daran die benötigten Lebensmittel zusammen zu tragen.

Unterdessen hatte Scully sich im Badezimmer eingeschlossen und zog ihre Kleidung aus. Sie betrachtete ihren stetig wachsenden Bauch kritisch im Spiegel, der sorgfältig an der Innenseite der Badezimmertür angebracht war. Schwangerschaftsstreifen hatte sie bisher noch keine bekommen, aber dass dies auch so bleiben würde wollte sie nicht beschwören. Ihr zierlicher Körper würde sich in den nächsten vier Monaten noch stark verändern und zweifellos würde ihre Haut nicht von der Fülle des Bauches verschont bleiben. Behutsam streichelte sie über ihren Bauch und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Plötzlich spürte sie das Baby, das sich in ihr zu drehen schien. Sind das deine Füße?, fragte sie ihr ungeborenes Kind im Stillen und betrachtete die deutliche Beule auf ihrem Bauch. Vorsichtig tippte sie dagegen, in der Hoffnung, dass es sich nochmals bewegen würde. Und tatsächlich das Baby drehte sich ein weiteres Mal. Wie du wohl aussiehst. Bist du ein Junge oder ein Mädchen? Gott, was würde ich darum geben dich jetzt ansehen und halten zu dürfen... Langsam wandte sich Scully vom Spiegel ab, drehte das Wasser in der Dusche auf und durchsuchte Doggetts Schränke nach einem Handtuch. Nachdem sie fündig geworden war, stieg sie in die Duschkabine und genoss das heiße Wasser auf ihren müden Muskeln.

***

Nach dem Essen hatten sie sich ins Wohnzimmer begeben, wo Scully sich abermals die Fotos an der Wand ansah, diesmal jedoch etwas genauer als beim ersten Mal. Sie betrachtete das Bild einer Frau, die etwa in ihrem Alter war.
„Wer ist das?“, erkundigte sie sich und sah fragend zu ihrem Partner, der mit zwei Tassen Kaffee zu ihr herüber kam.
Er reichte ihr eine davon und deutete mit der linken Hand, in der er seinen Kaffee hielt auf das Bild. „Das ist meine Exfrau. Und das hier...“, Doggett deutete auf ein etwas größeres Bild rechts von dem vorigen „das ist mein Sohn.“
Scully sah ihn etwas erstaunt an. „Was ist schief gelaufen?“
Doggett wurde nachdenklich und ging zur Couch hinüber, auf die er sich dann mit einem Seufzen sinken ließ. „Unsere Ehe ging kurz nachdem Verlust unseres Sohnes in die Brüche. Wir haben es zu verschieden verarbeitet... Während sie jemanden brauchte, der sie halten und ihr Trost spenden sollte... habe ich meinen Kummer hinter meiner Arbeit versteckt.“
„Das muss schwer für Sie gewesen sein“, sagte Scully mitfühlend. Inzwischen wusste sie nur allzu gut, was es hieß jemanden, der einem nahe stand, zu verlieren.
Er nickte. „Ja, aber für meine Frau war es vermutlich noch schwerer. Ich war ihr kein guter Mann, habe viel gearbeitet und...“
Am Liebsten hätte Scully sich selbst getreten. Wie hatte sie nur so unsensibel und neugierig sein können? Sie schien Doggett an einem wunden Punkt getroffen zu haben. Sie entdeckte da plötzlich eine Seite an ihm, die ihr bislang gänzlich verborgen gewesen war. Ihr sonst so reservierter und stets korrekter Partner wirkte mit einem Mal verwundbar. Warum zeigte er ihr diese Seite? Sie selbst hatte sich bisher nur wenigen Menschen derart offenbart.
„Geben Sie nicht sich die Schuld daran, Agent Doggett. Der Schmerz, über den Verlust Ihres Sohnes war möglicherweise nur der Auslöser...“
„Ja, das war er tatsächlich. Ich schätze wir waren damals einfach zu jung, haben zu impulsiv gehandelt als wir uns das Eheversprechen gaben. Zunächst waren wir auch glücklich – sehr sogar. Ein halbes Jahr nach unserer Heirat bin ich dann zu den Marines gegangen... Das hat alles verändert.“
„Die haben Sie gebrochen, um Sie anschließend neu aufzubauen...“, meinte Scully leise und setzte sich neben ihren Partner.
„Ja, das haben sie. Danach war ich einfach nicht mehr der junge Mann, in den Clarissa sich einst verliebt hatte. Vielleicht wurde ich für sie zu schnell erwachsen.“ Doggett nahm einen großen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück. Er vermied es seine Partnerin direkt anzusehen, wollte vermeiden, dass sie alles über ihn in seinen Augen sehen konnte.
Eine Weile saßen die beiden Agenten schweigend neben einander, bis Scully die Stille letztlich brach.
„Ich schätze, dass ich besser schlafen gehen sollte. Es war ein langer Tag und morgen haben wir wieder viel Arbeit vor uns.“
Er nickte gedankenversunken. „Ja, okay. Schlafen Sie gut, Agent Scully.“
„Sie auch“, erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln und stellte die leere Kaffeetasse auf den Couchtisch. „Bis morgen...“

