World of X

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Hidden Emotions

von XFilerN

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Er hatte ihr das Leben gerettet. Agent Doggett war an diesem Tag ihr Held und das obwohl die letzten Tage sicherlich keine leichten für ihn gewesen waren. Wäre er nicht in letzter Sekunde gekommen, um die Frau zu entwaffnen, die Agent Reyes’ Leben bedroht hatte, so würde sie jetzt mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht in diesem Krankenhauszimmer liegen, sondern in einer Leichenhalle.



Der Schlag auf den Kopf hatte ihr eine leichte Gehirnerschütterung, verbunden mit stechenden Kopfschmerzen eingebracht, doch zum Glück, das versicherten ihr die Ärzte, hatte sie keine bleibenden Nachwirkungen. Es würde vorbei gehen und in einer Woche würde sie wieder nach New Orleans fliegen und zurück an ihren Arbeitsplatz, zurück zu ihrer Familie kehren können.



Seit sie hier lag, das war jetzt ein Tag, hatte ihre Mutter schon vier Mal angerufen und sich nach dem Befinden ihrer einzigen Tochter erkundigt. Mit einem Lächeln hatte Monica ihr mehrfach versichern müssen, dass sie bald wieder auf den Beinen sein würde und ihre Mutter letztlich wieder erfolgreich abgewimmelt, doch sicherlich nicht auf Dauer.



Vorsichtig rieb sie den Verband, der rings um den oberen Teil ihres Kopfes gebunden war. Das Jucken schien kein Ende nehmen zu wollen und am liebsten hätte sie sich dieses verdammte Ding abgenommen. Was sollte dieser Verband auch schon bewirken? Sicherlich würde ihre Gehirnerschütterung davon auch nicht schneller vorbeigehen. Monica verdrehte die Augen und seufzte tief.



Die letzten Tage hier in DC waren mehr als nervenaufreibend gewesen, nicht zuletzt deshalb, weil sie den berühmt berüchtigten Agent Spooky Mulder endlich einmal persönlich kennen gelernt hatte. Durch ihr eigenes Interesse an Fällen wie den X-Akten hatte sie seine Arbeit jahrelang verfolgt und war zu einigen verschiedenen Veranstaltungen gegangen, deren Themen-Schwerpunkt stets auf außerirdischen Leben und UFOs gelegen hatte.



Nie war sie ihm aufgefallen, wenn sie unter den Zuhörern gesessen und sich seine Theorien angehört, ja sich sogar Notizen davon gemacht hatte. Doch anders als Agent Mulder gab es da eine kleine Stimme in ihrem Innern, die immer darauf beharrte, dass sie an nichts glauben sollte, solange sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Sie war aufgeschlossen, ja, aber keine Gläubige wie Mulder. Zumindest war sie es nicht, bis sie ihn damals auf der kleinen Lichtung, inmitten des Nirgendwo gefunden hatte – tot.



Es hatte ihr das Herz zerrissen als sie die Angst und Verzweiflung in Scullys Augen gesehen hatte, ihren eigentlich schon sinnlosen Versuch den Mann zu retten, der selbst zum Beweis seiner Theorie geworden war. Und es hatte ihr erst recht wehgetan, als sie in Johns Augen sah, dass er durch das unglücklich verlaufene Ende der Suche nach Agent Mulder an das erinnert worden war, das ihn vor wenigen Jahren beinahe gebrochen hatte.



Niemand konnte Scully Schmerz besser nachempfinden als John und wieder einmal war es Monica gewesen, die hilflos daneben stehen und machtlos hatte mit ansehen müssen, wie erneut für einen Menschen eine ganze Welt in Scherben lag.

Als das unerwartete geschehen war und Mulder wie der Phoenix aus der Asche wieder von den Toten auferstanden war, hielt sie den Anruf von John Doggett für einen schlechten Scherz.



