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Farewell

von XFilerN

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Sie saßen sich gegenüber in dem kleinen Kellerbüro und keiner brachte ein Wort hervor. Es war als hinge eine dunkle Wolke über den Beiden. Sie wussten, dass es keine Alternative gab, keine die Agent Scully in Betracht ziehen würde. Sie musste das FBI verlassen, für das Baby und für sich selbst. Seit mehr als sieben Jahren hatte sie sich für die X-Akten aufgeopfert, hatte ihr Privatleben auf kleine Familientreffen beschränkt und nun wurde es Zeit für sie all die verlorenen Jahre nachzuholen.



Deputy Director Kersh hatte dafür gesorgt, dass nun ganz allein Agent Doggett die Leitung der X-Akten hatte und Mulder wurde ihm schlichtweg unterteilt, diente als Lückenfüller für Scully. Zwar hatte sie bislang nur den Mutterschaftsurlaub eingereicht, um die ersten drei Monate einzig und allein für ihr Baby da zu sein, doch ob daraus vielleicht auch ein Erziehungsurlaub werden könnte oder ob es ihr endgültiger Abschied vom FBI sein würde, stand noch in den Sternen. Sie wusste selbst noch nicht, wie es nach den ersten drei Monaten weitergehen sollte.



Immer wieder hatte Agent Scully sich gefragt, was aus Mulder werden würde, für den Fall, dass sie sich entschließen würde doch wieder zurückzukehren? Würde man ihn versetzen, ihm den Zugriff auf die X-Akten verwehren? Oder würde man sie versetzen? Würde man sie nicht mehr auf die Straße lassen, um sicher zu gehen, dass sie keiner Gefahr ausgesetzt werden würde? Wäre ein Schreibtischjob befriedigend nach allem was sie bisher geleistet hatte? Nein, das wäre nichts für sie.



Auch war es möglich, dass Assistant Director Skinner seine Beziehungen spielen lassen könnte, sodass Mulder und sie wieder die X-Akten allein zu betreuen hatten. Obwohl diese Option sehr unwahrscheinlich war, doch was würde dann aus Agent Doggett werden? Würde er so vielleicht wieder mehr Anerkennung vom Bureau erhalten, würde er dann eher die Chance auf eine Beförderung bekommen? Dass die Arbeit an den X-Akten es einem nicht ermöglichen die Karriereleiter aufzusteigen, war ja nun kein Geheimnis mehr. Da würden auch keine Belobigungen weiterhelfen. Wie ein Fluch lasteten die mysteriösesten Fälle des FBI auf jedem, der damit zu tun hatte.



Sie würde die Zukunft der X-Akten ohnehin nicht beeinflussen können oder die Karrieren ihrer beiden ehemaligen Partner. Es lag in Doggetts und Mulders Händen, wie sie damit umgehen würden. Darüber durfte Scully sich nun wirklich nicht mehr den Kopf zerbrechen. Sie hatte sich fest vorgenommen, dass, wenn sie dieses Büro hinter sich lassen würde, sie es auch in ihrem Geist hinter sich lassen würde; abzuschalten, das Leben genießen und glücklich zu sein.



Langsam stand sie auf und schob den Drehstuhl an den Schreibtisch zurück. Agent Doggett schwieg immer noch, so als ob er versuchen würde, das Unvermeidliche, den Abschied hinauszuzögern. In dem knappen dreiviertel Jahr ihrer Partnerschaft hatte sie tatsächlich gelernt ihn zu respektieren und ihm zu vertrauen. Sie hatte seine Fähigkeiten schnell erkannt und sie war bereit ihm die Führung der X-Akten zu überlassen, ganz im Gegensatz zu Mulder – aber dies war ein anderes Thema. Er würde niemals akzeptieren, dass irgendjemand außer ihm Herr in diesem muffigen kleinen Kellerbüro sein würde.