Nachdem Scully ins Schlafzimmer hinauf gegangen war, nahm Doggett sich die Bettsachen, die auf einem der Sessel lagen und machte sich die Couch zurecht. Noch immer in Gedanken versunken befreite er sich von seiner Kleidung und legte sich schließlich mit Shorts und T-Shirt schlafen. Was war nur in ihn gefahren, als er seiner Partnerin eben diesen Einblick in sein Privatleben gegeben hatte? Er hatte sich geschworen niemals wieder jemanden so nahe an sich heran zu lassen, aus Angst erneut diesen Schmerz von damals zu erfahren. 
In dieser Nacht fiel John Doggett in einen unruhigen Schlaf.


8. November / 8:46 Uhr
FBI Hauptquartier
Washington D.C

„Wir müssen irgendetwas wichtiges übersehen haben“, sagte Agent Doggett, nachdem er zusammen mit Scully nochmals sämtliche Unterlagen und Notizen durchgegangen war. „Es ist als würden wir uns im Kreis bewegen und keinen Schritt weiter kommen.“
Sie nickte mit kritischem Blick auf die vielen Notizblätter, die auf dem Schreibtisch lagen. „Das denke ich auch. Nur was haben wir übersehen?“
„Wir haben bei Wang die Laborergebnisse, die darauf schließen lassen, dass sie ruhig gestellt wurde und bei Potters haben wir die Schädelfraktur, die auf einen Schlag auf den Hinterschädel hinweißt“, fasste Doggett die wichtigsten Fakten zusammen.
„Ich habe Potters Laborergebnisse noch nicht, deshalb können wir noch nicht sagen, ob auch er ein solches Beruhigungsmittel injiziert bekommen hatte. Wenn das jedoch auch bei ihm der Fall sein sollte, dann können wir davon ausgehen, dass der Mörder ein Arzt ist. Schlaftabletten bekommt jeder in der Apotheke, ein Anästhetikum jedoch nicht. Das würde den Kreis der möglichen Verdächtigen etwas einengen.“
„Was denken Sie, wie lange es dauert, bis wir die Blutuntersuchungsergebnisse vorliegen haben, Agent Scully? Die Zeit läuft uns davon.“ Doggett sah sie besorgt an.
„Keine Ahnung. Es hängt davon ab, wie viel im Labor zu tun ist“, antwortete sie. Im selben Augenblick begann das Faxgerät etwas auszudrucken und beide Agenten standen auf. Doggett entnahm der Maschine das Fax und überflog es, doch er erkannte nichts außer dem Absender.
„Wer sagt es denn“, lächelte er und gab Scully das Fax. „Es ist vom Labor.“
„Und keine Minute zu früh.“ Scully atmete tief ein und studierte die Analysen. Dann sah sie zu Doggett auf, der mit einem fragenden Blick auf eine Reaktion von ihr gewartet hatte. „Sieht so aus, als sollte ich mir Potters Leiche noch mal genauer ansehen. In seinem Blut wurden dieselben Wirkstoffe nachgewiesen, wie bei Kimberly. Er muss irgendwo einen Nadeleinstich haben.“ Doggett nickte zustimmend.

Einige Zeit später
Gerichtsmedizinisches Institut
Washington D.C.