Nur er wusste durch die Freundschaft, welche die beiden seit Lukes Ableben verband, welche Gefühle Reyes Mulder entgegen brachte. Doggett verstand, dass Monica sich nicht zwischen Mulder und seine ehemalige Partnerin Scully drängen wollte, denn er wusste, was es bedeutete jemandem unerwiderte Liebe entgegen zu bringen. Ihre Freundschaft glich mehr einer Geschwisterliebe, und so telefonierten sie regelmäßig und unterhielten sich über das Leben, die Arbeit und auch über die Liebe.



Nachdem Reyes Doggett davon erzählt hatte, dass sie glaubte insgeheim verliebt zu sein, in einen Mann mit dem sie noch niemals persönlich gesprochen hatte und den sie bislang nur drei, vielleicht vier Mal aus der Ferne gesehen hatte, dass sie ihn für seine Arbeit, seine Kraft und seinen Einsatz bewunderte, da begann er erstmals von dieser neuen Partnerin zu sprechen.



John hatte ihr erzählt, dass er vermutete Scully und Mulder hätten ein Verhältnis zueinander gehabt, da hatte Monica es erstmals gespürt, das Gefühl von Eifersucht. Es brannte sich in ihr Herz und sie schluckte schwer am anderen Ende der Leitung. Und mit jeder Sekunde in der sie geschwiegen hatte, war es Doggett bewusster geworden, dass Mulder der Mann war, von dem sie immer gesprochen hatte.



Es kam eins zum anderen und sie schütteten sich gegenseitig das Herz aus, sprachen sich aufbauende Worte zu, und das obwohl es ihnen mehr als bewusst gewesen war, dass keiner von beiden je die Chance haben würde diese Gefühle zu offenbaren. Sie schlossen eine Art Pakt ab, versicherten sich gegenseitig, dass sie ihre wahren Gefühle niemals über die Arbeit stellen würden und niemand sonst es jemals erfahren würde.



Agent Reyes atmete tief die frische Luft ein, die durch das schräg gestellte Fenster zu ihr drang und seufzte abermals.

Sie hatte es geschafft näher als jemals zuvor an Agent Mulder heranzukommen, doch John war letztlich das Leid tragende Opfer geworden, da er dieselbe Hölle wie vor knapp drei Jahren erneut hatte durchmachen müssen. Bis zu dem Tag, an dem sie und einige Kollegen Luke auf der Lichtung eines abgelegenen Waldes gefunden hatten, mit dem Gesicht auf dem Boden, der kleine zerbrechliche Körper von Blutergüssen und Kratzern gebrandmarkt, hatte sie niemals einen erwachsenen Mann derartig weinen sehen.



Zuerst hatte John regungslos dagestanden und es nicht gewagt in Lukes Nähe zu kommen. Aus Angst, wie Monica annahm, Angst davor die Beherrschung vor all seinen Kollegen zu verlieren, aus Angst vor der Realität, da sein schrecklichster Alptraum wahr geworden war. Dann hatte er sich langsam dem leblosen kleinen Körper genähert, war neben ihm in die Knie gesunken und zog ihn an sich, hielt und wog das leblose Kind. Es folgte ein Aufschrei aus tiefster Verzweiflung, Schmerz und Kummer, der letztlich in einem herzzerreißenden Schluchzen verklang.



Gerade in dem Augenblick als Monica sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte, die bei der Erinnerung an diesen Tag aufgekommen waren, betrat eine Krankenschwester das Zimmer und brachte ein Tablett mit dem heutigen Mittagessen herein.

„Danke“, war alles was Reyes zu ihr sagte, bevor sie das Krankenzimmer wieder verließ, um sie mit ihren Gedanken allein zu lassen.



Langsam hob sie den Deckel hoch und begutachtete argwöhnisch das Essen. Nudeln, etwas Soße und ein kleines Stück Fleisch, dazu etwas Gemüse. Wer sollte denn von solch kleinen Portionen satt werden? Monica schüttelte den Kopf. Dann fiel ihr Blick auf eine kleine Schale, mit braunem Inhalt und ein Lächeln zeichnete sich auf ihr Gesicht. Pudding, Schoko-Pudding! Ohne das wirkliche Mittagessen eines weiteren Blickes zu würdigen nahm sie sich den Löffel vom Tablett und begann den Pudding zu essen.