„Agent Doggett“, begann sie schließlich, doch ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er stand ebenfalls von seinem Platz auf und kam auf sie zu. Er lächelte gequält und verzog die Lippen zu einer schmalen Gerade. Sie atmete tief durch. „Es ist Zeit. Ich habe schon seit fünf Minuten Feierabend und...“ Er nickte und räusperte sich.

Nachdenklich nahm Scully ihre Jacke von der Stuhllehne zog sie an und griff in die linke Tasche. Mit einem Lächeln auf den Lippen nahm die den Gegenstand heraus, den sie für Doggett mitgebracht hatte.



Es war schon Jahre her, seit sie diesen Anhänger von Mulder zu ihrem Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Für sie war es ein Zeichen der Freundschaft, der Partnerschaft, des Vertrauens – doch Mulder hatte ihn ihr einfach geschenkt, weil er der Ansicht gewesen war, dass er cool sei. Zumindest hatte er ihr dies damals gesagt, nachdem sie alles Mögliche in diesen Schlüsselanhänger hinein interpretiert hatte. Sie ging aber dennoch davon aus, dass sein Kommentar nur die Folge ihres Monologes war, sie hatte alles gesagt, sodass keine weiteren Worte mehr nötig waren.



„Den möchte ich Ihnen schenken, John.“ Mit Absicht hatte Scully ihn beim Vornamen genannt, um die Geste des Geschenks zu untermauern, um ihm zu zeigen, dass sie die Zusammenarbeit mit ihm wirklich genossen hatte und dass er ihr sowohl als Partner, wie auch als Freund fehlen würde. Ja, sie hatte freundschaftliche Gefühle für ihn entwickeln können während der vergangenen Monate.

Sie reichte ihm den Schlüsselanhänger und er nahm ihn etwas unsicher entgegen.



„Apollo 11“, las er die Inschrift des Anhängers leise vor und blickte von dem kleinen Geschenk in seiner Hand zu Scully auf. „Für was bekomme ich den?“, fragte er und schaute wieder in seine Hand.



Vorsichtig trat Agent Scully noch einen Schritt näher zu ihm und legte ihre Hand in seine, in der der Anhänger lag. „Er soll Sie immer an unsere Partnerschaft erinnern, an unsere gemeinsame Zeit, an das Vertrauen welches wir beide uns hart erarbeiten mussten... – Ich weiß, dass ich es Ihnen anfangs nicht leicht gemacht habe, John, aber Sie haben sich nicht abschrecken lassen und mir gezeigt, dass Sie das Vertrauen wert sind, das ich in Sie gesetzt habe. Sie sind ein sehr guter Agent und waren mir eine große Stütze.“ Agent Doggett schluckte einwenig und biss sich auf die Lippe, dann nickte er anerkennend. Sie lächelte ihn an und er erwiderte es nach einem Augenblick.



Aus einem Impuls heraus nahm Agent Doggett sie in die Arme und drückte sie sanft an sich. Eine solche Geste hatte sie nicht von ihm erwartet. Reserviertheit passte zu ihm, aber nicht eine solch ... gefühlvolle Geste. Vielleicht, so kam es Scully in den Sinn, fürchtete er sich davor, dass er mit Mulder kein solch gutes Verhältnis, keine solch stabile Partnerschaft würde aufbauen können.

Ihr Blickfeld verschwamm als sie seine Umarmung erwiderte und sich dem Moment, dem Gefühl der Geborgenheit und Wärme hingab, die sie empfand. Dann löste sie sich von ihm und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, die sie nicht hatten zurückhalten können und zwang sich zu einem Lächeln.



„Danke für alles, John.“



„Ich danke Ihnen, Agent Scully“, entgegnete er. Sie hatte nicht damit gerechnet und dachte sich auch nichts dabei, aber plötzlich nahm Doggett ihren Kopf in seine beiden Hände und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Zunächst schien es einfach eine weitere freundschaftliche Geste der Zuneigung, doch der Kuss, wenn auch nur auf die Lippen, dauerte etwas zu lange um harmlos zu sein, bedeutungslos. Ein seltsames Kribbeln, gefolgt von einem angenehm warmen Schauer durchflutete sie und Scully spürte an ihrer Wange, dass er immer noch den Anhänger in der Hand hatte. Im Gegensatz zu dem Kuss war das Metall erschreckend kühl.