„Agent Doggett, würden Sie mir bitte helfen ihn auf den Bauch zu drehen?“, bat Scully mit einem Blick auf den Leichnam.
Etwas widerwillig nickte ihr Partner, zog sich Latexhandschuhe an und drehte Jack Potters zusammen mit Scully auf den Bauch.
Nachdem sie sich seine Extremitäten, den Brust- und Bauchbereich gründlich angesehen hatte und keinen Einstich einer Nadel entdeckt hatte wollte sie sich jetzt die gesamte Rückenpartie genauer ansehen.
Doggett erschauderte ein wenig, als er die Kälte und Steife der Leiche selbst durch die Handschuhe fühlte. Bei der zweiten Autopsie anwesend zu sein, war schon etwas, dem er lieber aus dem Weg gegangen war, aber Scully hatte ihm versprochen die Leiche nicht zu öffnen, da sie es nicht für relevant ansah. Das was sie suchten, war ein Nadeleinstich, den man in der obersten Schicht der Epidermis fand und so hatte Agent Doggett sich bereit erklärt anwesend zu sein und sie gegebenenfalls zu unterstützen, wie es in diesem Augenblick erforderlich geworden war.
Scully drehte die Lampe über dem Metalltisch so, dass der Rückenbereich beleuchtet war, nahm sich ein Vergrößerungsglas zur Hand und suchte akribisch nach dem Einstich. Sie war fest davon überzeugt, dass es einen geben musste, denn in seinem Magen und auch im Verdauungstrakt hatte sie keine Spuren gefunden, die auf die Einnahme von Tabletten hinwiesen. Die Konzentration des Anästetikums war jedoch noch sehr gut nachweisbar gewesen, woraus sie schloss, dass Potters das Medikament erst kurze Zeit vor seinem Tod eingenommen, oder es verabreicht bekommen hatte. Sein Blutkreislauf hatte nicht viel Zeit gehabt, die Wirkstoffe abzubauen.
Abschnitt für Abschnitt untersuchte sie den Rücken und hielt mit einem Mal in ihrer Bewegung an. Im rechten unteren Bereich neben der Wirbelsäule schien etwas zu sein, das wie ein Nadeleinstich aussah.
„Sehen Sie sich das an, Doggett. Ich denke wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben.“
Er hatte auf der anderen Seite des Tisches gestanden, kam ihrer Aufforderung jedoch nach, umrundete den Untersuchungstisch und stellte sich neben Scully. Mit der linken Hand nahm er das Vergrößerungsglas und beugte sich etwas vor, um die Vergrößerung klarer sehen zu können. Es war ein sehr kleiner Einstich, für einen Laien kaum sichtbar, aber Scullys geschulter Blick und ihre Meinung genügten ihm, um ihr zu zustimmen. Sein Nicken und tiefes Durchatmen waren für sie Anlass genug, um zufrieden auszusehen.
„Okay, wir haben auch hier den Beweis für eine Injektion“, sagte er. „Wir können also definitiv davon ausgehen, dass es ein Arzt war. Nur wo sollen wir mit der Suche anfangen?“
Sie seufzte hörbar. „Wir müssen sämtliche Apotheken in DC prüfen, ebenso die Krankenhäuser. Jedes verschreibungspflichtige Medikament wird bei dem Verkauf oder Gebrauch im Computer verzeichnet, das ist Pflicht. Es könnte eine Weile dauern, aber wir werden den Kreis zunehmen einengen können und finden unseren Täter.“
„Dank Ihnen, Agent Scully.“ Ohne ihre gründliche Untersuchung, davon war Doggett überzeugt, wären sie noch lange nicht so weit in dem Fall. Sie hatte von Anfang an Recht gehabt und nun galt es den Mörder zweier FBI Agenten zu fassen. „Ich werde sofort ein Team zusammenstellen, damit jede Apotheke, jedes Krankenhaus und jeder Arzt gründlich durchleuchtet werden.“
„Okay, dann mache ich hier den Bericht fertig und schicke eine Kopie davon an Skinner.“
Doggett zog die Handschuhe aus, warf sie in den Müll und verließ den Obduktionssaal. Es gab noch viel Arbeit und immer noch schien ihnen die Zeit davon zu laufen.