Keine zwei Minuten nachdem die Krankenschwester gegangen war klopfte es erneut an ihrer Tür, doch diesmal war Agent Reyes freudig überrascht. Mulder kam herein, die Hände hinter dem Rücken und mit einem schüchternen Lächeln.



„Doggett hat mir erzählt was passiert ist. Wie geht es Ihnen, Agent Reyes?“



Schnell schluckte sie den Pudding hinunter und stellte das Schälchen auf das Tablett vor sich zurück. „Ich fühle mich gut genug, um wieder Nachhause zu fliegen, aber die hier sind anderer Ansicht“, gab sie mit einem erwidernden Lächeln zurück.



„Sie mögen Pudding?“, fragte er nach einem verstehenden Nicken und zeigte auf die leere Schale.



Reyes konnte spüren wie ihr die Röte ins Gesicht schoss und sie sich vorstellte, welchen Eindruck er jetzt wohl ihr haben mochte. Doch wie üblich überspielte sie die Verlegenheit mit einem breiten Grinsen. „Ja, sehr sogar.“



Bei diesen Worten nahm Mulder den rechten Arm hinter dem Rücken hervor, auf dem ein weiteres Schälchen Pudding in seiner Hand lag. Er wackelte mit den Augenbrauen und reichte es ihr. „Für Scully muss ich auch immer ein zweites Schälchen klauen. Irgendwie haben das Frauen wohl gemeinsam und ich hatte gehofft, dass Sie ebenso auf den Nachtisch stehen, wie sie.“



„Der Nachtisch ist ja auch das einzige, das ohne Bearbeitung aus dem Supermarkt und nicht aus der Diätküche des Krankenhauses stammt“, erwiderte sie mit einem Zwinkern und nahm dankbar den Pudding an. „Wie geht es Agent Scully inzwischen?“



„Sie wird morgen entlassen. Also schon wesentlich besser.“ Die Erleichterung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, ebenso wie die Gefühle, die er Scully entgegenbrachte.



Reyes nickte. „Freut mich zu hören.“



Für einen kurzen Moment kam eine unangenehme Stille auf, die Mulder jedoch geschickt ausräumte. „Darf ich Sie etwas fragen, Agent Reyes?“



„Sicher.“



„Wie haben Sie das gemeint, dass das FBI wenigstens eine aufgeschlossene Person benötigt? – Ich bin aufgeschlossen, sehr sogar und …“



Abermals lächelte Monica und unterbrach Mulder, bevor er zu Ende sprechen konnte. „Sie haben sich verändert, Agent Mulder. Früher hätten Sie meine Aussage nicht so leicht abgetan und zwischenzeitlich hatte ich die Gelegenheit Agent Scully näher kennen zu lernen. Sie schien mir plötzlich aufgeschlossener als Sie. Es ist als hätten Sie beide die Körper getauscht, verstehen Sie?“



„Um ehrlich zu sein, im Moment bin ich nicht scharf drauf in Scullys Haut zu stecken“, erwiderte Mulder scherzhaft. „In wenigen Wochen wird sie ein Kind zur Welt bringen und das will ich auf keinen Fall durchmachen müssen.“ Er nach einigen weiteren Augenblicken Stille schien bei Mulder der Groschen zu fallen. Monica konnte es deutlich in seiner Mimik sehen, dass er erst jetzt realisierte, worauf sie angespielt hatte. „Früher?“, fragte er plötzlich, allerdings mehr sich selbst als Reyes.



Sie nickte. „Ich habe Ihre Arbeit seit Jahren verfolgt, eigentlich schon bevor ich zur Akademie kam.“ Unmittelbar nachdem Monica ausgesprochen hatte wurde ihr bewusst, dass das eben geklungen haben musste, als ob Mulder im Vergleich zu ihr alt war. So als ob er schon zu den Rentnern unter den Agenten gehörte und sie zu den Frischlingen. „Was ich damit sagen will“, versuchte sie den Schritt ins Fettnäpfchen wieder gut zu machen, „ich habe Ihre Arbeit immer bewundert, ich bewunderte Sie.“



„Sie sprechen in der Vergangenheitsform, also tun Sie es nicht mehr, Agent Reyes?“, fragte Mulder leicht irritiert, aber im Scherz, wie es so seine Art war. Es schien ihn jedoch zu interessieren, ob sie ihn immer noch bewunderte oder nicht.