Das Zuschlagen der Bürotür ließ sie augenblicklich erschrocken auseinander fahren und in die Richtung blicken, von wo das Geräusch gekommen war. Mit einem Mal fühlte Scully sich als würde ihr jemand den Hals zuschnüren, um sie langsam und qualvoll ersticken zu lassen. Mulder stand in der Tür und musterte sie und Doggett mit einem Blick, der leicht in die Kategorie Eifersucht einzustufen war. Sie schloss die Augen und atmete tief durch.



Agent Doggett räusperte sich und schob den Anhänger in die Hosentasche. „Agent Mulder“, grüßte er seinen zukünftigen Partner kühl, der lediglich die Augen zusammenkniff und ihm keine weitere Beachtung schenkte.



Scully fühlte sich als hätte sie Mulder betrogen, doch im Grunde brauchte sie sich keiner Schuld bewusst sein. Auch er hatte sie schon einmal aus reiner Freundschaft geküsst, länger als üblich, aber rein platonisch. Oder hatte er das anders empfunden? Scully wusste es nicht und sie wollte jetzt auch nicht länger darüber nachdenken. Sie musste aus dieser peinlichen Situation heraus und das schnell.



„Mulder, Sie sind zu spät“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.



Er schüttelte den Kopf und warf einen eiskalten Blick in Doggetts Richtung. „Ich habe draußen im Wagen auf Sie gewartet. Aber Sie wurden ja, wie ich sehen konnte, aufgehalten.“



Seine spitze Bemerkung überhörend machte sich Scully daran den kleinen Karton zu nehmen, indem einige ihrer persönlichen Gegenstände verstaut waren, die sie in den knapp acht Jahren im Büro gelassen hatte. Mit einigen großen Schritten war Mulder bei ihr und nahm ihr die Kiste ab, dann gingen sie beide auf die Tür zu.



Noch einmal wandte sich Scully zurück und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, der zunächst an Mulders ‚I want to believe’ Poster stoppte und dann an Agent Doggett hängen blieb.



Wieder nickte er ihr zu. „Sie werden doch wiederkommen, nicht wahr, Agent Scully?“ Er hätte diese Frage nicht laut aussprechen müssen, denn sie stand ganz deutlich in seinem Blick.



Sie rang sich erneut ein Lächeln ab, bemühte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie nur ungern ging, versagte dabei aber kläglich.

„Kommen Sie, Scully?“, fragte Mulder etwas lauter als er bereits am Fahrstuhl auf sie wartete.



„Ja, ich bin unterwegs“, rief sie zurück und wandte sich nochmals an Agent Doggett. „Auf Wiedersehen, John.“ Seinem Blick nicht länger standhalten könnend, schloss sie die Bürotür hinter sich und ging zu Mulder hinüber.



„Was sollte das denn bedeuten?“, erkundigte er sich. Ihr war bewusst, dass er den Kuss meinte und es schien ihm auch völlig gleichgültig zu sein, dass er sehr eifersüchtig gewirkt hatte. Selbst Doggett konnte das nicht entgangen sein, denn dafür musste man Mulder nicht lange kennen.



„Das war eine rein freundschaftliche Geste, Mulder. Ein Abschied, mehr nicht.“ Leicht irritiert durch den Kuss und Mulders anschließender Reaktion schüttelte Scully den Kopf und trat in den Fahrstuhl.



„Ja sicher, rein freundschaftlich“, wiederholte Mulder sarkastisch. „Was sonst.“



Die Tür schloss sich hinter ihnen und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Es war vorbei, sie verließ das Bureau. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass es besser für alle Beteiligten sein würde, wenn sie nie wieder hierher zurückkehren würde.



Ende
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