***

Eine Stunde später saß Scully in ihrem Wagen, unterwegs zum Hauptquartier, als ihr Mobiltelefon klingelte und sie dran ging.
„Scully.“
„Die Teams sind eingeteilt“, berichtete Doggett. Er schwieg einen Moment bevor er fortfuhr. „Es gibt ein weiteres Opfer.“
„Was? Wer?“, wollte sie wissen und stoppte an einer rot gewordenen Ampel.
„Drew Baranger. Sie erschien heute Morgen nicht zum Dienst, und als ihr Partner nach ihr sehen wollte fand er sie tot in ihrem Apartment vor.“
„Wonach sah es aus?“, fragte Scully weiter, wandte den Blick jedoch nicht von der Ampel ab.
„Es sieht aus, als hätte sie sich vergast“, erklärte Doggett bedrückt. „In ihrem Apartment waren die Türen und Fenster verriegelt und abgedichtet und die Leitung des Gasherdes lag offen.“
„Wo sind Sie jetzt?“ Endlich wurde die Ampel wieder grün und Scully fuhr weiter.
„Ich mache mich gleich auf den Weg zu ihrem Apartment, um es mir genauer anzusehen.“
„Gut, dann treffen wir uns dort. In etwa zwanzig Minuten. Wo wohnte sie?“
„1457 Pennsylvania Avenue“, entgegnete er knapp und beendete damit das Gespräch.

Scully seufzte, als sie sich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt machte. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie in der Hauptstadt, dem Sitz des Präsidenten, der Oberschicht der Regierung ausgerechnet diese Stadt die höchste Kriminalrate haben konnte? Man sollte doch annehmen können, dass in einer Stadt wie Washington DC sämtliche Mittel genutzt werden, um die Einwohner zu schützen, doch dies war offensichtlich nicht der Fall. Wie war es möglich, dass eine FBI Agentin, die in der Nähe des Weißen Hauses lebte ermordet worden war? Und wer zum Teufel brachte es fertig einen Agenten nach dem anderen umzubringen, die im Hauptquartier beschäftigt waren?
Ein schrecklicher Gedanke überkam sie plötzlich und sie drückte etwas mehr aufs Gas. Denn wenn sich herausstellte, dass alle drei Agenten unter den Folgen des Verlassenwerdens gelitten hatten, dann musste es jemand sein, der die Personen auch auf dieser eher privaten Ebene kannte. Ein Maulwurf, jemand aus den eigenen Reihen.


Wenig später
1457 Pennsylvania Avenue.
Washington DC

„Wo finde ich Agent Doggett?“, fragte sie ein Mitglied des Spurensicherungsteams als sie den Tatort betrat. Von einem Selbstmord ging sie ebenso wenig aus, wie der Großteil des Bureaus.
„Er ist hinten im Schlafzimmer, dritte Tür rechts“, antwortete ihr der dunkelhäutige Mann und sie nickte.
Ohne Umschweife ging sie zwischen dem Agenten Andrang und den Mitgliedern der Spurensicherung durch, und betrat das Schlafzimmer.
Doggett war gerade dabei die Schubfächer einer Kommode zu durchwühlen, als sie sich neben ihn stellte und er zu ihr aufsah.
„Das ging aber schnell, Agent Scully.“
„Ja, ich bin etwas zu schnell gefahren“, gestand sie. „Mir kam unterwegs ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt. Es ist möglich, dass wir jemand aus den eigenen Reihen suchen.“
Interessiert musterte er seine Partnerin. „Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe mir diese Anschuldigung auf dem Weg hierher gründlich überlegt, aber ich bin mir ziemlich sicher.“ Agent Doggett nickte nur, abwartend, wie sie ihre Theorie erklären wollte. „Uns Agenten steht ein Hauseigener Psychologe zur Verfügung, und es ist nicht auszuschließen, dass Wang und Potters mit ihm über ihre privaten Gefühle gesprochen haben.“ Das reichte ihm nicht als Begründung, sie sah es an seinem Blick. Etwas zögerlich fuhr sie fort. „Dr. Liakou hat seit Mulders verschwinden immer großes Interesse an meinen Gefühlen gezeigt, fragte mich ständig, wie ich damit fertig werde.“
Darauf, dass Agent Scully einen Psychologen aufgesucht hatte, wollte Doggett jetzt lieber nicht näher eingehen, doch ihre Anschuldigung war ernst. Sie musste es beweisen können, und das möglichst ohne diese Beschuldigung vorher an die große Glocke zu hängen. Sie selbst und auch Dr. Liakou könnte beruflich Schaden davon tragen, wenn sie sich irrte. Doggett hoffte, dass sie noch etwas mehr vorzuweisen hatte, um ihre Theorie zu untermauern und sah sie fragend an.
„Wir brauchen dafür handfeste Beweise, Agent Scully“, sagte er flüsternd.
„Das ist mir durchaus klar und ich weiß auch, wie schwerwiegend meine Vermutung ist. Und mehr ist es derzeit noch nicht. – Ich werde auch an Drew Baranger eine Obduktion durchführen und nach Verbindungen zu den ersten Opfern suchen.“ Agent Doggett nickte zustimmend. „Bitte versuchen Sie in der Zwischenzeit herauszufinden, ob unsere Kollegen in der letzten Zeit Sitzungen bei Dr. Liakou hatten. Wenn alles so läuft, wie ich es mir erhoffe, dann brauchen wir ihm nur noch nachzuweisen, dass er das Beruhigungsmittel gekauft hat.“
„Ich lasse mir von den Apotheken eine Liste aller Käufer des Präparates heraussuchen und zuschicken. Wenn Sie recht haben, Agent Scully, dann…“
„Ich weiß, was das bedeuten würde“, entgegnete sie nachdenklich. „Wir treffen uns, sobald einer von uns etwas hat im Büro.“
„Einverstanden“, nickte Doggett abermals und beide machten sich auf den Weg.