„Das tue ich immer noch, Agent Mulder. Da wo Sie jetzt sind, will ich auch eines Tages hin.“ Innerlich fasste Monica sich an den Kopf und trat sich selbst in den Hintern. Was dachte Mulder jetzt wohl von ihr? Er musste sie für eine Halbwüchsige halten, einen Teenager, verknallt in den Lehrer. Gott, sie wünschte sich, dass sich ein riesiges Loch im Boden auftun und sie verschlingen würde. Vielleicht war es besser von nun an den Mund zu halten.



Doch anders als erwartet schien es Mulder zu gefallen, dass sie ihm eben mehr oder weniger gestanden hatte, dass er ihr großes Vorbild, ihr Held war und gleichermaßen schien es ihn zu bedrücken. „Sie wollen aber doch sicherlich nicht meine Erfahrungen der letztes Monate haben, oder?“ Reyes schüttelte energisch den Kopf. „Das dachte ich mir“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.



Ohne es zu wollen hatte Reyes ihre sonst so professionelle Maske fallen lassen und ohne es beabsichtigt zu haben drängte sich ihr das erschreckende Gefühl auf, als stünde sie nackt vor Mulder, der ihren Anblick in sich sog. Tatsächlich schien es ihm zu zusagen, wenn man ihm etwas Honig um den Mund schmierte und nur allzu gern würde sie diejenige sein, die diesen von seinen Lippen lecken würde.



Wieder war diese Stille zwischen ihnen eingekehrt und mit einem Mal wurde Reyes sich dessen bewusst, dass sie gerade dabei war Mulder anzustarren, genauer gesagt seine Lippen und sie war außerstande etwas dagegen zu tun. Sie versuchte Doggett ins Gedächtnis zu rufen, als eine Art mentale kalte Dusche, doch es wirkte nicht.



„Alles in Ordnung?“, riss Mulders Stimme sie plötzlich zurück in die Wirklichkeit, zurück in die harte, kalte und grausame Realität in der sie ihm niemals näher kommen würde. Nicht solange sein Herz an Scully hing.



„Ja, es geht mir gut.“



Sie bemerkte wie sich seine Augen bei diesen Worten weiteten und sah ihn etwas fragend an.



„Scully hat das auch immer gesagt, und die Erfahrung hat gezeigt, dass diese wenigen Worte meist mit einer Lüge verbunden sind“, sagte er mit sanfter Stimme. „Geht es Ihnen wirklich gut?“



Ihr Gesichtsausdruck musste sich unbewusst verändert haben, sodass Mulder zu der Annahme gekommen sein musste, dass es ihr eben nicht gut ging. Wie denn auch? Unerwiderte Liebe konnte ein schreckliches Gefühl der Leere hinterlassen, insbesondere dann, wenn man der Person unmittelbar gegenüber saß, der man so gerne die Gefühle offenbaren würde. „Wirklich, es ist alles in Ordnung.“



„Ich schätze Sie brauchen etwas Ruhe. Nur essen Sie schnell den Pudding, bevor die Schwester bemerkt, dass sie einen zuviel haben.“ Wieder lächelte er sie an. „Wenn es recht ist, dann sehe ich morgen wieder nach Ihnen, bevor ich Scully abhole und Nachhause fahre?“



„Das wäre schön“, entgegnete Reyes mit gemischten Gefühlen und zwang sich zu einem Lächeln. Sie würde ihn bald wieder sehen, doch vielleicht auch nur deshalb, weil er Scully abholen kam und ohnehin hier im Krankenhaus sein würde.



„Bis morgen dann“, sagte er mit sanfter Stimme und legte ihr zum Abschied einen kleinen Moment die Hand auf ihre Schulter. Dann verließ er das Zimmer und ließ sie allein. Allein mit den Gedanken an ihn.





Ende
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