15:28 Uhr
FBI-Hauptquartier
Washington DC

Sie schloss die Türe hinter sich zu und setzte sich Doggett gegenüber an den Schreibtisch. „Und?“, wollte sie wissen.
„Sie hatten Recht“, begann er und legte ihr einige Ausdrucke entgegen. „Sehen Sie hier“, bat Doggett und deutete auf eines der Blätter, „Dr. Liakou hat tatsächlich mehrmals ein Präparat mit den Wirkstoffen Fentanyldihydrogencitrat und Droperidol gekauft. Und hier“, er legte ihr drei weitere Dokumente vor, „unsere drei Opfer waren seit einiger Zeit bei ihm in Behandlung“.
„Sieht so aus, als hätten wir ihn. Denn ich habe auch in Drews Barangers Blut dieselben Substanzen gefunden, ebenso wie einen Nadeleinstich in ihrem Linken Armgelenk.“ Einen Augenblick schwieg sie und meinte dann: „Jetzt müssen wir es Skinner sagen und uns einen Haftbefehl holen.“

***

„Sir, ich bin mir der Tragweite der Anschuldigung durchaus bewusst -, aber Agent Doggett und ich haben unwiderlegbare Beweise.“
Es dauerte einige Minuten, bis Assistant Director Skinner sich sämtliche Unterlagen durchgelesen hatte, die die Beweise enthielten und sah dann letztlich zu seinen beiden Agenten auf, die ihm gegenüber saßen. „Alles was uns jetzt noch fehlt ist das Motiv, aber das bekommen wir auch noch aus ihm heraus, wenn wir ihn verhören“, sagte Skinner und sah die Beiden zufrieden an. „Das war sehr gute Arbeit.“
Wie aus einem Mund bedankten Doggett und Scully sich bei ihrem Vorgesetzten und standen dann auf, um ihren Verdächtigen zu verhaften.

Scully wollte gar nicht daran denken, dass sie anstatt Baranger das nächste Opfer hätte sein können, wenn Doggett nicht darauf bestanden hätte bei ihm zu übernachten, wo sie sicher war. Denn lediglich Dr. Liakou wusste wie viel sie tatsächlich für Mulder empfand und wie schwer es ihr zuweilen fiel die Arbeit ohne ihn fortzusetzen.

***

„Haben Sie einen Termin?“, wollte die Sekretärin wissen und sah Scully und auch Doggett fragend an.
„Nein“, gab Scully zurück und sah Doggett an, der der Sekretärin kurzerhand den Haftbefehl zeigte.
Ohne auf weitere Reaktionen zu warten betraten sie das Arbeitszimmer Dr. Liakous, der gerade eine Sitzung abhielt.
„Können Sie nicht anklopfen!“, erboste sich der Arzt und erhob sich aus seinem Stuhl. Agent Garcia stand ebenfalls von seinem Platz auf und fühlte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, da man ihn hier ebenfalls überrascht hatte.
„Dr. Liakou, Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwandt werden“, verlas Agent Doggett ihm seine Rechte, während diesmal Scully den Haftbefehl vorzeigte.
„Was wird mir vorgeworfen?“, fragte der Angeklagte unschuldig.
„Dreifacher Mord von FBI Agenten“, erwiderte Scully kühl und bedeutete Agent Garcia an den Raum zu verlassen. „Wir haben stichhaltige Beweise. Sie können Ihren unschuldigen Blick also sein lassen.“
Während Agent Doggett ihm Handschellen anlegte fragte er: „Mich würde ja noch das Warum interessieren?“
„Warum?“, wiederholte Dr. Liakou fassungslos. „Weil diese Menschen gelitten haben und ich sie von ihrem Leid befreien wollte. Nichts ist schmerzlicher für die Seele, als den Menschen zu verlieren, den man am meisten geliebt hat.“ Er sah Doggett ernst an. „Schauen Sie sich doch nur mal ihre Partnerin an, die auch nach Monaten immer noch auf meine Behandlung angewiesen ist und über Mulders Verschwinden nicht hinwegkommt.“
Aus einem Reflex heraus sah Doggett tatsächlich zu Scully, deren Gesichtsausdruck verriet, dass sie wütend war. Wütend weil ihr Arzt seine Schweigepflicht wohl bewusst nicht mehr eingehalten hatte, um sie bloßzustellen. Sie funkelte ihn mit einem Blick an, der keine weiteren Worte bedurfte.
„Sie wird darüber hinwegkommen, machen Sie sich da mal keine Sorgen. Sie wird es aus eigener Kraft heraus schaffen und nicht, weil sie ihr das Leben nehmen, wie den anderen. Die Zeit heilt alle Wunden, das ist eine Erfahrung, die ich selbst schon gemacht habe. Und Agent Scully ist stark genug, um es ohne die Hilfe eines Mannes wie Ihnen zu schaffen, der sich einbildet, dass er etwas Gutes tut, wenn er mordet“, sagte Doggett, seine Partnerin verteidigend, die im Augenblick kein Wort hervor brachte. „Aber darüber werden Sie im Gefängnis nachdenken können.“

***

„Sie hätten mich nicht verteidigen müssen, Doggett.“ Scully sah ihn kurz an, als sie wieder auf dem Weg in das Erdgeschoss waren.
Er ging hinter ihr die Stufen hinab, blieb jedoch stehen und wandte sich zu ihr. „Es war wie ein Reflex. Es tut mir leid, wenn Sie dadurch unwohl fühlten.“
„Das nicht direkt.“ Sie lächelte leicht. „Ich war nur überrascht, das ist alles. Ich danke Ihnen, für alles, was Sie während des Falls für mich getan haben.“
„Sie müssen mir nicht danken, Agent Scully. Sie sind mein Partner und es ist meine Pflicht auf Sie aufzupassen und Ihnen den Rücken zu decken, egal ob physisch oder psychisch.“
Scully nickte und legte Doggett für eine Sekunde die Hand auf die Schulter, dann setzten sie ihren Weg fort. „Ich bin nur froh darüber, dass ich heute Nacht wieder nachhause kann und wir dem Morden endlich ein Ende gesetzt haben.“
„Das bin ich auch“, stimmte er zu und nahm die Schlüssel zum Büro aus der Hosentasche. Es bedeutete ihm sehr viel, dass es ihm gelungen war seine Partnerin davor zu bewahren eines der Opfer zu sein, denn er wusste nur zu gut, was es hieß einen langjährigen Partner und Freund zu verlieren. Und gerade jetzt, wo sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen aufgebaut hatte und sie ihm endlich vertraute, wollte er sie auf keinen Fall verlieren. Sie war seit Jahren der beste Partner, den er sich hatte wünschen können und er hoffte, dass ihre Zusammenarbeit noch eine Weile anhalten würde.


ENDE


Lasst mich wissen, wie euch die Story gefallen hat. :)

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